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Sie planten einen scherzhaften Rollentausch, doch daraus wurde tödlicher Ernst: Einen Abend lang will Melina Lloyd ihrer Zwillingsschwester Gillian den Platz an der Seite von Christopher Hart, Astronaut und Medienliebling, überlassen. Doch am Morgen erwartet sie eine schockierende Nachricht, denn ihre Schwester wurde grausam ermordet. Es gibt nur einen Weg, den Täter aus der Reserve zu locken: Sie muss Christopher Hart, der Polizei – und dem Mörder – einreden, dass aus Versehen die falsche Schwester getötet wurde ...
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Seitenzahl: 678
»Bussi, Bussi.« Melina Lloyd gab ihrer Zwillingsschwester in Wangenhöhe zwei Luftküsse. »Ich habe einen italienischen Weißwein bestellt. Trocken, leicht und überhaupt nicht süß; im Gegensatz zu dem Kellner, der ihn empfohlen hat. Wenn man vom Teufel spricht – Da kommt er schon.«
Gillian nahm ihr gegenüber Platz. Als der Kellner ihren Pinot Grigio servierte, schüttete er sich etwas davon über die Hand, weil sein rasierter Kopf zwischen den beiden nicht mehr zur Ruhe kam. »Du lieber Himmel!«
»Wir sind eineiig«, sagte Gillian und ersparte ihm damit jede weitere Frage.
»Ich bin sprachlos. Diese Ähnlichkeit macht einen ja völlig perplex.«
Melina lächelte ihn eisig an. »Meine Schwester würde gerne etwas zu trinken bestellen. Wenn’s beliebt.«
Ihr Unterton, so trocken wie der Wein, ließ ihn aufhorchen. »Gewiss«, sagte er, wobei er fast die Hacken zusammengeknallt hätte. »Verzeihung, Verzeihung. Madame?«
»Ein Wasser, bitte, mit viel Eis und einer Limettenscheibe.«
»Ich bin prontomente wieder da, mit Ihrem Getränk, und dann erzähle ich Ihnen auch, was es heute Besonderes gibt.«
»Ich kann’s kaum erwarten«, stieß Melina zwischen den Zähnen hervor, während er davonschwebte.
Flüsternd beugte sich Gillian vor: »Ist prontomente ein echtes Wort?«
»Ist perplex eins?«
Beide mussten lachen. »Wie schön, dass ich dich lächeln sehe«, meinte Gillian. »Als ich hereinkam, hast du ein derart mürrisches Gesicht gezogen, als wolltest du gleich losfauchen.«
»Ich bin tatsächlich ein bisschen angesäuert«, gab Melina zu. »Ich musste heute Morgen einen Autor zum Flughafen fahren, damit er noch rechtzeitig seinen Flug um fünf Uhr achtundfünfzig erwischt. Fünf Uhr achtundfünfzig! Manche Presseabteilungen buchen solche Flüge zu nachtschlafender Zeit nur, um uns Medienbegleiter zu provozieren.«
»Und wer war dieser Frühaufsteher? Jemand Interessantes?«
»Hab’ ihren Namen vergessen. Ein Debüt. Kinder sind wie Haustiere. Untertitel: Eine verblüffende Erziehungsmethode.«
»Zweijährige, die auf Kommando Sitz machen und bellen?«
»Keine Ahnung. Ich hab’s nicht gelesen. Im Gegensatz zu etlichen anderen. Steht zur Zeit auf Platz drei der New York Times Bestsellerliste.«
»Du machst Witze.«
»Heiliger Eid. Muss nur genug auffallen, dann verkauft es sich schon. Heutzutage könnte sogar ich ein Buch schreiben. Nur fällt mir kein interessantes Thema ein.« Sie dachte ein, zwei Sekunden darüber nach. »Vielleicht über die Berühmten und Berüchtigten, die ich getroffen habe und nur mit Mühe einen einzigen Tag ertragen konnte. Aber dann würde ich vermutlich verklagt.«
Der Kellner kam mit Gillians Wasser und einem winzigen silbernen Brotkörbchen zurück und leierte seinen Sermon herunter, in dem es mehr um blumige Worte als ums Essen ging. Als sie aus der regulären Speisekarte je eine halbe Avocado mit Shrimpssalat bestellten, trat er beleidigt den Rückzug an.
Melina reichte Gillian das Körbchen, die einen Daumennagel großen Cracker mit Pekannussstückchen zerbrach. »Wie wär’s denn mit deinem Leben als eineiiger Zwilling? Darüber könntest du doch schreiben.«
»Dazu gibt’s schon viel zu viel. Man müsste das Thema eingrenzen.«
»Gleiche Kleidung: Ja oder Nein?«
»Vielleicht.«
»Der Kampf um die Elternliebe?«
»Schon besser. Wie wär’s damit: Verständigung durch Telepathie?« Melina musterte Gillian über den Rand ihres Weinglases, während sie einen Schluck trank. »Was mich zu der Anmerkung veranlasst, dass meine Zwillingsschwester heute schrecklich nachdenklich wirkt. Was ist los?«
Vor ihrer Antwort verspeiste Gillian den restlichen Cracker und wischte sich den Mehlstaub von den Fingerspitzen. »Ich hab’s getan.«
»›Es‹?«
»Du weißt schon.« Gehemmt senkte sie die Stimme. »Das, worüber ich die ganzen letzten Monate nachgedacht habe.«
Beinahe hätte sich Melina an der ausgezeichneten italienischen Importware verschluckt. Ihre Augen, rauchfarbene Spiegelbilder von Gillians eigenen, wanderten zu Gillians Schoß hinunter, der außer Sichtweite unter dem Tisch verschwand.
Gillian lachte. »Du siehst es mir nicht an, jedenfalls noch nicht. Ich komme soeben aus der Klinik.«
»Willst du damit sagen, heute? Gerade erst? Ich könnte schon während unserer Unterhaltung eine Tante in spe sein?«
Wieder lachte Gillian. »Vermutlich schon. Falls die kleinen Kerle tun, was sie sollen, und sich dorthin begeben, wohin sie sollen, nämlich stromaufwärts schwimmen.«
»Meine Güte, Gillian.« Rasch trank sie einen Schluck Wein. »Du hast es tatsächlich getan? Du hast’s getan. Du benimmst dich so – normal. So entspannt.«
»Dann wäre der Gynäkologe zufrieden. Er hatte die Stirn, mir zu sagen, ich solle mich entspannen. Als ob ich das könnte. Erstens waren die Beinstützen eiskalt, was schwerlich die Entspannung fördert, und zweitens ging es um den Schlusspunkt einer Monate langen Debatte. Diese Entscheidung habe ich nicht leichtfertig getroffen.«
Künstliche Befruchtung mit Hilfe von Spendersamen. Gillian hatte jedes Für und Wider lange Zeit abgewägt. Obwohl Melina darauf vertraute, dass ihre Zwillingsschwester stundenlang Gewissenserforschung betrieben hatte, wollten einige Zweifel nicht weichen. »Gillian, hast du die Sache auch von allen Seiten betrachtet?«
»Ich denke schon. Hoffentlich. Trotzdem gibt es vermutlich Standpunkte, an die ich nicht gedacht habe.«
Diese nicht angedachten Blickwinkel waren es, die Melina zu schaffen machten. Trotzdem behielt sie ihre Bedenken für sich.
