Bonjour Toubab! - Rainer Lienemann - E-Book

Bonjour Toubab! E-Book

Rainer Lienemann

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Beschreibung

Warum man im Senegal zum Bierkaufen heimlich zu den Katholiken geht, warum man seine Hemden auf keinen Fall ungebügelt tragen soll, wie man sich vor Geschlechtsdieben schützt, worauf man sich einlässt, wenn man sich auf ein Motorradtaxi setzt und warum man im Senegal auf polnische Hühnereier stößt: Diesen und vielen andere Fragen geht der Autor in locker erzählte, teils amüsanten Reisegeschichten nach, denen immer auch Hintergrundinformationen zugefügt werden. Wer mehr über die Menschen und die Alltagskultur in Westafrika oder über das Unterwegssein als weißer Tourist erfahren will, wird in dieser Sammlung von Reiseimpressionen fündig.

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Seitenzahl: 180

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Menschen

Ibi

Lamine

Assane

Ndeme

Aisha

Oumy

Toulay

Foufou oder Wie es wirklich war

Unterwegs

Visum

Nach Ziguinchor

Eine Routinekontrolle

Jakarta

Taxi!

Im Iberia-Büro

Iberia-Besteck

Zwischen Bignona und Diouloulou

Kurzbesuch am Soungrougrou

Hier und da

Crevettenzucht

Wasser für das Dorf

Dieba

Ecole Patate

Ein Familienbetrieb

Im Gipskabinett

Auf der Suche nach Manuel P.

Auf der Suche nach Fatou X.

Heilige Bäume

Rares Holz

Touloucouna

Eindrücke und Reflexionen

Hausmädchen in Dakar

Schöne Frauen

Mann - Frau, Schwarz - Weiß

Beschneidung

Politik

Wahlperiode 2019

Mikrokredit

Nangadef 1

Nangadef 2

Kanyalang

Polnische Eier

Hemden besser bügeln

Vorsicht Geschlechtsdiebe!

Vorwort

Bei der Durchsicht der vorliegenden Texte aus den Jahren 2009 - 2019 fällt mir – im Unterschied zu den Texten in "Weisheit im Buschtaxi" – ein deutlich kritischerer Blick und Unterton auf, der mir beim Schreiben nicht bewusst war. Das Neue und Ungewöhnliche der Reisesituationen tritt in den Texten zurück: Die zahlreichen Begegnungen und Unterhaltungen sowie eine Reihe persönlicher Erfahrungen haben den Blick vertieft und das Interesse an einzelnen Menschen, ihren Schicksalen und ihren Lebenskonzepten gefördert. Wiederholte Begegnungen, auch mit zeitlichem Abstand, ermöglichten mir Einblicke in das Gelingen oder Scheitern von Lebensentwürfen und in die vielfältigen Schwierigkeiten des überall praktizierten Sichdurchschlagens. Mein Dank gilt all den Menschen, die mir Ausschnitte ihrer Lebensgeschichten mitteilten.

Deutlicher wurde auch, in welch hohem Maße das Leben der Senegalesen durch starke Widersprüche wie Stadt und Land, Alt und Jung, Tradition und Moderne, Technik und Aberglaube, Armut und Reichtum geprägt ist. Zu einem vertieften Verständnis half mir hierbei das intensive Zeitunglesen während meiner Aufenthalte in den Großstädten.

Sobald der Blick ein wenig hinter die Fassade und über Kurzkontakte hinausgeht, geraten auch solche Aspekte des täglichen Lebens in den Fokus, die komplexer sind. –

Die kritischere Sichtweise tut meiner grundsätzlich offenen und zugeneigten Haltung zu Land und Leuten keinen Abbruch, nimmt nur etwas von der Unbefangenheit und fördert eine kleine Ernüchterung. Andererseits erscheinen manche Verhaltensweisen verständlicher und "menschlicher" – und wieder einmal stellt sich das Gefühl ein, vielleicht doch etwas mehr von den Menschen in Westafrika verstanden zu haben …

