Bocktot - Ilona Schmidt - E-Book

Bocktot E-Book

Ilona Schmidt

5,0

Beschreibung

Als der beliebte Lateinlehrer und Hobbyjäger Mechtinger erschossen neben seinem Jagdansitz gefunden wird, hat Kommissar Richard Levin Mühe, die richtige Fährte zu finden. Er ist nicht der erste Tote in dieser Gegend. Mechtinger war Mitglied der Pegida-Bewegung, die den Coburger Pfingstkongress nutzt, um auf ihre Ziele aufmerksam zu machen. War sein Tod Mord oder ein Jagdunfall? Levin muss mit sich selbst ins Reine kommen, um den Täter zu überführen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 345

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
5,0 (16 Bewertungen)
16
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ilona Schmidt

Bocktot

Kriminalroman

Impressum

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2017 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2017

Lektorat: Katja Ernst

Herstellung: Julia Franze

E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © cydonna/photocase.de

ISBN 978-3-8392-5336-6

Haftungsausschluss

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

1 Astrid

»Zum Kotzen.« Toni, der eigentlich Anatoli hieß, stand vor den Resten eines überdachten Hochsitzes, stemmte seine Hände in die Hüften und schüttelte den grauhaarigen Kopf.

In dem braunen Overall, an dem noch Sägespäne vom Baumfällen hafteten, erinnerte er entfernt an einen gereizten Grizzlybären vor seiner zerstörten Behausung. Den Hochsitz hatte jemand umgeworfen, die Leiter zerbrochen und den Rest in Stücke gehackt. Eine Axt hatte ganze Arbeit geleistet. Da der Hochsitz nicht nur überdacht, sondern verkleidet und für zwei Personen ausgelegt gewesen war, musste das Zerstörungswerk Kraft und Ausdauer gekostet haben. Einen derartigen massiv gebauten Hochsitz nannten sie in der jahrhundertealten Tradition der Jäger eine »Kanzel«, in Anlehnung an die in den Kirchen. Toni spuckte aus.

Försterin Astrid Mechtinger blickte sich suchend um, als könnte sie den Täter noch entdecken, aber außer Toni war niemand zu sehen. »Das ist nicht gegen dich persönlich gerichtet, sondern gegen die Jagd an sich.«

Ihr Revierbereich lag fernab der üblichen Naherholungsgebiete der Stadt. Fichten, deren Stämme wie Säulen einer Kathedrale in den Himmel ragten, prägten den Wald. Nur vereinzelt versuchte eine Buche etwas Sonnenlicht zu ergattern. Generationen von Förstern und Waldbauern hatten hier ihr Erbe hinterlassen. Am anderen Ende des Staatsforstes war sie schon öfter auf Reifenspuren von Lastwagen gestoßen, die dort nichts zu suchen hatten, aber ansonsten ging es in den Wäldern der Forstdienststelle Gleisenau friedlich zu.

Toni blies die Backen auf. »Saubande! Die Brüder, wenn ich die erwisch, gibt’s ’nen Satz heiße Ohr’n.«

Astrid Mechtingers Ehemann würde sich für den heutigen Abendansitz auf den alten Rehbock eine Ausweichmöglichkeit suchen müssen. Alte Böcke zu erlegen war reizvoll, denn sie hatten mehr Erfahrung und waren schwieriger zu überlisten als junge.Außerdem verspürte man dabei eine gewisse Macht, fast als habe man dem Tod ein Schnippchen geschlagen.

»Dann bau ich halt ’ne neue Kanzel«, murrte Toni.

»Freilich. Wirst doch dafür bezahlt.«

Toni arbeitete schon lange im Forstdienst, und obwohl Astrid ihn der gelegentlichen Wilderei verdächtigte, zählte sie doch auf seine Erfahrung, wenn es um den Holzeinschlag ging. Ein gefährlicher Job, bei dem trotz Schutzkleidung immer wieder schreckliche Unfälle geschahen. Ihr schauderte bei dem Gedanken an Verletzungen durch Motorsägen, zumal sie die Verantwortung für die Sicherheit der Waldarbeiter trug. Zum Glück war in ihrem Forstabschnitt bislang nichts Dramatisches passiert.

»Wer macht so was?«, fragte Toni.

»Irgendwelche Idioten.« Zerstörungen von Jagdeinrichtungen kamen immer wieder vor, meistens von Tierschützern begangen, die den ihrer Meinung nach schießgeilen Grünröcken die Jagdausübung erschweren wollten. Oder von rachsüchtigen Spaziergängern, weil sie von einem Jäger wegen ihres freilaufenden Hundes zurechtgewiesen worden waren. Oder von Jugendlichen, die nicht wussten, wohin mit ihrer überschüssigen Kraft. Die Liste der möglichen Täter war lang.

Im Herbst waren Angriffe auf Jagdeinrichtungen eher die Ausnahme. Die bunten Farben der einschlafenden Natur schienen die Gemüter zu besänftigen. Jetzt im Frühling sah das anders aus. Die Jagd auf den Rehbock war freigegeben, und in Coburg hielten die Studentenverbindungen ihren Pfingstkongress ab, was nicht nur ihre Gegner, sondern auch militante Tierschützer anzuziehen schien. Jedenfalls meinte Astrid, dass sich die Angriffe auf Jagdeinrichtungen zu dieser Zeit häuften.

Toni hob eines der Bretter an. »Da liegt ’ne Mütze«, rief er.

Tatsächlich – eine grüne Strickmütze, mit einem verschmutzten Logo drauf. Sie wollte sie aufheben, ihre Finger wurden feucht. Das war Blut. Der Vandale musste sich bei seiner Aktion verletzt haben. Sie zog ihre Hand zurück.

»Des g’schieht dem Saukerl recht«, wetterte Toni neben ihr.

Sie sah sich um und hob ein anderes Brett hoch. Oha, ein benutztes Kondom. Angeekelt wendete sie sich ab, während Toni einen kurzen Pfiff ausstieß. »Wahrscheinlich ist dem beim Rammeln die Kanzel auf ’n Kopf g’falln.«

Er starrte sie durchdringend an, auf den schmalen Lippen eine unausgesprochene Frage. Außer ihr und ihrem Ehemann Holger ging hier niemand auf die Jagd. Hatte die Zerstörung der Kanzel vielleicht ihrem Mann gegolten? Immerhin benutzte er sie am häufigsten. Astrid wurde der Mund trocken.

»Dann rufen wir mal die Polizei an«, krächzte sie und holte ihr Handy aus der Jackentasche. Die Nummer der Polizeiinspektion war einprogrammiert, damit sie bei Verkehrsunfällen mit Wildbeteiligung nicht erst lange suchen musste. Unter Tonis aufmerksamen Blicken meldete sie den Vorfall. Sie steckte das Handy weg. »Dauert eine Weile, bis jemand vorbeikommt.«

»Was machst’n, wennste hier jetzt nimmer ansitzen kannst?«

»Dann muss der alte Hochsitz drüben am Waldrand noch mal herhalten.«

»Pass bloß auf, dass du dem Kerl mit der Axt net übern Weg läufst.«

»Keine Angst, Toni. Kaliber 7x64 sticht Hackebeil.« Sie machte eine Bewegung mit ihrem Zeigefinger, als zöge sie den Abzug eines Gewehrs durch. Ob sie das könnte? Auf einen Rehbock zu schießen war etwas ganz anderes als auf einen Menschen.

