Borneos Dschungelkinder - Herbert Müller - E-Book

Borneos Dschungelkinder E-Book

Herbert Müller

0,0

Beschreibung

Wer träumt nicht davon, die Wunder unserer Welt zu entdecken? Herbert Müller hat diesen Wunsch schon seit seiner Kindheit und wagt deshalb das ganz große Abenteuer. Zusammen mit seiner Tochter Cornelia macht sich der wissbegierige Schwabe auf den Weg nach Südostasien, um Malaysia und Borneo zu erkunden. Ob zu Land, zu Wasser oder in der Luft, die zwei Langnasen verleben eine turbulente Zeit und stürzen sich von einem Erlebnis ins nächste. Dabei verschlägt es sie vom Großstadtdschungel in den tiefsten Urwald. Fernab der Zivilisation tauchen die beiden in fremde Welten ein, die den meisten Menschen verborgen bleiben. Dort, wo die Natur noch unberührt ist, stoßen sie auf wundersame Geschöpfe und Orte voller Geheimnisse. Nachdem er in seinem Roman Weiße Langnase schon einmal von seinen aufregenden Reisen erzählt hat, nimmt uns Herbert Müller mit zu neuen Abenteuern in Fernost. Mit viel Lebensfreude und einer ansteckenden Begeisterung teilt der Autor seine Erfahrungen. Ausdrucksstark fasst er die Schönheit der Wildnis in Worte und lässt den Dschungel in all seinen Formen und Farben vor dem inneren Auge erstrahlen. Nebenbei vermittelt der Naturfreund spielerisch Wissen über seltene Tier- und Pflanzenarten. Auf diese Weise erwacht beim Leser selbst das Reisefieber.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 592

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Die Reiselust wird wieder geweckt

Ein neues Abenteuer beginnt

Abfahrt zum Flughafen nach München

Erste Erkundungen

Weiter geht die Reise

Kota Kinabalu

Allerlei Tiere

Tierische Übergriffe

Ein tierischer Verehrer

Die Sulusee

Auf Expedition

Ungeahnte Talente

Wieder geht es ab in die Lüfte

Verlustreiche Überfahrt

Eine helfende Hand

Endlich in Brunei

Ein Einblick in das islamische Leben

Ein wahrhaft adliger Besuch

Wahrhaft königliche Eindrücke

Doch nicht allein

Irgendwann gegen Spätnachmittag …

Eine unvergessliche Nacht

Eine Tour der besonderen Art

Höhlenforschungen

Auf dem Weg nach Kuching

Kuching

Nun geht’s wirklich los – Auf zur Safari

Die erste Nacht im Freien

Immer tiefer in den Dschungel

Leben wie die Ibans

Unterwegs mit einem Iban

Der Ruf der Wildnis

„Geiselnahme“

Abschied von den Ibans

Abschied vom wilden, freien Leben

Ab in den Nationalpark

Am Ende der Kräfte

Eine tierische Bedrohung

Doch noch ein Ausflug mit Desmond

Das Beste kommt zum Schluss

Schlusswort

Die Reiselust wird wieder geweckt

Es war eigentlich ein schöner Tag. Die ersten warmen Sonnenstrahlen nach den langen dunklen Nächten ließen bereits die ersten Hormone wieder verrücktspielen. Inzwischen waren meine Filme längst fertig! Mehrere Stunden – Erlebnis-, Tier- und Abenteuerfilme, voller Schönheit, Spannung und Abenteuer waren das Ergebnis mühseliger, monatelanger Arbeit. Dabei konnte ich mit größter Genugtuung feststellen, dass sich die von meinem Schwager „Dieter Priebsch“ konstruierte Kamera-Fernsteuerung hervorragend bewährt hat. Und ich im Gal-Oya-Nationalreservat, bei der Erprobung derselben, bis dahin nie gesehene Nahaufnahmen eines Leoparden und anderer seltener Wildtiere machen konnte.

Insgesamt gesehen war meine Arbeit ein großer Erfolg! Die Lehrjahre meiner Filmerei waren endgültig vorbei. Und die gesammelte Dschungel-Erfahrung, mit all dem, was für eine erfolgreiche Tierfilmerei notwendig war, sollte mir in Zukunft noch manch wertvolle Hilfe sein!

Längst hatte ich neue, ehrgeizige Ziele. Der kleine Junge von damals war längst erwachsen geworden! Und er sah – seine damaligen, noch kindlichen Jugendträume könnten tatsächlich noch in Erfüllung gehen! Doch es bedurfte zuvor noch manch sorgfältiger Planung und Vorbereitung. Mein Ziel war es, eine kleinere Art Zwei-Mann-Expedition auf die Füße zu stellen, um in möglichst interessante, entlegene Gebiete Südostasiens vorzudringen. Um Tier- und Pflanzenwelt, aber auch die Lebensweise ihrer Ureinwohner zu studieren und näher kennenzulernen.

Diesmal sollte allerdings meine Frau nicht dabei sein, denn sie wäre dem Ganzen kaum gewachsen und eher hinderlich. Denn sie hatte erst eine schwere Hüftoperation hinter sich. Doch sie sollte mir, bei meinen ganzen Plänen, dafür eine unersetzliche Stütze sein. Auch was die Finanzierung betraf! Denn ohne ihre Einwilligung wäre das Ganze zum Scheitern verurteilt gewesen.

Nachdem sich das Ganze etwas gelegt hatte, fand ich es an der Zeit, dass wir Cornelia hoffentlich freudig überraschen durften.