MENSCHEN

Ibi

Ibi ist nett. Ibi hat eine kleine Bar am Strand von Abene; er ist kein Geschäftsmann, kein Macher, keiner, der die Energie hat, etwas Größeres als die ärmliche Strandbude aufzubauen, in der er Tag und Nacht anzutreffen ist. Selbst dieses kleine Geschäft zu besorgen, scheint ihm schwer zu fallen. Der "Tisch" – eine Holzplanke auf zwei Baumstümpfen – ist meist unaufgeräumt. Die leeren Bierflaschen und die wenigen wackeligen Stühle stehen am nächsten Morgen genauso dort, wie sie am Abend verlassen wurden. Ibi wirkt immer ein wenig ungepflegt, schläft im hinteren Teil der 20 qm kleinen Hütte, wo sich auch Kochecke und Hühnerstall befinden. Wer mittags unangemeldet kommt, muss etwas warten, Ibi liegt dort auf seiner Matte und hält Siesta. Aber er ist nett, steht bereitwillig auf, streckt sich und begrüßt den Kunden lächelnd.

Meist ist ein Freund von Ibi da; abends kommen mehrere Freunde. Sie blättern in deutschen oder englischen Katalogen, suchen sich irgendwelche Elektronikgeräte oder Autos aus und diskutieren darüber. Joints machen die Runde, auch ein alkoholisches Gebräu, das billiger ist als das hier verkaufte Bier.

Ibi, eigentlich Ibrahima, freut sich, wenn Gäste kommen, gibt ihnen breit lächelnd die Hand: "Ah, my friend! How are you?" Zwar ist er Senegalese, Diola aus Mlomp, keine 40 Kilometer entfernt, spricht aber lieber das gambische Basic-English. Er war lange nicht mehr in seinem Heimatdorf und freut sich, als ich ihm erzähle, dass ich dort mal durchgefahren bin. Er ist immer auf ein kleines Gespräch eingestellt und kann warten, bis sein Kunde sagt, was er wünscht; eigentlich habe ich ihn kein einziges Mal fragen gehört, was ein Gast möchte.

Ibi ist nett, manchmal auch etwas verlegen; er entschuldigt sich mehrfach, wenn das Bier nicht kalt oder gerade ausgegangen ist.

Den Öffner für die Bierflasche muss er meist suchen; es ist nur einer da, und der hat keinen bestimmten Platz.

Obwohl Ibi minimale Ausgaben und keine eigene Familie zu versorgen hat, klagt er, dass er kaum über die Runden komme. In der Regenzeit, wenn sich keine Touristen in Abene aufhalten, arbeitet er gelegentlich als Fischergehilfe in Gambia.

Wie in allen kleinen Geschäften hier, ist auch bei Ibi das Wechselgeld knapp oder nicht vorhanden. In seiner Bar kann man anschreiben lassen: Ibi hat Vertrauen zu seinen Kunden.

Beim abendlichen Sonnenuntergang, den ich gerne von Ibis Bar aus betrachte, kommt er gelegentlich zu mir und wir plaudern ein wenig über irgendetwas.

„Und wenn sie mal morgens nicht wiederkommt, die Sonne?“, werfe ich so hin. „Ooh“, meint Ibi zweifelnd. „Wenn sie zum Beispiel zu müde ist?“, setze ich nach. Ibi lacht: „Ich bin mal müde und arbeite einen Tag nicht. Aber die Sonne arbeitet immer, ist nie müde.“ „Ja, das stimmt“, sage ich. „Aber mit dem Mond ist es wie mit dir, der ist auch manchmal müde und kommt nicht.“ „Oui, c’est vrai!“, meint Ibi, „c’est comme ça!“

„Wenn man dorthin kommt, wo die Sonne verschwindet, fällt man vielleicht von der Erde“, sage ich ein anderes Mal. „Ooh“, sagt Ibi zweifelnd, „may be.“

Er war mit den Fischern weit draußen und erinnert sich, dass er einmal die Sonne gesehen hat, wie sie genau in der anderen Richtung aufgegangen ist. „Yes man“. Er glaube eher, dass die Erde rund sei, sagt er, aber das sei nur seine Meinung. Wenn er mit den Freunden darüber diskutiere, werde er immer überstimmt. C’est un disque, sagen sie mehrheitlich, man müsse nur genau hinschauen. –

