Bittere Wahrheit - Cassandra Clare - E-Book

Bittere Wahrheit E-Book

Cassandra Clare

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Beschreibung

Legenden der Schattenjäger-Akademie, Band 7 Nachdem Simon von Feen entführt wurde (warum wird ausgerechnet er immer entführt?), stößt er auf Gerüchte über eine Geheimwaffe, die Sebastian für die Feenkönigin hinterlassen hat. Er muss den Feen entkommen und kann sich dabei nur auf seinen einzigen Verbündeten, den ehemaligen Schattenjäger Mark Blackthorn, verlassen.

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Cassandra Clare Sarah Rees Brennan

Bittere Wahrheit

Aus dem Amerikanischen von

Franca Fritz und Heinrich Koop

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Cassandra Clare/Sarah Rees Brennan/ Maureen Johnson/Robin Wasserman

Legenden der Schattenjäger-Akademie 7

Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Einzeltitel »Bitter of Tongue« bei Margaret K. McElderry Books, einem Imprint der Simon & Schuster Children’s Publishing Division, New York.

Copyright © 2015 by Cassandra Claire, LLC

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2015 Arena Verlag GmbH, Würzburg

Alle Rechte vorbehalten

Aus dem Amerikanischen von Franca Fritz und Heinrich Koop

Cover: © Cliff Nielsen

Gesamtherstellung, Satz und ebook: KCS GmbH, Stelle | www.schriftsetzerei.de

ISBN 978-3-401-80506-1

www.arena-verlag.de

Mitreden unter forum.arena-verlag.de

www.chroniken-der-unterwelt.de

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Die Sonne schien, die Vögel sangen und es war ein wunderschöner Tag an der Schattenjäger-Akademie.

Na ja, Simon nahm zumindest an, dass die Sonne schien. In Georges und seinem unterirdischen Zimmer lag ein schwaches Leuchten in der Luft, das den grünen Schleim an den Wänden in ein sanftes Licht tauchte.

Okay, okay, die Vögel konnte er von seinem Kellerraum aus auch nicht singen hören, aber George kam gerade aus der Dusche und pfiff vor sich hin.

»Einen wunderschönen guten Morgen! Ich hab eine Ratte im Bad gesehen. Aber sie schlief und wir haben uns nicht weiter aneinander gestört.«

»Oder die Ratte ist an einer hoch ansteckenden Krankheit gestorben, die sich nun durch unsere Wasserleitungen verbreitet«, gab Simon zu bedenken. »Möglicherweise trinken wir jetzt wochenlang Pestrattenwasser.«

»Niemand mag einen griesgrämigen George«, schimpfte George. »Oder einen schmollenden Simon. Oder eine mies gelaunte Mildred. Oder einen …«

»Ich verstehe, worauf du in deiner Argumentation hinauswillst, George«, erwiderte Simon. »Aber ich protestiere energisch dagegen, als mies gelaunte Mildred bezeichnet zu werden. Zumal ich mich im Moment eher wie eine größtenteils gut gelaunte Gertrude fühle. Wie ich sehe, freust du dich auf deinen großen Tag?«

»Nimm eine Dusche, Simon«, drängte George. »Starte erfrischt in den Tag. Und style deine Haare ein wenig. Das könnte jedenfalls nicht schaden.«

Simon schüttelte den Kopf. »Im Bad liegt eine tote Ratte, George. Da werd ich keinen Fuß reinsetzen.«

»Die Ratte ist nicht tot«, widersprach George. »Sie schläft nur. Da bin ich mir absolut sicher.«

»Grundloser Optimismus ist die häufigste Ursache für die Entstehung von Epidemien«, erwiderte Simon. »Frag nur mal die Bauern im europäischen Mittelalter. Ach nee, das geht ja nicht mehr.«

»Wieso? Waren die ein Haufen fröhlicher Optimisten?«, fragte George skeptisch.

»Ich wage zu behaupten, dass sie vor den ganzen Pestepidemien deutlich fröhlicher waren als danach«, meinte Simon.

Er fand seine Argumentation ziemlich stichhaltig und außerdem gab ihm die Geschichte recht. Zufrieden zog er das T-Shirt aus, in dem er geschlafen hatte und auf dem in Großbuchstaben die Aufschrift Let’s Fight! zu lesen war. Darunter stand in sehr viel kleinerer Schrift: our enemy off with cunning arguments. George versetzte Simon einen Schlag mit seinem feuchten Handtuch, der Simon überrascht aufschreien ließ.