»Manchmal hatte ich solche Zweifel und wollte den ganzen Plan schon fallen lassen. Am liebsten hätte ich so getan, als wäre ich nie auf diese Idee gekommen, und hätte jeden Gedanken daran ausradiert. Aber ich wurde sie einfach nicht mehr los.«
»Das ist ein gutes Zeichen. Wenn uns einmal etwas so packt, geschieht das normalerweise aus gutem Grund.«
»Physisch gab es keine Probleme. Ich bin kerngesund. Ich habe alles über alternative Empfängnismethoden gelesen, was mir in die Hände fiel. Aber je mehr ich las, umso zwiespältiger wurde es. Ich habe wirklich versucht, mir die Sache aus dem Kopf zu schlagen.«
»Und?«
»Und war nicht im Stande, einen Grund zu finden, warum ich’s nicht tun sollte.« Sie strahlte glücklich. »Also hab’ ich’s getan.«
»Bist du in die Waters Klinik gegangen?«
Gillian nickte. »Sie hat eine hohe Erfolgsrate und einen soliden Ruf. Der Arzt war mir sympathisch. Ein sehr einfühlsamer Mensch. Und geduldig. Hat mir alles bis ins Kleinste erklärt. Ich habe eine fundierte Entscheidung getroffen.«
Und ihre strahlende Miene ließ erkennen, dass sie davon begeistert war. »Ich kann’s nicht glauben, dass du mir nichts gesagt hast. Wenn du gewollt hättest, wäre ich mitgekommen, hätte deine Hand gehalten und dich irgendwie unterstützt.«
»Melina, ich weiß doch, dass du mich unterstützt. Du und Jem, ihr seid die beiden Einzigen gewesen, mit denen ich darüber gesprochen habe. Entschuldige, dass ich dir meinen Entschluss nicht mitgeteilt habe, Melina, aber –« In ihren bittenden Augen schwammen Tränen. »Bitte, versteh es. Ich habe deine und Jems Argumente durch den Filter eurer jeweiligen Abneigungen betrachtet.«
»Ich –«
»Bitte, lass mich ausreden. Aber zu guter Letzt war ich diejenige, die sich nach Abgabe aller Stimmen künstlich befruchten lassen wollte. Wenn es geklappt hat, werde ich die Schwangerschaft austragen und das Kind bekommen. Also war es auch einzig und allein meine Entscheidung. Ich hätte es dir gerne gesagt, aber als die Entscheidung gefallen war, wollte ich sie nicht mehr –«
»Ändern.«
»Oder sogar in Frage stellen.«
»Das respektiere ich, wirklich.« Sie unterstrich diesen Satz, indem sie Gillians Hand ergriff und kurz drückte. »War Jem dabei?«
»Nein.«
»Ich kann’s noch immer nicht glauben«, sagte Melina, wobei sie zum zweiten Mal auf ihren Bauch schielte. »Wie machen die das –? Wie läuft das eigentlich ab –?«
»Gestern habe ich einen Urintest zu Hause gemacht, der zeigte den Hormonanstieg an. Das hieß, dass es innerhalb der nächsten vierundzwanzig bis sechsunddreißig Stunden zu einem Eisprung käme. Ich habe in der Klinik angerufen und den Termin vereinbart. Es ist ein ziemlich technischer Vorgang, bei dem ein intrauteriner Katheter verwendet wird.«
Melina hörte wie gebannt zu, während Gillian ihr den Ablauf erläuterte. »Hat es wehgetan?«
»Kein bisschen.«
»Wo kam denn das Sperma her?«
»Was glaubst denn du?«
Melina grinste. »Ich meine rein geographisch.«
»Die Waters Klinik verfügt über eine eigene Samenbank. Allerdings verwendet man bei einer ortsansässigen Patientin lieber keine Probe aus der unmittelbaren Umgebung.«
»Klug gedacht.«
»Meine kam aus einer sehr renommierten Samenbank in Kalifornien. Heute Morgen traf die Probe im Trockeneispack ein. Anschließend wurde sie aufgetaut und gewaschen –«
»Wie bitte?«
»Das ist Fachjargon. Die Samenflüssigkeit wird mit einem Protein gemischt und in einer Zentrifuge ausgeschleudert, so dass im Katheter schließlich ein –«, sie lachte, »Spermakonzentrat landet. So könnte man es nennen.«
»Dabei fallen mir tausend Witze ein, von denen ich hier keinen erzählen werde.«
»Ich danke dir.«
»Fühlst du dich denn anders als vorher?«
»Kein bisschen. Anschließend bin ich sogar eingenickt. Ungefähr eine halbe Stunde musste ich noch liegen bleiben. Ich bin erst aufgewacht, als die Schwester wieder ins Untersuchungszimmer kam und ich mich anziehen konnte. Der Arzt hat mich begeistert über ihre Erfolgsquote informiert und meinte, ich solle mich nicht entmutigen lassen, falls es diesmal nicht klappt. Danach bin ich gegangen und sofort hierher gefahren.«
Melina gab sich mit Gillians Beteuerung zufrieden, lehnte sich in ihren Stuhl zurück und starrte in das Gesicht, das mit ihrem eigenen identisch war. »Tz, tz, da ist man ja wirklich perplex.« Nachdem beide erneut auf Kosten des Kellners gelacht hatten, meinte sie: »Scheint so, als bestünde der schwierigste Teil darin, auf diesen kleinen Papierstreifen zu pinkeln.«
»Das erfordert tatsächlich eine gewisse Kunstfertigkeit. Allmählich wurde ich darin richtig gut.«
»Allerdings, ganz offen gesagt –« Melina brach ab und wedelte mit den Händen vor sich herum, als wollte sie den unvollendeten Satz ausradieren. »Vergiss es. Ich sollte still sein.«
Trotzdem wusste Gillian längst, was ihre Schwester dachte. »Du wolltest sagen, dass du die altmodische Form der Befruchtung vorziehst.«
Melina feuerte eine imaginäre Pistole auf sie ab. »Du kennst mich gut.«
»Papa meinte immer, wir würden uns ein und dasselbe Gehirn teilen.«
»Kannst mich ruhig als liederlich bezeichnen«, sagte Melina unter betontem Schulterzucken, »aber ich ziehe Fleisch und Blut jedem Katheter samt Fußstütze vor. Kaltes Metall hat eben nicht dieselbe Anziehungskraft wie eine warme Brust und behaarte Beine, die sich unter der Bettdecke an meinen reiben. Ganz zu schweigen vom Geschlechtsapparat.«
»Bitte! Kein Wort über den Geschlechtsapparat.«
»Hast du denn nicht das schwere Atmen vermisst? Diese wunderbare Steigerung? Dieses Gefühl von ›Ach, lieber Gott, wie ist das Leben schön‹? Wenigstens ein kleines bisschen?«
»Hier geht es nicht um Sex. Ich habe es nicht wegen des Nervenkitzels getan, sondern um ein Kind zu zeugen.«
Melina wurde wieder nüchtern. »Wollte dich doch nur necken.« Während sie die Arme auf dem Tisch verschränkte, meinte sie: »Was zählt ist, dass du ein Kind haben möchtest, und das ist das Entscheidende.«
»Richtig, das ist das einzig Wichtige.«
»Schön für dich«, sagte sie, wobei sie Gillian liebevoll anlächelte. Nach kurzem Nachdenken setzte sie hinzu: »Wirklich schade, dass Jem nur mit Platzpatronen schießt. Dann hättest du alles auf einmal erledigen können, Sex und Kinder-Machen.«
Der Kellner kam mit ihrer Bestellung. Der Teller war mit frischen Stiefmütterchen garniert und fast zu hübsch zum Essen. Gillian nahm ihre Gabel und spielte mit der zierlichen Purpurblüte auf ihrer Portion Shrimpssalat herum. »Jem hat sich schon lange vor unserer Begegnung sterilisieren lassen.«
»Was ich als Glücksfall betrachte.« Melina hob ihr Weinglas zu einem stummen Toast. »Er ist ein Stockfisch.«
»Melina«, rief Gillian tadelnd.
»Tut mir Leid.« Doch Gillian wusste, dass die Entschuldigung nur gespielt war. »Aber er ist wirklich ein Blindgänger, Gillian. Er macht dich nicht glücklich.«
»Das stimmt nicht, ich bin glücklich.«
»Wirklich? Mir kommt es nicht so vor, als wärst du über alles verliebt. Aber vielleicht ist mir was entgangen. Ist es so?«
»Offensichtlich, denn ich liebe Jem.«
Melinas Augenbraue hob sich zu einem skeptischen Bogen.
»Tue ich«, beharrte Gillian. »Außerdem, welche Beziehung ist schon perfekt? Man kann nicht alles in einem einzigen hübsch geschnürten Päckchen bekommen. Es wäre zu viel verlangt, von einem einzigen Menschen die Erfüllung aller persönlichen Bedürfnisse und Wünsche zu erwarten.«
»In deinem Fall heißt das: ein Baby. Seit deinen eigenen Kindertagen hast du dir eines gewünscht. Du hast mit Puppen gespielt, während ich nur meine Rollschuhe kannte.«
»Möchtest du noch immer beim Rollschuh-Derby mitmachen?«
»Ja, und es ärgert mich tierisch, dass sie auf Inline-Skates umgestiegen sind, was viel schwerer ist.«
Gillian lachte. »Manchmal hat uns Mutter nur nach einem Blick auf unsere Knie unterscheiden können.«
»Meine hatten immer Blutkrusten.« Sie lachten über die gemeinsamen Erinnerungen, doch dann verschwand Melinas Lächeln allmählich. »Wenn Jems Sterilität eurer perfekten Beziehung im Weg steht, dann bitte ihn doch, die Sterilisierung rückgängig zu machen.«
»Dieses Thema habe ich ein einziges Mal angeschnitten. Er wollte kein Wort davon hören.«
»Wie hat er dann auf deine Entscheidung reagiert?«
»Überraschend gut. Er hat mich sogar zum Durchhalten ermutigt, wenn ich mal Zweifel laut werden ließ.«
»Hmm.« Melina war überrascht, das zu hören. »Nun ja, er ist eben ein komischer Kauz; ich sag’s ja nicht zum ersten Mal.«
»Lass uns nicht über Jem reden. Immer, wenn das Gespräch auf ihn kommt, geraten wir ins Streiten. Und ich will nicht, dass mir irgendetwas diesen Tag verdirbt. Stellen wir einfach fest, dass wir über Jem eben unterschiedlicher Meinung sind. Okay?«
»Mir recht.«
Einen Moment aßen sie stumm vor sich hin, ehe Melina sagte: »Nur noch einen einzigen Punkt.« Trotz Gillians Stöhnen redete sie weiter. »Falls die Prozedur Erfolg hat, und du tatsächlich schwanger wirst, wird das ein Härtetest für Jems Liebe.«
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht.«
»Gillian, pass mal auf. Falls daraus ein Baby entsteht, könnte die Realität bei weitem nicht so rosig ausfallen wie in der Theorie. Strahle-Schnappschüsse gibt’s weit weniger als dreckige Windeln. Möglicherweise verhält sich Jem dann nicht so positiv, wie er dich glauben lassen will. Aber ich will fair bleiben: Vermutlich glaubt er ja fest daran, dass er damit zurechtkommt.«
Sie hielt inne und trank einen Schluck Wein, ehe sie sich entschloss, ihre beunruhigenden Gedanken auszusprechen. Sie und Gillian waren immer offen miteinander umgegangen, bis zur Schmerzgrenze. »Ich mache mir ein bisschen Sorgen, dass sich seine Einstellung ändert, wenn das Baby erst mal da ist. Wäre es nicht für jeden Mann hart, ein Kind zu akzeptieren, das letztendlich nicht seins ist? Im besten Fall wird Jem ein paar Bedenken hegen. Möglicherweise auch leisen Groll.«
»Ich rechne mit Rückschlägen«, sagte Gillian, »und habe sie einkalkuliert. Trotzdem konnte ich meine Entscheidung nicht durch Eventualitäten und Spekulationen beeinträchtigen lassen. Ich musste aufhören, mich zu fragen, ›Was wäre wenn?‹. Sonst hätte ich’s nie getan. Wenn ich es aber tun wollte, dann eher früher als später. Wir werden bald sechsunddreißig.«
»Erinnere mich nur nicht daran.«
»Ich wurde ständig daran erinnert, dass meine biologische Uhr tickt. Ich konnte sie nicht länger ignorieren.«
»Verstehe.«
Gillian legte ihre Gabel weg. »Wirklich, Melina? Kannst du das verstehen?«
Schon immer hatten sie gegenseitig Zustimmung gesucht. Melina schätzte Gillians Meinung über alles und vertraute ihr genauso, wie sie das umgekehrt auch von ihr wusste. »Ja«, antwortete Melina langsam, »ich verstehe es. Nur teilen kann ich es nicht. Ich hatte nie das Bedürfnis, ein Kind zu haben.« Mit reumütigem Lächeln fügte sie hinzu: »Ist doch gut, dass es so war, nicht? Mein Leben, meine Zukunft drehen sich einzig und allein um meinen Beruf.«
Sie streckte die Hand über den Tisch und umfasste Gillians. »Vielleicht ist der mütterliche Instinkt der einzige Unterschied zwischen uns beiden. Meiner Ansicht nach hast du beide Teile bekommen, meinen und deinen. Wenn er so stark ist, wäre es falsch gewesen, ihn zu ignorieren. Also war deine Entscheidung für dich auch genau richtig.«
»Ach Gott, hoffentlich.« Obwohl Melina genau wusste, wie viel dieses Experiment für Gillian bedeutete, überraschte sie die tiefe Emotion in der Stimme ihres Zwillings. »Ich wünsche mir so sehr ein Kind, aber was – was ist, wenn das Kind mich nicht will?«
»Entschuldige?«
»Was ist, wenn mein mütterlicher Instinkt falsch ist, und ich keine gute Mutter bin?«
»Unmöglich.«
»Das sagst du doch nur, Melina, weil du weißt, dass ich genau das hören möchte.«
»Hast du je erlebt, dass ich ein Blatt vor den Mund nehme? Ich sage das, weil’s wahr ist. Du wirst eine ideale Mutter.«
»Ich wäre es jedenfalls gerne.« Gillians Miene und ihr Tonfall unterstrichen, wie ernst es ihr war. Obwohl keine von beiden zu spontanen Tränenausbrüchen neigte, schien Gillian kurz davor zu stehen, was man diesem Hormon-Dingsbums zuschreiben oder es als weiteres Indiz dafür werten konnte, wie tief ihre Gefühle waren.