„Cornelia, wie du weißt, steht deine Konfirmation kurz bevor“, fing ich sachte an. „Und darüber sollten wir uns ein wenig unterhalten!“

Erstaunt, was jetzt wohl kommen mochte, blickte sie abwartend auf Else und mich. „Wie du ahnst, dürfte es schon eine größere Feier werden, wenn wir alle einladen“, meinte ich.

„Wir wissen nicht, was du davon hältst, doch Mutter und ich haben uns gedacht, dass wir dir stattdessen eine größere Reise schenken könnten – irgendwohin – nach deiner Wahl!“ Cornelia war so überrascht, dass sie nicht wusste, ob sie vor Freude weinen oder nur lachen sollte.

Doch schließlich gewann das Lachen die Oberhand. Und ohne viel zu überlegen, meinte sie: „Ich weiß im Moment wirklich nicht, was ich dazu sagen soll. Doch das Ganze hört sich wirklich verlockend gut an.“ Und der Stolz in ihrem hübschen jugendlichen Gesicht war unübersehbar!

„Lasst mir doch bitte etwas Zeit, damit ich in Ruhe überlegen kann!“

Inzwischen hatte auch unseren kleinen Schlingel die Neugierde gepackt. Und die Fantasie unserer beiden kannte dabei keine Grenzen! Ohne allerdings zu einem wirklichen Entschluss zu kommen, ging der herrliche Spätnachmittag zu Ende. Selbst in den folgenden Tagen sollte es kaum anders werden, alles drehte sich nur noch um das eine.

Und schließlich ließ mich Cornelia mit ihrem freudestrahlend lieblichen Lächeln, dessen eines hübschen jungen Mädchens, wissen, dass sie gerne mit dabei wäre!

Die weiteren Planungen liefen bereits auf Hochtouren. Alles wollte gut überlegt und nichts dem Zufall überlassen sein. Neben unserer Ausrüstung wie dem Zielgebiet galt es noch, die Kamera samt Zubehör sorgfältig überprüfen zu lassen. Wie größere Mengen frischen, zum Teil hochempfindlichen Filmmaterials kostengünstig zu besorgen. Ja, langsam nahm das Unternehmen „Abenteuer unbekannt“ wirklich feste Konturen an!

Ein neues Abenteuer beginnt

Mein Ziel war es, Malaysia und Borneo zu erkunden. Hin zu den letzten Ureinwohnern, die noch möglichst verschont von der modernen Zivilisation weiterhin in den Regenwäldern lebten. Wie auch die Inselwelt der Sulusee zu erforschen. Außerdem durch den Regenwald Sarawaks hin zu den Penan – zur indonesischen Seite durchschlagen. Ein genauer Zeitplan war noch auszuarbeiten. Maximal standen mir zwei Monate zur Verfügung. Und der reine Etat für Cornelia und mich bestand aus 10.000 DM – außer den Flugtickets. Wir glaubten, damit auszukommen!

Die Zeit verging vollends wie im Fluge! Der Flug war gebucht, eine hektische Zeit lag hinter uns. Alles war vorbereitet – wir waren startklar! Wobei mich mein Chef großzügig dabei mit verlängertem Urlaub unterstützt hat.

Nicht vergessen möchte ich dabei den Fotojournalisten Herrn Hänßler aus Albershausen für seinen großzügigen Beistand! Im Freundeskreis war meine geplante Expedition eines der Hauptthemen. Natürlich waren auch einige etwas besorgt, denn sie kannten mich zu gut. Und wussten, dass ich notfalls keiner Gefahr aus dem Weg ging. Doch das sah ich anders! Der Tag unserer Abreise rückte näher. Die Kleidung, ausgemusterte Bundeswehrkampfuniformen in bestem Zustand und von hervorragender Qualität, samt Zubehör war eingetroffen. Sieht auch klasse aus und hat einen tollen Schnitt, so lautete der einhellige Tenor meiner ganzen Familie. Und passt dazu wie angegossen.

Abfahrt zum Flughafen nach München

Ein regnerischer Sommertag! Kurz vor zehn Uhr morgens. Vor uns lagen ca. 10.000 Flugkilometer und über 12 Stunden Flug. Startbereit lagen unsere Trekkingrucksäcke samt Alukoffer und Kameraausrüstung bereit. Während Else noch versuchte, einige gut gemeinte Ratschläge zu geben, nahm unser Sohn das Ganze wohl gelassen.

Planmäßig hoben wir ab. Doch anstatt des gebuchten Direktfluges ging es mit einer Zubringermaschine nach Brüssel. Von wo aus wir nach kurzem Aufenthalt mit der belgischen Air Sabena Richtung Malaysia weiterfliegen mussten. Ich verstand die Welt nicht mehr! Ein komisches Gefühl befiel mich schon beim Anblick der Maschine. Es handelte sich um einen kleineren, älteren, wenig vertrauenerweckenden Vogel. Da die Air Sabena seit Längerem in großen finanziellen Schwierigkeiten steckte, schien mir die Wartung und Sicherheit nicht unbedingt die allerbeste zu sein. Unter heftigem Krachen und durchschüttelndem Gerumpel hoben wir schließlich ab. Ich hatte dabei das komische Gefühl, der Vogel wäre flügellahm und könnte jeden Augenblick auseinanderbrechen.

Während das Bordpersonal mit dem hübschesten Lächeln der Welt mit einem eher bescheidenen Service für eine bessere Stimmung zu sorgen versuchte, achtete ich mehr auf das noch so kleinste Geräusch der Triebwerke. Nein, Angst kannte ich nicht! Doch ich war schließlich froh, als wir am Persischen Golf zu einem Zwischenstopp aufsetzten.

