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Die Wirtschaftskrise weitet sich aus, die Arbeitslosenzahlen steigen – also schlechte Zeiten, um sich zu bewerben? Keinesfalls! Offene Stellen gibt es weiterhin – es kommt nur darauf an, bei der Bewerbung die richtige Strategie anzuwenden! Die Autoren zeigen, wie man in wirtschaftlich schwierigen Zeiten herausfindet, wo noch Stellen zu besetzen sind, wie man seine Stärken optimal herausarbeitet und den Wunscharbeitgeber davon überzeugt, dass man gerade jetzt der oder die Richtige ist.
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Seitenzahl: 188
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Anne Jacoby / Florian Vollmers
Bewerben in schwierigen Zeiten
www.campus.de
Information zum Buch
Die Wirtschaftskrise weitet sich aus, die Arbeitslosenzahlen steigen – also schlechte Zeiten, um sich zu bewerben? Keinesfalls! Offene Stellen gibt es weiterhin – es kommt nur darauf an, bei der Bewerbung die richtige Strategie anzuwenden! Die Autoren zeigen, wie man in wirtschaftlich schwierigen Zeiten herausfindet, wo noch Stellen zu besetzen sind, wie man seine Stärken optimal herausarbeitet und den Wunscharbeitgeber davon überzeugt, dass man gerade jetzt der oder die Richtige ist.
Informationen zum Autor
Anne Jacoby ist freie Wirtschaftsjournalistin in Frankfurt und schreibt u. a. zu den Themen Management, Karrierestrategien und Persönlichkeitsentwicklung. Florian Vollmers ist freier Wirtschaftsjournalist in Bremen und schreibt u. a. zu den Themen Bewerbung, Berufseinstieg und Mittelstand.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Copyright © 2009. Campus Verlag GmbH
Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de
ISBN der Printausgabe: 978-3-593-39065-9
E-Book ISBN: 978-3-593-40728-9
Täglich lesen wir in der Zeitung neue Schreckensmeldungen: Kündigungen, Stellenabbau, Kurzarbeit. Aber bedeutet das auch, dass eine Bewerbung momentan keine Chance hat?
Unser erster Rat, den wir Ihnen gleich zu Beginn dieses Ratgebers geben wollen: Lassen Sie sich nicht verunsichern! Ja, die Wirtschaft kriselt. Aber denken Sie daran, was Sie persönlich suchen und was der Arbeitsmarkt immer noch bietet: einen Job. Deswegen wollen wir nicht auf die Krise schimpfen, die Zahl der vergangenen Krisen nicht beschwören und auch nicht auf die Krisen hinweisen, die mit Sicherheit noch kommen werden. Wir wollen Ihnen Mut machen und Ihnen zeigen, wie Sie auch in diesen Zeiten einen Job finden können – egal, ob Sie wegen der Krise Ihre Anstellung verloren haben oder ob Sie sich einfach gerade jetzt beruflich neu orientieren wollen.
Wenn Sie jetzt einen Job suchen, dann suchen Sie einen für sich – und nicht Millionen Jobs für Millionen Arbeitslose in Deutschland. Sie haben es auch gar nicht mit dem abstrakten Arbeitsmarkt zu tun, sondern mit einzelnen Personalverantwortlichen in einzelnen, ganz unterschiedlichen Unternehmen, die vielleicht heilfroh sind, dass gerade Sie sich bewerben, weil sie genau Sie suchen.
Ignorieren Sie also die fetten Schlagzeilen auf Deutschlands Revolverblättern, lassen Sie Moderatoren im Fernsehen und |8|im Radio die Krise besingen, und hören Sie einfach nicht zu. Lassen Sie sich nicht herunterziehen, pfeifen Sie auf die Krise. Die Zeiten sind schwierig, das wollen wir gar nicht abstreiten. Aber heißt das automatisch, dass die Zeiten auch für Sie schwierig sind? Nicht unbedingt, meinen wir. Wenn Sie zum Beispiel besonders gut verkaufen oder besonders gut Kosten sparen können, sind Sie jetzt in der Wirtschaft besonders gefragt.
