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Examensarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Politik - Politisches System Deutschlands, Note: 2,0, Philipps-Universität Marburg, Sprache: Deutsch, Abstract: # Die Examensarbeit untersucht die Verknüpfung des Politikfeldes Bildung auf der einen mit Institutionen dirketer Demokratie auf der anderen Seite - bezogen auf die Länderebene der BRD. Einem ausführlichen Theorieteil über die Grundzüge direkter Demokratie (v.a. in der BRD) und einer Annalyse der Bedeutung von bildungspolitischen Themen für direktdemokratische Verfahren schließt sich eine ausführliche Fallstudie zu den wichtigsten Initiativen, Begehren und Volksentscheiden in diesem Politikfeld an.
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Vorwort
Die politikwissenschaftliche Verbindung der beiden Themenfelder Bildungspolitik und Direkte Demokratie ist evident. Beide Bereiche besitzen derzeit einen hohen Aktualitätsgrad. Spätestens seit Mitte der 1990er Jahre und dem so genannten „Pisa-Schock“ steht die Bildungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland auf dem Prüfstand und wird politisch, wissenschaftlich und gesellschaftlich hinterfragt. Reformen erscheinen dringend notwendig und werden von vielen Seiten mit unterschiedlicher Akzentuierung eingefordert. Das gesamte Bildungssystem von der Betreuung im Kindergartenalter über die verschiedenen Schulformen bis hin zu den Hochschulen steht im internationalen Vergleich nicht gut da. Und das, obwohl Bildung und Wissen in diesen Zeiten als Kapital und „Rohstoff“ der Deutschen angesehen wird. Zu den Missständen passen die jüngsten Analysen, dass die Deutschen in den kommenden Jahrzehnten wohl immer mehr zum Volk der Kinderlosen werden. Gewiss kann dieses Problem hier nicht näher betrachtet werden, doch von den vielschichtigen Ursachen für die Tendenz zur Kinderlosigkeit liegt eine sicher auch im Feld einer umfassenden Bildungspolitik (z.B. Betreuungsangebote)
Da liegt es nahe, dass sich viele Parteien vor den jüngsten Landtagswahlen im März 2006[1] das Thema Bildung und Kinderbetreuung auf die Wahlkampffahnen schrieben und damit versuchten, politisch zu punkten. Warum besitzt nun das Thema Direkte Demokratie einen solch hohen Aktualitätsgrad? Nicht selten wird in jüngster Zeit vom „Demokratiedefizit“ der Bürger sowie von deren Politikverdrossenheit gesprochen. Auch diese hat bei den erwähnten Landtagswahlen einen neuen Tiefpunkt erreicht: Nur rund 45 Prozent der Wahlberechtigten gingen in Sachsen-Anhalt an die Urnen – so wenig, wie noch nie bei einer Landtagswahl in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Bei solchen Werten sind die Prinzipien der repräsentativen Wahlen und der „Herrschaft des Volkes“ zumindest gefährdet und zu hinterfragen. Vielleicht wäre das anders, wenn die Bürger mehr Möglichkeiten und Chancen sähen, durch ihre abgegebene Stimme direkter und unmittelbarer auf politische Entscheidungen einwirken zu können – zum Beispiel in Form von Direkter Demokratie. Und, um erneut die Verknüpfung zur Bildungspolitik herzustellen: Das Politikfeld Bildung ist das in den Institutionen der Direkten Demokratie von 1945 bis heute am häufigsten auftretende. Vor dem Hintergrund dieser aktuellen Aspekte sowie aufgrund des inhaltlichen Interesses am System der Direkten Demokratie ist die Entwicklung des Gegenstandes der vorliegenden Examensarbeit entstanden. Ich danke vor allem meinen Eltern und meiner Freundin für die aufmunternde Unterstützung sowie Herrn Professor Dr. Theo Schiller für die gute inhaltliche Betreuung.
