Bock auf Eishockey - Christian Rotter - E-Book

Bock auf Eishockey E-Book

Christian Rotter

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Beschreibung

Mit Leon Draisaitl, Campino, Felix Neureuther, Tim Stützle, Tom Kühnhackl, Harold Kreis, Andrea Lanzl, Sandra Abstreiter, Alois Schloder, Moritz Seider, Sven Felski, Patrick Reimer, Stefan Ustorf, Nico Sturm, Thomas Greilinger, Uli Hiemer u .v. m. Deutschlands größte Eishockey-Stars und die Puck-Freunde Felix Neureuther und Campino erzählen hier ihre ultimative Eishockeygeschichte. Sportliche Herausforderungen, große Triumphe, bittere Niederlagen, private Achterbahnfahrten, unglaubliche Blicke hinter die Kulissen, überraschende Begegnungen: Mal hart, mal herzlich, mal tragisch, mal lustig – in jedem Fall unzensiert, mega authentisch und maximal emotional. Ein Buch, das Bock auf Eishockey macht.

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Seitenzahl: 271

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Für Mutsch und Paps

Für Ela, Finn und Ben

INHALT

Eröffnungsbully

Leon Draisaitl

Simply the Best

Felix Neureuther

Die zweite Leidenschaft

Moritz Seider

Eisbaden für das WM-Silber

Sven Felski

Berlins einzig wahrer Bürgermeister

Marco Sturm

Hin- und hergeschoben

Andrea Lanzl

Meister mit Memmingen als Mama

Philipp Grubauer

German Cowboy mit Herz

Ulrich Hiemer

Der Pionier in Übersee

Marcel Goc

Der Kapitän der Olympia-Helden

Sebastian Schwele

Die Stimme des Eishockeys

Alois Schloder

Dopingopfer und Olympiaheld

Patrick Reimer

Freunde fürs Leben

Tom Kühnhackl

Back to back: zweimal Stanley-Cup-Sieger in zwei Jahren

Thomas Greilinger

Aus der Bayernliga zur Meisterschaft

Sandra Abstreiter

Die erste Deutsche in der nordamerikanischen Profiliga

Harold Kreis

In Kanada geboren, in Deutschland zu Hause

Nico Sturm

Reifeprozess auf dem US-College

Franz Reindl

POWERPLAY26

Tim Stützle

Der Traum im Albtraum

Stefan Ustorf

Die Folgen eines ausgefallenen Urlaubs

Campino

Punkrock auf dem Eis

Dank

ERÖFFNUNGSBULLY

Wann habe ich Bock auf Eishockey bekommen? Beim Nachdenken über diese Frage lande ich im Januar 1992. Ich habe diese Geschichte schon oft erzählt, meine Familie und meine Freunde kennen sie auswendig: Ich war Fan des 1. FC Köln, weil ich Pierre Littbarski cool fand. Und weil ich Fan des 1. FC Köln war, drückte ich gleich mal auch allen anderen Kölner Sportvereinen die Daumen – auch den Kölner Haien. Daher organisierten meine Eltern irgendwann Karten für das Eishockeyspiel des KEC beim Mannheimer ERC, vom Odenwald, wo wir wohnten, nur 30 Kilometer entfernt.

Die Atmosphäre im Mannheimer Friedrichspark packte mich vom ersten Moment an. Das Geschehen auf dem Eis war das eine, die stimmungsvolle Party auf den Rängen das andere. In einer Drittelpause verschwand mein Vater um die Ecke, kehrte mit einem blau-weiß-roten MERC-Schal zurück, hängte ihn mir um – und es war um mich geschehen. Fortan war ich süchtig nach Eishockey. Ich betrat den Friedrichspark als Fan der Kölner Haie – und verließ ihn als glühender Anhänger des MERC.

Bock auf Eishockey: Ich weiß nicht, wie oft mich meine Mutter in den ersten Jahren von Nieder-Liebersbach nach Mannheim gefahren hat. Ich weiß nur, dass ich ihr nicht genug dafür danken kann. Was haben wir in diesen Jahren alles erlebt! Meine besten Freunde kamen aus der Eishockey-Bubble. Eishockey war unser Leben. Wir zockten es auf der Konsole, auf der Straße vor dem Elternhaus spielten wir Inlinehockey. Bald trat ich in den MERC-Fanclub „Die Ourewäller“ ein. Auf diese Weise erhielt ich Mitfahrgelegenheiten zum Stadion, und da die Mitglieder des Fanclubs einen Teil des Ordnungsdienstes im Friedrichspark stellten, kam ich sogar „fer umme“ rein.

Die Heimspiele des MERC waren regelmäßige Höhepunkte. Als Ordner bewachten wir ein Tor, durch das nur berechtigte Personen wie Sanitäter, Polizeibeamte oder Nachwuchsspieler den Kulttempel betreten durften. Das Dumme war: Von dort hatten wir keine Sicht auf die Eisfläche. Also konzentrierten wir uns auf die Reaktionen der Fans. Jubelte die Mannheimer Fankurve, jubelten wir mit. Freuten sich die Fans im Auswärtsblock, wussten wir, dass wir einen Treffer kassiert hatten. Und dann die Auswärtsspiele … Manchmal erfuhren wir erst am nächsten Tag aus dem Teletext, wie die Partie ausgegangen war, weil die Party im Bus und im Stadion zu heftig ausfiel.