Und könnte es nicht sogar sein, dass die schwierigen Zeiten auch ganz neue Freiheiten mit sich bringen? »Oh, das ist aber zynisch!«, denken Sie? » Von neuen Freiheiten zu sprechen, wenn die Industrie Tausende von Leiharbeitern auf die Straße setzt, die sich und ihre Familien dann mit Hartz IV durchbringen müssen.« Diese Art der »Freisetzung« meinen wir nicht mit Freiheit. Es geht eher darum, dass auch unfreiwillige Brüche in der Biografie den Betroffenen die Chance geben zu sagen: »Jetzt mache ich mal was ganz anderes.« Oder: »Jetzt mache ich das, was ich wirklich will.«
Das war für die Generation der Wirtschaftswunderkinder kaum denkbar: Sie absolvierten Schule, Ausbildung, Berufseinstieg und Aufstieg häufig so geradlinig, dass man von »Schornsteinkarrieren« sprach. Das Wort kennt heute kaum noch jemand. Denn heute ist es zunehmend normal, dass der Berufsweg eben nicht »normal« verläuft, sondern in Kurven, Umwegen, Schlaufen, Sackgassen, Auszeiten.
Dies ist ein Bewerbungsratgeber für schwierige Zeiten. »Sollten denn Bewerbungen jetzt anders aussehen als sonst?«, fragen Sie sich? Das haben wir uns auch gefragt und deshalb viele Fachleute um ihre Meinung gebeten. Die Antworten waren einhellig: Ja, Bewerbungen müssen in Krisenzeiten anders aussehen. Sie müssen treffender, überzeugender sein. Was sie nicht müssen: auffallen um jeden Preis, Muster brechen, |9|völlig neue Wege gehen. »Schnickschnack!«, nannten das die von uns befragten Personaler.
Bei einer Bewerbung geht es um »einen Kommunikationsprozess, der nach festen Regeln abläuft«, so der StepStone Bewerbungsreport 2009. »Und dabei handelt es sich um Regeln, die – Fachkräftemangel hin oder her – nach wie vor in erster Linie von den Kandidaten eingehalten werden müssen.«
Jetzt besteht die Kunst darin, das Portfolio der eigenen Qualifikationen gegen den Strich zu bürsten und vielleicht erstmals von einer anderen Seite anzuschauen – in vielen Fällen kann eine professionelle Beratung, die genau auf Ihren Fall zugeschnitten ist, dabei sehr hilfreich sein.
Die Kunst besteht aber auch darin, für jede einzelne Bewerbung die richtige Form und den richtigen Inhalt zu finden. Denn: Die eine richtige Bewerbung an sich gibt es nicht. Es gibt keine allgemeingültige Erfolgsstrategie. Es gibt nur die im Einzelfall erfolgreiche Bewerbung, die manchmal auch ungewöhnlich aussehen kann: Zum Beispiel, wenn ein in seiner Branche sehr gefragter Spezialist für Bergsport sich handschriftlich auf einen Job in der Sportbranche bewirbt, weil er sich auf seiner aktuellen Route fernab von jedem Computer und jedem Internetanschluss befindet. Natürlich bekommt er den Job, wenn er der beste Bewerber ist.