Sie sagte: »Diese Entscheidung bedeutet für mich mehr als jede andere, die ich bisher in meinem Leben getroffen habe. Und von allen Entscheidungen, die ich in Zukunft treffen werde, bedeutet mir diese am meisten. Ich will einfach nicht bei etwas scheitern, das für mich so wichtig ist. Das geht einfach nicht.«
»Und du wirst es auch nicht«, behauptete Melina kategorisch.
»Ich möchte, dass mein Baby mit mir genauso glücklich ist, wie ich mit ihm oder ihr.«
»Es wird das glücklichste Kind auf Erden werden. Wenn ich mir bei allem anderen so sicher sein könnte wie dabei! Gillian, du wirst als Mutter rauschenden Erfolg haben. Deshalb schlag dir auch ein mögliches Scheitern aus dem Kopf. Verbann es, begrab es. Es wird nicht eintreten.«
Angesichts der unerschütterlichen Bestätigung durch ihre Zwillingsschwester musste Gillian erleichtert lächeln. Blinzelnd vertrieb sie ihre ungeweinten Tränen. »Okay, meine Zweifel sind hiermit offiziell gebannt und begraben.«
»Na, Gott sei Dank, das hätten wir erledigt.«
Wieder hob Melina ihr Weinglas. »Auf dich und die moderne Medizin. Hoffentlich benehmen sich diese Mini-Kaulquappen angemessen.«
Sie stießen miteinander an. Gillian sagte: »Die Erfolgsrate – auch wenn, wie in meinem Fall, sämtliche Knöpfe auf Grün stehen – beträgt nur fünfundzwanzig Prozent. Vielleicht ist es mit einmal nicht getan.«
»Da hat uns Mutter vor unserem ersten Rendezvous aber was ganz anderes erzählt.«
Beim Gedanken daran, wie schmerzlich gehemmt ihre Mutter gewesen war, wenn es darum ging, über Sex zu sprechen und ihre Töchter vor den potenziellen Gefahren zu warnen, mussten sie lachen.
»Erinnerst du dich noch an diesen Vortrag? Ich hatte keine Ahnung, dass es so viele Umschreibungen für Körperteile und Geschlechtsverkehr gibt!«, rief Melina. »Trotzdem, ihre Botschaft hat sie rübergebracht: Einmal genügt, um schwanger zu werden.«
»Wir werden ja sehen. Der Arzt hat mir versichert, es seien gute Schwimmer.«
»Er hat sie tatsächlich Schwimmer genannt?«
»Ich schwör’s.«
Sie kicherten wie Teenager über einen Schmuddelwitz. Schließlich winkte Melina dem Kellner, er solle ihre Teller abräumen, und bestellte Kaffee. »Und wie steht’s mit dem Spender?«
»Der ist nur eine Nummer, die du wie im Katalog auswählst. Von allen Kandidaten hat er meine Vorlieben am besten erfüllt.«
»Haarfarbe, Augenfarbe, Figur.«
»Genau, dazu noch Interessen, Umfeld und IQ.«
»Das heißt also, du hast lediglich eine Nummer aus einem Katalog bestellt?«, erkundigte sich Melina ironisch.
»Es war eine wissenschaftliche Prozedur.«
»Biologie pur. Menschliche Fortpflanzung zu ihrer sterilsten Variante kondensiert.«
»Ganz genau.«
»Aber –«
Gillian lächelte. Sie wusste, dass sie in der Falle saß. Die beiden konnten keinen Gedanken lange voreinander verbergen. »Andererseits bin ich ein menschliches Wesen, und mein Körper ist kein Reagenzglas. Ich kann nicht gänzlich objektiv sein, obwohl ich’s eigentlich sollte.« Sie starrte in die Luft und meinte leise: »Ich hoffe darauf, mit Hilfe einer namenlosen Person ein neues Individuum zu erschaffen. Ein Baby. Einen Charakter. Eine Seele. Das ist starker Tobak. Natürlich grüble ich über den Spender nach, wer er ist und wie er aussieht.«
»Wieso auch nicht? Natürlich beschäftigt dich das. Hast du denn wirklich keine Ahnung?«
»Nein. Wahrscheinlich ist es ein Medizinstudent, der ein bisschen Taschengeld brauchte.«
»Und der sich gerne einen runterholt. Aber das tun sie doch alle, nicht wahr?« Melina zwinkerte dem Mann am Nachbartisch zu. Er lächelte zurück, ihr Flirten schmeichelte ihm.
Als Gillian den Blickwechsel bemerkte, wies sie Melina leise flüsternd zurecht. »Benimm dich.«
»Er hat doch keine Ahnung, was ich gesagt habe.«
Auch darin waren sie sich unähnlich. Während Melina dazu neigte, aus ihrem Herzen keine Mördergrube zu machen, verhielt sich Gillian wesentlich diskreter. Melina sagte und tat Dinge, an die Gillian zwar dachte, die sie wegen ihrer Hemmungen jedoch nicht äußerte. Ihre impulsiven Reaktionen waren gleich, aber nur Melina setzte sie auch um. Sie sprang im Hechtsprung vom höchsten Sprungbrett, während Gillian oben verharrte und sich mit den Zehen an der Kante festkrallte, ehe sie doch noch den Mut zum Sprung fand. Melina bewunderte die Umsicht ihrer Zwillingsschwester. Gillian behauptete, sie sei auf Melinas Mut neidisch.
Melina überließ den Herrn am Nebentisch seinen Träumereien und wollte von Gillian wissen, wie lange es dauern würde, bis der Erfolg der künstlichen Befruchtung feststünde.