Es waren verdammt geile Zeiten.

Nach der Jahrtausendwende dann ein Perspektivenwechsel. Schon als Kind hatte ich beim Fußballspielen auf dem Nachbarsgrundstück das Geschehen kommentiert. Wenn wir Welt- und Europameisterschaften nachspielten, gab ich verlässlich meinen Senf dazu. Schon früh wusste ich: Ich will Sportreporter werden! Als ich mit meinem Bruder Tobias einmal unsere Tante Hannelore an der US-Ostküste besuchte, fuhren wir zu einem Training des NHL-Clubs Washington Capitals. Mein Bruder holte sich ein Autogramm von Eishockey-Legende Jaromír Jágr, dann postierten wir uns vor der Halle, um Olaf Kölzig, den deutschen Nationaltorhüter, abzupassen. Wir kannten ihn aus dem TV, er kannte uns gar nicht. Ich nahm meinen Mut zusammen und sagte ihm, ich wolle Sportjournalist werden, ob er kurz Zeit für ein Interview habe. Mein Bruder hielt mit der Kamera drauf, später legte ich dieses Video meinen Bewerbungsunterlagen bei.

Als mir Campino erzählte, warum er Bock auf Eishockey hat, erinnerte mich seine Story stark an meine eigene. Seine Brehmstraße war mein Friedrichspark. Seine rot-gelbe Clique war meine blau-weiß-rote. Und auch wenn sich die Prioritäten in meinem Leben seit den wilden 1990ern geändert haben, spielt Eishockey weiter eine große Rolle. Die Höhepunkte in meinem Reporterleben sind die Spiele der Adler Mannheim, vor allem aber die Begegnungen mit den Menschen, die unter den Helmen stecken.

Dieses Buchprojekt hat mir noch einmal vor Augen geführt, wie geerdet Eishockeyspieler sind. Die, die ich fragte, ob sie mir erzählen würden, warum sie Bock auf Eishockey haben, haben in der Regel nicht groß gezögert. Ihnen allen war gemeinsam, dass sie ihrem Sport etwas zurückgeben und bei den Menschen das Feuer entfachen wollten, das in ihnen so sehr lodert.

Bei mir haben sie das definitiv geschafft.

LEON DRAISAITL

© Imago / Imagn Imagase

Spitzname: Leo / King Leon

Position: Mittelstürmer

Geboren am: 27. Oktober 1995

Geboren in: Köln

Größte Erfolge: Nummer-drei-Pick der Edmonton Oilers beim NHL-Draft 2014, Art Ross Trophy als bester Punktesammler der NHL-Saison 2019/20, Hart Memorial Trophy als wertvollster Spieler der NHL-Saison 2019/20 (gewählt von Journalisten), Ted Lindsay Award als bester Spieler der NHL-Saison 2019/20 (gewählt von den Spielern), Deutschlands „Sportler des Jahres“ 2020, Stanley-Cup-Finale mit den Edmonton Oilers 2024

Eishockey ist für mich etwas, mit dem ich mich sehr identifiziere. Als Person bin ich zwar mehr als nur ein Eishockeyspieler, ich liebe diesen Sport aber über alles. Deswegen habe ich Bock auf Eishockey.

SIMPLY THE BEST

Leon Draisaitl ist der beste deutsche Eishockeyspieler aller Zeiten. In der NHL zählt die Tormaschine zu den Superstars, am Ende seines Weges ist er aber noch nicht angekommen.

Schon früh drehte sich in meinem Leben alles um Eishockey. Alles andere waren teils nette, teils lästige Begleiterscheinungen. Die Prioritäten waren klar definiert. Ich hatte einen Traum, einen Plan. Ich wollte der beste Eishockeyspieler werden, der ich sein konnte. Und ich wusste: Um dieses Ziel zu erreichen, musste ich einiges investieren. Ich war erst 13 Jahre alt, als ich mein Elternhaus verließ. Frank Fischöder, der damals die Jungadler trainierte, meldete sich bei meinem Vater und fragte ihn, ob ich mir vorstellen könne, nach Mannheim zu wechseln. Mannheim, das war damals für mich der nächste logische Schritt. Auf dem Internat konnte ich Schule und Sport unter einen Hut bringen, das Jungadler-Projekt war einmalig, erst später zogen andere Standorte nach. Es war also eine leichte Entscheidung, das Angebot anzunehmen. Ich wollte ein professionelles Umfeld haben, für mich war das perfekt. Auch wenn das bedeutete, meine geliebte Heimatstadt Köln verlassen zu müssen.

Immerhin: Es dauerte nicht lange, bis ich in Mannheim auf einen anderen Kölsche Jung traf, einen, den ich schon seit dem Sandkasten kannte: Freddie Tiffels, der nur fünf Monate älter ist als ich. Seine Mama war mit meiner in eine Schulklasse gegangen, wir wuchsen zusammen auf. Und nicht nur das: Im Kölner Nachwuchs spielten wir zusammen Eishockey, oft sogar in einer Reihe. Was lag näher, als dass Freddie ein Jahr nach mir ebenfalls nach Mannheim wechseln würde? Ich feierte aber nicht nur das Wiedersehen mit alten Freunden, sondern lernte auch neue kennen. Dominik Kahun zum Beispiel, mit dem ich mich nicht nur auf dem Eis fast blind verstand. Wir trieben uns zu Höchstleistungen an. Und als später Freddie in meine Powerplayformation rückte, waren wir wiedervereint.