Erfrischt und etwas erholt kehrten wir zum Weiterflug in unsere Maschine zurück. Bald darauf war eine gewisse Gleichgültigkeit in den übermüdeten Gesichtern der Passagiere festzustellen. Eingehüllt in die Dunkelheit der unendlichen Weite über dem Indischen Ozean flogen wir im Morgengrauen auf den indischen Subkontinent zu. Eine Borddurchsage ließ uns aufhorchen, in Bälde sollten wir zwecks einer Zwischenlandung den Flughafen von Bombay anfliegen. Wer mochte, konnte für eine begrenzte Zeit das Flugzeug verlassen. Indien – welch ein Gefühl! Einmal indischen Boden betreten, nur um sagen zu können: „Ich war auch schon in Indien“? Ich weiß nicht. Der Asphalt spiegelte sich kalt im frühen Licht des heftig niederprasselnden Monsunregens wider.

„Cornelia, wie sieht es bei dir aus, hast du nicht Lust, mit rauszukommen?“, fragte ich etwas halbherzig. „Es kann dir bestimmt nicht schaden, zudem kannst du stolz zu Hause erzählen: Ich war auch schon in Indien, wenn auch nur – neben dem Rollfeld!“ Es sollten noch einige Stunden vergehen – aber dann.

Nach einem fast dreizehnstündigen Flug setzten wir endlich zur Landung an. Der Blick nach unten war grandios, so als würde ich eine andere Welt vor Augen haben. Ich suchte als Erstes nach Palmen, dem Baum der Tropen schlechthin. Und es waren auf einmal viele, sehr viele. Sie kamen näher und näher und wurden immer größer und schöner. Fast schien es mir, als könnte ich sie mit den puren Händen fassen. Und sie strahlten so im schönsten Licht des leuchtend blauen Tropenhimmels, so als wollten sie mich persönlich begrüßen. Doch ich sah weit mehr! Den bergig hügeligen Regenwald, der sich in wilder Schönheit, fast wie ein trotziges Symbol gegen die Moderne, in schönster Ursprünglichkeit wie eine prächtige Kette um die Stadt zu legen schien. Nach endlosen nervenden Formalitäten unter schwülwarmem Tropenhimmel schnell noch das notwendige Geld in die Landeswährung umtauschen. Was mir schließlich mit etlichen Sprachschwierigkeiten und meinem nicht alltäglichen Schwäbisch auch gelang. Längst wurden wir zwei Weltenbummler mit unserem etwas außergewöhnlichen Outfit von Geschäfte witternden Gestalten umlagert und bedrängt, uns von ihnen nach Kuala Lumpur fahren zu lassen.

Ein kleiner gewiefter Malaie, freundlich, doch mit einem wenig vertrauenerweckenden Äußeren, verstaute unser für die nächsten Monate unentbehrliches Gepäck, als wäre es wertloses Gerümpel. Schnell, mit möglichst wenig Zeitverlust, zwängte er das Ganze in seinen ohnehin viel zu kleinen Wagen.

Nach einer schier endlos erscheinenden Fahrt, durch ein Gewühl einer erstaunlich geordneten Millionenstadt, ging es zu einem großen Busbahnhof nahe dem Stadteingang. Total hektischer Betrieb um uns herum. Ein buntes Völkergemisch aus fremdartigem Stimmengewirr wirkte zunehmend verwirrend auf uns ein.

Nach etlichem Hin und Her von überfüllten Hotels und anderen Unterkünften war es ein älteres, einst protzig gebautes, mehrgeschossiges Riesenhotel, das uns für die nächsten Tage eine Bleibe bot. Um ehrlich zu sein, nicht gerade das billigste. Dafür aber nur wenige Meter vom günstigen Busbahnhof entfernt.

Irgendwo über allen Dächern, fern der Heimat, in einer der obersten Etagen der Millionenstadt lag unser ruhiges, mit guter Sicht samt Fernseher und allem Komfort ausgestattetes Zimmer.

Rasch habe ich das Allernotwendigste hervorgekramt. Nach langem Flug endlich das erfrischende Bad und sich einfach mal wieder richtig ausstrecken können und abschalten, das war unser Ziel. Jeder genoss es sichtlich, doch ein kurzer Blick zum Fenster zeigte mir bereits nach einiger Zeit erste Anzeichen der einbrechenden Dämmerung.

Erste Erkundungen

Die Zeit wurde knapp, denn ich musste unbedingt den Zeitplan zum Erreichen von Taman Negara, dem ältesten Urwaldgebiet der Erde, einhalten. Koste es, was es wolle! Um 9 Uhr in der Früh begann bereits unsere Fahrt mit dem Bus, quer durchs Festland, Richtung Taman Negara, dem grünen Herzen Malaysias. Das Abenteuer lockte! Aus bequemen Sitzen heraus genossen wir die Überlandfahrt durch ein großes Regenwaldgebiet, durchzogen von Flüssen mit vielen Verzweigungen. Verträumte Pfahlbauten grüßten. An deren Flussufer gingen die Fischer neben ihren von Palmen umsäumten, mit Schilf bedeckten Hütten ihrer Arbeit nach. Es spiegelte sich vor mir ein Bild wie im Paradies. Am liebsten hätte ich angehalten und ein oder zwei Tage hier verbracht! Große Kautschuk- und Kokosnussplantagen standen protzend wie fremde Eindringlinge auf gerodeten Urwaldflächen.

Über die Straße von Temerloh fuhren wir in dampfender Schwüle Richtung Tembeling. Trotz Klimaanlage ging uns das Ganze doch irgendwie an die Substanz. Außer uns zwei Weißen sah ich nur malaysische Fahrgäste, die zum Teil erschöpft und schlafend in ihren Sitzen hingen.