»In einer Woche gehe ich wieder zu einem Bluttest hin.«
»Eine ganze Woche! Musst du dich irgendwie einschränken?«
»Nein, ich kann leben wie immer.«
»Arbeit?«
»Ich habe noch heute Nachmittag einen Termin.«
»Sex?«
»Nein, ohne jede Einschränkung. Der Arzt hat sogar gesagt, falls ich einen Partner hätte, der das Kind mit mir gemeinsam aufziehen möchte, würde er uns raten, sobald wie möglich miteinander zu schlafen. Das sei in psychologischer Hinsicht gut für unfruchtbare Paare, die als letzte Möglichkeit auf Spendersamen zurückgegriffen haben. Sollten sie am Tage der IUI miteinander schlafen, bestünde immer eine geringe Chance, dass –«
»Das Sperma des Partners das Ei befruchtet hat.«
»Genau.«
Melina presste ihre Zeigefinger gegen die Schläfen. »Himmel, das geht aber –«
»Weit. Ich weiß. Dieses Thema hat unendlich viele Facetten. Endlose Faktoren zu bedenken, ethische und religiöse Fragen müssen gestellt und hoffentlich geklärt werden. Und trotzdem bedaure ich nicht, dass ich’s getan habe. Genauso wenig werde ich jetzt anfangen, nachdem ich gehandelt habe, die Entscheidung erneut zu hinterfragen. Eines steht fest: Sollte ich diesmal nicht schwanger werden, werde ich es definitiv wieder versuchen. Bis vor kurzem hatte ich von Mutterschaft völlig vage Vorstellungen. Das spielte sich alles in einer weit entfernten Zukunft ab. Inzwischen habe ich den nötigen Schritt für eine Schwangerschaft getan, und nun nehmen auch diese Fantasien konkrete Formen an. Melina, ich will ein Baby, mit dreckigen Windeln und allem anderen. Ich wünsche es mir so sehr. Einen Sohn oder eine Tochter, für die ich sorgen kann. Jemanden, der meine Liebe braucht. Jemanden, der mich seinerseits liebt.«
Melina schluckte heftig. »Willst du mich unbedingt zum Heulen bringen?«
Gillian unterdrückte ihre eigenen Tränen und streichelte sachte ihren Bauch. Dann sagte sie: »Die Woche wird lang werden.«
Melina schniefte. Ihr eigenes sentimentales Verhalten machte sie ungeduldig. »Was du brauchst, ist Ablenkung«, konstatierte sie. »Etwas, das dich auf andere Gedanken bringt. Damit die Zeit schneller vergeht.«
»Und das wäre?«
»Bin schon dabei.« Sie tippte sich mit der Fingerspitze an die Lippen. Sekunden später schoss ihr ein brillanter Einfall durch den Kopf, aber schon folgte der Katzenjammer auf dem Fuß. »Verdammt!« rief sie und schlug auf den Tisch. »Ich kann’s nicht fassen, dass ich dir dieses Angebot mache.«
»Was denn?«
»Ach, zum Kuckuck!« sagte sie. Plötzlich war der Entschluss gefallen. Sie beugte sich über den Tisch und sagte aufgeregt: »Geh heute Abend an meiner Stelle hin.«
»Was? Wohin?«
»Rate mal, wen ich heute Abend begleite.«
»Ist mir egal.«
»Glaube ich nicht. Christopher Hart.«
»Den Astronauten?«
»Aha! Schon bei seinem Namen hast du glänzende Augen bekommen.«
»Selbst wenn, was ich bezweifle, dann nur, weil ich beeindruckt bin, dass meine Schwester den Auftrag bekommen hat, so einen Promi zu begleiten. Hat er nicht eben erst eine Weltraumtour hinter sich?«
»Vor drei Monaten. Er hat eine Shuttle-Mission geleitet, durch die ein wichtiger Militärsatellit gerettet wurde. War entscheidend für den Weltfrieden oder so.«
»Und was macht er in Dallas?«
»Bekommt ’nen Preis der Ehemaligen-Vereinigung an der Southern Methodist University. Sie geben ihm irgendeinen renommierten XYZ-Preis im Adolphus, mit Festbankett und so.« Sie lächelte boshaft. »Möchtest du ihn kennen lernen?«
»Ich habe doch keine Ahnung von deinem Job!« rief Gillian. »So wenig wie du vom Verkauf gewerblicher Immobilien.«
»Du hast einen schwierigen Job, bei dem es um Zinssätze, Grundstücke und ähnliches Zeug geht. Zu meinem braucht man keinen Funken Verstand. Was gibt’s da also zu wissen?«
»Eine ganze Menge.«
»Nicht wirklich. Du sammelst ihn zu Beginn des Abends ein und lieferst ihn am Ende wieder ab.«
Natürlich war das eine grotesk vereinfachte Beschreibung ihres Jobs. Jahre lang hatte sie als Lehrling geschuftet, ehe sich ihr Brötchengeber in den Ruhestand verabschiedete und ihr sein Geschäft verkaufte, das unter ihrem Management expandiert war.
Im Grunde genommen ging es darum, dass sie oder einer ihrer drei sorgfältig überprüften und ausgebildeten Angestellten eine hochrangige Persönlichkeit – mit Ausnahme derer, die mit eigenem Gefolge anreisten – während ihres Besuchs in Dallas betreuten. Damit waren sie für diese Person so lange verantwortlich, bis diese sich sicher auf dem Weg zu ihrem nächsten Ziel befand. Sie war Chauffeur und Beichtvater und erledigte Einkäufe, je nachdem, wozu der Kunde sie brauchte. Manchmal meckerte sie über ihre aberwitzigen Arbeitszeiten, doch im Grunde war jedes Jammern nur Schau, weil sie ihre Tätigkeit heiß und innig liebte. Und weil sie ihren – Job sehr gut machte, hatte sich ihr Geschäft bestens entwickelt.
Trotzdem beunruhigte es sie nicht, wenn Gillian eine Nacht lang ihren Platz einnähme. Gillian hatte, genau wie sie, in ihrem Leben jede Menge Fremder getroffen. Auch in Gegenwart von Colonel Christopher Hart würde sie wohl kaum gehemmt verstummen. Sie hatte an weitaus wichtigere Männer als ihn Immobilien verkauft. Obendrein käme sie damit mal einen Abend von Jem Hennings weg – in Melinas Augen schon an und für sich ein Pluspunkt.
»Du weißt doch, wo das Adolphus ist, ja?«
»Melina, vergiss es«, sagte Gillian, wobei sie jedes einzelne Wort betonte.
»Er wohnt im Mansion. Dort holst du ihn ab und bringst ihn in die Innenstadt –«
»Du hörst gar nicht zu.«
»Lahme Ausreden überhöre ich grundsätzlich. Du hast mir noch keinen einzigen guten Grund geliefert, warum du nicht gehen solltest.«
»Wie wär’s dann damit? Wir sind keine Kinder mehr. Solche Spielchen spielen Erwachsene nicht.«
»Wir kommen immer noch mit einem Rollentausch durch.«
»Natürlich, trotzdem ist es Quatsch.«
»Warum?«
»Weil es verrückt ist.«
»Colonel Hart kennt mich doch nicht seit Adams Zeiten. Wem würde es also schaden?«
Gillian ging noch immer nicht auf ihre Argumente ein. »Ich muss mich um mein eigenes Geschäft kümmern! Ich bin kurz davor, eine brandneue Anzeigenfirma zur Unterschrift unter eine neue Adresse zu bringen, bei der es um schlappe drei Millionen geht. Ich treffe mich mit ihnen heute Nachmittag, um sämtliche strittigen Punkte mit dem Verkäufer festzunageln. Obendrein kommt Jem heute Abend. Deshalb, danke, dass du daran gedacht hast, aber trotzdem: nein.«
»Christopher Hart ist heiß, heiß und nochmal heiß«, lockte sie mit verführerischer Schmeichelstimme.
»Du kannst mir danach alles über ihn erzählen.«
»Letzte Chance. Eins, Zwei –«
»Nein, Melina.«
»Vorbei.«
Unter Stirnrunzeln murmelte sie, was für ein fader Knochen Gillian sei, bat um die Rechnung und bestand darauf, zu zahlen. Draußen vor dem Szenelokal stellten Parkwächter ihre Wagen bereit. Einer der jungen Männer starrte die beiden so unverwandt an, dass er beinahe auf ein anderes Auto aufgefahren wäre.
Während sie sich voneinander verabschiedeten, startete Melina einen letzten Versuch. »Du wirst es noch bedauern, wenn du diese Gelegenheit verpasst.«
»Trotzdem, danke schön.«
»Gillian, er ist ein Volksheld! Du würdest den Abend mit ihm verbringen. Das könnte das beste Geschenk sein, das ich dir je gemacht habe, nach dem Wonder-Bra.«
»Ich weiß es zu schätzen.«
»Oh, ich kapiere. Du schmollst immer noch.«
»Schmollen?«
»Weil ich letzten Monat kein Rendezvous mit dir und Kevin Costner arrangieren konnte. Gillian, ich hab’ dir doch schon tausend Mal gesagt, dass er einen randvollen Terminkalender hatte. Es war einfach unmöglich.«
Lachend beugte sich Gillian vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Ich schmolle nicht. Schwesterlein, ich liebe dich.«
»Ich dich auch.«
»Viel Spaß mit dem Astronauten.«
Sie winkte und meinte dann im breitesten Dialekt: »Darauf kannste wetten.«
»Ich will Details«, rief Gillian ihr zu, während sie einstieg. »Punktgenau.«
»Versprochen. Ich rufe dich an, sobald ich wieder daheim bin.«
Ein kräftiger Wind fegte über den Wüstenboden und rieb dem Berg den aufgewirbelten Sand ins Gesicht, ehe er ihn unter dem niedrigen Gestrüpp verteilte. Oben am Gipfel, wo die Luft dünner und kühler war, verwandelte derselbe Wind die safranfarbenen Espenblätter in Kastagnetten.
Mitten im Espenhain lag eine Siedlung, die so sehr mit der Landschaft verschmolz, dass sie von der Autobahn aus, die sich Kilometer weiter unten durch die Wüste schlängelte, fast unsichtbar war. Sämtliche Gebäude bestanden aus handverlesenem Granit, den man aus Schottland importiert hatte. Die farbigen Bänder, die sich über diesen grauen Untergrund zogen, korrespondierten perfekt mit den Sand-, Ocker- und Siena-Tönen der Umgebung.
Die beschattete Terrasse im dritten Stock des Hauptgebäudes diente dem momentan dort Betenden als Freilufttempel. Seine Knie ruhten auf einem kastanienbraunen reich verzierten Samtkissen, dessen Gold- und Silberfäden im Sonnenlicht glitzerten, das durch die Bäume fiel.
Das Kissen war ein Geschenk einer Bewunderin gewesen. Angeblich hatten es russische Emigranten um die Jahrhundertwende mitgebracht. Ein Familienerbstück. Der wertvollste Besitz der Schenkenden und damit ein Opfer höchsten Ranges, ein enormer Tribut an den Einen, dem sie es geschenkt hatte.