Doch dann musste er grinsen, während er seine Kampfmontur aus dem Kleiderschrank hervorholte. Der Plan sah vor, dass sie direkt nach dem Frühstück aufbrechen würden, also konnte er die Sachen auch gleich anziehen. Außerdem erschien ihm jeder Tag in einer für Männer geschneiderten Montur wie ein kleiner Sieg.

Gut gelaunt und im Einklang mit sich und der Welt marschierten er und George zum Speisesaal.

»Diese Hafergrütze ist gar nicht mal so schlecht«, fand Simon und haute kräftig rein. George nickte begeistert und kaute mit vollem Mund.

Doch Beatriz warf den beiden einen mitleidigen Blick zu – Jungs waren ja so blöd. »Das ist keine Hafergrütze«, teilte sie ihnen mit. »Das sind Rühreier.«

»Oh nein«, flüsterte George matt, noch immer mit vollem Mund und schrecklich trauriger Stimme. »Oh nein.«

Simon ließ den Löffel fallen und starrte entsetzt in seine Schüssel.

»Wenn das Rühreier sind …?«, setzte er an. »Und ich will mich keineswegs mit dir streiten, Beatriz, ich stelle nur eine meines Erachtens absolut berechtigte Frage … Wenn das Rühreier sind, warum sind sie dann grau?«

Beatriz zuckte die Achseln und aß weiter, wobei sie die grauen Brocken jedoch sorgfältig vermied. »Wer weiß das schon genau?«

Daraus konnte man vermutlich eine gefühlvolle Ballade komponieren, überlegte Simon. Wenn das Eier sind, warum sind sie dann grau? Wer weiß das schon genau? Wer weiß das schon genau? Obwohl er die Band verlassen hatte, dachte er immer wieder mal über Songtexte nach.

Aber zugegeben: Warum sind die Eier so grau? würde wahrscheinlich kein großer Hit werden, nicht mal in Hipster-Kreisen.

Julie knallte ihre Schüssel neben der von Beatriz auf den Tisch.

»Die Eier sind grau«, verkündete sie. »Keine Ahnung, wie das Küchenpersonal das hinkriegt. Inzwischen sollten sie doch in der Lage sein, das Essen wenigstens ab und zu nicht zu vermurksen. Aber jedes Mal, jeden Tag, und das seit über einem Jahr? Ist die Akademie vielleicht verflucht?«

»Darüber hab ich auch schon nachgedacht«, meinte George ernst. »Manchmal höre ich ein unheimliches Klirren, wie von einem Geist, der mit seinen schweren Ketten rasselt. Ehrlich gesagt hoffe ich sogar, dass die Akademie verflucht ist. Denn sonst würde das bedeuten, dass in den Rohren und Leitungen irgendwelche Kreaturen hausen.« George erschauderte. »Kreaturen.«

Julie setzte sich. Verstohlen tauschten George und Simon einen zufriedenen Blick: Sie hatten mitgezählt, wie oft Julie sich zu ihnen dreien an den Tisch setzte statt zu Jon Cartwright. Im Moment lagen sie vorn, mit sechzig zu vierzig Prozent.

Dass Julie sich für ihren Tisch entschieden hatte, konnte heute, an Georges großem Tag, nur ein gutes Omen sein.

Jetzt, da sie Schattenjägerschüler im zweiten Jahr waren und – laut Scarsbury – »nicht länger hoffnungslose Fälle, die sich vermutlich die eigenen Dummköpfe abschlagen«, wurden sie von der Schulleitung mit etwas wichtigeren Aufträgen betraut. Bei jeder Mission gab es einen vorher festgelegten Teamleiter, der die doppelte Anzahl von Punkten bekam, wenn der Auftrag erfüllt wurde. Sowohl Julie als auch Beatriz, Simon und Jon hatten bereits ein Team angeführt und ihre Prüfungen mit Bravour bestanden: Sie hatten jede einzelne Mission erfolgreich durchgeführt, Dämonen niedergemetzelt, Irdische gerettet und Schattenweltler, die gegen das Gesetz verstoßen hatten, hart, aber fair bestraft. Eigentlich war es eine Schande, dass Jons Auftrag so glänzend verlaufen war, weil er danach wochenlang damit angegeben hatte. Aber was sollte man machen: Sie waren einfach zu gut, überlegte Simon, klopfte aber zur Sicherheit dreimal auf Holz. Sie waren so gut, dass sie gar nicht scheitern konnten.