Überraschend machten wir etwas abseits der Straße, bei einer Art Autoraststätte, einen kleinen Stopp. Wer mochte, erhielt kostenlosen Tee oder Kaffee mit Brötchen. Ich nahm das Angebot gerne in Anspruch und war hungrig auf eine Art bunter kleiner Cremetörtchen. Von denen ich wohl doch am besten die Finger gelassen hätte! „Ein frisches Cola oder Ähnliches wäre mir jetzt lieber als warmer Tee“, meinte Cornelia. „Wenn du schon eines holst, dann bring doch gleich zwei mit“, sprach ich mit meiner ausgetrockneten krächzenden Stimme. Doch die Enttäuschung folgte auf dem Fuß, schon nach dem ersten Schluck spuckte ich das üble Zeug wieder aus. „Einfach widerlich“, meinte auch meine Tochter und ließ das brühwarme Gesöff enttäuscht stehen. Oh, wie verführerisch schienen all die vielen farbenprächtigen Obststände jenseits unserer Straße zu sein, und ich sog mit sehnsüchtigen Blicken die vermeintlich frischen süßen Düfte so richtig gierig in mich auf …

Die Sonne stand noch beinahe im Zenit, und sie zeigte uns ohne Gnade, was wir in Zukunft noch zu erwarten hatten – in den Tropen Südostasiens. Für uns war hier nun die Busfahrt zu Ende. Genauer gesagt in der Stadt Jeranut! Nach kurzer Orientierung kamen wir überein, dass wir die Weiterfahrt nach Kuala Tembeling, dem Ausgangspunkt zum Taman Negara, mit einem günstigen Taxi zurücklegen wollten. Doch vorher wollten wir uns noch mit einigen Lebensmitteln und frischem Obst eindecken. Denn später gab es keine Möglichkeit mehr dafür. Nach etlicher Zeit, quer durch alte verträumte Gassen, standen wir vor etwas Ähnlichem wie einem Laden. Stinkender Geruch von abgelagertem Müll und übel riechender Abwässer, die offen umherrannen und uns fast die Luft zum Atmen nahmen, konnte uns kaum von einem Kauf abhalten. Zu verlockend und günstig war das reichhaltige Angebot!

Zufrieden und vollgepackt mit dem Allernotwendigsten schnappten wir uns das nächstbeste Taxi, das uns vollends nach Kuala Tembeling brachte. Nachdem wir den letzten Außenposten der Zivilisation, das Städtchen Jeranut, verlassen hatten, suchten wir uns für die Nacht ein günstiges Gästehaus, bevor es am anderen Morgen auf dem Tembeling River mit dem Boot weiterging! Schon in den frühen Morgenstunden schulterten wir unsere Rucksäcke und liefen zum nahe gelegenen Bahnhof.

Kaum angekommen, setzte ich mein schweres Gepäck schnellstens ab. Denn ich hatte ganz schön zu schleppen. Außer meinem schwer bepackten Rucksack trug ich auf der Brust noch meine große Kameratasche. In der einen Hand meinen Alukoffer und in der anderen meine Kamera, die ich immer einsatzbereit hatte. Wir staunten nicht schlecht, als wir uns den Bahnhof näher betrachteten. Der sah doch tatsächlich so aus wie die aus den Wildwestfilmen. Als wir unsere Karten lösten, sah uns der Bahnhofsbeamte dabei an, als zweifle er an unserem Verstand. Wir wussten in diesem Augenblick noch nicht warum! Nach einiger Zeit kam doch tatsächlich so etwas wie ein Zug angebummelt. Außer uns sah ich noch ein paar Einheimische in ihrer traditionellen Kleidung, die vollbepackt Kisten und Taschen – voller Obst und Gemüse sowie anderer lebenswichtiger Dinge – mit sich herumschleppten. Dazu Tiere an Stricken führend und buntes Geflügel in komischen Bambuskäfigen. Doch wir sahen in den Augen der Einheimischen bestimmt kaum besser aus. Als das letzte Gepäckstück verstaut und alle eingestiegen waren, setzte sich unter heftigem Schnaufen und einer unerträglich stinkenden Rauch- und Qualmwolke das fensterlose, mit harten, verwitternden Holzbänken ausgestattete Gefährt gemächlich in Bewegung! Wir brauchten erst eine gewisse Zeit, um uns an das Abenteuer Eisenbahn zu gewöhnen. Für uns zwei Langnasen aus dem fernen Deutschland war es ein nicht alltägliches Erlebnis. Neben der einspurigen, von Wildwuchs umsäumten Strecke standen immer wieder kleine Grüppchen von Menschen, die aufgelesen und mitgenommen wurden. Schon bald, nach wenigen Kilometern, war auch bereits Endstation. Unzählige Gleise liefen hier zusammen. Knapp hundert Meter gegenüber lag eine Art Rangierbahnhof, vor dem jüngere, wenig vertrauenswürdige Typen herumlungerten und uns neugierig beobachteten.