Er hielt den Kopf gesenkt. Seine dichten blonden Haare wirkten fast weiß und seidenweich wie bei einem Engel. Seine Augen waren geschlossen. Die Lippen formten sich zu einer stummen demütigen Bitte. Er hatte die Hände unter dem Kinn gefaltet – ein wahrer Inbegriff von Frömmigkeit. Von Gott berührt. Von Gott gesegnet. Von Gott auserkoren.
Nein.
Unter der breiten Glastüre, die die Terrasse vom riesigen Innenraum trennte, tauchte ein Mann in einem streng geschnittenen dunklen Anzug auf. Geräuschlos näherte er sich dem Betenden und legte ein Blatt Papier neben die kniende Gestalt, wobei er eine Ecke unter das Samtkissen schob, damit sie der Wind nicht fortwehen konnte. Anschließend zog er sich genauso lautlos zurück, wie er gekommen war.
Der Betende unterbrach eine Weile sein himmelstürmendes Flehen, hob den Zettel auf und sah, dass er einen Stempel mit Tag und Uhrzeit trug. Heute. Vor weniger als einer Stunde.
Während er die gedruckte Nachricht las, breitete sich langsam ein Lächeln über sein hübsches Gesicht. Er presste die Nachricht mit seinen langen gefalteten Händen gegen die Brust, als ob sie einen unschätzbaren Wert für ihn besäße. Wieder schloss er die Augen. Wie in Ekstase hob er sein Gesicht der Sonne entgegen.
Aber es war nicht Gottes Name, den er anrief. Stattdessen flüsterte er ehrfürchtig einen anderen: »Gillian Lloyd.«
Colonel Christopher Hart schaute so unauffällig wie möglich auf seine Armbanduhr, bedauerlicherweise jedoch nicht ganz so heimlich, wie er gedacht hatte. Denn George Abbott, einer der ihm gegenüber sitzenden Männer, beugte sich vor. »Noch etwas Kaffee? Oder diesmal vielleicht etwas Stärkeres?«
Lächelnd schüttelte Christopher, der bei seinen NASA-Truppen besser unter dem Spitznamen Chief – Häuptling – bekannt war, den Kopf. »Nein, danke. Vor dem Bankett heute Abend findet eine Pressekonferenz statt. Dafür muss ich einen klaren Kopf behalten.«
»Wir wollen Sie nicht länger aufhalten.«
Dieser Satz kam von Dexter Longtree, einem wortkargen Mann, der das Gespräch größtenteils seinem Partner überlassen hatte. Longtrees Stimme war kühl und glatt wie ein geschliffener Felsbrocken und schien mit ebensolcher Wucht auf ihnen zu landen. Sein gezwungenes Lächeln in dem strengen sonnenverbrannten Gesicht wirkte fehl am Platz und stand in völligem Widerspruch zum Faltengespinst um seine tief liegenden Augen und den tiefen Furchen, die sich wie Klammern links und rechts seines Mundes eingegraben hatten. Nur seine Lippen waren in dieses Lächeln einbezogen, aber auch sie wirkten unnatürlich gedehnt.
Seit Beginn des Treffens vor fast einer Stunde hatte sich Longtree nur bewegt, um ein Tütchen Süßstoff in seinen Kaffee zu schütten und anschließend in regelmäßigen Abständen das zierliche Porzellantässchen zum Mund zu führen. Seine raue dunkle Hand hätte Tasse und Untertasse ohne große Mühe zerquetschen können. Wenn er nicht trank, lagen seine Hände unbeweglich auf seinen Oberschenkeln.
Abbott dagegen zappelte ständig herum. Er hatte den Strohhalm aus seinem Glas Eistee gezogen, ihn über ein dutzend Mal verformt und zu guter Letzt verknotet. Er spielte mit der Streichholzschachtel in dem sauberen leeren Aschenbecher und wechselte ständig seine Position, als ob er an akuten Hämorrhoiden litte. Er wackelte mit den Knien. Außerdem grinste er über beide Backen, ganz im Gegensatz zu Longtree.
Longtree wirkte bedrohlich, Abbott einschmeichelnd. Es stand fifty-fifty, wem von beiden Chief mehr misstraute.
Er wollte das Treffen unbedingt abschließen, deshalb sagte er: »Meine Herren, ich schätze Ihr Interesse. Sie haben mir eine Menge Stoff zum Nachdenken geliefert.«
Abbott räusperte sich nervös. »Colonel, eigentlich hatten wir gehofft, Sie könnten uns etwas mitgeben.«
»Heute?«, rief Chief. »Sie wollen jetzt eine Antwort?«
»Nichts Endgültiges«, beeilte sich Abbott zu versichern, »gewissermaßen eine Andeutung Ihrer eventuell endgültigen Entscheidung.«
»Das ist unrealistisch.« Chief musterte Dexter Longtree, der ihn weiterhin unerbittlich anstarrte. »Offiziell werde ich erst in einigen Monaten aus der NASA ausscheiden, und was ich anschließend tun werde, steht selbst für mich noch völlig offen.« Er lachte gezwungen. »Ich bin mir nicht einmal sicher, wo ich wohnen werde.«
»Nun, selbstverständlich würden wir es begrüßen, wenn Sie in unseren Heimatstaat New Mexico umzögen«, sagte Abbott mit einer Stimme, die für die gedämpfte Cocktailbar viel zu ausgelassen klang. »Sie sind in New Mexico aufgewachsen und noch immer einer von uns.«
»Danke«, meinte Chief kurz angebunden. Er hatte keine allzu glücklichen Erinnerungen an seine Kindheit.
»Wir werden unser Hauptquartier in Santa Fe aufschlagen. Es wäre praktisch, wenn Sie in der Nähe wären.«
»Praktisch, aber nicht unbedingt notwendig«, hob Longtree an.
»Nein, selbstverständlich nicht«, pflichtete Abbott bei. Er war ein Kriecher, der sich Longtree in jeder Hinsicht beugte. »Colonel, damit wollte Dexter nur sagen, dass Ihnen dieser Job jede Menge Freiraum für andere Dinge ließe. Sie könnten Ihren eigenen Interessen nachgehen – so lange sie sich nicht mit unseren kreuzen, versteht sich. Damit wäre allen gedient. So einfach ist das.« Er klang wie ein routinierter Autohändler, darauf aus, einen Kauf unter Dach und Fach zu bringen, und sein Zähne fletschendes Grinsen unterstützte diesen Eindruck noch.
»Ich befürchte, Mr. Abbott, es ist nicht ganz so einfach.«
Wieder meldete sich Longtree zu Wort, mit einer Stimme, die Chief an eine Schlange in stillem Gewässer erinnerte. »Colonel Hart, ich spüre bei Ihnen noch einige Vorbehalte.«
»Ja, die habe ich.«
»Bezüglich der Organisation?«
Chief ließ sich mit der Antwort Zeit. Er wollte sie nicht beleidigen, obwohl Häuptling Dexter Longtree einschüchternd wirkte. Der Jicarilla-Apache trug Zöpfe, die bis zur Taille reichten und wie zwei identische schwarze Seidenstränge auf den Revers seiner Anzugjacke lagen. Bis auf einen gelegentlichen Lidschlag hätte man ihn mit einer Bronzestatue in einem Kunstmuseum verwechseln können. Andererseits hatte Chief unter herrischen Militärbefehlshabern gedient, bei denen sich wahrscheinlich selbst Longtrees Zöpfe gekräuselt hätten.
Als Reaktion auf dessen Frage erwiderte Chief: »Meine Bedenken gelten nicht in erster Linie der von Ihnen vorgeschlagenen NAA.«
Native American Advocacy – Stimme der Ureinwohner Amerikas – hieß die Interessengruppe, die sie gründen wollten. Laut dem formellen Vorschlag, den man Chief im Vorfeld des Treffens zugeschickt hatte, sollte jeder Stamm bzw. jedes Reservat die Dienste der NAA in Anspruch nehmen können, wenn sämtliche anderen Hilfeleistungen bereits ausgeschöpft waren. Diese Dienste sollten die ganze Skala abdecken: von Prozesshilfe über Sponsoren bis zur Einflussnahme auf die Abstimmungsergebnisse von Gesetzesentwürfen, die eine direkte Auswirkung auf die amerikanische Urbevölkerung hätten.
Anwälte und sonstige Standesvertreter, die sich bereits positiv geäußert hatten, waren damit einverstanden gewesen, im Bedarfsfall unentgeltlich zur Verfügung zu stehen. NAA bot Chief einen jährlichen Vorschuss an, wenn er als ihr Aushängeschild fungierte, als offizielles Sprachrohr gegenüber den Medien und in Washington.
Abgesehen von pekuniären Überlegungen, hatte er in einer ersten Reaktion nicht nur mit einem schlichten »Nein« ablehnen wollen, sondern sogar mit einem definitiven »Verdammt noch mal, nein«.
So aber sagte er möglichst unverbindlich: »Ich habe Dinge gehört und gelesen, die in mir tiefe Verstörung auslösen.«
»Und die wären?«
»Zum Beispiel, dass einige Ureinwohner mit Schürfrechten, Spielcasinos und anderen profitablen Unternehmen in den Reservaten reich werden, während die Masse weiterhin unter der nationalen Armutsgrenze lebt. Der Reichtum wird nicht gleichmäßig verteilt – manchmal sogar überhaupt nicht. Das beunruhigt mich. Ziemlich stark.«
Genau hier hakte Abbott ein. »Umso mehr Grund für Sie, sich dessen anzunehmen. Sie könnten einen neuen Aspekt hineinbringen, die Dinge ändern. Was ja auch unser Ziel ist.«
Chief wandte sich dem hyperaktiven Mann zu. »Gibt es nicht längst andere Organisationen, die ähnliche Ziele verfolgen?«
»Ja, und sie sind gut. Trotzdem hoffen wir darauf, besser zu sein. Die Besten. Sie würden uns dabei helfen.«
»Warum gerade ich?«
»Weil Sie ein Volksheld sind, der erste indianisch-stämmige Astronaut. Sie sind im Weltraum spazieren gegangen!«
»Was mich nicht dazu qualifiziert, für alle anderen den Fürsprecher zu mimen.«
»Im Gegenteil, Colonel Hart. Wenn Sie reden, hören die Leute zu, besonders die Damenwelt«, fügte Abbott mit einem unverschämten Augenzwinkern hinzu.