1. Mut machen. Ob Ihnen gekündigt wurde oder Sie Angst haben, demnächst arbeitslos zu werden, ob Sie zum ersten Mal einen Job suchen oder schon 187 Bewerbungen geschrieben haben – gehen Sie offensiv mit Ihrer Situation um. Der Erfolg |10|Ihrer Karriere liegt nicht allein in Ihrer Hand, sondern wird von zahllosen Zufällen, Glückssträhnen und Schicksalsschlägen mitbestimmt. Wir zeigen Ihnen, was Sie trotzdem tun können, um erfolgreich zu sein. (Kapitel 1)
2. Neue Perspektiven zeigen – vor allem auf sich selbst. Wahrscheinlich können Sie viel mehr, als Sie glauben, und vielleicht haben Sie ja sogar Lust auf einen ganz anderen Job? Wir haben Methoden gesammelt, mit denen Sie Ihr Talent entdecken. (Kapitel 2)
3. Sagen, wo es noch Jobs gibt. Nicht alles geht überall den Bach herunter. Die Branchen entwickeln sich ganz unterschiedlich, manchen geht es immer noch richtig gut. Wir sagen, welche das sind und wo Sie darüber hinaus Stellen finden. (Kapitel 3)
4. Türen öffnen. Kann man einfach irgendwo klingeln und fragen: »Haben Sie einen Job für mich?« Das wäre ungewöhnlich, aber nicht undenkbar. Wir beschreiben, wie Sie Kontakt zu Ihrem Wunscharbeitgeber aufnehmen können. Es gibt recht viele Möglichkeiten, die etwas eleganter sind als die, mit der Tür ins Haus zu fallen. (Kapitel 4)
5. Die Angst vor dem leeren Blatt nehmen. Ein Anschreiben zu entwerfen ist ein Job, der einen ganzen Tag dauern kann. Strukturieren, formulieren, kürzen, feilen – das ist anspruchsvoll, aber kein Hexenwerk. Wir haben Formulierungshilfen für Sie gesammelt. (Kapitel 5)
6. Argumente liefern. » Warum haben Sie Ihren Job verloren?« Damit Sie auf diese Frage etwas mehr als » Tja …« sagen können, haben wir die wichtigsten Fragen zusammengetragen, |11|mit denen Sie im Vorstellungsgespräch konfrontiert werden – und Antworten gesucht, mit denen Sie sich zugleich souverän und smart präsentieren. (Kapitel 6)
Bevor wir nun richtig ins Thema einsteigen, wollen wir einen Blick auf die Bewerbungsmoden und -methoden der vergangenen Jahrzehnte werfen. Das ist zum einen amüsant, zum anderen zeigt es Ihnen, dass in Sachen Bewerbung Formen möglich waren, die heute als unmöglich gelten. Für Sie heißt das: Sie brauchen sich nicht sklavisch an vorgegebene Formen zu halten. Es ist alles im Fluss, und das gibt Ihnen Freiheiten. Wichtig ist allein, dass Ihre Bewerbung in sich stimmig und überzeugend ist.
Ein Beispiel: Mitte der 70er Jahre schickte ein deutscher Hochschulabsolvent einen 10-zeiligen Brief an die Boston Consulting Group in die USA: »Ich interessiere mich wirklich für eine Karriere bei der BCG und würde mich über einen Vorstellungstermin sehr freuen.« Die Akzente in dem Wort »Résumé« waren handschriftlich eingezeichnet, und am Ende hieß es: »Bitte entschuldigen Sie die beiden Druckfehler in meinem Lebenslauf.« Der Absender: Bolko von Oetinger, der später BCG Deutschland gründete und das Unternehmen zu einer der führenden Managementberatungen Deutschlands ausbaute.
Das Beispiel zeigt, wie massiv sich der Bewerbungsprozess in den vergangenen drei Jahrzehnten verändert hat. Als die technischen Mittel und die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung noch begrenzt waren, konnte man auch mit einer unbeholfenen und holprigen Bewerbung erfolgreich sein. Heute |12|kommt es auf fehlerfreie Professionalität und umfassende Recherchen im Bewerbungsprozess an – Aspekte, die sich in Krisenzeiten noch verschärfen! Verzagen Sie aber nicht: Es ist absolut möglich, diese Anforderungen zu erfüllen.