Gleich rechts neben den Schienen wieder barackenähnliche Holzbuden mit herüberwinkenden Frauen und Kindern. Wir überquerten einfach die Gleise und liefen auf sie zu. Dabei wurde uns bewusst, was diese erbärmlichen Unterkünfte zu bedeuten hatten. Wir sahen im Hintergrund die Spiegelung des Wassers, zu dem mehrere Gleisstränge hinüberführten. Wahrscheinlich war es ein Fluss! Und davor auf den Schienen unzählige üppig beladene Transportwagen voller riesiger Tropenholzstämme, die alle über den Fluss hierherkamen. So etwas Mächtiges an Urwaldriesen hatte ich noch nie zuvor gesehen. Ich war bei diesem Anblick einfach entsetzt und erschüttert. Wie kann so etwas überhaupt geschehen? Wieso duldet die malaysische Regierung solch eine rücksichtslose Zerstörung der Natur? Die Abholzung eines der letzten noch verbliebenen, halbwegs intakten Urwaldgebiete? Mit einer einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt, wie sie so nirgendwo wiederzufinden sein dürfte. Ich kann nicht beschreiben, was bei diesem Anblick in mir vorging! Mich packte einfach die Wut und ich musste mich schnellstens abwenden. Es wurde mir fast übel. Ich schämte mich für jene Sorte Mensch, die dies zu verantworten hatte. Es zeigte mir einmal mehr, zu was der Mensch aus reiner Habgier fähig ist! Als wir ein paar ältere Frauen nach der Bootsanlegestelle am Tembeling River fragten, sahen sie uns nur verständnislos an und deuteten auf die herumlungernden Typen beim Bahnhof. So mussten wir über mehrere Gleise steigen, um diese Männer zu befragen. Mit der Karte in der Hand erklärte ich, um was es ging. Sie deuteten auf einen staubigen Weg, der irgendwo durch die Wildnis führte.

Auf unsere Frage hin, wie lange es dauern würde, um zu Fuß dorthin zu gelangen, gab es nur unklare Antworten. Es würde sehr lange dauern, meinten sie. „Ich glaube, das Einfachste wäre, wir nehmen ein Taxi“, meinte ich. Denn mein ganzes Gepäck alleine zu schleppen, dazu hatte ich wirklich keine Lust! Schnell hatte sich ein Taxifahrer angeboten, uns günstig zum zuständigen Büro beim Fluss zu fahren. Den Preis hatte ich zuvor ausgehandelt. „Cornelia, das läuft doch wie geschmiert, was meinst du dazu?“, fragte ich. „Vor allem gibt’s keine unnötige Schinderei und es ist schließlich auch viel bequemer für uns“, gab sie mir sichtlich erleichtert zur Antwort. Unser Fahrer – anscheinend von Geburt an stumm – fuhr gemächlich dahin, ohne ein Wort zu verlieren. Und die Fahrt wollte in diesen frühen Morgenstunden einfach nicht enden.

Doch plötzlich hielt er ohne ersichtlichen Grund an und gab zu verstehen, dass der Motor kaputt wäre! Nachdem er zum Schein etwas an dem Wagen herumgefummelt hatte, meinte er, indem er auf seinen Tacho zeigte, dass der Preis 40 DM betragen würde. Ich fiel aus allen Wolken, denn wir hatten uns zuvor auf umgerechnet 16 DM für die Fahrt geeinigt. Doch er blieb stur und meinte: Wenn ich nicht bezahlte, könnte ich ja aussteigen und vollends zu Fuß gehen. Ich hatte schon lange die Vermutung, dass er bewusst einen Umweg fuhr, um uns auszunehmen. Und tatsächlich war dies ein solcher Galgenvogel! Unsere Lage war aussichtslos. Wir wussten bei den vielen Abzweigungen der Pfade nicht, wo wir uns genau befanden. Keine Beschilderung, eine Wahnsinnshitze und dazu ein Termin an der Anlegestelle, den wir unbedingt einhalten mussten! Am liebsten hätte ich ihm den Halsumgedreht, denn das war bewusste Erpressung.

Notgedrungen und mit einer großen Portion Wut im Bauch warf ich ihm das Geld einfach hin. Und der Wagen lief plötzlich doch wie geschmiert, hin bis in die Nähe des Park Departments. War das ein Ding!

Wir stiegen die Stufen durch die gepflegte Gartenanlage empor. Erhaben und seiner Aufgabe gerecht, stand das zuständige Bürogebäude, das auf einem kleinen Hügel erbaut worden war, da, als ob es seine Untertanen von oben herab betrachten müsste. Nachdem ich unsere Buchung bereits von Deutschland aus vorgenommen hatte, erhoffte ich eine relativ schnelle Abwicklung des Ganzen. Doch es kostete Nerven, bis ich meine Bestätigung endlich erhielt.