Kopfschüttelnd musterte ihn Hart von oben bis unten. »Sie wären tatsächlich bereit, mich anzuheuern, noch ehe Sie überhaupt wissen, was ich vor einem bestimmten Forum sagen würde? Spielen meine politischen Neigungen in Ihrem Denken keinerlei Rolle? Sie haben mich ja noch nicht einmal zu meiner persönlichen Philosophie befragt.«
»Aber –«
Longtree stoppte Abbotts Gegenargument durch schlichtes Handheben. Sofort verstummte der andere. »George, wir sollten uns Mr. Harts Überlegungen anhören.«
»Danke.« Er hatte längst einen Entschluss gefasst. Demnach waren weitere Diskussionen sinnlos. Und das konnten sie genauso gut auch schon jetzt wissen. »Ehe ich mich irgendeiner selbsternannten Gruppe oder Organisation für gemeinnützige Dienste anschließen würde, müsste ich zuallererst überzeugt sein, dass diese nicht ihre ureigensten Interessen verträten. Zweitens müsste ich sicher sein, dass diese Gruppe an mir als Mensch interessiert ist, und nicht als Indianer.«
Daraufhin herrschte lange Schweigen, das Longtree schließlich brach. »Verleugnen Sie Ihr Erbe?«
»Das wäre unmöglich, selbst wenn ich es wollte. Sogar mein Spitzname kommt daher. Allerdings habe ich mein indianisches Blut auch nie ausgenützt. Ich würde jede Position ablehnen, bei der meine Abstammung meine einzige Qualifikation darstellt.«
Wieder lachte Abbott nervös auf. »Für uns ist es ein unschätzbarer Vorteil, dass Sie ein Nachkomme von Quanah Parker sind.«
»Der halb Weißer war.«
Darauf wusste Abbott nichts zu erwidern. Nach erneutem angespanntem Schweigen hielt Longtree offenbar einen vorzeitigen Rückzug für angebracht und stand auf. Plötzlich wurde Chief bewusst, wie klein er war. Durch sein Auftreten wirkte er weitaus größer.
Er sagte: »George, wir haben Colonel Hart genug Material zum Nachdenken für einen ganzen Nachmittag geliefert. Er nimmt heute Abend an einem wichtigen Bankett teil.«
Auch Chief stand auf. Abbott machte einen verwirrten Eindruck, als ob sich das Programm in letzter Minute geändert hätte, ohne dass er informiert worden war. Schließlich schloss auch er sich an und stand auf.
»Ich schätze das Vertrauen, das Sie in mich setzen«, sagte Chief, während er Longtree die Hand hinstreckte. »Ihr Angebot schmeichelt mir. Trotzdem bin ich noch zu keiner festen Zusage bereit.«
»Dann ist es unsere Aufgabe, Sie so weit zu bringen.« Nach einem raschen festen Händedruck ließ er Chiefs Hand wieder los. »Wären Sie morgen Früh mit einem Treffen einverstanden? Dann könnten wir dieses Gespräch fortsetzen.«
»Eigentlich wollte ich zeitig wieder nach Houston zurück.«
»Wir sind Frühaufsteher. Sie bestimmen Zeit und Ort.«
Eigentlich gab es nichts mehr zu diskutieren. Chief hatte seine Antwort lange vor diesem Treffen gekannt, zu dem er sich aus reiner Höflichkeit bereit erklärt hatte. Ihr ganzes Reden hatte an seinem Standpunkt nichts geändert. Longtree wirkte wohlhabend und nicht wie ein Indianer, der mit Mühe in einem Reservat über die Runden kam. Er machte nicht den Eindruck, als zöge er für die Zukurzgekommenen in den Kampf und versuchte, das Unrecht wieder gutzumachen, das man an den Indianervölkern begangen hatte. Leider würde ihm dieser zugeknöpfte Mistkerl keinen eleganten Rückzieher aus einem Frühstückstermin gestatten.
»Punkt neun Uhr?«, fragte Chief militärisch knapp. »Zum Frühstück hier im Promenade?«
»Wir sehen uns dann«, erwiderte der Apache. Nach kurzem Händeschütteln trottete Abbott hinter Longtree her, der mit großen Schritten die Bar verließ.
Andere Happy-Hour-Gäste hatten sich umgedreht und starrten herüber. Trotz seiner markanten Erscheinung wollte Dexter Longtree nicht so ganz zur betuchten Klientel im Salon des Mansions passen. Besonders nicht mit dem Perlen bestickten und mit Fransen besetzten Lendenschurz, den er über seiner Hose trug.
»Ist das ein Schauspieler oder was Ähnliches?«
Chief drehte sich zu der Bardame um, die sich an ihn herangepirscht hatte. »Nein, der ist echt.«
»Ehrlich? Irre.« Kaum waren Abbott und Longtree außer Sichtweite, strahlte sie Chief an. »Kann ich Ihnen sonst noch was Gutes tun, Mr. Hart?«
»Momentan nicht, danke.«
»Dann werden Sie doch hoffentlich vor der Abreise nochmal hereinschauen?«
»Vielleicht auf einen Schlummertrunk.«
»Ich freue mich schon jetzt darauf.«
An Flirts war er gewöhnt. Er hatte schamlose Angebote per Post bekommen, manchmal sogar mit anzüglichen Fotos. Im ganzen Land hatte man ihm Zimmernummern auf Servietten aus den Hotelbars gekritzelt. Und einmal hatte ihm eine Dame während eines offiziellen Dinners im Weißen Haus beim Vorstellen sogar ihr Höschen in die Hand gedrückt.
Weibliches Interesse nahm er für mehr oder weniger selbstverständlich. Aber diese junge Frau war ausnehmend attraktiv. Sie hatte sich das strahlende Lächeln der Mädchen aus Dallas angewöhnt, jene unwiderstehliche Mischung aus scheuer Südstaatenschönheit und schamlosem Cowgirl. Chief spürte, wie er darauf ansprang.
Aber verdammt, sie war so jung! Vielleicht wurde er nur langsam alt. In seinen jüngeren wilderen Tagen hätte er ihr Lächeln als das genommen, was sich dahinter verbarg: eine offene Einladung.
Aber er war nicht mehr jung und ganz so ungestüm. Jedenfalls gab er ihr ein großzügiges Trinkgeld und ging dann ohne weitere Zeitverschwendung auf sein Zimmer, direkt unter die Dusche. Das Hotelpersonal hatte sein Versprechen gehalten: Sein Smoking hing frisch gebügelt im Schrank. Die schwarzen Cowboystiefel, die er dazu trug, waren auf Hochglanz poliert.
Während des Anziehens gönnte er sich einen kleinen Bourbon. Anschließend putzte er sich gründlich die Zähne und gurgelte mit Mundwasser. Es ginge doch wohl nicht an, wenn ein Indianer mit Feuerwasseratem auf einer Pressekonferenz erschiene, oder? Dann streifte er das plissierte Hemd über und steckte die Onyxknöpfe durch die Knopflöcher. Unterdessen schalt er sich innerlich für seinen Komplex, den er allerdings meistens unter Kontrolle hatte. Doch sein Gespräch mit Abbott und Longtree hatte ihn wieder aufflammen lassen.
Was musste er denn beweisen? Warum verspürte er immer noch den Zwang, sich zu beweisen oder zu rechtfertigen? Es gab nichts, wofür er sich entschuldigen müsste. Alles, worin er sich je versucht hatte, hatte er hervorragend gemeistert: den Sport am College, die Ausbildung zum Luftwaffenpiloten, Kampfflugzeuge, den Krieg, das Weltraumprogramm.
Das alles hätte er auch trotz seiner Abstammung erreicht. Er war in einem Reservat aufgewachsen. Na und? Er hatte keine Vorzugsbehandlung genossen. Deswegen hatte man ihn nicht gehätschelt. Trotzdem war er sich bewusst, welch ein Glücksfall er für die Werbekampagne des Raumfahrtprogramms war. Rein rational betrachtet, wusste er genau, dass die NASA keinem Menschen ohne Führungsqualität drei Shuttle-Missionen samt Mannschaft anvertraut hätte. Und doch würde sich ein anderer Teil von ihm, der Indianer, immer fragen, ob man dem Räderwerk des Systems nicht nachgeholfen hatte, damit seine Universität, Air Force und NASA gut dastanden. Drücken wir für den Indianerjungen doch mal ein Auge zu. So etwas macht sich gut in der Werbung.
Seines Wissens hatte das wohl noch niemand je gedacht, geschweige denn gesagt. Trotzdem war ihm schon der Gedanke an die Möglichkeit verhasst. Es war, wie er es eben Longtree und Abbott erklärt hatte: Er hatte seine Abstammung nie benutzt, weder als Krücke noch als Sprungbrett.
Sollten gewisse Leute diese Tatsache so auslegen, als verleugnete er damit seine Herkunft, dann war das ihr Problem, und damit basta.