Von der Schreibmaschine zur Computertechnik
Wer früher seine Bewerbung schrieb, tippte sie auf einer Schreibmaschine oder benutzte Rechner mit aus heutiger Sicht unfassbar geringer Speicherkapazität – um sie anschließend auf einem Nadeldrucker auszudrucken. Heute geht in der Bewerbung nichts mehr ohne Internet und E-Mail: Viele Großunternehmen akzeptieren nur noch Anschreiben über das firmeneigene Online-Portal – einige von ihnen befördern unaufgefordert per Post zugeschickte Mappen automatisch in den Schredder. Die Digitaltechnik hat es ermöglicht, dass Bewerbungen schneller und professioneller produziert werden können – weshalb Bewerber heute ohne großen Aufwand mehrere Bewerbungen gleichzeitig losschicken können. Mit dem Ergebnis, dass beispielsweise BMW jährlich 200000 Bewerbungen erhält. In Zeiten der Krise kommt es darauf an, die Möglichkeiten der modernen Technik ausgiebig und sorgfältig zu nutzen – und dabei den Fokus auf wenige, gut gemachte Bewerbungen zu legen, nicht auf am Computer-Fließband hergestellte Massenunterlagen.
Tagesaktuelle Infos gelten als selbstverständlich
Mit dem Siegeszug des World Wide Web in den 90er Jahren explodierten die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung für Bewerber: Während man früher mühsam aus Stellenanzeigen |13|und Zeitungsartikeln Fakten zum potenziellen Arbeitgeber herausfilterte, stehen heute sämtliche Hintergründe auf Firmenhomepages und in Online-Archiven bereit. Die Folge: Personaler erwarten heute, dass Bewerber perfekt auf das Unternehmen vorbereitet und auch über den neuesten, tagesaktuellen Stand informiert sind, wie es dem jeweiligen Unternehmen in der Krise geht.
Bewerbungsmappen werden immer individueller
Bewerbungsmappen von anno dazumal bestanden in der Regel aus einem kurzem Anschreiben, einem Standard-Lebenslauf und kopierten Zeugnissen. Heute gleichen sie einem Werbeprospekt in eigener Sache – mit Deckblatt, professionellem Foto und individuell zugeschnittenem Lebenslauf. Im Anschreiben reichten früher Formulierungen wie »Bitte entnehmen Sie alles Weitere meinen Anlagen«. Heute erwarten Personaler eine Art Selbstgutachten, das etwas über die Persönlichkeit des Bewerbers verrät. Und besonders in Krisenzeiten wollen Arbeitgeber aus einem Bewerbungsanschreiben schnell und klar herauslesen können, ob man für die zu besetzende Stelle der passgenaue Kandidat ist.
Eine Ausbildung allein reicht nicht mehr
Für Bewerber war es in früheren Zeiten in erster Linie entscheidend, dass man eine Ausbildung hatte. Zusatzqualifikationen, Internationalität und diverse Praktika waren eher die Ausnahme. Heute werden Bewerber gar nicht mehr eingeladen, wenn ihnen diese Voraussetzungen fehlen. Besonders in Krisenzeiten |14|gilt: Je mehr ein Bewerber kann, desto besser – denn so ist er vielseitig einsetzbar. Gleiches gilt für die Handhabung der Technik: Während man noch vor 20 Jahren darauf achtete, ob ein Bewerber Steno beherrschte und wie viele Tippanschläge er in der Minute schaffte, ist das Meistern komplexer Computerprogramme heute ein Muss. Hingegen war es früher ein Muss, den Beruf der Eltern anzugeben – für nicht wenige Arbeitgeber ein entscheidendes Auswahlkriterium. Heute ist diese Angabe in den Bewerbungsunterlagen völlig ohne Bedeutung.