Erste Trainingseinheit vor Schulbeginn

Die Nachwuchsarbeit ist in Mannheim klar strukturiert. Das Programm ist überragend. Das war ein Grund, warum ich mich für den Wechsel zu den Jungadlern entschied. Morgens gibt es schon vor der ersten Schulstunde eine Einheit auf dem Eis. Die Spieler erhalten die Chance, Sport und schulische Ausbildung zu vereinen. Sie müssen diese nur ergreifen. Ich muss zugeben, dass ich zu den Internatsschülern zählte, die ihre Arbeiten zwar zu Ende gebracht haben, aber klar: Mein erster Gedanke galt immer dem Eishockey.

Die Zeit in Mannheim war für mich zwar nur eine Etappe, aber eine lehrreiche. Nach vier Jahren zog es mich weiter – nach Kanada, ins Mutterland des Eishockeys. Wie gesagt: Ich hatte einen Plan. Und der sah vor, in der kanadischen Juniorenliga mein Glück zu versuchen. Genauer gesagt ging es für mich nach Prince Albert in die kanadische Provinz Saskatchewan. Ich wollte den nächsten Schritt gehen. Am Anfang tat ich mich ziemlich schwer. Ich traf auf teils 20 Jahre alte junge Männer mit Vollbart, deren physische Spielweise ich aus Deutschland nicht gewohnt war. Es hat ein bisschen Zeit gebraucht, bis ich meinen Weg und meine Spielweise gefunden hatte. In meinem zweiten Jahr bei den Raiders verdoppelte ich meine Punkteausbeute fast. Für mich war es ungemein wichtig, dass ich Leistung zeigte, denn 2014 war mein Draftjahr. Mich persönlich überraschte es nicht mehr, dass mich die Edmonton Oilers an dritter Stelle zogen. Sie hatten mir zuvor klar signalisiert, dass sie großes Interesse an mir hätten.

Zehn Jahre später stürme ich immer noch für die Oilers. Das ist etwas, das ich nicht erwarten durfte, das als junger Kerl aber immer mein Ziel war. Die Liebe zum Club ist gewachsen, für mich ist es etwas Spezielles, diesem Traditionsverein so lange die Treue zu halten. Diese Stadt lebt Eishockey, sie ist ein Stück Eishockey-Geschichte. Die Menschen in Edmonton haben eine große Leidenschaft für unseren Sport. Es macht Spaß, in einer Stadt Eishockey zu spielen, in der dich die Menschen feiern und lieben. Ich fühle mich wertgeschätzt.

Druck als Privileg

Die Last, die Oilers zum Stanley-Cup-Sieg zu führen, trage ich nicht allein. Mit Connor McDavid weiß ich einen Spieler an meiner Seite, der mit der gleichen Hingabe das große Ziel verfolgt. Es war der Plan der Organisation, dass wir die Anführer des Teams werden. Nicht immer geht ein Plan auf, dieser schon. Der Druck, die Oilers ganz nach oben zu führen, ist für uns ein Privileg.

2024 waren wir nah dran, verdammt nah. Erst in der Finalserie mussten wir uns den Florida Panthers im entscheidenden siebten Spiel geschlagen geben. Wenn es darauf ankommt, interessieren äußere Umstände nicht. Jeder spielt notfalls auch mit einer Verletzung – bei mir war das nicht anders. Zu viel steht auf dem Spiel. Einmal den Weg bis zum Ende zu gehen, ist einfach das Größte. Da verblassen auch individuelle Auszeichnungen, so schön sie auch sein mögen. Es hat mir sehr viel bedeutet, dass ich zum besten Spieler der Saison 2019/20 gewählt wurde. Vor allem der Ted Lindsay Award nimmt einen großen Stellenwert ein. Hier stimmen Mit- und Gegenspieler ab, die Eishockey verstehen und genau wissen, was von uns verlangt wird. Spiel für Spiel, Tag für Tag. Die Krönung dieses außergewöhnlichen Jahres war, dass ich im Dezember bei der Gala in Baden-Baden zu Deutschlands „Sportler des Jahres“ gewählt wurde – und das als Mannschaftssportler, was nicht allzu häufig vorkommt.

Mit Träumen ist das so eine Sache. Erfüllt sich einer, bedeutet das nicht, dass man fortan keinen mehr hat. Ich bin dankbar für jedes Spiel, das ich in der NHL bestreiten darf. Satt oder zufrieden bin ich aber nicht. Die Jagd geht weiter.

FELIX NEUREUTHER

© privat

Felix Neureuther bei der Präsentation seines Eishockeybuches mit dem damaligen Bundestrainer Marco Sturm (links) und Marcus Kink, einem seiner besten Freunde (rechts)

Spitzname: Wedler / Ixi

Position: beim Skifahren auf der Piste (Slalom als Spezialdisziplin) / beim Eishockey überall

Geboren am: 26. März 1984

Geboren in: München-Pasing

Größter Erfolg: WM-Silber im Slalom 2013 in Schladming / Bayerischer Schulmeister im Eishockey als Teenager

Eishockey ist für mich ein Stück Kindheit. Wir haben den See freigeräumt und einfach drauflosgespielt. So etwas vergisst man nicht. Durch diesen Sport habe ich Freunde fürs Leben gefunden. Deswegen habe ich Bock auf Eishockey, deswegen ist Sport so unersetzbar.