»Des wär wenigstens a g’scheiter Abgang für uns«, sagte Toni.

»Wie meinst du das?«

»Na, die Bayreuther wollen uns doch die Forstdienststelle dichtmachen.«

»Quatsch, eine zerstörte Kanzel juckt die Herren in Bayreuth nicht die Bohne.«

»Und was is mit der Leiche von vor sechs Wochen?«

»Du meinst, sie werden es müde, von uns in der Presse zu lesen? Erstens lag die im Nachbarrevier und zweitens ist der alte Mann ohne Fremdeinwirkung gestorben«. Der Unbekannte war vom Hund eines Spaziergängers gefunden worden. Vermutlich hatte er sich verirrt und war in der Nacht erfroren. »Ich sehe da keinen Zusammenhang zu unserem Holzhackerbuam.«

»Trotzdem is es …«

»Jetzt mal den Teufel nicht an die Wand. Wenn die uns den Laden schließen, dann nicht wegen eines toten Wanderers, sondern als Einsparungsmaßnahme.« Für die Polizei legte sie die Mütze zurück auf den Boden.

»Ich mach des scho mit der Polizei«, sagte Toni.

Sein Angebot kam ihr gelegen, denn Zuhause wartete die Auswertung des Verbissgutachtens auf sie, das den jährlichen Rehwildabschuss bestimmte. Jedes Jahr wurden Bäume auf Schäden durch hungriges Rehwild untersucht, das sich im Winter an jungen Zweigen oder Baumrinden in Ermangelung anderer Futterquellen gütlich hielt. Überschritten diese Schäden ein gewisses Maß, schloss man auf eine zu hohe Rehwilddichte. Da man keine Horde verhungerter Rehe den Wald auffressen lassen wollte, musste der Mensch als Regulator eingreifen. »Ruf mich an, wenn sie eintreffen.«

Bei Astrid zu Hause war es still, ihre zwei Kinder weilten bei den Schwiegereltern. In ihrem Büro sahen ihr weiße Blätter mit unzähligen schwarzen Buchstaben darauf aufdringlich entgegen. Manchmal fragte sie sich, ob sie auch Försterin geworden wäre, wenn sie gewusst hätte, wie viel Papierkram damit verbunden war. Sie überflog das Gutachten und legte es zur Seite. Tonis Worte hallten in ihr nach: »Die Bayreuther wollen uns doch die Forstdienststelle dichtmachen.«

Bloß nicht daran denken. Was sollte dann aus ihr und den Kindern werden? Timmy hatte in diesem Schuljahr aufs Gymnasium gewechselt und Susanne ging in die zweite Klasse. Würde sie die beiden einfach so aus ihrer gewohnten Umgebung reißen können? Und Holger, ihr Mann? Er war Oberstudienrat am Victoria-Gymnasium in Coburg. Er würde nicht wegziehen wollen; weder wegen ihr noch wegen jemand anders.

Langsam fuhr sie sich durch das kurze Haar und übers Gesicht. Die Zahlen auf dem Papier verschwammen vor ihren Augen. Sie schob den Stapel zur Seite, sah auf die Uhr. Bald würde Holger heimkommen, sich umziehen und auf den alten Rehbock ansitzen, hinter dem er schon seit einem Jahr her war. Bockjagd war etwas Aufregendes, aber die Pflicht, möglichst viel Rehwild zu schießen, um den Wald zu schützen, verdarb ihr die Freude daran. Früher konnte man eine gewisse Anzahl Rehwild aus dem Bestand nehmen, konnte auswählen. Kranke und schwache Tiere wurden erlöst. Im Winter wurde gefüttert. Das Erlegen eines alten oder starken Bocks war etwas Besonderes, die Belohnung für die Mühen. Heute wurde von oben vorgeschrieben, wie viele Rehe auf einem Hektar leben durften, und es waren weit weniger als früher, daher musste geschossen werden, was vor die Flinte kam. Dabei wurde es immer schwieriger, denn die Rehe trauten sich kaum mehr bei Tageslicht aus ihrer Deckung zu treten, und weil sie Hunger hatten, hielten sie sich an Bäume. Ein Teufelskreis. Während ein privater Jagdpächter sich vielleicht noch herausmogeln konnte – wer wusste schon, wie viele Tiere sich tatsächlich zwischen zwei Revieren hin und her bewegten –, stand sie als Forstbeamtin für die Erfüllung des Abschusses gerade – der Unterschied zwischen dürfen und müssen.

Auch bevorzugte sie eher das Pflanzen von Bäumen als das Fällen. Aber der Staatsforst war nun mal ein Wirtschaftsbetrieb, in dem für Sentimentalitäten wenig Raum blieb.

Toni rief an und erklärte, die Polizei sei jetzt da, um den Tatbestand aufzunehmen. Gefasst wurden die Vandalen selten. Normalerweise ging es nur um umgestoßene Hochsitze – ein Schaden, der relativ leicht zu reparieren war –, aber dieses Mal war zerstörerische Gewalt mit im Spiel gewesen. Seltsam, das Ganze.

Sie öffnete den Stahlschrank, in dem sie ihre Waffen aufbewahrten. Sicherheit wurde bei ihr großgeschrieben, nicht nur, weil es Vorschrift war, sondern vor allem wegen der Kinder. Keine Waffe kam geladen ins Haus, war ein Grundsatz, der von ihnen eisern eingehalten wurde.

Mit einem Blick erfasste sie, dass die Gewehre vollzählig waren. Sie griff sich einen Repetierer. Er wog genauso schwer wie die Verantwortung, die mit seiner Handhabung einherging, immerhin konnte die Kugel noch in drei Kilometern Entfernung tödlich sein. An der Pinnwand hinterließ sie Holger eine Nachricht, wo sie heute ansitzen würde und dass sein Lieblingshochsitz zerstört worden sei. Holger lehnte Handys ab. Solch neumodischen Schnickschnack brauche er nicht, war seine Devise. Zum Glück hatte er nur schwachen Widerstand geleistet, als sie Timmy zu seinem elften Geburtstag eines geschenkt hatte, um mit ihm Kontakt halten zu können.

Sie trat hinaus in den kühlen, windstillen Abend. Gute Bedingungen für die Ansitzjagd, die sie im Anschluss an das Gespräch mit der Polizei geplant hatte. Im Zwinger bellten die beiden Kleinen Münsterländer – echte Allrounder unter den Jagdhunden. Diana, die junge Hündin, befand sich noch in der Ausbildung und musste zu Hause bleiben. Sie winselte ein wenig und Astrid strich ihr tröstend über das weiche Fell. »Wir sind bald wieder da. Pass gut auf.«

Das Jagdrevier grenzte direkt an das Forsthaus. Sie marschierte schnellen Schrittes los – den Rüden Rino an der Umhängeleine links, den Repetierer rechts am Schulterriemen – und bog in den Waldweg ein, der zu der zertrümmerten Kanzel führte. Holger würde bald heimkommen, sich ein Gewehr des gleichen Kalibers schnappen und zu einem anderen Hochsitz ziehen.