Ibis Vater ist gestorben; Ibi ist der älteste Sohn, mittlerweile 32 Jahre alt, kann aber nichts für die Mutter und seine beiden noch die Schule besuchenden Schwestern tun. Das macht ihm zu schaffen. „Die Hütte hier wird zusammenfallen“, sagt er. Ein schiefes Zementmäuerchen neben der Hütte markiert die Bereiche des neuen Bar-Projektes, mit dem Ibi seine Zukunft auf eine solidere Basis stellen will. Das wenige Geld hat für nicht mehr als dieses Zeichen gereicht, das eher von der Unzulänglichkeit der Mittel und der Aussichtslosigkeit des Unternehmens kündet als von einem fruchtbaren Neuanfang. „Ein Kredit von 300 Euro nur“, meint er, dann stehe er gut da, könne etwas Solides vorzeigen und werde anerkannt. Er redet sich in den Erfolg hinein, legt mir dar, wie mit seiner kleinen Terrasse auch der Verdienst kommen werde. Alles ist in sich irgendwie folgerichtig, ganz klar: Wenn das Geld für den Weiterbau da ist, scheint der Erfolg fast unausweichlich. Er ist zu nett, um mich direkt nach dem Geld zu fragen, spricht aber immer wieder von seinem Projekt. Irgendwann vor meiner Abreise werde ich ihm mitteilen müssen, dass er von mir diesen Kredit nicht bekommen wird. Ich drücke mich darum, weiß nicht, wie ich ihm sagen soll, dass ich sein Unternehmen, von dem er mit so viel Herzblut erzählt, für aussichtslos halte, dass einfach nicht genug Touristen da sind, dass seine Konkurrenz cleverer, finanzkräftiger, mehr auf weiße Gäste eingestellt ist als er, dass seine schlampig wirkende Erscheinung, der häufige Grasgeruch, die herumhängenden Freunde nicht gerade die Kunden anlocken usw.

Warum die weißen Gäste eher nebenan bei Pia oder Solo Tamtam oder in der neuen großen Bar mit Plastikstühlen und Muscheldekor ihr Bier trinken, versteht Ibi nicht. Und er würde so gerne eine weiße Frau haben, wie viele der jungen Männer aus dem Dorf, weiß aber nicht, wie er das anstellen soll. Ob ich ihm da nicht helfen könne? Ich bin nicht nett genug, darauf einzugehen, bestelle aber noch ein Bier und schaue aufs abendliche Meer. In Ruhe den Sonnenuntergang genießen, das kann ich auf jeden Fall bei Ibi am besten. Januar 2019: Ibis Bar ist verschwunden, vom Meer gefressen. Ibi hat einen Job als Hilfsverwalter im Haus eines Franzosen.

Lamine

Lamine, der Grundschullehrer (vgl. Weisheit im Buschtaxi, S.137), ist von Diam Welly versetzt worden nach Bambadinka. Einzige Vorteil des neuen Dienstortes: Er liegt näher bei einer Stadt. Doch auch nach Tambacounda muss Lamine 50 km fahren.

Und die Arbeit in Bambadinka ist kaum leichter als in Diam Welly.

Die Lehrer"wohnung", ein fensterloser Raum neben der Schule und eigentlich zur Materiallagerung gedacht, ist kostenlos. Lamin haust dort mit dem Kollegen und Schulleiter Mamadou Diallo. Man verpflegt sich selbst; mittags wird der vom Ernährungsprogramm der UNO zur Verfügung gestellte Reis von Dorffamilien gekocht und mit Zwiebelsoße serviert. Gemüse und Fleisch sind teuer im Dorf, werden aus Missirah, der nahen Kleinstadt, oder Tamba hergebracht. Fisch gibt es oft eine Woche lang nicht. Manchmal ist morgens kein Brot da, dann muss er bis 13.00 Uhr mit leerem Magen unterrichten.

Die Dörfler, überwiegend zur Ethnie der Diakholé zählend, sind freundlich, aber zurückhaltend; sie schicken ihre Kinder lieber zur Koranschule. Ein neuer Erlass schreibt Arabischunterricht in den Staatsschulen vor, um die Eltern zu motivieren, ihre Kinder dorthin zu schicken.