Nachdem wir unsere Papiere in Händen hatten, waren es nur noch wenige Schritte hinunter zur Bootsanlegestelle, die wir zurücklegen mussten. Ein unbeschreibliches Gefühl, dieser mächtige Fluss mit seinen schmutzig-braunen Wassern, vor dem Abenteurer aus allen möglichen Ländern wartend umherstanden. Ein paar davon waren auch wir. Verankert lagen bereits einige Urwaldboote bereit. Lauter zweireihige, schlichte ältere Boote mit ausgebleichter heller Bedachung. Nicht unbedingt vertrauenerweckend, das war mein erster Eindruck! Ob’s den anderen genauso erging, wusste ich nicht. Nach der Überprüfung unserer Papiere galt es, für die lange Fahrt schnell den bestmöglichen Platz zu ergattern. Zu unserem Glück war das Boot in der frühen Morgenstunde noch nicht voll besetzt. Ein erster Rundumblick auf die anderen Mitreisenden vermittelte mir, dass es sich um lauter lockere, tolle Typen handeln musste. Schnell noch die Schwimmwesten angelegt und schon schipperten wir im erfrischenden Fahrtwind flussaufwärts, dem Taman Negara entgegen. Einsilbig, auf die Dauer fast einschläfernd wirkend, hörte sich das gleichmäßige Tuckern unseres fleißig arbeitenden Bootsmotors an. Da Urwaldflüsse mit tropischer Kulisse nichts Neues für mich waren, stellte ich immer wieder heimliche Vergleiche mit meinen früher unternommenen Reisen an. Dabei war eine gewisse Enttäuschung nicht zu vermeiden. Mir fehlte einfach die sehnsüchtig erwartete Tropenkulisse. Die Abholzung und Kultivierung des Urwalds bis hin an die beiden Flussufer war lange Zeit unser ständiger Begleiter! Was nicht unbedingt zu einer toleranten Meinung beitrug. Es waren meist schlichte, einfache, mit Schilf oder Palmwedel eingedeckte Hütten, die auf ein anspruchsloses Leben mit Viehhaltung, etwas Obst- und Gemüseanbau wie Fischfang hinwiesen. All mein Bemühen, Vögel oder andere Wildtiere an den Ufern oder deren Sandbänken zu entdecken, waren bislang erfolglos. Zwar konnte ich des Öfteren Knochenüberreste und ganze Skelette von getöteten Tieren sehen, doch um was es sich hierbei handelte, war auf der Vorbeifahrt nicht zu erspähen. Nach etwa einer Stunde eintöniger Fahrt schien die Zivilisation endgültig zurückgedrängt worden zu sein. Bewaldete Ufer bildeten von nun an eine traumhafte Kulisse unvergleichlicher Schönheit!

Unser Bootsführer bemühte sich, wenn immer möglich, langsam unter sich am Ufer befindlichen riesigen, in den Fluss überhängenden Urwaldriesen hindurchzufahren. Jeder Fotofreund kam hierbei auf seine vollen Kosten. Auf der Vorbeifahrt in einiger Entfernung – ein kleinerer Waran ungestört auf einer Sandbank mitten im Fluss. Auch einige mittelgroße Schildkröten konnte ich schon mal entdecken. Und manchmal gab es sogar Grund zur Freude, wenn unverhofft aus einem vorbeifahrenden Boot heraus strahlende und gut gelaunte Rückkehrer herübergrüßten. Oder irgendein einsamer Fischer in einer Nussschale von Boot verloren in der Weite des Stroms stumm herüberblickte. Dies machte mich schon etwas nachdenklich. Ich nahm an, dass es sich hierbei um Eingeborene handeln musste. Denn wir waren inzwischen zu weit von jeglicher Zivilisation entfernt, als dass hier jemand anderes hätte fischen können. Was übrigens auch streng unter Strafe gestellt wurde! Die sich schon mehrere Stunden hinziehende Fahrt forderte langsam ihren Tribut. Erbarmungslos brannte die Sonne auf uns nieder.

Cornelia, die neben mir saß, reichte mir gerade mit folgenden Worten ein zitronenhaltiges Erfrischungsgetränk: „Papa, trink mal, das schmeckt wirklich gut!“ „Eigentlich könnte eine zusätzliche Salztablette bei dem starken Salzverlust auch nicht schaden“, meinte ich zu Cornelia. Erste Anzeichen, wie vermehrt gesichtete kleine Boote, deuteten bereits darauf hin, dass wir bald die Bootsanlegestelle von Kuala Tahan erreichen durften! Und in der Tat, vor uns bereits gut erkennbar: ein paar größere Flussschiffe, die fest verankert am Ufer lagen. Daneben gleich die Anlegestelle, von wo aus sich der Steg in zahlreichen Stufen verlor und in atemberaubenden Windungen steil nach oben führte.

Schon bevor wir überhaupt anlegten, machte sich bereits eine allgemeine Aufbruchsstimmung breit. Frei herumliegende Dinge wurden noch schnell verstaut, damit ja nichts vergessen werden konnte. Und dann … ein nicht zu beschreibendes Gefühl! Endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Überall verlockende Getränke, leckere Snacks und duftende verführerische Speisen. Am liebsten hätte ich gleich zugegriffen, zu verlockend schien das Ganze zu sein. Doch alle hatten nur noch ein Ziel: so schnell wie möglich nach oben!

Als ich meine Ausrüstung hinaufschleppte, bat ich Cornelia, doch etwas zu warten. Denn sie war doch noch ein Kind und den ohnehin viel zu schweren Rucksack auch noch da hinaufhieven zu müssen, kam für mich nicht infrage.

Mit strahlenden Augen sahen wir einander an. Hurra, wir hatten es geschafft! Wir fühlten uns plötzlich frei wie die Vögel über uns. Ich schaute auf eine gewaltige Parkanlage, die in ihren Ausmaßen einfach unüberschaubar war. Auf hügeligem Terrain einer einst gerodeten Urwaldfläche standen hölzerne Chalets und Bungalows im malaysischen Stil, umgeben von einer traumhaften Vegetation. Und im Hintergrund fast stumm eine gewaltige Wand von immergrünem 4.343 km2 großen Regenwaldgebiet! Trotz gewisser Strapazen hätte ich am liebsten alles liegen gelassen und einfach nur zur Kamera gegriffen.