Aktive Rolle im Vorstellungsgespräch
Im Vergleich zu heute kamen Bewerber noch vor 20 Jahren reichlich unvorbereitet in ein Vorstellungsgespräch: Der potenzielle Chef begutachtete sie, prüfte die fachlichen Kenntnisse ab und traf dann relativ schnell seine Entscheidung. Heute durchlaufen Bewerber in Großunternehmen häufig mehrere Stufen, sprechen mit der Personalabteilung, psychologisch geschulten Beratern, dem Fachvorgesetzten – und müssen bei Bedarf auch noch Einstellungstests durchlaufen. Früher genügte es häufig, wenn man als Bewerber dabei eine passive Rolle einnahm. In Krisenzeiten kommt es bei Arbeitgebern gut an, wenn man aktiv auf das Unternehmen zugeht und Fragen stellt.
Einstellungstests haben ihre größte Zeit hinter sich
Vor etwa 20 Jahren führten Arbeitgeber erstmals Einstellungstests im Bewerbungsprozess ein: In der sogenannten Postkorb-Übung mussten Kandidaten zum Beispiel die Effektivität ihrer Arbeitsorganisation am Schreibtisch beweisen. In Gruppendiskussionen |15|wurden Teamfähigkeit und Konfliktpotenzial der Bewerber abgeprüft. Teilweise nahmen die Tests groteske Formen an, indem Bewerber in Outdoor-Trainings durch die Landschaft klettern mussten oder in realitätsfernen Rollenspielen zum Beispiel entscheiden mussten, welche Gegenstände sie mitnehmen würden, um auf einer Mondstation zu überleben. Nicht in allen Unternehmen haben derartige Tests überlebt – und wenn, wurden sie deutlich abgespeckt und berufsnäher gestaltet. In Krisenzeiten wollen Personaler vor allem wissen, wie verlässlich und vertrauenswürdig Kandidaten sind.
Bewerbungsmoden kommen – und gehen
Personaler bekommen noch heute eine Gänsehaut, wenn sie an Bewerbungsmoden vergangener Zeiten zurückdenken: So galt es eine Zeit lang als besonders kreativ, alle Unterlagen handschriftlich einzureichen – eine Qual für jeden Personalbearbeiter. Einige Jahre galt es als unverzichtbar, den Arbeitgeber auf eine eigene Webseite zu verweisen. Inzwischen ebenso out ist es, Bewerbungsmappen auf CD-ROM oder auf einem USB-Stick zu überreichen. Keine dieser Bewerbungstrends hat überlebt. Die Krise zeigt, worauf es wirklich ankommt: Personaler wünschen sich mehr denn je klar gestaltete und einfach zu handhabende Unterlagen ohne großen Schnickschnack. Ob per E-Mail oder auf Papier, hängt stark vom jeweiligen Arbeitgeber ab.
Der Umgang ist weniger ruppig – dafür umso fordernder
Im Jahr 2006 trat das sogenannte Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft. Dieses Gesetz soll Benachteiligungen |16|aus Gründen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern und beseitigen. Schon vor Inkrafttreten hatte das Gesetz jahrelang für Diskussionen gesorgt und sich damit entscheidend auf den Bewerbungsprozess ausgewirkt. Um den Vorwurf der Diskriminierung und Schadenersatzklagen zu vermeiden, sind Unternehmen heute vorsichtiger als noch in früheren Zeiten: Abgelehnte Bewerber erfahren mittlerweile nicht mehr ohne weiteres, warum sie einen Job nicht erhalten haben. Kritische Angaben, zum Beispiel zu Behinderungen, müssen heute nicht vorab geleistet werden. Insgesamt hat die Diskussion um das AGG dazu geführt, dass man mit Kandidaten weniger ruppig umgeht. Wo früher schon mal eine schnippische Bemerkung über das Outfit eines Kandidaten üblich war, konzentriert man sich heute stärker darauf, welche Arbeitsleitung der jeweilige Kandidat zugunsten des Arbeitgebers verlässlich leisten kann.