DIE ZWEITE LEIDENSCHAFT

Felix Neureuther ist einer der erfolgreichsten deutschen Skifahrer. Er gewann fünf WM-Medaillen und feierte 13 Weltcupsiege. In seinem Herzen hat Neureuther aber auch Platz für einen zweiten Sport.

Wenn du in Garmisch aufwächst, führt kein Weg am Eishockey vorbei. Der SC Riessersee spielt im deutschen Eishockey leider nicht mehr die Rolle wie früher, der zehnfache deutsche Meister hat aber eine große Tradition und macht immer noch eine hervorragende Nachwuchsarbeit. Bei mir war zwar dank meiner Eltern klar, dass ich beim Skifahren landen und eher die Pisten runter- als der schwarzen Hartgummischeibe nachjagen würde. Das Eishockey hat mich aber immer fasziniert, über meine Freunde bin ich in Berührung mit diesem Sport gekommen. Fast alle aus meiner Klasse spielten beim SC Riessersee Eishockey. Ich verbrachte viele Stunden im Stadion, feuerte unsere Bundesligamannschaft an und schnürte auch selbst die Schlittschuhe. Den größten Spaß machte es, draußen zu spielen. Wenn der Riessersee, der Geroldsee oder der Pflegersee zugefroren waren, haben wir eine Fläche vom Schnee befreit und nach Herzenslust gezockt.

Ich zählte keinesfalls zu den Besten. Fast alle Klassenkameraden und Freunde aus der Schule haben das SCR-Trikot getragen, den Sport von der Pike auf gelernt, später große DEL-Karrieren hingelegt und es zum Teil sogar bis in die Nationalmannschaft geschafft: Marcus Kink, Martin Buchwieser, Uli Maurer, Thomas Gödtel, „Harti“ Wild, die Hinterstocker-Brüder haben mich mitgeschleppt – und ich war einfach nur froh, dass ich ein Teil der Gruppe sein konnte. Es haben sich Freundschaften fürs Leben entwickelt.

Bayrischer Meister im Schuleishockey

Auch an unserem Werdenfels-Gymnasium in Garmisch-Partenkirchen spielte Eishockey eine große Rolle. Unsere Schulmannschaft hatte immer die Chance, es weit zu schaffen. Und da ich mich so ziemlich bei jedem Schulsport angemeldet habe, um an den Wettbewerbstagen schulfrei zu bekommen, setzte ich meinen Namen auch auf die Liste für das Eishockeyteam. An der Seite meiner Spezl gewann ich erst den regionalen, dann den überregionalen Entscheid. Und auch auf Landesebene waren wir fast unschlagbar. Es kamen zwar die besten Eishockeymannschaften aus ganz Bayern zum Finalturnier zusammen. Wir, die Truppe von Lehrer Michael Osterhammer, spielten aber in einer eigenen Liga. 15:0-Ergebnisse waren keine Seltenheit.

Ich trug eigentlich gar nichts dazu bei, denn im Vergleich zu meinen Teamkollegen, die teilweise in deutschen Auswahlmannschaften aufliefen, konnte ich gar kein Eishockey spielen. Marcus Kink war einfach brutal stark. Auch sein Bruder, der Schorschi, Christoph Melischko, Stefan Schauer und Florian Vollmer haben das Team getragen. Ich war eher Statist, aber dennoch glücklich mit meiner Rolle und nahm es gerne mit, einige Tage nicht in die Schule zu müssen. Es war völlig wurscht, wo sie mich hingestellt haben. Das, was ich gespielt habe, konnte man nicht als Position definieren. Das große Ziel war immer, dass ich ein Tor schieße. Und das habe ich tatsächlich geschafft – aber nicht, weil ich den Puck gut getroffen hatte, sondern weil ein misslungener Querpass zufällig auf meinem Schläger landete – und von dort ging die Scheibe dann eben rein. Es war cool, dass ich mich Bayerischer Schulmeister im Eishockey nennen konnte. Leider war nach diesem Landesentscheid Schluss, auf Bundesebene gab es keine Schulwettkämpfe. Beim Skifahren war das anders, da hat unsere Schule sogar den WM-Titel gewonnen.