Lamine unterrichtet die älteren Schüler im luftigen Bastmatten-Klassenraum neben dem Steingebäude. Der Wind fegt morgens den Staub durch die Ritzen. 19 SchülerInnen sitzen hier einigermaßen regelmäßig in kleinen, abgenutzten Holzbänken. Die Wochenenden verbringt Lamine in Tambacounda, besucht seine Freundin, trifft sich mit Lehrerkollegen. Manchmal leiht ihm ein Kollege in Tamba von Sonntag bis Freitag sein Mofa.

Die Abende in Bambadinka sind trostlos. Wenn es dämmert, nimmt Lamine das Handy von Diallo vom Baum, der einzigen Stelle, wo auf dem Schulgelände Empfang möglich ist, legt für zwei Stunden seine SIM-Karte ein und wartet auf einen Anruf.

Assane

Assane lebt bei seiner Familie im Viertel Sicap Baobab in Dakar, teilt sich dort ein Zimmer und ein Bett mit seinem Onkel, der tagsüber arbeitet. Assane bekommt ein Stipendium von 36.000 CFA monatlich für sein Germanistikstudium an der Cheikh Anta Diop-Universität; er ist dabei, seine Magisterarbeit vorzubereiten.

Beim Abendessen, zu dem ich Assane am Tage unserer ersten Begegnung einlade, erfahre ich einiges über seine Lebenssituation in Dakar. Als ich nach unserem Gespräch im Restaurant spät abends die Rechnung von 9000 CFA bezahle, denke ich kurz, dass dies ein Viertel seines Monatsbudgets ist.

Sein Deutsch ist fließend und recht gut. Viele Formulierungen zeigen, dass er etwas ungeübt in der Konversation ist, dass seine Wendungen aus den Sprachbüchern kommen, teils steif wirken oder unpassend sind. Korrekturen und Erklärungen greift er begierig auf und freut sich sichtbar an unserer Unterhaltung.

Assane nimmt in Dakar nie ein Taxi, welches innerstädtisch zwischen 3 und 5 Euro kostet; entweder geht er zu Fuß, auch weite Strecken, oder er fährt mit den preisgünstigen cars rapides. Als wir gemeinsam von seiner Familie zum Stadtzentrum fahren wollen, möchte er gerne für den weißen Begleiter das Taxi organisieren. Ihm ist anzumerken, wie ungewohnt dies für ihn ist.

Seine "Taxi Taxi!"-Rufe und die heftigen Armbewegungen sind hier eigentlich überflüssig. Als wir bei einer anderen Gelegenheit ein Taxi nehmen, fragt er mich ernsthaft, ob das denn nicht zu teuer sei. Ich kann ihn beruhigen, bin zugleich etwas beschämt über diese Sorge meines Begleiters.

Wieder einmal wird mir bewusst, dass die Dimension meines "Reichtums" erst in Relation zur Situation der normalen Bevölkerung deutlich wird. Ein Hausmädchen verdient in Dakar 30.000 bis 50.000 CFA, das sind 45 bis 75 Euro im Monat; im Vergleich steht Assane mit seinem Stipendium gar nicht so schlecht da. Mein für Dakarer Verhältnisse preiswertes Zimmer in der Auberge Keur Mithiou kostet 14.000 CFA pro Nacht, also 21 Euro: Zwei Nächte dort machen fast einen Monatslohn aus. Im Dorf, das ich nach dem Aufenthalt in Dakar besuchen werde, kostet ein einfaches Zimmer für eine Einheimische im Monat 5000 bis 7000 CFA; der Barmann oder die Köchin in einem der Campements erleben jeden Tag, dass mehr als diese Summe vom weißen Gast bei einem Abendessen ausgegeben wird. Welche Einschätzung der Weißen, welche Wahrnehmung des Wertes der eigenen Arbeit, welche Konsequenzen für das eigene Verhalten ergeben sich daraus?

"Der Weiße ist für uns wie eine Bank. Du musst versuchen, ein Fenster zu finden, um in die Bank zu kommen", sagte mir vor Jahren ein senegalesischer Freund. Wie kann das Fenster aussehen und welche Arten des Eindringens kommen in Betracht?