Er klopfte einen Hauch Rasierwasser ins Gesicht und strich sich mit den Fingern durch seine kerzengeraden schwarzen Haare. Kein Zweifel, bei ihm waren die Gene der amerikanischen Ureinwohner voll durchgeschlagen. Er hatte die Haare und die Wangenknochen eines Komantschen. Seine Mutter war zu fünfundneunzig Prozent Komantschin gewesen. Wenn es nicht seinen Ur-Urgroßvater gegeben hätte, würde er einem Indianer vielleicht noch mehr ähneln als jetzt.
So aber hatte sich auf einer Ranch im äußersten westlichen Zipfel Oklahomas, kurz nachdem aus dem Indianerterritorium ein Staat geworden war, ein schlaksiger Cowboy in Ur-Urgroßmutter verknallt. Von ihm hatte Christopher Hart die hoch aufgeschossene Figur und Augen geerbt, die seine erste Liebe mit »Paul-Newman-Blau« umschrieben hatte.
Seine Augen waren einer der Gründe gewesen, warum sich sein alter Herr verdrückt hatte. Leider floss auch ein gut Teil vom Blut seines Vaters in seinen Adern.
Unwirsch registrierte er, wohin seine Gedanken drifteten, band seine Armbanduhr um, schloss die Manschettenknöpfe, und dann – war er fertig. Ehe er aus dem Zimmer ging, warf er noch rasch einen Blick auf den Reiseplan, den ihm sein Houstoner Büro gefaxt hatte, überprüfte den Namen seiner Kontaktperson und prägte ihn sich ein.
Eigentlich wäre er am liebsten selbst aus dem exklusiven Turtle Creek Viertel gefahren, wo sich das Mansion weitgehend ohne Einblicke in einen für jede Öffentlichkeit gesperrten Park schmiegte. Eine Adresse in Kombination mit seinem zuverlässigen Orientierungssinn hätten ihn das Hotel Adolphus mühelos finden lassen.
Aber die Gruppe, die den Preis verlieh, hatte auf einer Begleitung für ihn bestanden. »Sie ist mehr als nur ein Chauffeur. Sie ist medienerfahren und kennt sämtliche Lokalreporter«, hatte man ihm erklärt. »Sie werden noch froh sein, wenn Melina Lloyd Ihnen jede Störung vom Hals hält. Ohne sie würden Sie von der Menge erdrückt.«
Als er durch die Hoteltüren trat, kam eine Frau auf ihn zu. »Colonel Hart?«
Sie trug ein schlichtes, elegant geschnittenes schwarzes Cocktailkleid, das sehr teuer aussah. Das Sonnenlicht zeichnete irisierende Farbstreifen in ihre glatten Haare, die fast so dunkel wie seine eigenen waren. Sie trug einen Seitenscheitel, keinen Pony, aber eine Sonnenbrille.
»Sie müssen Ms. Lloyd sein.«
Sie streckte ihre Hand aus. »Melina.«
»Nennen Sie mich Chief.«
Lächelnd schüttelten sie einander die Hand. Sie fragte: »Wie ist Ihr Zimmer? Hoffentlich zufriedenstellend?«
»Alles da, sogar ein Obstkorb und eine Flasche Champagner. Das Personal hat mich fürstlich behandelt.«
»Dafür ist es ja auch berühmt.«
Sie deutete mit dem Kinn auf einen brandneuen Lexus, der am Ende des überdachten Aufgangs wartete. Ein Türsteher hielt ihm bereits die Beifahrertüre auf. Melina gab dem jungen Mann ein großzügiges Trinkgeld. »Gute Fahrt, Ms. Lloyd«, sagte er und winkte ihnen beim Abfahren nach.
»Sie müssen regelmäßig hier sein«, bemerkte Chief.
Sie lachte. »Ich nicht, aber ein paar meiner Kunden wohnen hier – die wirklich Berühmten«, fügte sie hinzu, wobei sie ihn verstohlen musterte. »Wenn ich mal richtig Geld ausgeben will, komme ich zum Lunch her. Hier kann man wunderbar Leute beobachten, und außerdem kochen sie eine köstliche Tortillasuppe.«
»Das werde ich mir für später merken.«
»Stellen Sie sich die Klimaanlage so ein, wie Sie möchten.«
Als sie vor dem Einbiegen mit einer Kopfdrehung den Gegenverkehr prüfte, glitt ihre dunkle Haarmähne über die Schultern. Ein Hauch von Parfüm stieg ihm in die Nase.
»Danke, alles in bester Ordnung.«
»Wann sind Sie in Dallas angekommen?«
»Heute Nachmittag, gegen zwei.«
»Das ist gut. Dann hatten Sie ja ein bisschen Zeit zum Entspannen.«
»Ich bin in den Pool gestiegen.«
»War’s nicht zu kühl?«
»Nicht für mich. Ich habe ein paar Runden gedreht und meine Bräune aufgefrischt.«
Gemächlich hielt sie vor einer roten Ampel und drehte den Kopf. »Ihre Bräune? Das ist ein Insiderwitz für Indianer, stimmt’s?«
Er lachte erfreut, weil sie’s kapiert hatte. Noch mehr freute es ihn, dass sie um eine Antwort nicht verlegen gewesen war. »Stimmt.« Sie lächelte zurück. Er wünschte, sie würde ihre Sonnenbrille ablegen, damit er erkennen konnte, ob ihre Augen hielten, was ihr übriges Gesicht versprach, besonders ihr Mund, bei dem er sündige Gedanken bekam.
Als sie den Fuß von der Bremse nahm und aufs Gaspedal trat, rutschte ihr Kleidersaum ein paar Zentimeter übers Knie. Aufreizend raschelte der Stoff über ihre hauchdünnen Strümpfe. Klang hübsch. Das Knie war sogar noch hübscher.
»Was hätten Sie denn gerne?«
Sein Blick schoss von ihrem Oberschenkel zum Gesicht. »Pardon?«
»Hinter mir auf dem Boden stehen in der Kühlbox Wasser und Softdrinks.«
»Oh, äh, nichts, danke.«
»Man hat mir erklärt, ich solle Sie heute auf einen langen Abend vorbereiten. Sie wissen über die Pressekonferenz davor Bescheid?«
»Im Foyer im zweiten Stock.«
Sie nickte. »Nur Leute mit Spezialausweis haben Zutritt. Denken Sie daran, dass das Dinner offiziell um sieben Uhr dreißig beginnt, aber so lange muss diese Pressekonferenz ja nicht dauern. Sie dürfen mir ruhig ein Zeichen geben, wenn Sie aufhören möchten, egal ob nach der fünften oder der fünfzigsten Frage. Daraufhin werde ich Sie entschuldigen und schnell Richtung Ballsaal zum Bankett bringen. Auf diese Weise bin dann ich der Buhmann.«
»Meiner Meinung nach würde das niemand glauben.«
»Dass ich der Buhmann bin?«
»Dass Sie irgendein männliches Wesen sind.«
Sie war nicht töricht und wusste ganz genau, wann jemand mit ihr flirtete. Wieder warf sie ihm einen Blick über ihre Sonnenbrille zu. »Vielen Dank.«
»Gillian?«
»Hallo, Jem.«
»Liebling, ich habe gerade meinen Anrufbeantworter abgehört und bin begeistert. Du hast es tatsächlich getan.«
»Kurz vor dem Lunch.«
»Und?«
»In einer Woche bekomme ich das Ergebnis.«
»Wann hast du dich definitiv dazu entschlossen?«
»Gestern. Ich hatte zwar ein paar Mal kalte Füße und Schmetterlinge im Bauch, aber ich habe es durchgezogen.«
»Warum hast du mich nicht angerufen? Ich wäre doch mitgegangen. Ich wäre so gerne dabei gewesen.«
»Tut mir Leid, Jem, aber ich wollte das wirklich ganz alleine tun. Ich habe nicht eher angerufen, weil ich mich mit meiner Schwester zum Lunch getroffen habe. Und das zog sich viel zu lange hin. Beinahe hätte ich meinen Nachmittagstermin verpasst und konnte dir nur noch zu Hause eine Nachricht hinterlassen.«
»Hast du’s Melina erzählt?« Noch ehe sie antworten konnte, sagte er: »Natürlich hast du das getan. Was hält sie davon?«
»Sie ist begeistert, weil ich begeistert bin.«
»Ich auch.«
»Da bin ich aber froh. Es liegt mir viel daran, dass du meinen Entschluss unterstützt.«
»Ich habe etwas für dich, eine Überraschung. Ich habe sie schon eine ganze Weile und wollte nur warten, bis du dich entschlossen hast. Ich würde sie dir gerne vorbeibringen.«
Aus seiner Stimme konnte sie heraushören, dass er lächelte, und sie wusste, dass er seine Überraschung unbedingt mit ihr teilen wollte. Trotzdem wollte sie allein sein. Sie versuchte, es ihm liebevoll beizubringen, und meinte: »Jem, ich weiß ja, dass wir uns eigentlich heute Abend sehen wollten, aber würdest du’s auch auf ein ander Mal verschieben?«
»Stimmt etwas nicht? Fühlst du dich nicht gut?«
»Mir geht’s gut. Bin nur sehr müde. Das ganze Erlebnis war emotional extrem belastend. Mehr, als ich gerechnet hatte. Erst danach habe ich gemerkt, wie sehr es mir auf die Seele geschlagen ist.«
»In welcher Hinsicht? Hast du dich aufgeregt? Geweint?«
»Nicht so direkt. Es ist schwer zu erklären.«
»Du hast mir ausdrücklich versichert, dass es sich um eine sterile klinische Prozedur handelt.«
»War es auch.«
»Dann verstehe ich nicht, wie es dir emotional – Wie hast du gesagt? – so auf die Seele schlagen konnte.«
Jem neigte dazu, alles zu sehr zu analysieren. Und gerade heute Abend kam ihr seine Analyse nicht gelegen. Sie versuchte, jeden gereizten Ton zu vermeiden, als sie sagte: »Ich brauch nur ein bisschen Zeit für mich alleine. Um darüber nachzudenken. Über alles mögliche. Können wir’s denn nicht dabei belassen?«
»Sicher können wir’s dabei belassen.« Sein Ton verriet ihr, dass er verletzt war. »Ich hätte gedacht, dass du in einer so entscheidenden Nacht eine liebevolle Stütze brauchen könntest. Offensichtlich habe ich mich geirrt.«
Sofort bedauerte sie, dass sie ihn ausgeschlossen hatte. Warum hatte sie nicht den klügeren Weg eingeschlagen und ihn herüberkommen und sein Geschenk überreichen lassen? Das hätte ihr wesentlich weniger Stress bereitet.