Der Geist, der dich trägt

Als Skifahrer bist du zum größten Teil auf dich allein gestellt. Klar, auch hier gibt es eine Nationalmannschaft, ein Team ums Team. Wenn du aber im Starthäuschen stehst und auf die ersten Tore blickst, kommt es einzig und allein auf dich an. Natürlich hat das auch einen speziellen Reiz, aber ich muss schon zugeben, dass ich diesen Teamspirit vermisst habe, der sich gerade in einem Mannschaftssport wie dem Eishockey so genial entwickelt. Unsere Schulmannschaft kam nicht so oft zusammen wie eine Vereinsmannschaft, trotzdem war dieser Mannschaftsgeist zu spüren. Ein Geist, der dich trägt und dich auch dazu verleiten kann, alles – auch Unüberlegtes – zu tun, um dazuzugehören. So ließ ich mich zu einer Aktion hinreißen, die mir noch heute unheimlich leidtut. Ich solle doch mal einen Gegenspieler umchecken, stachelten mich meine Freunde an. Na, wenn die das sagen, wird es schon passen, dachte ich, und fuhr wirklich einen Gegenspieler um. Zum Glück hat er sich nicht verletzt, aber ich kassierte eine Fünf-Minuten-Zeitstrafe. Das war die härteste Bestrafung, die du im Schuleishockey bekommen konntest. Ich war jung und machte mir keine Gedanken darüber, dass ich mich beim Eishockey verletzen und damit eine Skisaison riskieren könnte. Ich habe gespielt, weil es Spaß machte. In diesem Alter hast du das Gefühl, unzerstörbar zu sein.

Auch im Sommer, wenn die Pisten grün und das Eis abgetaut waren, lebten wir diesen Teamgedanken. Wir profitierten voneinander. Ich gebe gerne zu, dass ich es nach einer Saison nicht unbedingt geliebt habe, in den Kraftraum zu gehen. Das war für mich nur ein Mittel zum Zweck. Ich habe es gemacht, damit ich es gemacht habe. Um nicht mit den Gewichten allein zu sein, habe ich auch immer Trainingseinheiten mit meinen Puck-Freunden eingelegt. Wenn Marcus Kink, Martin Buchwieser und Uli Maurer mit mir schwitzten, war das sofort etwas ganz anderes. Wir haben uns gegenseitig unterstützt und gepusht. Wenn du denkst, dass du nicht mehr kannst, aber einer deiner Spezl neben dir steht und dich aufmuntert: „Auf geht’s, weiterkämpfen“, dann kommt das bei dir anders an, als wenn es dein Trainer von dir verlangt. Im Kraftraum war eine andere Dynamik zu spüren, das Training hat sogar angefangen, mir Spaß zu machen. Den Eishockey-Freunden ging es genauso, auch sie konnten durch mich profitieren. Meine Sommervorbereitung war professionell aufgebaut. Ich hatte einen eigenen Konditionstrainer, der einen exakt auf mich abgestimmten Trainingsplan erstellt hat. Ich hatte das Gefühl, dass im Eishockey nicht so individuell trainiert wurde und man die Sportler dort mehr sich selbst überließ. Ich fand es erstaunlich, dass sie sich vieles selbst erarbeiten mussten. Ich dagegen profitierte von einem sehr professionellen Umfeld. Mein Trainer hat aber auch bei den Eishockeyspielern zugeschaut und ihnen wichtige Tipps gegeben. Von so einem Austausch profitieren alle, auch das ist ein wichtiger Wert unter Sportlern.

Im Eishockeymannschaftsbus nach Lillehammer

Ich habe den Werdegang meiner Freunde immer verfolgt, schaute mir ihre persönlichen Statistiken an und freute mich, hatte jemand ein Tor geschossen oder eine Vorlage gegeben. Obwohl jeder von uns sein Leben gelebt hat, ist der Kontakt nie abgerissen. Die Freundschaften haben zu Erlebnissen geführt, die ich nie vergessen werde. So wie jenes im Frühjahr 2017. Ich saß auf gepackten Koffern, weil ich über Ostern für einen Urlaub zur Familie meiner Frau Miri nach Lillehammer nachreisen wollte. Zeit für einen Anruf bei Marcus Kink hatte ich aber noch:

Ich: „Servus, Marcus, wie ist die Lage?“

Er: „Gut, morgen geht’s von München nach Norwegen.“

Ich: „Ich fliege morgen auch nach Norwegen, nach Oslo. Der Flieger startet um 11 Uhr.“

Er: „Meiner auch. Danach geht’s weiter nach Lillehammer. Wir bereiten uns im Trainingslager auf die WM vor.“

Ich: „Nach Lillehammer? Da will ich auch hin!“

Am nächsten Tag saß ich nicht nur im gleichen Flugzeug, das auch die deutsche Eishockeynationalmannschaft nach Oslo brachte, sondern ich konnte mir auch die anschließende Zugfahrt nach Lillehammer sparen. Die Jungs und Bundestrainer Marco Sturm nahmen mich kurzerhand in ihrem Mannschaftsbus mit. Und nicht nur das: Vor dem Vorbereitungsspiel gegen Norwegen durfte ich in der Kabine die deutsche Starting Six vorlesen und nach der Partie dem besten deutschen Spieler den legendären Xaver-Unsinn-Pepitahut überreichen.