Das Display zeigte ihr, dass keine weiteren Nachrichten eingegangen waren. Besser keine als schlechte.

Draußen im Wald kamen düstere Gedanken kaum auf. Dazu war die Natur viel zu wohltuend und erholsam.

Schon von Weitem erkannte sie Polizeihauptmeister Schneider, aber dessen junge Kollegin war ihr fremd. Wie sie wusste, wurden dem alten Hasen oft unerfahrene Beamte zur Seite gestellt. Die beiden nahmen alles akribisch auf. Nach einer kurzen Verabschiedung strebte sie dem Waldrand zu. Über dem Hochsitz ihrer Wahl ragten zwei Fichten in den wolkenverhangenen Himmel. Die Dämmerung war die beste Zeit für die Ansitzjagd.

»Ablegen«, befahl sie Rino am Fuß der Leiter, und der Hund ließ sich nieder. Mit seiner empfindlichen Nase würde er anwechselndes Wild lange vor ihr bemerken. Sie waren ein eingespieltes Team. In fünf Metern Höhe machte sie es sich, so gut es ging, auf der schmalen Sitzfläche bequem. Sie lud das Gewehr, repetierte eine Kugel in den Lauf und zog den Hut ins Gesicht, damit das Wild ihre helle Gesichtsfläche nicht bemerken konnte. Zuerst die Umgebung mit dem Fernglas absuchen, ob das Wild nicht bereits auf die Äsungsflächen getreten war. Ein leises Knacken links – Rino hob seinen Kopf und spitzte die Ohren – nichts. Wer auf die Ansitzjagd ging, musste gutes Sitzfleisch mitbringen.

Ob Holger schon auf seiner Leiter saß? Sie nahm das Fernglas zur Hand, und tatsächlich, auf der gegenüberliegenden Seite des Waldes erblickte sie ihn im Schatten einer Fichte. Mit der Passion für die Jagd hatten sie zumindest ein gemeinsames Interesse. Ihre Ehe wäre sonst längst im gegenseitigen Anschweigen erstickt. Dennoch hatte sie ihm viel zu verdanken: Familie, Kinder, Sicherheit.

Die Sonne verschwand hinter dem Horizont, bald würde es für einen sicheren Schuss zu dunkel sein. Auch gut. Dem alten Bock sollte es vergönnt sein.

Astrid wollte sich gerade fertig machen, nach Hause aufzubrechen, als ein Schuss fiel. Hatte Holger am Ende doch noch Waidmannsheil gehabt?

Sie schaute durch das Zielfernrohr ihres Gewehrs zu ihm hinüber. Tatsächlich lag ein Reh mausetot unweit eines Feldrains. Prima! Am liebsten hätte sie mit dem Jagdhorn ein »Bock tot« geschmettert, aber das hing zu Hause an der Wand.

Sie schwenkte wieder auf Holger. Er blieb sitzen, wo er war, ließ der Natur noch ein wenig Zeit, sich wieder zu beruhigen. Zumindest sein Abend war gerettet – und damit auch ihrer.

Ein zweiter Schuss zerriss die Stille.

2 Richard

Kriminaloberkommissar Richard Levin richtete auf seinem Schreibtisch den Papierstapel akribisch aus, steckte den Kugelschreiber in den Becher und rückte die Tastatur gerade. Mitunter wurmte ihn sein Ordnungsfimmel, aber irgendeine Macke musste man als Single schließlich haben.

Er hielt mit dem Aufräumen inne, denn durch die Bürotür sah er seine Exzellenz, den Leiter des K1, den Ersten Kriminalhauptkommissar Weidling, auf sich zukommen; ein dürres Männlein, das den Humor einer Klapperschlange besaß. Damit Weidling in einigen Wochen in den Ruhestand gehen konnte, würde am Montag eine Neue den Dienst antreten. Besonders scharf auf die erste Begegnung mit der Kriminalrätin war Richard nicht, denn sie würde seine Vorgesetzte werden.

Auf dem Schreibtisch gegenüber sah es aus wie auf einem Schlachtfeld. Peter Weingarth, sein Kollege, hatte sich bereits ins Wochenende verabschiedet. Damit es auch jeder in der Abteilung wusste, hatte er »Beim Angeln« aufs Whiteboard geschrieben und einen dicken Fisch dazu gemalt. Dieses Hobby teilte er mit Weidling, was ihm sicher half, wenn er etwas verbockt hatte.

Nachdenklich schloss Richard das Fenster. Für das Wochenende hatte er sich vorgenommen, wieder einmal am Fechttraining der Fränkischen Rittersleut in Nürnberg teilzunehmen, bei denen er schon einige Jahre Mitglied war. Von dieser außergewöhnlichen Freizeitaktivität hatte er den Kollegen nichts erzählt, denn was er außerhalb der Dienstzeit trieb, ging keinen etwas an, da war er eigen. Wahrscheinlich hätten sie sich sowieso nur über ihn lustig gemacht. Außerdem wollte er heute bei Oma Elke in Fischbach bei Nürnberg vorbeischauen und sogar bei ihr übernachten. Vor ihr hatte er keine Geheimnisse, sah sie ihm doch schon an der Nasenspitze an, wenn er etwas ausgefressen hatte. Kein Wunder, denn sie hatte ihn und seinen Bruder nach dem Tod der Mutter aufgezogen.

Dienstschluss. Das Klingeln des Telefons ließ ihn an der Tür verharren. Um diese Uhrzeit konnte das nur einen Einsatz bedeuten. Sollte er weitergehen und so tun, als hätte er es nicht gehört? Die Kollegen des KDDs, des Kriminaldauerdienstes, waren rund um die Uhr in Bereitschaft, und er hatte eigentlich schon Feierabend. Ob er oder Kollege Biesenecker die Angelegenheit bearbeiten würde, hing nur davon ab, wer abhob.

Neugier und Pflichtbewusstsein siegten – er nahm den Hörer ab. »K1, Levin.«

»Einsatzzentrale. Eine männliche Leiche. Vermutlich Kopfschuss.«

Prost Mahlzeit. Die hatte er jetzt am Hals. Seinen Besuch bei Oma Elke konnte er sich abschminken. Er hätte gehen sollen. »Und?«, fragte er vorsichtig.

»Der KDD ist benachrichtigt und bereits unterwegs. Der Tatort ist in der Nähe von Forsthub bei Ebersdorf, genauer gesagt beim Forsthaus Gleisenau.«

Eine schöne Gegend, die offenbar nicht nur Spaziergänger anzog, sondern auch Mörder. Binnen kurzer Zeit war dies die zweite Leiche in dieser Ecke. Die erste war dem Bericht der Gerichtsmedizin zufolge eines natürlichen Todes gestorben.