Doch zurück zu Assane: Dass er einen Laptop mit Internetzugang besitzt, wunderte mich zuerst. Er erzählte dann, dass er das Gerät gebraucht gekauft und dafür auf die Anschaffung von Hose und Schuhen in diesem Jahr verzichtet habe. Etwas Geld habe ihm auch „Tonton“ Damdam dazugegeben, der Onkel, bei dem er wohnt.

Wie viele Senegalesen, kann auch Assane am Essen sparen. In einer Mail einige Wochen später berichtet er von einem kurzen Krankenhausaufenthalt, und ich lese zwischen den Zeilen, dass dieser eher einer Überarbeitung und einem Schwächezustand aufgrund mangelnder Nahrungsaufnahme als einer ernsthaften Erkrankung geschuldet war.

Assane will unbedingt nach Deutschland, um sein Studium dort fortzusetzen und abzuschließen. An Gelegenheiten zur Konversation mit deutschen Muttersprachlern fehlt es ihm in Dakar. Gelegentlich geht er ins Goethe-Institut, ein Fußweg von einer Stunde, um in Zeitschriften zu lesen oder an einer Abendveranstaltung teilzunehmen. Für seine Studienfortsetzung in Deutschland braucht er den Nachweis von Sprachkenntnissen auf dem Niveau C1. Eine entsprechende Prüfung wird in Dakar am Goethe-Institut nicht angeboten. Eine Deutschlandreise für diese Prüfung ist kaum bezahlbar, die für das Visum verlangte Verpflichtungserklärung ist für ihn, der keine Kontakte ins Land seiner Wünsche hat, eine erhebliche Hürde. Assane liebt die deutsche Sprache, ist lernbegierig, zeigt viel Energie und hat trotz enormer Schwierigkeiten bisher nie aufgegeben. ‒ November 2014: Assane studiert inzwischen Germanistik in Deutschland, was ihm aufgrund der deutlich höheren Studienanforderungen nicht ganz leicht fällt.

Ndeme

Wie heißt du? Ich heiße Ndeme. Wo wohnst du? Ich wohne in Guediawaye. Die junge Frau von 24 Jahren kommt zweimal in der Woche aus Guediawaye für etwa 3 Stunden zum privaten Deutschunterricht ins Haus des Deutschlehrers Cheikh Diop. Sie hat die Grundschule nur eine kurze Zeit besucht, spricht Wolof und ein rudimentäres Französisch. Nun lernt sie lesen und schreiben in Deutsch, einer ihr völlig fremden Sprache. Seit einem Jahr ist sie verheiratet, ihr Mann lebt in Deutschland, und sie muss Deutschkenntnisse nachweisen, wenn sie mit ihm in Deutschland leben will. Der Deutschunterricht bei Cheikh wird von ihrem Mann bezahlt. Ndeme ist gut gelaunt und fleißig. Trotzdem sind ihre Lernfortschritte minimal, nicht nur wegen der großen Schwierigkeit des Lesen- und Schreibenlernens in einer fremden Sprache. Sie wiederholt unermüdlich, was sie mit Bleistift ins Heft geschrieben hat: Wie heißt dein Mann? Mein Mann heißt Ibra. Wo wohnt dein Mann? Mein Mann wohnt in Deutschland. Die zierliche Frau zögert, muss überlegen, bevor sie auf die immer gleichen Fragen antwortet. Oft passt ihre Antwort nicht zur Frage. –

Als Sohn eines Senegalesen ist ihr Mann Ibra in Deutschland geboren und aufgewachsen, mit 12 Jahren nach Senegal gekommen, wo er bis zum 20. Lebensjahr geblieben ist. Nun ist er seit drei Jahren wieder in Deutschland, hat einen Job und vor einem Jahr Ndeme, die zum Verwandtenkreis gehört, kennen gelernt und geheiratet. Dass sie nach Deutschland kommt, ist für ihn keine Frage; dass ihr das Lernen so große Mühen bereitet, weiß er nicht. Auch sie selbst scheint keine klare Einschätzung ihres Lernfortschrittes zu haben; sie kommt freundlich, sie geht freundlich, hat immer ihr Heft dabei, in das sie säuberlich die Buchstaben schreibt, die sich zu Worten formen, welche ihr fremd sind. Wie heißt dein Mann? Mein Mann heißt Ibra. Wo wohnst du? Ich wohne in Guediawaye.