Kinki und ich, von klein auf ganz eng befreundet, schworen uns, einmal zusammen an Olympischen Spielen teilzunehmen. Gelungen ist uns das leider nicht. 2010 in Vancouver zählte er nicht zum deutschen Aufgebot, für die Winterspiele 2014 in Sotschi qualifizierte sich das DEB-Team nicht. Und 2018, als das deutsche Eishockey mit der olympischen Silbermedaille seinen bisher größten Erfolg feierte, musste ich passen. Ich hatte mir im November 2017 einen Kreuzbandriss zugezogen und konnte die Winterspiele in Pyeongchang nur aus der Heimat verfolgen. So bitter das für mich war, so sehr freute ich mich für die Eishockey-Jungs. Ich schaute mir jedes Spiel an und spürte mit dem Start der K.-o.-Phase, dass da etwas ganz Großes am Entstehen war. Nach dem Einzug ins Finale war ich mir fast sicher, dass wir auch die Russen weghauen würden. Ich habe mir vor jedem Spiel den Wecker gestellt, um keine Sekunde zu verpassen. Am meisten genieße ich, wenn ich solche Highlights allein anschauen kann, dann habe ich meine Ruhe und kann mich besser auf das Geschehen konzentrieren. Bis kurz vor Schluss lag ich mit meinem Gold-Tipp richtig, das Ende ist bekannt. Auch wenn ich immer noch der Meinung bin, dass die Niederlage im Endspiel unnötig war, fand ich es großartig, wie die Spieler damit umgegangen sind. Nachdem der erste Schmerz überwunden war, haben sie diese Silbermedaille zu Recht wie eine goldene gefeiert. Auch das zeichnete diesen eingeschworenen Haufen aus.

Dieser Erfolg war für mich Inspiration für das Kinderbuch Ixi und die coolen Huskys. Ich weiß, wie vergänglich Erfolg ist, und wollte den Kindern mit dem Buch etwas mitgeben. Im Sport geht es nicht nur ums Gewinnen und Verlieren, sondern um Werte. Freundschaft, Fairness und Teamgeist sind wichtiger als ein Ergebnis oder der Tabellenstand. Sie können aber die Basis für etwas Großes sein. Noch viele Jahre nach dem Erfolg der Nationalmannschaft in Pyeongchang können sich Kinder davon begeistern lassen, denn er fußt auf Tugenden, die nie an Wichtigkeit verlieren. Ich wollte vermitteln, dass es Spaß macht, rauszugehen und Sport zu treiben.

Ein Bier für Olympiaheld Crosby

Diese Werte sind die olympischen Werte. Obwohl ich bei Winterspielen nie eine Medaille gewann, hatte ich 2010 in Vancouver meinen Olympia-Moment. Weil ich mit dem deutschen Team die Abschlussfeier besuchte, verpasste ich leider das olympische Eishockeyfinale, das sich wahrscheinlich zu einem der denkwürdigsten Finals in der Geschichte des olympischen Eishockeysports entwickelte. Sidney Crosby schoss für das Mutterland des Eishockeys in der Overtime das entscheidende Tor gegen den Erzrivalen USA und stürzte Kanada in einen Freudentaumel. Nach meiner Rückkehr von der Abschlussfeier ins olympische Dorf dachte ich, dieser olympische Abschluss müsse doch gefeiert werden! Olympia war vorbei, es gab großartige Erfolge – und jetzt hatten wir im alkoholfreien olympischen Dorf nichts, um darauf anzustoßen? Mit Bobfahrer Alexander Mann steuerten wir einen Store in der Nähe an und füllten den Einkaufswagen mit Bier. Noch heute wundere ich mich, dass uns die Security damit zurück ins olympische Dorf ließ. Egal, wir hatten unser Ziel erreicht, und die Party konnte beginnen. Plötzlich stand Sidney Crosby vor mir und fragte mich, ob er ein Bier haben könne. Sidney Crosby, der Held, der Kanada wenige Stunden zuvor den Eishockey-Olympiasieg beschert hatte! Was tat der eigentlich im olympischen Dorf? Nun, Crosby hätte an diesem Abend einfach nirgendwo anders hingehen können, ohne für Aufruhr zu sorgen. Er blieb lieber im olympischen Dorf, wo er sich frei bewegen konnte. Hier wurde er nicht als der Olympiastar vereinnahmt, sondern konnte ganz normal Sidney Crosby sein. Jetzt war er auf der Suche nach einem Bier auf unserer Feier gelandet. Das war einmalig, und er fragte sogar, was das Bier kosten würde! Wir unterhielten uns, und es zeigte sich, dass er sich auch mit Skifahren gut auskannte, weil seine Physiotherapeutin für den kanadischen Skiverband gearbeitet hatte. Am Ende tauschen wir sogar unsere Telefonnummern aus.

Eishockey hat mir einige der schönsten und emotionalsten Sport-Momente in meinem Leben beschert. In jedem Winter ertappe ich mich bei dem Wunsch, hoffentlich mal wieder auf einem zugefrorenen See mit den Kindern oder den Jungs dem Puck hinterherzujagen. In meiner Kindheit war das selbstverständlich, heute sieht die Realität anders aus. Der Klimawandel sorgt dafür, dass es meist nicht kalt genug ist, damit sich auf den Seen diese dicke Eisschicht bildet. Nicht nur bei uns in den Alpen hat sich in den vergangenen 30 Jahren viel verändert. Wir müssen damit umgehen lernen, und dabei ist sicher am wichtigsten, dass wir, wo immer es uns persönlich möglich ist, auch unseren Teil dazu beizutragen, dass wir so wenig CO2 wie möglich ausstoßen. Kleinigkeiten können Großes bewirken. Wenn wir zum Beispiel weniger Kunststoff verwenden würden, wäre das ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Ich wünsche mir für alle Kinder, dass sie so eine erfüllte Kindheit haben können wie wir hier in den Bergen. Skifahren in den Bergen, Eishockey spielen auf den Seen. In der Natur Zeit mit Freunden verbringen. Hört sich nicht nach viel an, ist aber alles.