Im Parkhaus für die Einsatzfahrzeuge wählte er einen schicken 6er BMW, den sie kürzlich bei einem Drogendealer beschlagnahmt hatten und der nun den Fuhrpark der Polizeiinspektion bereicherte: feinstes Leder, Head-up-Display, Bluetooth, Navi; kurzum alles, was der moderne Mensch in einem Auto brauchte – oder auch nicht. Manchmal packte Richard eine unbändige Wut, wenn er an die Ungerechtigkeit in der Welt dachte, der er allzu oft sowohl im Beruf als auch im Privatleben begegnete. Er musste aufpassen, denn Emotionen durfte er sich als Ermittler nicht leisten, er musste objektiv bleiben. Zu seinem Leidwesen brachen sie dennoch ab und zu durch. Plötzlich freute er sich auf die Ritterspiele am kommenden Wochenende. Zwar wurden dort nur Scheinkämpfe ausgefochten, aber es würde ihm helfen, die angestauten Aggressionen zu verarbeiten. Andere Ermittler ergaben sich dem Suff, um dem beruflichen Stress zu entfliehen, aber für ihn war das keine Alternative, eher Sport, obwohl er nicht besonders athletisch war. Volleyball, Fußball oder Handball gehörten zum Sportprogramm der Polizeiinspektion, das reichte. Aber auch Kampfsportarten hatten ihren Reiz.

Im Grunde jedoch war er ein Einzelgänger, der sich am liebsten allein durchs Leben schlug.

Schneller als nötig raste er nach Forsthub. Am Ortseingang verlangsamte er die Fahrt. Ein Stück weiter tauchte rechts ein vereinzelt stehendes Gebäude auf, ein Hirschgeweih über der Haustür. Das musste das Forsthaus Gleisenau sein. Die Fenster waren hell erleuchtet, ebenso der Vorhof. Ein grauer Subaru Forester parkte davor, daneben ein Prius-Hybrid.

In der Dunkelheit sah er einen Lichtschein. Dort musste es sein, dachte er sich und fuhr weiter. Die Asphaltstraße wurde zu einem Feldweg und der kurz darauf zu einem Wiesenweg. Gras streifte am Unterboden des Wagens entlang. Vielleicht doch nicht das geeignete Fahrzeug für dieses Gelände.

Die Scheinwerfer zweier Streifenwagen sowie eines zivilen Pkw-Kombis und eines Rettungswagens beleuchteten die Fundstelle. Langsam stieg er aus. Die bekannten Kollegen des KDD und Polizeihauptmeister Schneider standen in der Nähe der Leiche. Der Tote war in grün gekleidet und lag drei Schritte von einem Hochsitz entfernt, ein Gewehr gleich daneben. Am Hinterkopf klaffte ein Riesenloch, umgeben von einer blutigen Masse.

Obwohl Richard solche massiven Verletzungen schon öfter gesehen hatte, berührte ihn der Anblick jedes Mal aufs Neue.

»Kopfschuss«, erklärte ein uniformierter Kollege trocken.

»Kaum zu übersehen. Wisst ihr schon, wer das Opfer ist?«

»Holger Mechtinger. Oberstudienrat für Latein und Geschichte am Victoria-Gymnasium in Coburg.«

Wer brachte einen Lehrer um? Zugegeben, manche seiner Pauker hatte er nicht ausstehen können, aber gleich ermorden? Oder hatte sein Tod etwas mit der Jagd zu tun? Ein Milieu, von dem er keine Ahnung hatte. »Er war Jäger?«

Schneider wandte sich ihm zu. »Er hatte einen Begehungsschein für dieses Revier.«

»Das bedeutet?«

»Dass er hier auf die Jagd gehen, das Revier begehen durfte. Der Jagdpächter, oder in diesem Fall der Forstbeamte, kann Jagderlaubnisscheine ausstellen, schriftlich, damit der Jäger sich zusammen mit seinem Jagdschein ausweisen kann.«

Richard zog die Augenbrauen hoch.

»Der Jagdschein bestätigt, dass der Jäger die Jägerprüfung bestanden hat, Waffen führen darf und die jährliche Gebühr entrichtet hat. Macht die Untere Jagdbehörde. Kann nicht jeder daherkommen und Jäger sein wollen.«

Richard spürte etwas Defensives in Schneiders Antwort, aber es ging nicht um Schneider oder Jagd. »Wer hat ihn gefunden?«

»Seine Frau – die zuständige Forstbeamtin.« Schneider deutete mit seinem Kinn in Richtung einer leicht untersetzten Frau in Grün, die etwa 20 Schritte entfernt von einem Rettungssanitäter betreut wurde. Kurze braune Locken, breites, blasses Gesicht, aber rote Wangen, weder hübsch noch hässlich. Eine Frau, der keiner hinterhersah, eher der kumpelhafte Typ. Das Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben. Bei Mord oder Selbstmord gab es eigentlich immer mehrere Opfer: den Toten und seine Angehörigen. Neben ihr saß ein mittelgroßer braungescheckter Hund mit Schlappohren und hechelte nervös. Die Frau hatte ein Gewehr umhängen. Eine junge, kreidebleiche Polizistin war bei ihr.

»Sie heißt Astrid Mechtinger«, fuhr Schneider fort, »und war Zeugin des Geschehens.«

Gut. Das könnte eine schnelle Aufklärung verheißen. Genau das, was er brauchte. Nichts Kompliziertes und um Gottes willen nichts Politisches. Dass so etwas der Karriere schaden konnte, hatte er erst vor Kurzem bei einem versetzten Kollegen erlebt.

Er ging die wenigen Schritte zur Frau des Opfers. »Kriminaloberkommissar Levin«, stellte er sich vor und ergriff Frau Mechtingers Hand, die sich schlaff und kalt anfühlte. Sie stierte auf den Toten, zeigte keinerlei Emotionen. Drang er überhaupt zu ihr durch?

»Der Notarzt hat ihr was zur Beruhigung gegeben«, erklärte Schneider.

»Auf einmal war er weg.« Frau Mechtingers Stimme klang brüchig. »Einfach weg.«

»Ihr Mann?«

Sie deutete auf die Leiche. »Erst saß er auf dem Hochsitz und dann … weg.«

»Konnten Sie sehen, wie das passiert ist?«

»Plötzlich … weg.«

Viel mehr würde im Augenblick aus ihr nicht herauszuholen sein. Eine weitere Befragung konnte er sich sparen. »Sie sollten nach Hause gehen. Haben Sie jemanden, der Sie begleiten kann?«

»Ich kümmere mich um sie«, sagte die Schutzpolizistin.

»Sind Sie schon lange hier?«, fragte er die Kollegin.

»Wir waren auf der anderen Seite des Waldes, als der Funkspruch einging«, antwortete Schneider.