Marburg, im Mai 2006
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung und Untersuchungsgegenstand
Die Fallstudien
Das Thema als Forschungsaufgabe
Teil I: Theoretischer Überblick zum Untersuchungsgegenstand
1 Direkte Demokratie
1.1 Definitionen
1.2 Die „Verfassung“ der Direkten Demokratie
1.3 Historische Entwicklung: Athen, Frankreich, Weimar
1.4 Direkte Demokratie im politischen und demokratischen Gesamtsystem
1.5 Direkte Demokratie: Pro- und Contra-Argumente
1.6 Direkte Demokratie in Deutschland
1.7 Übersicht: Der Weg zum Volksentscheid am Beispiel Bayerns
2 Bildungspolitik
Teil II: Direkte Demokratie und Bildung in den deutschen Bundesländern
1 Vorüberlegungen
2 Schwerpunkt Bildung: Empirisches
2.1 Exkurs: Direktdemokratischer Überblick und „Rangliste“ der Bundesländer
3 Empirische Analyse
4 Übersicht aller direktdemokratischer Verfahren in den Bundesländern von 1947 bis April 2006
4.1 Analyse
5 Bildung – ein bürgernahes und direktdemokratisch geeignetes Politikfeld
5.1 Unterstützer und Initiatoren direktdemokratischer Initiativen im Bereich Bildung
6 Initiativen im Politikfeld Bildung und ihr Erfolg
6.1 „Finanztabu“ und Bildungspolitik
7 Zwischenfazit
TEIL III: FALLANALYSEN
1 „Stop Koop“: Das Volksbegehren gegen die Kooperative Gesamtschule in NRW 1978
1.1 Bewertung
2 „WIR gegen die Rechtschreibreform“ – der Volksentscheid in Schleswig-Holstein 1998
2.1 Bewertung
3 Die Volksinitiative „Für unsere Kinder“ in Brandenburg 2000 und das Volksbegehren des Vereins „Zukunft braucht Schule“ in Sachsen 2002
3.1 Bewertung
4 „Bildung ist keine Ware“ – Die Volksinitiative mit anschließendem Volksbegehren in Hamburg 2003/2004
4.1 Bewertung
5 Der Volksentscheid „Für ein kinder- und jugendfreundliches Sachsen-Anhalt 2005
5.1 Bewertung
6 „Rettet die Grundschulen“ – das unzulässige Volksbegehren im Saarland 2006
6.1 Bewertung
7 Das Volksbegehren zur Erhaltung der Lernmittelfreiheit in Bayern 1977 und seine aktuelle Bedeutung
7.1 Bewertung
8 Der / die Volksentscheid(e) zur „Christlichen Gemeinschaftsschule“ in Bayern 1968
8.1 Bewertung
Fazit und Perspektiven
Literaturverzeichnis
Versicherung des Verfassers zu Quellenangaben
Die Verknüpfung von Bildungspolitik mit Direkter Demokratie als eine Form von direkter und unmittelbarer Bürgerbeteiligung auf Landesebene und die Aktualität beider wurde im Vorwort bereits angedeutet. In der vorliegenden Arbeit soll das Ausmaß dieser Verknüpfung genau dargestellt und analysiert werden. Die Leitfragen sind zum einen, warum und in welcher Form das Thema Bildungspolitik in der direktdemokratischen Praxis auf Länderebene eine erhebliche Rolle spielt. Was macht Bildung im weitesten Sinne zu einem Thema, das den Bürger[2] interessiert? Zum anderen stellt sich die Frage, wie erfolgreich direktdemokratische Initiativen mit bildungspolitischem Hintergrund sind. Schon an dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass sich Scheitern oder Erfolg einer Initiative nicht ausschließlich durch das Erreichen eines Volksentscheides definieren.
In der Arbeit wird von einem umfassenden Begriff der Bildungspolitik ausgegangen. Grenzen zu anderen Feldern, wie zum Beispiel der Familienpolitik, sind daher mitunter fließend. In die Untersuchung fließen somit Bereiche der Kinderbetreuung genauso ein wie solche der Schulpolitik. Gewiss gehört auch die Hochschulpolitik in den Bereich Bildung. Da es sich aber (noch) um einen Bereich handelt, der eher bundespolitisch geregelt wird, wird jene in dieser Arbeit vernachlässigt.
Die Arbeit gliedert sich in drei große Blöcke: Im ersten Teil werden Direkte Demokratie und Bildungspolitik theoretisch erläutert. Dies ist vor allem für den Bereich der Direkten Demokratie notwendig, um die praktischen Analysen auf eine fundierte Basis stellen zu können. Der erste Block gibt einen Überblick über Definitionen und Terminologien Direkter Demokratie, über die verschiedenen Verfahrensregeln, reißt die historischen Kontexte (Stichwort: Weimarer Verfassung) kurz an, beleuchtet die Entwicklung Direkter Demokratie in Deutschland, stellt die wichtigsten Pro- und Contra-Argumente Direkter Demokratie gegenüber und analysiert, welche Rolle die Direkte Demokratie im politischen Gesamtsystem spielt. Abschließend wird die Bildungspolitik in der BRD skizziert.