© privat

Felix mit seinen stolzen Eltern Rosi Mittermaier und Christian Neureuther

MORITZ SEIDER

© privat

Moritz Seider (zeigt ganz hinten das Peace-Zeichen) mit seiner „coolen Gang“

Spitzname: Seidi

Position: Verteidiger

Geboren am: 6. April 2001

Geboren in: Zell (Mosel)

Größter Erfolg: Deutscher Meister mit den Adlern Mannheim 2019, WM-Silber mit der deutschen Nationalmannschaft 2023, Erstrunden-Draftpick der Detroit Red Wings 2019 (an 6. Position), Gewinner der Calder Memorial Trophy 2022 (NHL-Rookie des Jahres)

Eishockey ist der größte Traum, den es für mich auf der Welt gibt. Ich habe das große Privileg, mit dem Sport meinen Unterhalt zu verdienen, neue Freundschaften fürs Leben zu schließen. Es gibt nichts auf der Welt, das mich so begeistern kann. Deswegen habe ich Bock auf Eishockey!

EISBADEN FÜR DAS WM-SILBER

Moritz Seider gilt als großes deutsches Eishockey-Versprechen. 2022 wurde der Verteidiger zum besten Neuling in der NHL gewählt, nur ein Jahr später ging ein anderer Traum in Erfüllung. Einer, bei dem er um ein Haar nicht dabei gewesen wäre und für den er mächtig frieren musste.

Die Kälte kriecht am ganzen Körper hoch. Jede Stelle, die mit dem eiskalten Wasser bedeckt ist, brennt. Es tut weh, doch der Schmerz ist gut. Ich trage mein breitestes Grinsen. Und den Jungs, die an meiner Seite in diesem finnischen See ausharren, geht es genauso. Ich blicke in die Augen unseres Kapitäns, Moritz Müller. Er ist ein Krieger. Wie meine anderen Teamkollegen. Wie ich. Wir wollen diesen See besiegen, der ein starker Gegner ist und uns alles abverlangt. Nach zehn Minuten schleppen wir uns ans Ufer. Wir packen uns in dicke Decken ein, spüren jeden Schritt zurück zum Hotel. Doch jetzt sind wir bereit, die nächste Herausforderung kann kommen. Bei der WM 2023 in Tampere und Riga führt uns dieses verrückte Ritual bis ins Finale. Wir gewinnen Silber, ich bin bei einem der größten Erfolge in der Geschichte des deutschen Eishockeys dabei. Dabei hatte ich die WM eigentlich abgesagt.

Mir steckte meine zweite NHL-Saison in den Knochen. Gefühlt tat mir alles weh. Mein Knie zwickte, meine Schulter war nicht ganz in Ordnung. Ich hatte nicht die eine große Verletzung. In mir reifte aber der Entschluss, all die kleineren Blessuren ausheilen zu lassen, die über die Jahre zwar verheilt, aber doch nie ganz weg gewesen waren. Während einer anstrengenden Saison bleibt dafür keine Zeit, man schaut darüber hinweg. Also entschloss ich mich schweren Herzens, die WM abzusagen.

In einem großen Interview mit dem Mannheimer Morgen erklärte ich die Hintergründe. Nur wenige Tage später machte ich eine Rolle rückwärts. Mit meiner Freundin Anna nahm ich in München am Benefizlauf „Wings for Life“ teil. Wie es der Zufall wollte, absolvierte das DEB-Team nur wenige Tage später in der bayerischen Landeshauptstadt die WM-Generalprobe gegen die USA. All die Jungs, mit denen ich schon so viele Erlebnisse geteilt hatte, waren zur Vorbereitungsphase in München. Ich schaute Anna fest in die Augen und fragte, ob es okay sei, wenn ich kurz in der Kabine der Nationalmannschaft vorbeischauen würde. Einfach nur, um Hallo zu sagen.

Folgenschwerer Besuch in der Münchner Kabine

Als ich die Kabine betrat, umfing mich ein vertrauter Geruch: Schweiß und der unverwechselbare Duft von Eishockeyausrüstungen. Hier war ich richtig! Ich klatschte mit allen ab, wir unterhielten uns. Ich kam aus dem Strahlen gar nicht mehr heraus. Und klar: Am Ende versuchte jeder, mich umzustimmen. „Mensch, Moritz“, sagten sie, „du kannst uns doch nicht hängen lassen!“ Die Jungs erinnerten mich daran, wie viel Spaß eine WM machen kann, was für eine geile Zeit das ist und dass ich helfen könne, dass diese hier noch erfolgreicher werden würde. Ich wehrte mich mit Händen und Füßen. „Hört doch auf damit“, sagte ich und erklärte allen noch einmal, dass ich meinem Körper die nötige Ruhe geben wollte, um komplett auszuheilen.

Noch heute weiß ich nicht genau, welche Prozesse in mir ausgelöst wurden. Ich weiß nur, dass ich mich wie ein kleiner Junge fühlte. Ich war aufgedreht, konnte den restlichen Tag nur noch darüber reden, wie cool dieses Treffen in der Kabine war. Ich schwärmte Anna vor, wie geflasht ich war, und sagte ihr, dass ich mit meiner WM-Absage wohl einen riesengroßen Fehler gemacht hätte. Ich verspürte große Lust, die Weltmeisterschaft zu spielen. Anna fragte mich, ob das nicht eine Schnapsidee sei, ob ich das wirklich ernst meinte. Ich meinte es vollkommen ernst.