Richard orientierte sich kurz. »Dort drüben?«

»Da, wo die Leiche des Wanderers gefunden wurde.«

»Gab es dafür einen Anlass?«

»Bei uns ist eine Anzeige wegen eines Flurschadens eingegangen, verursacht durch einen oder mehrere Lastwagen. Übrigens nicht der erste, der in dieser Gegend angezeigt wurde. Wir hörten zwei Schüsse, relativ schnell hintereinander. Nichts Ungewöhnliches, weil jetzt die Bockjagd auf ist.«

»Die was?«

»Die Jagd auf das männliche Reh.«

Plötzlich sah Astrid Mechtinger Richard scharf an. »Er ist tot, nicht wahr?«

»Ja, leider. Mein aufrichtiges Beileid, Frau Mechtinger.«

Sie straffte ihre Schultern. »Was passiert jetzt mit ihm? Er kann doch nicht da liegen bleiben, muss doch beerdigt werden.«

»Nach der Spurensicherung wird er in die Gerichtsmedizin gebracht, dort untersucht, und der Staatsanwalt entscheidet dann, ob ein Ermittlungsverfahren eröffnet wird.«

Sie nagte an ihrer Unterlippe, versuchte offenbar zu verstehen, was er gesagt hatte. Sie tat ihm unendlich leid.

»Vielleicht hat er sich selbst …?«, fragte sie leise.

»Möglich. Das werden wir feststellen. Hätte er denn einen Grund gehabt?«

Langsam senkte sie ihren Kopf. Sie musste um die 30 sein. Ihre Hand fuhr an den Mund, als wollte sie einen Schrei im Keim ersticken.

Der Notarzt trat hinzu. »Frau Mechtinger braucht jetzt unbedingt Ruhe und jemanden, der sie nach Hause bringt.

»Ich mach das«, bot die Kollegin erneut an.

Astrid zitterte leicht. »Es gab keinen Grund, ihn umzubringen«, sagte sie fest.

Das sagten viele Hinterbliebene, und es sind schon Menschen wegen 20 Euro ermordet worden. Aber etwas an ihrem Tonfall ließ ihn aufhorchen. »Noch einmal: Haben Sie gesehen, wie es passiert ist?«

»Nein«, sagte sie fest. »Ein Schuss fiel, und als ich zu ihm hinüberblickte, stand er nicht mehr auf der Leiter. Ich bin sofort hingelaufen, und … und …«

»Haben Sie jemanden gesehen?«

»Wer sollte denn …?« Ihr Mund blieb offen.

Die Polizistin schob Astrid in Richtung Streifenwagen. »Ich fahre sie heim.«

»Dort drüben liegt ein toter Rehbock«, sagte Schneider. »Wahrscheinlich hat er den vorher noch erlegt.«

»Aha?«, meinte Richard.

»Wir haben zwei Schüsse gehört. Ich könnte wetten, dass sie aus zwei verschiedenen Gewehren abgegeben wurden.«

»Kann man das hören?«

»Als Jäger, Waffensammler und Sportschütze habe ich ein Öhrchen dafür.«

In all den Jahren bei der Bundeswehr und der Polizei hatte Richard die verschiedensten Waffen geführt, hielt sich auch für einen passablen Schützen, aber Gewehre an ihrem Schussklang erkennen konnte er nicht. Langsam drehte er sich um die eigene Achse, um den Tatort auf sich wirken zu lassen. »Kann man schon sagen, aus welcher Richtung der tödliche Schuss abgefeuert wurde?«

»Nein. Und unsere Ballistiker werden das Kaliber nur schwer feststellen können; außer wir finden die Kugel. Übrigens haben wir neben dem Hochsitz eine Patronenhülse entdeckt, die andere steckt noch in der Kammer des Gewehrs«, antwortete der Kollege vom KDD. »Für eine Suche nach dem Geschoss oder den Überresten davon ist es zu dunkel.«

»Kann ich die Waffe sehen?«

»Von mir aus. Wir sind hier fertig.«

Ein Nummernschildchen steckte neben dem Gewehr im Boden. Er hob es auf: Repetierer, Kaliber 7x64, der Schaft mit geschnitzten Jagdmotiven verziert. Mindestens 7.000 Euro wert, das gute Stück. Dazu ein teures Zielfernrohr von Zeiss. Soviel er wusste, wurden bei der Jagd Teilmantelgeschosse verwendet, die einen großen Ausschuss garantieren sollten, um eine größtmögliche Zerstörung im Wildkörper zu bewirken. Falls die Kugel aus diesem Gewehr stammte, hatte sie bei dem Toten ganze Arbeit geleistet. Die Waffe war entsichert. Richard ergriff den Repetierhebel und öffnete die Kammer, was von Schneider aufmerksam verfolgt wurde. Eine leere Hülse sprang heraus.

»Mauser System 98«, sagte Richard. Nacheinander repetierte er drei Patronen ins Freie. Von den fünf Patronen, die die Kammer fasst, fehlten zwei. Richard wandte sich an Schneider. »Zwei Schuss, sagten Sie?«

»Ja. Aber wie gesagt …«

»Das mit den zwei Gewehren wird schwer zu beweisen sein.«

Schneider zog eine Grimasse. »Schon klar. Ich sag’s ja nur.«

»Wo ist der Rehbock?«

»Dort drüben.« Schneider deutete in die Dunkelheit. »Am Waldrand.«

»Gehen wir hin.«

Im Lichtkegel von Schneiders Taschenlampe marschierten sie los. Nach etwa 50 Metern erreichten sie das Tier, dessen große Augen im Lichtschein glänzten. Schneider leuchtete über den Wildkörper. Teile der Eingeweide waren zu erkennen.

»Schlumpschütze«, brummte Schneider und hob an, fortzufahren.

»Schon gut.« Diesen Begriff kannte Richard aus dem Militär, er bezeichnete das Gegenteil eines Scharfschützen.

»Er hat weidwund getroffen.« Schneider deutete auf den Einschuss. »Weidwund heißt, der Schuss ging ins Gedärm. Es ist verpönt, dem Tier unnötige Schmerzen zuzufügen. Den Ausschuss möchte ich lieber nicht sehen.« Schneiders Stimme drückte Mitgefühl aus, mehr Emotion, als er in Anbetracht der Leiche gezeigt hatte.

»Wurde das Tier hier getroffen?«, fragte Richard.

»Wahrscheinlich. Manchmal springen sie noch ab, rennen weg, aber vermutlich hat ein Geschosssplitter das Herz getroffen und der Bock war sofort tot.«

»Anzeichen für einen zweiten Treffer?«

»Auf den ersten Blick nicht.«

Mehr gab der Rehbock nicht her. Hinter ihnen fuhr der Leichenwagen vor, um den Toten abzuholen.

»Hat jemand Frau Mechtingers Gewehr untersucht?«

Schneider atmete hörbar aus. »Also ich nicht.« Das war auch nicht seine Aufgabe, sondern die des KDD.

»Dann werde ich es mir mal ansehen.«

»Sie haben die Frau in Verdacht? Die tut doch keiner Fliege was zuleide.«

»Und wie erlegt sie ihr Wild? Indem sie es zu Tode streichelt?«

»Das war nur so dahergeredet. Es ist schon ein Riesenunterschied, ob man ein Tier oder einen Menschen tötet«, wusste Schneider.