Spätestens seit Herbst 2008 ist die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise in aller Munde. Die Menschen sind unruhiger geworden. Viele fragen sich in diesen Zeiten: Welche Überraschungen hält diese Krise noch für uns parat? Wird sie den Arbeitsmarkt noch weiter aufmischen? Welche langfristigen Auswirkungen hat sie auf den Stellenmarkt? Das Besondere an der derzeitigen Krise: Selbst angesehene Wirtschafts- und Arbeitsmarktforscher wissen auf all diese Fragen keine eindeutigen Antworten.
Wie tief die Einschnitte auf den Jobmarkt am Ende ausfallen, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht prognostizieren. Wer sich jetzt um einen Job bewirbt, sollte sich deshalb nicht beunruhigen lassen: Man muss diese Krise nicht verstehen, man muss ihren Verlauf nicht vorausahnen können – diese Erkenntnis bleibt Forschern erst in einigen Jahrzehnten vorbehalten. Doch bevor man sich auf Stellensuche begibt, lohnt es sich, einen kurzen Blick auf die wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Monate zu werfen und grundsätzliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt unter die Lupe zu nehmen.
Bereits im Frühsommer 2007 zeichnete sich die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise ab: Damals blieben immer mehr Banken und Versicherungen in den USA auf ihren Krediten sitzen, die sie leichtfertig an Kunden vergeben hatten, ohne deren langfristige Zahlungsfähigkeit zu überprüfen. Viele dieser Kunden hatten sich über Jahre einen teuren Lebensstil auf Pump geleistet und dabei Geld ausgegeben, das sie eigentlich nicht hatten. Als Sicherheit setzten sie auf ihre Immobilien. Als diese mit einem Mal an Wert verloren, konnten die Kreditnehmer nicht mehr zahlen. Auch die Banken selbst hatten sich verspekuliert und Geld in Anlagen – überwiegend Immobilien – gesteckt, die völlig überbewertet waren. Eine solche Blase platzt irgendwann, und innerhalb kürzester Zeit findet dann ein dramatischer Preisverfall statt.
So war es auch im Spätsommer 2008, als die ersten Folgen der geplatzten Blase zum beherrschenden Medienthema wurden: Zahlreiche Banken und Versicherungen mussten massive Verluste hinnehmen oder meldeten gleich Insolvenz an. Und rissen damit von ihnen mitfinanzierte Unternehmen anderer Branchen mit in die Krise: Am schnellsten und härtesten traf es die Automobilindustrie. Wo Banken keine Kredite mehr vergeben und Kapital fehlt, können keine neuen Aufträge erteilt werden und keine neuen Mitarbeiter bezahlt werden. Und Endverbraucher, die weniger Geld zur Verfügung haben und beim Ausgeben vorsichtiger werden, sorgen insgesamt für einen Rückgang des Konsums. Unternehmen wiederum drosseln ihre Produktion, weil die Nachfrage sinkt. Diese enge Verzahnung der Finanzströme und weltweiten Einzelwirtschaften sorgte dafür, dass sich die Krise schnell über den ganzen Globus ausbreitete.
|19|Ende der 20er Jahre hat es einen vergleichbaren Einbruch schon einmal gegeben: Kreditfinanzierte Massenspekulationen führten im Oktober 1929 zum berüchtigten Zusammenbruch der New Yorker Börse. Zugleich hatte eine Überproduktion von Konsumgütern zu einem fatalen Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage geführt – unzählige Betriebe mussten daraufhin ihre Produktion stoppen. Die Volkswirtschaften sämtlicher Industrienationen gingen daraufhin in die Knie. Die Folgen waren massenhafte Unternehmenszusammenbrüche und eine Massenarbeitslosigkeit von nie gekanntem Ausmaß.