Aussprache und Schreiben stehen im Vordergrund, die Grammatik spielt eine untergeordnete Rolle. Seit Wochen steht das Thema "Ich stelle mich vor" auf dem Lehrplan. Sobald die Reihenfolge der Fragen geändert wird, hat Ndeme Schwierigkeiten. Wo wohnt dein Mann? Mein Mann heißt Ibra. Den Sprachtest am Goethe-Institut zu bestehen, scheint für die junge Frau aussichtslos. Ihr Lehrer will noch einige Wochen bis zum Vortest weitermachen; das Ergebnis des Vortestes soll entscheiden, ob der Unterricht fortgesetzt wird oder nicht.

Allerdings hat Cheikh wenig Hoffnung, dass Ndeme erfolgreich sein wird. Ein wenig scheint das Lernen für Ndeme wie ein Spiel zu sein; sie lacht, wenn sie einen Fehler gemacht hat, sie bemüht sich, die Rundungen der Buchstaben exakt zu zeichnen, sie radiert sorgfältig die Fehler aus und setzt im Schulanfängerstil die neuen Buchstaben einzeln dazu. Wenn sie sich nach drei Stunden freundlich verabschiedet, könnte man meinen, dass sie Spaß an diesem Spiel hat, welches sie kaum gewinnen kann. Wie heißt du? Ich heiße Ndeme Sarr. Wo wohnst du? Ich wohne in Guediawaye.

Aisha

Aisha ist zu ihrem Onkel nach Dakar gekommen; das 9-jährige Mädchen aus einem Dorf in der Nähe von Fatick hilft hier im Haushalt, kümmert sich um den kleinen Moussa, den Sohn des Onkels, und geht nebenbei zur Schule.

Ich hatte Aisha bei einem Besuch im Dorf kennen gelernt als neugierige Tochter von Karim, dem Bruder eines Bekannten. Die Verständigung war etwas schwierig, da Aisha kein Französisch,

ja überhaupt wenig sprach. Sie war nicht die hellste, aber immer freundlich und aufgeschlossen, und in der Familie diejenige, die die meisten der anfallenden Arbeiten im Haus zu erledigen hatte.

Ihr Arbeitspensum erweiterte sich in Dakar in der Familie ihres Onkels. Morgens stand sie als erste auf, fegte den Flur, bereitete das Frühstück vor, kümmerte sich um den zweijährigen Moussa, schmierte sich selbst ein Stück Brot mit Mayonnaise und ging dann allein zur nahen Schule. Wenn sie am Mittag zurückkam, warteten gleich die nächsten Aufgaben auf sie: Essensvorbereitungen, Wäsche waschen, putzen und aufräumen etc.

Auch das Auf- und Abräumen beim Essen, die Teezubereitung und alle kleinen Dienste musste Aisha übernehmen.

Bei den Mahlzeiten saß sie dünn und verhuscht auf dem Boden, aß mit den Händen und gesenktem Blick schnell ihren Teil aus der Schüssel, immer bereit, den nächsten Befehl der Hausherrin zu befolgen, der auch bald kam.

Das Mädchen hatte weder Zeit, ihre Hausaufgaben zu machen, noch nach draußen zu gehen und zu spielen. Sie musste ständig zur Verfügung stehen, und wenn sie nicht gleich auf die Aisha-Aisha-Rufe reagierte, wurden diese laut und ärgerlich wiederholt und es gab Schimpfworte. Der kleine Moussa, der Aisha ins Herz geschlossen hatte, stimmte auf seine Art in die Aisha-Rufe mit ein und beanspruchte ihre Aufmerksamkeit in ähnlicher Weise wie die Erwachsenen.

Nach wenigen Tagen als Gast im Haus nervten mich die ständigen "Aisha!", Aisha!"-Rufe der Hausherrin, die keine Gelegenheit ausließ, dem schmalen Mädchen eine weitere Aufgabe zu übertragen.