Richard konnte seinen Gesichtsausdruck in der Dunkelheit nicht erkennen. »Schon ausprobiert?«

»Was?«

»Ob es ein Unterschied ist?« Richard ließ Schneider stehen und machte sich auf den Weg zum Tatort zurück. Er zog sein Handy aus der Hosentasche und drückte auf das Symbol für die Taschenlampen-App. Kaltes Licht geleitete ihn durch die Schwärze der Nacht.

3 Astrid

Die Polizistin, die Astrid heimbrachte, sprach beruhigend auf sie ein. Im Grunde war ihr alles egal, denn das Unfassbare konnte einfach nicht geschehen sein. Ihre Umgebung nahm sie wie durch einen Schleier wahr, alles schien in Watte gepackt zu sein, und nur der hämmernde Herzschlag in ihrem Hals machte ihr deutlich, dass sie noch bei Bewusstsein war.

Holger tot? Nein, unmöglich. Jemand anderes musste an seiner Stelle auf den Ansitz geklettert sein. Er würde zu Hause warten, griesgrämig Schulaufgaben korrigieren und ihr Vorwürfe machen, weil sie sein Lieblingsessen nicht gekocht hatte. Genau so und nicht anders würde es sein.

Was hatte die Frau, deren Namen sie schon wieder vergessen hatte, neben ihr gesagt? Sie schaute die Beamtin an, die ihr mitfühlend die Hand auf den Arm legte. Der Gewehrriemen über der Schulter drückte unangenehm. Am liebsten hätte sie die Waffe weit von sich geworfen.

Die Beamtin nahm ihr die Jagdtasche ab, in der die Pa­tro­nen klimperten, die sie dort achtlos hineingeworfen hatte, nachdem sie die Waffe entladen hatte.

»Soll ich jemanden benachrichtigen?«, fragte die Polizistin.

Wieso? Es war doch alles in Ordnung.

War es nicht. Mit Mühe unterdrückte Astrid die Tränen, die sich den Weg aus ihren brennenden Augen bahnen wollten. Was sollte Holger denken, wenn sie so verheult nach Hause käme?

Holger war tot. Erschossen. Der Schuss, dieser verdammte zweite Schuss, hatte ihn getötet. Er hallte immer noch in ihren Ohren nach.

Sie musste schlucken, bevor sie sprechen konnte. »Meine Schwiegermutter. Die Kinder sind bei ihr. Timmy …«

Schluchzen raubte ihr die Worte. Die Hoffnung, alles könnte nur ein Irrtum sein, gewann wieder die Oberhand. Wie sollte man bei einem Kopfschuss erkennen, dass es sich um Holger und nicht um einen anderen Mann handelte?

»Sie stehen unter Schock«, sagte die Frau neben ihr.

Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie am ganzen Körper zitterte. Ihre Zähne schlugen hörbar aufeinander, und am liebsten hätte sie ihren Schmerz laut hinausgeschrien.

Ihre Hündin Diana bellte zur Begrüßung. »Alles in Ordnung«, versuchte sie vergebens, sie zu beruhigen und ließ sie, zusammen mit Rino, ins Haus. Jetzt, wo Holger nicht mehr da war, hatte niemand mehr etwas dagegen. Was dachte sie da?

Die Beamtin geleitete sie durch die unverschlossene Haustür, als wäre sie alt und gebrechlich. Vielleicht war sie das auch, denn das Erlebte saugte alle Energie aus ihr. Am Büro vorbei stolperte sie ins Wohnzimmer.

Kein Holger da. Vielleicht sollte sie nach ihm rufen, er könnte oben im ersten Stock sein.

Totenstille im Haus. Bestimmt schlief er schon. Draußen im Flur hörte sie die gedämpfte Stimme der Polizistin, die telefonierte. Astrid war das egal, sie wollte nur noch allein sein. Sie ließ das Gewehr von ihrer Schulter gleiten, sank auf das Sofa und hielt ihre Tränen nicht länger zurück.

»Wollen Sie etwas trinken?«, fragte die Beamtin. »Ein Glas Wasser vielleicht?«

Nein, kein Wasser. Die Frau sah sie fragend an. Hatte sie ihr nur in Gedanken geantwortet? Tief Luft geholt und noch mal: »Nein, danke. Aber wenn Sie Durst haben? Im Kühlschrank sind Getränke und auch Bier.«

Holgers Bier. Wer sollte das jetzt trinken? Wie würde eine Zukunft ohne ihn aussehen? Erneut liefen Tränen über ihre Wangen.

Ihre Begleiterin hielt ihr ein Glas Wasser hin. »Ich hab’s trotzdem mitgebracht – für alle Fälle.«

Mechanisch griff sie danach und trank, mit zitternden Händen, einen kleinen Schluck. »15 Jahre waren wir verheiratet«, sagte Astrid. »Holger achtete stets darauf, dass ich genug trank.«

Die Frau hob die Augenbrauen und ließ sich ihr gegenüber auf dem Ohrensessel nieder, den Blick auf das am Sofa lehnende Gewehr gerichtet. »Ich darf mich doch setzen?«

»Natürlich.« Als ob sie es hätte verhindern können. Holgers Lieblingsplatz. Von dort aus hatte er einen direkten Blick auf den Fernseher. Die Fernbedienung lag auf dem Beistelltischchen daneben – seine kleine Kommandozentrale.

»Haben Sie vorhin im Flur mit meiner Schwiegermutter telefoniert?«, fragte Astrid.

Die Beamtin schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe nur meinen Vorgesetzten darüber informiert, dass ich noch ein bisschen bei Ihnen bleiben werde. Wir übermitteln solche Hiobsbotschaften immer persönlich, nicht telefonisch. Sollen wir sie benachrichtigen?«

Ein Schauer durchfuhr Astrid, als sie sich vorstellte, ihre herrschsüchtige und gefühlskalte Schwiegermutter anrufen zu müssen. Der Schwiegervater war nicht viel besser; ein Erzkonservativer, dem man heute noch anmerkte, dass er während der Nazidiktatur aufgewachsen war. Beide Schwiegereltern hatten ihr deutlich zu zeigen gewusst, dass sie unwillkommen war. »Bitte fahren Sie bei ihnen vorbei, ich schaffe das nicht.«

»Gut. Das machen wir. Soll ich noch jemand informieren, der Ihnen jetzt beistehen könnte? Was ist mit Ihren Eltern?«

»Beide gestorben.« Vater zuerst. Eine Erlösung für die ganze Familie. Mutter hatte ihren Lebenswillen schon lange vorher verloren gehabt. Astrids Gedanken glitten ins Nichts.

»Sonstige Verwandte?«, fragte die Polizistin weiter.

»Ich habe eine Schwester auf Mallorca.«

»Im Urlaub?«

Es dauerte einen Moment, bis die Frage in ihr Bewusstsein drang. »Karin ist nach einer enttäuschten Liebe auf und davon. Sie hat von der großen Freiheit und dem Mann fürs Leben geträumt und am Ballermann eine kleine Strandboutique aufgemacht.«

Die Beamtin lächelte schmallippig. »Soll ich sie anrufen? Es wäre wirklich gut, wenn sich jemand um Sie kümmern könnte.«

Um Himmels willen, nein. Karin unter diesen Umständen hier zu haben wäre unerträglich. Astrid nahm einen weiteren Schluck. Das kalte Wasser klärte ihre Sinne.