Doch selbst von dieser Großen Depression erholte sich die Weltwirtschaft Mitte der 30er Jahre. Und genauso wird auch die aktuelle Krise irgendwann überwunden sein. Doch wann? Historische Vergleiche werden immer dann zurate gezogen, wenn es noch zu früh ist, ein aktuelles Phänomen in Gänze zu bewerten: »Der größte wirtschaftliche Einbruch seit Ende des Zweiten Weltkriegs« oder »Die schlimmste Rezession seit der Weltwirtschaftskrise von 1929« war in den vergangenen Monaten wiederholt in den Schlagzeilen zu lesen. Tatsache ist, dass die derzeitige Krise nicht zu den zyklischen wirtschaftlichen Talfahrten zählt, die nach der Lehre der Wirtschaftstheorie regelmäßig vorkommen und immer wieder durch einen Aufschwung abgelöst werden. Wann es nach der derzeitigen Krise wieder bergauf geht, wagt bislang niemand zu prognostizieren.
Krisengeschüttelte Unternehmen versuchen im Moment alles, um Entlassungen zu vermeiden: Bevor sie ihre Mitarbeiter |20|auf die Straße schicken, verordnen sie Kurzarbeit, senken die Löhne oder schließen kurzfristigere Arbeitsverträge ab. Wenn es sich nicht mehr vermeiden lässt, schrecken sie aber vor Entlassungen nicht mehr zurück.
Fakt ist: Wegen der Wirtschaftskrise gibt es weniger Jobs in Deutschland. In den ersten Monaten des Jahres 2009 ist die Zahl der offenen Stellen nachweislich um ein Viertel zurückgegangen. Damit ändert sich die Stimmung auf dem Jobmarkt. Für Sie bedeutet das konkret: Sie haben weniger Auswahl, aber dafür mehr Konkurrenz. Sie müssen länger und genauer suchen.
Und wie ist es mit den Arbeitgebern? Lassen sie sich in wirtschaftlichen Krisen mehr Zeit bei der Besetzung ihrer Stellen, um ihre Bewerber intensiver auf Herz und Nieren zu prüfen? Rein statistisch gesehen lautet die Antwort Nein. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat herausgefunden, dass die Suche eines geeigneten Bewerbers von ihrem Beginn bis zur Entscheidung für eine Person derzeit 48 Tage dauert – was der üblichen Dauer der Vorkrisenzeit vollkommen entspricht. Zwischen dem Termin der Entscheidung für einen Bewerber und dem gewünschten Arbeitsbeginn liegen immer noch durchschnittlich sechs Tage. Auch diese Zeitspanne bleibt seit Jahren unverändert.
Was die derzeitige Krise trotz aller Alleinstellungsmerkmale mit anderen Wirtschaftsflauten gemeinsam hat: Sie heizt den sogenannten »Schweinezyklus« an, ein echter Arbeitsmarktklassiker: Sind die Chancen in bestimmten Berufen und Branchen prächtig, steigt auch die Zahl der Nachwuchskräfte, die sich für diese Bereiche ausbilden lassen. Einige Jahre später suchen alle zur gleichen Zeit einen Job – und produzieren ein Überangebot. Wenn sie scheitern, spricht sich das bei Neulingen schnell herum. Und zu viele von ihnen entscheiden sich im Zweifelsfall, |21|auf einen anderen Beruf umzusatteln. Wodurch wiederum ein Mangel entsteht. Dieses ständige Auf und Ab sollten Sie im Hinterkopf behalten. Denn auch diese Krise wird irgendwann zu Ende sein. Und bereits jetzt zeichnet sich ab, dass neben Branchen, denen es im Moment schlecht geht, andere Bereiche einen regelrechten Boom erleben und eine Menge Jobs zu vergeben haben. Im Übrigen besteht kein Grund für langfristige Schwarzmalerei: Arbeitsmarktforscher gehen davon aus, dass aufgrund der demografischen Entwicklung der grundsätzliche Bedarf am Arbeitsmarkt über die Jahre eher steigen wird. Immer weniger Kinder werden geboren – aber die Arbeit muss trotzdem erledigt werden. Generell besteht dabei der größte Mangel im Bereich der Hochqualifizierten. Aber neben Akademikern und Fachkräften wird auch ein Mangel an Erwerbstätigen ohne formal abgeschlossene Berufsausbildung bestehen, schätzt beispielsweise das Beratungsunternehmen Prognos. Besonders im Bereich der Dienstleistungen soll die Arbeitskräftelücke bis zum Jahr 2030 auf rund fünf Millionen Personen steigen. Dramatisch wird der Mangel laut Prognos auch im Gesundheitswesen und bei den Unternehmensdienstleistern sein. Vor allem bei Letzteren bestehe 2030 ein massiver Bedarf an Hochschulabsolventen, der unter den gegebenen Bedingungen nicht gedeckt werden kann.