»Nervös, Teamleiter?«, fragte Julie. Simon musste sich eingestehen, dass sie manchmal eine etwas beunruhigende Tischnachbarin sein konnte.

»Nein«, stritt George ab, bevor er unter Julies bohrendem Blick einknickte und zugab: »Vielleicht. Ja, schon. Aber angemessen nervös, auf eine coole, konzentrierte und unter Druck extrem kaltblütige Weise.«

»Mach bloß nicht schlapp«, forderte Julie. »Ich will ein perfektes Ergebnis.«

Daraufhin breitete sich eine unangenehme Stille aus. Simon tröstete sich dadurch, dass er zu Jon hinüberschaute. Wenn Julie sich zu ihnen gesellte, musste Jon mutterseelenallein an seinem Tisch sitzen. Es sei denn, Marisol beschloss, sich zu ihm zu gesellen und ihn zu quälen. So wie heute auch wieder. Diese kleine Teufelin. Marisol war einfach zum Schießen.

Jon versuchte verzweifelt, Hilfe herbeizuwinken, doch Julie hatte ihm den Rücken zugekehrt und sah sein wildes Gefuchtel nicht.

»Ich sag das jetzt nicht, um dir Angst einzujagen, George – obwohl das natürlich ein angenehmer Nebeneffekt ist«, erläuterte sie gerade. »Aber das hier ist ein wichtiger Auftrag. Du weißt ja, dass die Feenwesen die schlimmsten Schattenweltler sind. Feen, die in die Welt der Irdischen eindringen und diese armen Seelen dazu verleiten, von den Elbenfrüchten zu essen, sind kein Spaß. Die Irdischen können nach dem Genuss dieser Früchte sterben. Das ist glatter Mord. Noch dazu ein Mord, für den wir die Feenwesen nur selten belangen können, weil sie längst über alle Berge sind, wenn die Irdischen dann sterben. Du nimmst diese Sache doch ernst, oder?«

»Ja, Julie«, sagte George. »Ich weiß durchaus, dass Mord etwas Schlechtes ist, Julie.«

Julie verkniff das Gesicht zu einer ihrer erschreckend finsteren Mienen. »Vergiss nicht, dass du derjenige warst, der meine Mission fast vermasselt hätte.«

»Okay, ich habe kurz gezögert, mich auf dieses Vampirkind zu stürzen«, räumte George ein.

»Genau«, bestätigte Julie. »Aber jetzt wird nicht mehr gezögert. Als unser Teamleiter musst du aus eigenem Antrieb handeln. Ich sag ja nicht, dass du schlecht bist, George. Ich finde nur, dass du noch viel zu lernen hast.«

»Ich weiß nicht, ob das die beste Art ist, jemanden zu motivieren«, warf Beatriz ein. »Mit so was machst du echt jeden verrückt. Und George lässt sich sowieso schon leicht verrückt machen.«

George, der bei Beatriz’ hilfsbereiten ersten Worten eine gerührte Miene gezogen hatte, wirkte plötzlich gar nicht mehr so gerührt.

»Ich finde nun mal, die Direktorin sollte zulassen, dass manche Schüler ein Team mehr als nur einmal leiten«, murrte Julie, wodurch klar wurde, woher ihre Feindseligkeit stammte. Wehmütig stocherte sie mit der Gabel in ihrem grauen Rührei. »Ich war so verdammt gut.«

Simon zog die Augenbrauen hoch. »Du hattest eine Peitsche und hast gedroht, mir damit eins auf die Mütze zu geben, wenn ich nicht tue, was du sagst.«

Julie zeigte mit dem Löffel auf ihn. »Genau. Und daraufhin hast du getan, was ich gesagt habe. Das ist wahre Führungsstärke. Hinzu kommt, dass ich dir nichts auf die Mütze gegeben habe. Freundlich, aber bestimmt – so bin ich nun mal.«