Aber noch ehe sie ihn doch noch einladen konnte, sagte er brüsk, »Gillian, ich rufe dich später an«, und legte auf.
»Ms. Lloyd, ich habe Ihren Wagen gleich dort drüben geparkt, damit Sie sich nicht anstellen müssen.«
Kaum hatten Chief und Melina unmittelbar nach dem Bankett das Hotel verlassen, tauchte der Wagenmeister auf und deutete auf den mit laufendem Motor geparkten Lexus. Chief war dankbar, dass auch die Klimaanlage bereits lief. Offiziell war es schon Herbst, doch sein innerer Thermostat arbeitete nicht parallel dazu. Er verging vor Hitze in seiner Smokingjacke.
Das Bankett hatte sich lange hingezogen. Jeder Redner hatte seine ihm zugemessene Zeit am Mikrofon weit überzogen. Bis Chief mit seiner Dankesrede an die Reihe kam, langweilte er sich restlos. Nun war er froh, weg zu können, und dankbar, jedem weiteren Kontakt mit der Menschenmenge zu entgehen, die zu den Türen herausströmte.
Während er mit Melina zum Auto spazierte, erkundigte sich der Wagenmeister hingerissen: »Colonel Hart, wie ist’s denn so da draußen im All?«
Er fertigte den jungen Mann mit seiner nichts sagenden Standardphrase ab: »Überirdisch.«
»Muss ein echtes Erlebnis gewesen sein.«
»War es.«
Chief verdoppelte den Fünf-Dollar-Schein, den ihm Melina gegeben hatte. »Besten Dank, Sir. Alles Gute für Sie beide.«
Während sie sich angurteten, beglückwünschte ihn Melina zu seiner Rede. »Sie waren exzellent. Sollten Sie einmal aus dem Raumfahrtprogramm aussteigen, könnten Sie mit Vorträgen und Reden Karriere machen.«
»Das tun viele Ex-Astronauten.«
»Haben Sie diesbezüglich irgendwelche Pläne?«
»Ich bin gerade dabei, mehrere Möglichkeiten abzuwägen.«
»Und die wären?«
Er knöpfte seine Jacke auf. »Könnten wir über etwas anderes reden?«
Mit betretener Miene rief sie aus: »Tut mir Leid, ich wollte nicht neugierig sein.«
»Darum geht’s ja gar nicht, es ist nur –«
»Wir müssen auch gar nichts reden. Sie können auch gerne den Kopf zurücklegen, die Augen schließen und sich erholen. Ich hätte merken müssen, dass Sie inzwischen fix und fertig sind. Nach Konversation ist Ihnen vermutlich am wenigsten zu Mute.«
»Melina.« Um den Entschuldigungen ein Ende zu bereiten, streckte Chief die Hand über den Sitz und legte sie auf ihren Arm. »Ich bin nicht fix und fertig. Eigentlich würde ich mich über ein Gespräch sogar freuen. Wenn’s dabei nur nicht um mich geht, einverstanden? Ich bin es leid, über mich zu reden. Können wir das Thema wechseln?«
»Natürlich. Und was dann?«
»Sex?«
»In Ordnung«, antwortete sie stoisch. »Möchten Sie dazu meine Meinung hören?«
»Bitte.«
»Nun, erstens sollte meiner Ansicht nach jeder Sex haben.«
Er grinste. »Sie sind schlagfertig.«
»Angeblich ja. Manchmal zu meinem Nachteil.«
»Stört es Sie, wenn ich meine Jacke ausziehe?«
»Keineswegs.«
Er schob die Smokingjacke herunter und warf sie achtlos auf den Rücksitz, dann zog er seine Schleife auf und öffnete den Hemdkragen. »Ah! Schon viel besser.«
»Möchten Sie etwas trinken?« bot sie an.
»Einen kräftigen Bourbon?«
»Ich hatte mehr an Diet Coke oder Evian gedacht.«
»Von beidem wäre mir ein Schuss recht.«
»Mit dem Bourbon«, sagten beide gleichzeitig. Sie mussten herzhaft lachen.
Als das Lachen verebbte, warf er ihr einen direkten und ernsthaften Blick zu. »Wartet zu Hause jemand auf Sie?«
Sie reagierte nicht sofort auf diese Frage. Erst als sie an eine Ampel kam, drehte sie den Kopf. Unverwandt schaute er in ein graues Augenpaar, das sich als ihr schönstes Attribut entpuppt hatte. Obwohl an ihr fast alles beinahe sensationell wirkte.
»Warum?«
»Weil ich Sie gerne auf einen Drink einladen möchte. Spricht etwas dagegen?«
Sie schüttelte den Kopf, dann wandte sie sich wieder der Straße zu und legte den Gang ein.
»Okay, also, würden Sie dann mit mir einen Drink nehmen?«
»Chief, Ihnen ist der Unterschied zwischen einer Medienbegleitung und der anderen, eher anzüglichen Sorte, schon klar, oder?«
Wenn ihre Frage nicht von einem neckischen Lächeln begleitet gewesen wäre, hätte er fast befürchtet, dass er seine Grenzen überschritten und sie beleidigt hatte. Er legte die Hand aufs Herz. »Damit wollte ich nicht andeuten, dass Sie kein Vollprofi sind.« Nach diesem Satz zuckte er zusammen und meinte: »Oh, Himmel, das klang nun auch wieder nicht richtig, stimmt’s?«
»Nein, tat es nicht«, sagte sie lachend.
Erleichtert sagte er: »Erklären Sie mir Ihren Job.«
Zuerst gab sie ihm eine kurze Zusammenfassung, ehe sie dann doch weiter ging. »Die meiste Zeit verbringt man dabei im Auto, fährt quer durchs Großstadtgewühl und sorgt dafür, dass der Kunde pünktlich, entspannt und in positiver Stimmung zu sämtlichen Verabredungen und Medienterminen erscheint. Ich versuche, meine Kunden vor jedem möglichen Chaos zu schützen, das irgendwo unterwegs aufkeimen könnte.«
»Was zum Beispiel?«
»Verkehrsstau. Absagen und neue Termine in letzter Minute. Krankheit. Einfach alles, was Sie sich denken können. Manchmal ist der Zeitplan sehr eng, und mir bleibt kaum Fahrzeit. Deshalb schleppe ich auch all die Sachen mit mir herum«, sagte sie, wobei sie mit dem Kopf zu den Vorräten auf dem Rücksitz deutete. »Ich habe sogar einen Erste-Hilfe-Kasten, Nähzeug und feuchte Tücher dabei.«
»Feuchte Tücher?«
»Einmal habe ich eine Fernsehdiva begleitet, die eine Phobie davor hatte, dem gemeinen Volk die Hände zu schütteln. Sie wusch sich nach jedem Körperkontakt.«
»Und wer war das?«
Ruckartig hob sie den Kopf und schaute ihn entgeistert an. »Möchten Sie, dass ich Ihre Geheimnisse unter meinen anderen Kunden verbreite?«
»Ich habe keine Geheimnisse.« Sein durchtriebenes Grinsen strafte seine Behauptung Lügen.
»Jaja«, meinte sie gedehnt. »Außerdem kann man mit feuchten Tüchern gut Bühnenschminke von dunklen Stoffen entfernen.«
»Im Ernst? Hm, man lernt wirklich nicht aus.«
»Ich habe durch Improvisieren gelernt. Ferner gehört es zu meinem Job, dafür zu sorgen, dass meine Kundschaft ihrem Status entsprechend behandelt wird, und man für sie auf Schritt und Tritt den Roten Teppich ausrollt – ob sie’s verdienen oder nicht.«
»Das kann ich bezeugen.«
Sie lächelte ihn an. »Dann bekomme ich für den heutigen Abend ein goldenes Abzeichen. Sie sollten sich um nichts kümmern müssen, mit einer Ausnahme: Ihre Rede.«
Weil er ihr mit Vergnügen zuhörte, fielen ihm immer neue Fragen ein. Dabei erfuhr er, dass ihr Job nicht immer mit Chauffeurdiensten und sorgfältig organisierten Pressekonferenzen erledigt war.
»Mal angenommen, ein Kunde wünscht Begleitung, dann sorge ich dafür. Ich bin ein guter Zuhörer geworden. Ich bringe sie an jeden gewünschten Platz: Restaurant, Lunapark, Konzert,
Die Originalausgabe erschien 2000 unter dem Titel »The Switch« bei Warner Books, Inc., New York.
6. Auflage Taschenbuchausgabe April 2005 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.
Copyright © der Originalausgabe 2000 by Sandra Brown Management, Ltd.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2003 by Blanvalet Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH Umschlaggestaltung: Design Team München Umschlagfoto: PicturePress/Jose Molina Satz: Uhl+Massopust, Aalen
MD · Herstellung: Heidrun Nawrot
eISBN 978-3-641-10329-3
www.blanvalet.de
www.randomhouse.de
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