Was helfen Arbeitslosenzahlen und Schweinezyklen, wenn man gerade einen Schlag ins Gesicht bekommen hat: Firma pleite, der Restrukturierung zum Opfer gefallen, nach der Fusion überflüssig geworden, nach dem Traineeprogramm nicht übernommen worden, rausgemobbt, Pech gehabt. Vielleicht gehören Sie |22|auch zu denen, die noch nie einen »richtigen« Job hatten, weil Sie nach Ihrer Promotion über expressionistischen Film nicht so richtig dringend am Arbeitsmarkt gebraucht wurden? Oder zu denen, die vor 20 Jahren eine sehr gute Gesellenprüfung in einem Beruf abgelegt haben, den es heute gar nicht mehr gibt?
Arbeitslosenzahlen und Schweinezyklen bringen Sie nicht in einen neuen Job. Aber es tut vielleicht ganz gut zu wissen, wie die eigenen schwierigen Zeiten mit dem großen Ganzen zusammenhängen. Das Wissen um die Zusammenhänge kann entlastend wirken. Denken Sie an die alte kölsche Weisheit: »Mach Dir ke Sorje, et küt wie et küt, und et hät noch immer jot jejange.«
Es sind schwierige Zeiten. Es sind ungerechte Zeiten. Der eine fliegt raus, der andere zieht weiter. Das ist das Prinzip von »Mensch ärgere dich nicht«. Und das ist der Grund, warum sich viele Menschen, die in diesen schwierigen Zeiten in Schwierigkeiten geraten, vor lauter Frust und Ärger und wegen des Gefühls der Demütigung gar keine rechte Lust haben, sich überhaupt wieder zu bewerben. (» Was bilden die sich eigentlich ein? Da mache ich nicht mehr mit …!«) Das ist nur allzu verständlich. Aber machen Sie nicht diesen Fehler. Es nützt überhaupt nichts, über die Zeiten zu schimpfen – Sie müssen wohl oder übel lernen, damit umzugehen.
Was passiert eigentlich, wenn wir scheitern?
Christiane Zschirnt schreibt in ihrem Buch Keine Sorge, wird schon schiefgehen: »Die Arbeitgeberin, der Partner, das Bankkonto oder das eigene Talent signalisieren: ›Nichts geht mehr‹ – aber diese Botschaft mitten im Leben ist so vollkommen inakzeptabel, dass zugleich ein anderes Signal auftaucht, und das |23|lautet: ›Jetzt muss sofort etwas verändert werden.‹ Dieses zweite Signal kann entweder von innen oder von außen kommen.« Konkret heißt das: Jetzt muss ein neuer Job her, manchmal auch eine neue Wohnung. Neues Spiel, neues Glück. »Und es ist dann übrigens dieses komplizierte Arrangement aus Bedrohung und Aufbruch, Hindernislaufen und Entdeckung neuer Möglichkeiten, das wir so gern beschönigend als ›Scheitern als Chance‹ umschreiben«, schreibt Christiane Zschirnt. »Dem Neuen und Anderen, das nach dem Scheitern bejaht und positiv gesehen werden muss, geht die negative Erfahrung des Scheiterns voraus. Die Entscheidung: ›Da mache ich jetzt etwas draus‹ muss von jedem Einzelnen mit dem Blick auf Trümmer getroffen werden. Das macht die Bewältigung des Scheiterns so schwierig.«