Holger war tot, aber das Leben würde irgendwie weitergehen. Die Beerdigung musste organisiert werden, und auch die Schule und ihre Vorgesetzten im Forstamt mussten Bescheid wissen. Ihr Kopf schmerzte, schien platzen zu wollen, während ihre Gedanken durcheinanderwirbelten. »Karin kann ihren Laden nicht allein lassen – behauptet sie jedenfalls immer.«

»Haben Sie vielleicht eine gute Freundin?«

»Ich arbeite in einer reinen Männerwelt, da gibt es keine Kaffeekränzchen.« Vor ihrem geistigen Auge tauchte Sabrinas Gesicht auf. Sie war eine alte Schulfreundin, deren Kinder im gleichen Alter wie ihre eigenen waren. Sie hatten oft gemeinsam etwas unternommen. »Sabrina Knoch. Ist einprogrammiert.«

»Das Telefon im Büro?«

»Im Flur ist auch eines.«

Die Beamtin zeigte auf das Gewehr. »Soll ich es wegstellen?«

»Es muss in den Gewehrschrank.« Astrid erhob sich und wankte mit weichen Knien Richtung Büro. Ohne zu wissen, wie sie dorthin gekommen war, stand sie vor dem schwarzen Stahlschrank, in dem sie ihre Waffen aufbewahrten. Vorschriften seien dazu da, um eingehalten zu werden, hatte Holger stets gepredigt.

Ihre Hände zitterten zu sehr, um die Ziffern am Kombinationsschloss einstellen zu können. Schließlich übernahm das die Beamtin, nachdem sie vom Telefongespräch im Flur zurückgekommen war. Neben den Schrotflinten und Holgers Drilling waren zwei Plätze frei. Die Polizistin stellte den Repetierer dazu, zögerte und nahm ihn wieder heraus. »Darf ich?«

»Eine schöne und präzise Waffe. Hat mich noch nie im Stich gelassen.« Sie redete dummes Zeug.

Die Frau besah sich den Repetierer genauer, was Astrid unangenehm war. Eine fremde Hand an ihrer Waffe. »Kaliber 7x64.«

»Holger und ich fanden es praktisch, dasselbe Kaliber zu benutzen. Wir teilten uns die Munition.« Nur, dass ihr Repetierer wesentlich billiger als Holgers gewesen war, ohne irgendwelchen Schnickschnack.

»Die Kripo wird die Waffe untersuchen wollen«, sagte die Polizistin.

Ein unangenehm dunkles Gefühl verstärkte sich in Astrid, ihr Magen krampfte sich zusammen. »Wieso? Bin ich etwa verdächtig?«

»Das ist jeder, der mit Ihrem Mann zu tun hatte. Reine Routine.«

Die Hunde bellten wie verrückt. »Futterzeit.« Irgendwie musste sie wieder in ihren gewohnten Tagesablauf hineinfinden. Durchs Fenster sah sie den Kripobeamten, der sie am Tatort angesprochen hatte, aufs Haus zusteuern: groß gewachsen, schlank, dunkles, kurzgeschnittenes Haar, Dreitagebart, Lederjacke, schwarze Hose. Sie schätzte ihn auf Anfang bis Mitte 30.

Ohne zu zögern marschierte er geradewegs in den Flur und baute sich vor ihr auf. »Sie erinnern sich an mich? Kriminaloberkommissar Levin.«

Sie wollte nichts als in Ruhe gelassen werden und diese Leute aus dem Haus haben. Das Abendessen musste noch zubereitet werden. Trotzdem sollte sie sich anhören, was er zu sagen hatte. Vielleicht war Levin vorbeigekommen, um Entwarnung zu geben, weil das Opfer als Holgers Freund identifiziert worden war, mit dem er oft unterwegs war. Dieses Arschloch hätte es verdient gehabt. Erwartungsvoll blickte sie Levin an.

»Wie ich sehe, komme ich gerade richtig.« Er nahm der Beamtin das Gewehr aus der Hand. »Ist es noch geladen?« Mehr sagte er nicht, schaute sie nur erwartungsvoll an.

»Nein. Ich entlade grundsätzlich, bevor ich abbaume«, sagte Astrid, »beziehungsweise, sichere und unterlade.«

Er warf ihr einen fragenden Blick zu.

»Bevor sie vom Hochsitz steigt«, übersetzte die Beamtin. »Beim Unterladen drückt man die Patrone von der Kammer ins Magazin zurück.«

»Ich weiß, was Unterladen ist.« Levin zog am Kammerstängel und repetierte durch. Natürlich war die Kammer leer. Was hatte er denn erwartet? Seine eiskalten, grauen Augen nahmen Blickkontakt mit Astrid auf. Der Mann wurde ihr mit jeder Sekunde unsympathischer.

»Wo sind die Patronen, die Sie heute geladen hatten?«, fragte er.

»In meiner Jagdtasche.«

»Darf ich sie sehen?«

Sollte sie ihm das verweigern? Er würde trotzdem nachschauen. »Im Wohnzimmer – glaube ich.«

Die Beamtin nickte. »Neben dem Sofa in der Jagdtasche. Soll ich das Gewehr sicherstellen?«

Levin nickte kurz und verschwand in Richtung Wohnzimmer.

»Tut mir leid, aber was sein muss, muss sein«, sagte die Beamtin. »Bei Mordverdacht müssen wir jeder Spur nachgehen – auch zu Ihrer eigenen Entlastung.«

Das Wort »Mord« dröhnte in Astrids Ohren, und erneut durchlebte sie den Moment, als der Schuss die Stille des Abends zerrissen und den Kopf ihres Mannes zerfetzt hatte. Ja, es war ihr Mann gewesen, da half keine Hoffnung, nichts.

Mord. Warum, um Himmels willen, tat jemand so etwas?

Mit der Tasche in der Hand kehrte Levin zurück. Er griff hinein und förderte fünf lose Patronen zutage.

»Die Kammer fasst fünf«, sagte Astrid.

»Ein Notizbuch.« Levin zog es aus der Tasche und blätterte darin. Ein Anflug von Lächeln milderte die Strenge seines Gesichtsausdrucks. »Sie können gut zeichnen.«

Sie mochte nicht, dass er in ihre Privatsphäre eindrang, sagte aber nichts. Er würde sowieso machen, was er für erforderlich hielt. »Sie nehmen das alles mit?«

»So ist es. Sie bekommen die Sachen wahrscheinlich nächste Woche zurück – sofern sie nicht als Beweismittel in Betracht kommen.«

»Finden am Wochenende überhaupt Beerdigungen statt?«

»Machen Sie sich darüber keine Gedanken. Sobald die Freigabe von der Gerichtsmedizin erfolgt, kümmert sich ein von ihnen beauftragtes Bestattungsunternehmen um alles.« Er sah sich um, wanderte vor dem Waffenschrank auf und ab. »Sie haben gesehen, wie Ihr Mann getroffen wurde?«

»Nein!« Oder doch? »Er saß auf dem Hochsitz, dann brach der Schuss, und plötzlich war er nicht mehr da.« Astrid kam sich dumm vor, aber ihr fielen keine Worte ein, die es besser hätten beschreiben können. So angestrengt sie auch nachdachte, aber darüber hinaus hatte sie nichts weiter wahrgenommen. Der Druck in ihrem Kopf wurde immer größer, leichtes Schwindelgefühl machte sich breit.