Im zweiten Block geht es um eine empirisch-analytische Betrachtung des Politikfeldes Bildung als Hauptthemenkomplex der direktdemokratischen Praxis auf Landesebene. Ausgehend von den direktdemokratischen Regelungen auf Landesebene als Basis werden anschließend Phänomene beleuchtet, die das Themenfeld Bildungspolitik in der Praxis Direkter Demokratie charakterisieren (Bildung als bürgernahes Thema, Inhalte der Initiativen, Erfolge, Initiatoren, die Bedeutung des so genannten „Finanztabus“[3], das die Erfolge des Themenfeldes Bildung relativiert etc.). Diese Analyse stützt sich immer wieder auf Fälle aus der Praxis. Ein zentraler Teil des zweiten Themenblocks ist zudem eine tabellarische Zusammenstellung aller direktdemokratischer Verfahren zur Bildungspolitik auf Landesebene von 1947 bis heute.
Der dritte Hauptteil der Arbeit ist eine Zusammenstellung von Fallstudien direktdemokartsicher Verfahren auf Landesebene zur Bildungspolitik. Sie basiert auf den Analysen des zweiten Teils. Hier werden neun konkrete Praxisbeispiele genau untersucht und bewertet: Was war der Grund für den Erfolg oder Misserfolg der Initiative? Was war das Hauptanliegen? Wer waren die Unterstützer? etc. Bei der Untersuchung wird aber die thematische Beurteilung der Initiativen keine Rolle spielen. Es soll also nicht etwa diskutiert werden, ob die Rechtsschreibreform aus sprachpuristischen Gründen sinnvoll ist, oder die Einführung der kooperativen Gesamtschule in NRW bildungspolitisch wichtig gewesen wäre. Die rein politikwissenschaftliche Analyse steht im Mittelpunkt.
Ein Teil des Themas der vorliegenden Arbeit heißt unter anderem „ […] in ausgewählten Bundesländern“, da für den Rahmen einer Examensarbeit eine genaue Praxisstudie aller Fälle zu umfangreich wäre. Die Auswahl der ausführlich behandelten Praxisbeispiele und damit auch der Bundesländer bedeutet neben der Reduktion des Untersuchungsgegenstandes indes auch eine Fokussierung auf die direktdemokratisch wichtigen und interessanten Beispiele aus der Praxis. Bei der Fallauswahl geht es also nicht um eine Vollständigkeit aller Bundesländer und Initiativen, sondern vielmehr um die Bedeutung, die der Fall über den Einzelfall hinaus für ein bestimmtes Phänomen besitzt. Direktdemokratische Bedeutung und Exemplarizität waren die Auswahlkriterien. Ausgewählte Bundesländer meint im Übrigen auch, dass manche Länder aus dem einfachen Grund des Fehlens von direktdemokratischen Aktivitäten im Bereich Bildung für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit schon im Voraus nicht in Frage kamen (z.B. Thüringen).
Folgende neun Fälle werden aus anschließend genannten Gründen untersucht:
Das Volksbegehren gegen die Kooperative Gesamtschule in NRW 1978: Aufgrund seines großen und unerwarteten Erfolges ist es der „Vorzeigefall“ für eine funktionierende direktdemokratische Praxis.
Der Volksentscheid WIR gegen die Rechtsschreibreform in Schleswig-Holstein 1998: Ausgewählt zum einen aufgrund des Erfolgs im Volksentscheid und zum anderen als Beispiel für die Dominanz der Initiativen gegen die Rechtschreibreform in der direktdemokratischen Praxis insgesamt (12 Verfahren).
Die Volksinitiative Für unsere Kinder in Brandenburg 2000 und das Volksbegehren des Vereins Zukunft braucht Schule in Sachsen 2002: In beiden Fällen gab es ein bedeutendes Urteil der jeweiligen Landesverfassungsgerichte zum Umgang mit dem so genannten „Finanztabu“.
Die Volksinitiative mit anschließendem Volksbegehren Bildung ist keine Ware in Hamburg 2003/2004: Im Mittelpunkt steht die Privatisierung von Berufsschulen. Der Aspekt der privatisierten Bildung erweitert das Spektrum der direktdemokratischen Praxis und ist deshalb untersuchenswert.
Der Volkentscheid Für ein kinder- und jugendfreundliches Sachsen-Anhalt 2005: Der Fall hat erstens eine zeitliche Nähe. Zweitens handelt es sich um den jüngsten Volksentscheid im Politikfeld Bildung (trotz dessen Scheiterns also ein kleiner Erfolg). Und drittens wird somit in den Fallstudien das Themenfeld der Kinderbetreuung abgedeckt.