Doch wir gingen erst mal hinüber zum Verwaltungsgebäude, um die notwendigen Formalitäten zu erledigen und eine notwendige Lizenz fürs Filmen und Fotografieren zu erhalten. Nach einiger Warterei, die wir zusammen mit einer jungen schwedischen Gruppe von unserem Boot an einem der Tische mit erfrischenden Getränken verbracht hatten, verlief alles andere vollends reibungslos. Allerdings konnte uns für die ersten Tage nur eine einfache Unterkunft ohne eigene Toilette, Wasch- und Duschmöglichkeit angeboten werden. Was uns nicht im Geringsten störte, zudem sie noch äußerst günstig war. Unsere gemeinsame Bleibe befand sich, wie sich herausstellte, in einem schlichten, fast barackenähnlichen Holzgebäude mit zwei separaten Ausgängen: einem zum Fluss hin und einem zur Waldseite. Nachdem wir uns erfrischt und uns auf die kommenden Tage etwas eingestellt hatten, legten wir uns erstmals entspannt aufs Ohr. Doch der Blick nach draußen zeigte mir bald die hereinbrechende Dämmerung. Und so, wie nun die nachtaktiven Tiere drüben im knapp hundert Meter entfernten Urwald ihre Ruhe- und Schlafplätze verließen, so spürte auch ich den Drang – „dieses eigenartige Gefühl“, hinaus zu müssen! Möglichst alleine. Ich wollte mal mit mir ganz allein sein – mit mir und meinen Gedanken. Wollte die Stille, die direkte Nähe zum Urwald, zur Natur erleben und das nächtliche Stimmenkonzert einfach auf mich einwirken lassen.

Und so schlich ich mich ohne Vorankündigung hinaus in die einsetzende Dunkelheit. Welch herrliches Gefühl, das mich „schwärmerisch“ umgab. Geheimnisvolle stumme Lichter zwischen Bäumen und Sträuchern, von flackernden Fackeln und dumpf aufleuchtenden Lichtquellen, waren für kurze Zeit meine einzigen Begleiter, ehe sie sich in der Dämmerung verloren. Und über mir wie dunkle fliehende Schatten im Spiel der Zikaden nahrungssuchende Fledermäuse und Flughunde.

Als ich in unmittelbarer Nähe einer riesigen, gut überschaubaren, vor langer Zeit abgeholzten Urwaldfläche am Rande des dunklen Regenwalds ankam und versunken, nur mit meinen Gedanken, den Stimmen der Nacht lauschte und dabei ungestört riesige unbekannte Tiere und Wildschweine direkt in meiner Nähe friedlich äsen sah, dankte ich für einen Augenblick meinem Schöpfer für dieses wunderbare nächtliche Geschenk. Und je länger ich im Lichterspiel von Leuchtkäfern und Glühwürmchen zu den glitzernden, mich anstarrenden Augenpaaren sah, vergaß ich die Zeit. Ich war einfach fasziniert von diesem Konzert an Lauten! So, als wären all die Gaukler und Spielleute des Regenwalds „nur für mich“ heute Nacht auf großer Tour! Überglücklich trat ich, unterbrochen von gelegentlichen Attacken einer großen, mich begleitenden Eule, meinen Rückzug an. Da ich keine Taschenlampe bei mir hatte, hieß es, vorsichtig zu sein. Denn gewisse Spezies, die massenhaft in diesem riesigen Urwaldgebiet um uns herum zu finden waren und umherkrochen, kamen bei Dämmerung in den etwas abkühlenden Abendstunden aus ihren Verstecken und eine kleine Unachtsamkeit konnte bereits fatale Folgen mit sich bringen. Kaum im Quartier angekommen, wurde ich bereits erwartungsvoll empfangen! Und mit etlichen Fragen überhäuft.

Am Tag darauf wollte ich unbedingt an einer mehrtägigen Expedition in den Urwald teilnehmen. Doch Cornelia war mit den Attraktionen rund um unser Camp vollends zufrieden. Sie ermutigte mich, allein den Trip in den Regenwald zu unternehmen, während sie zurück im Lager blieb. Um ehrlich zu sein, ganz wohl war mir dabei nicht, aber meine Tochter traute sich zu, einige Tage ohne mich auszukommen.

Nachdem ich mich gründlich vorbereitet hatte, startete ich meine Tour. Es war mein erster alleiniger Marsch durch den Regenwald mit einigen Übernachtungen, darunter auch im Freien. Ein faszinierendes Erlebnis mitten im Herzen der Natur. In dem bis 40 m und in fünf Etagen hohen, dichten Kronendach des Regenwalds herrschten andere, eigene Gesetze. Vereinzelte Bäume schienen nochmals weitere 40 m aus dem Kronendach zu entsteigen und geradezu in den Himmel zu wachsen …

Doch das Leben hier ist eine einzige Symbiose, vielseitig und geradezu unüberschaubar. Eine einzige Gemeinschaft. Immer wieder werden neue Tier- und Pflanzenarten entdeckt oder kommen neu dazu. Für den Regenwald gilt die Regel: Je auffallender und bunter die Tiere, desto gefährlicher sind sie. Tief beeindruckt stand ich vor einem wahren Urweltriesen, dessen mächtige Arme gut 40 m in die Waagrechte reichten. Durch die ewige Nässe und Feuchte von unzähligen filigran anmutenden Moosen, Flechten und Farnen überzogen und bewachsen. Dazwischen – wie eingebettet – herrlich blühende Bromelienarten in den leuchtendsten Farben. Gleich daneben, wie in einem frisch angelegten bunten Garten, wunderhübsche violette Orchideen. Großblütig und von strahlender Schönheit. In anderen Bäumen rankten sich armdicke Lianengewächse immer weiter nach oben. Das wahnsinnige nimmermüde Zirpen und Gequake um mich herum ließ auf Baumfrösche schließen. Zwar konnte ich direkt keine größeren Tiere wahrnehmen, doch ihre Anwesenheit wurde durch ihre ständigen Rufe klar untermauert! Was ich für mich entdecken und beobachten konnte, hatte meine Erwartungen bei Weitem erfüllt. So machte ich auf meinem Ausflug in den Regenwald zahlreiche wunderbare Erfahrungen, die hier aufzuzählen allein Stoff genug für ein eigenes Buch böten. Doch das war erst der Anfang!