Der Benefizlauf „Wings for Life“ verging wie im Flug, ich spulte mit Anna 12,22 Kilometer ab. Glücksgefühle begleiteten mich über die ganze Strecke, denn ich wusste, was zu tun war. Nachdem wir wieder zu Hause waren, rief ich meinen Berater Timo Machleid an. Ich sagte ihm, dass ich die WM spielen wolle. Und er meinte nur: „Ja, gut, dann machen wir das halt so.“

Das war nur der erste Schritt, denn ohne die Freigabe meines NHL-Clubs waren das alles nur nette Gedankenspiele. Ich kontaktierte noch am selben Tag Steve Yzerman, den General Manager der Detroit Red Wings. Ich fragte ihn, ob es okay sei, wenn ich die WM nun doch spielen würde. Er versicherte mir, dass ihn mein Umdenken sehr freue. Ehrlich gesagt war er gar nicht so happy über meine ursprüngliche Absage gewesen, da hatte er mich nur verdutzt angeschaut.

Wenn jemand eine WM-Teilnahme unterstützt, dann ist das Steve. Er wirkt jedes Jahr in der Organisation von Team Canada mit, ist bei den Weltmeisterschaften vor Ort. Insofern wunderte es mich nicht, dass Steve mir nicht nur seine Unterstützung versicherte, sondern den Worten auch Taten folgen ließ. In Nullkommanichts machte er die erforderlichen Papiere fertig und unterschrieb sie: Ich hatte die WM-Freigabe! Am nächsten Tag fuhr ich mit einem Mietwagen zurück nach München und stieß zur Mannschaft. So ging die völlig verrückte WM-Geschichte für mich los. Ein Glück, dass ich die Jungs in der Kabine besucht hatte. Sonst hätte ich diese unvergessliche Reise nicht mitgemacht.

Die WM-Generalprobe gegen die USA in München fand noch ohne mich statt. Der DEB musste noch Versicherungsfragen klären, zunächst trainierte ich nur mit. Es gab Momente, in denen ich mich fragte, was ich mir da nur eingebrockt hatte. Ich hatte mehr als einen Monat lang nicht mehr auf dem Eis gestanden. Holla die Waldfee, das merkte ich! Mit der Zeit wurde es aber besser, die Automatismen griffen. Und nach ein, zwei harten Trainingseinheiten war der Stress, den ich mir selbst gemacht hatte, überwunden. Wir flogen nach Tampere, und ich konnte die Zeit mit den Jungs genießen.

Wir starteten in die WM, wie es viele Experten prophezeit hatten. 0:1 gegen Schweden, 3:4 gegen Finnland, 2:3 gegen die USA. Nach den drei Niederlagen zum Auftakt standen wir mit dem Rücken zur Wand. Bitterer hätte es kaum sein können. Wir hielten gegen drei große Nationen des Welt-Eishockeys mit und unterlagen jedes Mal mit nur einem Tor Unterschied. Das war schwer zu verdauen. Jetzt halfen nur noch Siege. Wir zerbrachen an diesem Druck nicht, weil wir genau wussten, dass dieses Szenario eintreten konnte. Obwohl wir nach drei Spieltagen ohne Punkt dastanden, hatten wir noch die Chance, in die K.-o.-Runde einzuziehen. Aus dieser Aussicht zogen wir unsere Kraft und blickten nicht zurück. Wir ließen uns nicht unterkriegen, sprachen uns Mut zu und versicherten uns gegenseitig, dass es keinen Grund gab, den Kopf in den Sand zu stecken. Jedes Spiel war für uns nun ein Endspiel. Das war unser Mindset. Ich bin mir sicher, dass unser allabendliches Eisbad uns so zusammengeschweißt hat, dass wir diese Prüfung bestanden.

Am Abend nach dem 0:1 gegen Schweden machten wir uns zum ersten Mal auf in Richtung Villilänsalmi-Bucht. Wir, das waren Moritz Müller, Parker Tuomie und ich. Wir verließen das Teamhotel Scandic Rosendahl und liefen zum Ufer des Näsi-Sees. Für mich war das Eintauchen in eiskaltes Wasser nichts Neues. Ich bin ein Fan von Eisbädern. In jedem Stadion muss eine Eistonne stehen, damit ich mich wohlfühle. In der Kabine der Red Wings haben wir zwei große Whirlpools, in die jeweils zehn Leute passen: einen Hot Tub, aber auch einen Cold Tub. Nach jedem Training und jedem Spiel gehe ich da rein. Je mehr Leute dabei sind, umso einfacher kann man sich motivieren, länger im eiskalten Wasser zu bleiben. Wir verhalten uns dann wie Kinder, keiner will bei diesem Wettbewerb als Erster den Whirlpool verlassen. Ich mache das aber nicht nur, weil es den Teamgedanken fördert, sondern weil ich mich nach dem Eisbad megagut fühle. Vor dem Zubettgehen gehört das zu meinem Abendritual. Viele Eishockeyspieler haben eine bestimmte Macke – das ist meine.

Mit Badehose und Pudelmütze