Nach einem Ausflug – natürlich ohne Aisha – kam die Familie am Spätnachmittag zurück und traf Aisha auf der Straße an, wo sie mit den Nachbarskindern spielte. Die Hausherrin nahm sie barsch mit in die Wohnung und verpasste ihr unter bösen Worten einige Ohrfeigen. Der Vorwurf war, dass sie aus dem Haus gegangen war, obwohl es doch ihre Pflicht gewesen sei, in der Wohnung zu bleiben und auf diese aufzupassen. Aisha stand in einer Ecke des Innenhofes und die zuckenden Schultern verrieten, dass sie still weinte. Ich versuchte mit ihr zu reden und sie zu trösten, was kaum gelang.

Die Behandlung des geistig nicht sehr regen Mädchens in der Familie ging mir so gegen den Strich, dass ich es nach einiger Überlegung wagte, darüber zu sprechen. Ich wusste schon, dass diese Art von Einmischung in familiäre Angelegenheiten kompliziert werden könnte.

Nachdem ich vorsichtig meine Bedenken gegen die Behandlung des Mädchens vorgetragen hatte, trat zuerst Stille ein. Mein Gastgeber versuchte dann zu erklären, dass Aisha hier in der Stadt doch mehr lerne und erfahre als auf dem Lande, dass sie hier besser esse und die Schule regelmäßiger besuche als im Dorf usw.

Und dass es für mich schwierig sei, diese Verhältnisse angemessen zu beurteilen. Ich stimmte ihm bei letzterem zu, wiederholte meine Eindrücke und unterstrich den persönlichen Kummer, den ich über die unangemessene Behandlung des Kindes empfand. Ich wolle mich auch nicht einmischen in seine häuslichen Verhältnisse, nur sei diese Behandlung der Kleinen für mich persönlich schwer zu ertragen. So als mein Problem formuliert, konnte mein Gastgeber meine Bedenken akzeptieren und versprach sogar, auf Aisha etwas mehr aufzupassen, ihr mehr Freiraum zu geben und sie gegenüber dem barschen Verhalten seiner Frau in Schutz zu nehmen – bei der resoluten Selbstverständlichkeit, mit der sich seine Frau des Mädchens in ihrem Hoheitsbereich bediente, keine leichte Aufgabe. Immerhin ging das Gespräch ohne Risse in unserer Beziehung zu Ende. – Einige Monate später erhielt ich eine Email mit der Nachricht, Aisha sei zurück zu ihrer Familie aufs Land geschickt worden. Aus welchem Grund auch immer, ich freute mich für das Mädchen über die Verbesserung ihrer Situation.

Oumy

Auf der Suche nach persönlichem Glück und einer abgesicherten Existenz kommen junge senegalesische, gambische oder auch guineische Frauen in die touristischen Küstenorte des Landes und streben Beziehungen zu weißen Männern an.

Die Spannbreite der Beziehungen liegt zwischen quasigewerblicher Prostitution (vor allem in den Hochburgen des Tourismus in Saly und Cap Skirring) und einer festen (Liebes-) Beziehung inklusive Heirat und Europa-Ticket. Dazwischen gibt es viele Formen der mehr oder weniger dauerhaften, intensiven und lukrativen Verbindungen zwischen schwarzen Frauen und weißen Männern – und natürlich auch umkehrt.

Oumy war aus der regionalen Hauptstadt ins Küstendorf gekommen, weil sie sich hier bessere Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten versprach und darüber hinaus hoffte, dass Gott sie hier einen guten Mann finden ließ, egal ob schwarz oder weiß, der sie in ihren kaufmännischen Vorhaben unterstützen würde.

Sie betrieb zuerst ein Mini-Restaurant, eines der kleinen Projekte, welche viele Einheimische deshalb beginnen, weil es andere zuvor mit einem gewissen kleinen Erfolg verwirklicht haben. Kochen oder Kleider verkaufen kann jede, also warum nicht ein Restaurant oder eine kleine Boutique aufmachen? Bald nimmt die Zahl der entsprechenden Unternehmungen so zu, dass ein Überangebot existiert und die Verdienstaussichten nach einer gewissen Zeit der Selbstausbeutung gegen Null gehen. Dieses Prinzip gilt für verschiedenste wirtschaftliche Kleinaktivitäten, ob Anbau von Mangos, Honigproduktion, Saftverkauf etc.