»Konnten Sie hören, aus welcher Richtung der Schuss abgegeben wurde?«

Seine Frage drang wie aus weiter Ferne in ihr Bewusstsein. Das Büro und die beiden Gestalten darin verschwammen vor ihren Augen. »Reiß dich zusammen, Kind«, rief eine verhasste Stimme aus der Vergangenheit. Sie suchte an der Wand nach einem Halt.

Ein fester Griff umschloss ihre Taille. Sie wurde ins Wohnzimmer gebracht und aufs Sofa gelegt, Beine hoch.

»Ich rufe einen Arzt«, sagte eine weibliche Stimme von scheinbar weit her.

»Wurde jemand aus ihrem Verwandtenkreis benachrichtigt?«, fragte eine männliche Stimme gedämpft. Die Sprecher unterhielten sich leise, wohl im Flur. Wo auch immer.

»Eine Freundin kommt vorbei. Sie tut mir so leid. Ob sich der Mörder Gedanken macht, was er den Hinterbliebenen angetan hat?«

»Wohl kaum.«

»Wie wird er reagieren, wenn er erfährt, dass es eine Zeugin gab?«

Mit einem weiteren Mord? Wo war sie eigentlich? Egal. Sie wollte nur noch schlafen und hoffte, das Ganze würde sich morgen als schrecklicher Albtraum herausstellen.

4 Richard

Die Schwertklinge seines Partners traf klirrend auf die des eigenen Zweihänders. Richard spürte die Wucht des Schlags bis in die Schultern. Er riss das Schwert hoch, ließ es über dem Kopf kreisen und auf das seines Partners niedersausen.

Mit den Waffen des Mittelalters tat er sich ein wenig schwer, ihm lagen mehr die des Barocks und Rokokos, denn die besaßen eine gewisse Eleganz, waren aber nicht minder tödlich. Leider beschäftigten sich nur wenige historische Vereine damit, und wenn, dann hauptsächlich mit dem Piratentum, und darauf hatte er keinen Bock.

Mitten im Grünen gelegen, diente der Fußballplatz eines Vereins im Süden Nürnbergs als Übungsplatz. Ihr Trainer, der wieder in Jeans und T-Shirt mit dem Vereinsemblem darauf erschienen war, beobachtete kritisch jede ihrer Bewegungen, denn der Kampf sollte realistisch wirken, obwohl Richard manche der Figuren als kampfuntauglich einstufte. Ihre Truppe konnte für Schaukämpfe gebucht werden und würde in diesem Sommer sogar bei den Kaltenbrunner Ritterspielen sowie im österreichischen Ehrenberg zu sehen sein. Das Publikum bekam dann Stunts a là Hollywood unter dem Motto »Histotainment« zu sehen.

Das ständige Abwehren, Ausweichen und Angreifen trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Zudem lag ihm Oma Elkes üppiges Frühstück schwer im Magen. Sie meinte es einfach zu gut mit ihm. Trotzdem genoss er jeden Hieb und jede Finte, die Defensive und vor allem die Offensive. Heute jedoch gelang ihm das Abschalten vom Berufsleben nur schwer, denn der Anblick des erschossenen Mechtinger drängte sich ungefragt zwischen ihn und seinen Gegner – ebenso das Bild von Mechtingers Frau Astrid.

Die Polizeimeisterin war bis zum Eintreffen von deren Freundin bei ihr geblieben. Gewehr und Jagdtasche hatte er sichergestellt und zwecks näherer Untersuchung in der Polizeiinspektion abgeliefert. Nachdem er dieses Wochenende dienstfrei hatte, war er am Samstagmorgen doch noch nach Nürnberg gefahren. Viel würde eh nicht passieren, und was zu erledigen war, würde der Bereitschaftsdienst übernehmen.

Verbissen hackte er auf seinen Partner ein. Der war heute schneller als er und bremste die stumpfe Klinge kurz vor seinem Hals ab.

Prima. Das passte zu seiner Stimmung.

»Na, wohl nicht ganz bei der Sache?«, fragte Dominik, der im wirklichen Leben Kollege im Kriminalfachdezernat 2 für Eigentums- und Vermögensdelikte in Nürnberg war. Sie kannten sich seit Jahren, teilten das Interesse an Geschichte sowie allen Kampfsportarten und liebten ihren Job.

»Nee«, gab Richard unumwunden zu. »Hören wir lieber auf.«

»Ganz schön unhandlich, diese Dinger.« Dominik senkte das Schwert. »Aber wenn man damit getroffen wird, tut’s verdammt weh.«

So konnte man das auch nennen, denn mit diesen »Dingern« konnte man Arme, Beine und auch einen Kopf abschlagen. Richard folgte ihm zu den anderen, die auf dem mit Hütchen abgesteckten Parcours einen »Live Action Role Playing«-Kampf, kurz LARP-Kampf genannt, trainierten. Dabei kamen nur mit Schaumstoff gepolsterte Waffen und Rüstungsnachbildungen zum Einsatz, denn schließlich wollten sie nach der Schlacht noch gemeinsam ein Bier trinken und nicht abgetrennte Gliedmaßen aufsammeln. Das gemeine Fußvolk schwang Hellebarden und die Ritter Schwerter – alles aus demselben Material. Eine einstudierte Choreografie gab es dabei nicht, der Fantasie des Einzelnen waren keine Grenzen gesetzt, solange es in die Rolle passte und keiner verletzt wurde. Richard sah ihnen zu, bis seine Gedanken zurück zu den beiden Toten in der Gleisenau wanderten. Zwei in derselben Ecke? War das Zufall?

»Als was gehst du?«, fragte Dominik.

»Wie meinen?«

»Na, nächstes Wochenende am Pfingstsamstag? Erst Mitte 30 und schon Alzheimer? Wir wurden von den Ansbachern herausgefordert, nach unserer Schauübung gegen sie anzutreten.«

»Mal sehen.« Im Moment konnte er nicht einmal sagen, ob er überhaupt an der Veranstaltung teilnehmen würde. Menschenansammlungen waren ihm unangenehm. »Wenn überhaupt, mach ich nur beim Schwertkampf mit.«

»Hast wohl Angst, einer deiner ehemaligen Klienten könnte dich als getarnter Ritter mit einem echten Messer abstechen? Der perfekte Mord.«

Genau das befürchtete er, nur eingestehen wollte er es nicht. Im Laufe der Jahre hatte er einige Drohungen von Verhafteten einkassiert. »Deine Fantasie geht mit dir durch.«

»Was hast du im Morddezernat zu suchen? Komm zu uns, bei uns gibt’s nur Papierleichen. Der Alte würde sich freuen.«