Weiter geht die Reise

Bald schon war die Zeit der Weiterreise gekommen. Es schien mir, als läge heute ein langer und anstrengender Tag vor uns. Nach unruhigem Schlaf hieß es, früh aufzustehen. Sorgsam liefen die letzten Vorbereitungen ab und mit einem letzten Gruß hinaus in den Urwald sagte ich Adieu! Mit großen Erwartungen und unserer Kameraausrüstung beladen, machten wir uns auf den Weg. Als wir gemächlichen Schritts zum nahe gelegenen Fluss hinuntermarschierten, hieß es gleichzeitig Abschied nehmen vom Camp im Regenwald und den unvergesslichen Tagen, die wir hier verbringen durften. Da wir unsere Tickets bereits am Vortag gekauft hatten, verlief eigentlich alles wie geplant. Monoton, mit wenig Abwechslung an Ufer und Fluss, tuckerte unser kleines Holzboot mit dem schmutzig verfärbten Stoffdach dahin. Ab und zu, zwischen dem leblos wirkenden Fluss und dem bis an die Ufer angrenzenden Regenwald, ein paar verloren wirkende Wasservögel. Manchmal gar ein eilig vorbeihuschendes Boot mit fröhlich winkenden Rucksacktouristen. Doch man sah und registrierte sich, aber das war’s auch schon. Jeder der jungen Leute wirkte teilnahmslos, fast müde wirkend auf mich. Und schien mit sich und dem, was ihn weiterführt, beschäftigt. Gelegentlich noch ein paar freundliche, vielsagende Blicke, so erreichten wir flussabwärts fast im Eiltempo unsere bescheiden wirkende Anlegestelle in Kuala Tembeling.

Ein kleiner Kiosk unter mächtigen Schattenbäumen, gleich neben einer Bushaltestelle gelegen, bot die ideale Sitzgelegenheit mit Snacks und Getränken an, allem, was dazugehört. Der Betreiber war ein lustig aussehender älterer Mann, mit nur noch zwei langen gelben Schneidezähnen im Mund und einer lustig glänzenden Vollglatze. Die verbliebenen Haare auf der Kopfmitte mit einem Bändchen zu einem gaudig aussehenden Büschel gebunden. Mal was anderes! Auf meine Frage, ob ein Bus nach Marang zur Ostküste fahren würde, kam er plötzlich richtig in Fahrt und zeigte mir voller Stolz auf seiner alten blank polierten Uhr, dass bereits in einer halben Stunde nebenan der Bus kommen sollte.

In Begleitung einer großen stinkenden Staubwolke, die mir fast den Atem nahm, kam das ratternde Gefährt, quietschend mit Vollbremsung, direkt neben uns zum Stehen. „Marang“, rief ich zum Busfahrer, der winkte nur und meinte, wir sollten einsteigen. Was mit unserem Gepäck alles andere als einfach war! Unter den einheimischen Fahrgästen, meist ältere Malaien und ein paar Chinesen, befand sich neben Bergen von Obst und Gemüse noch allerlei Kleinvieh, das dem Ganzen einen eher lustigen Anstrich gab. Nach gut zweistündiger Fahrt durch meist ländliches Gebiet, mit kleinen verträumten Dörfern und Siedlungen, die meist vom Obst- und Gemüseanbau, aber auch Reisanbau und Fischfang der fischreichen Flüsse lebten, kam unser Bus zum Stehen. Und die Fahrt war überraschend zu Ende! Es war ein kleines Städtchen mit gerade mal ein paar tausend Einwohnern.

Die Enttäuschung war groß, wir erfuhren, dass wir nur zu Fuß, mit einem Taxi oder Privatauto weiterkommen können. Ein zufällig herangefahrenes Taxi war schnell bereit, uns mitzunehmen und uns zur nächsten Bushaltestelle Richtung Ostküste zu bringen. Doch das Warten nahm dort kein Ende. Zwei überaus freundliche und gut Englisch sprechende Mädchen versicherten uns, dass von hier aus regelmäßig ein Bus bis Marang zur Ostküste fahren würde. Die Tageshitze war schon drückend und unsere Warterei wurde langsam unerträglich. Nur wenige Schritte entfernt auf der anderen Straßenseite war ein kleiner verführerischer Obstladen und Cornelia wandte sich mit flehender Miene an mich: „Zu gerne würde ich noch schnell hinüberlaufen und etwas Ost besorgen, ob das noch reicht?“ „Ist schon etwas riskant! Womöglich kommt der Bus während deiner Abwesenheit gerade angefahren, was dann?“, gab ich zu bedenken. Doch ehe ich mich richtig versah, flitzte sie in schnellen Sprüngen quer über die Straße. Zum Glück kam sie mit Händen voller Obsttüten und total außer Atem, stolz und freudig angelaufen. Dies war gerade noch mal gut gegangen!

Wenig später waren wir tatsächlich auf unserer letzten Etappe und erreichten nach gut zwei Stunden unser ersehntes Etappenziel! Das Ganze sah mehr nach einem kleinen Dorf als Städtchen aus. Gleich neben unserer Bushaltestelle entdeckten wir einen großen bunten Markt. Ein Leben mit einem geradezu verwirrenden Durcheinander, das sich hier abspielte. Ein unglaubliches Warenangebot mit traditionell gekleideten Menschen aller Hautfarben und Religionen. Farbenprächtige Waren und Ramsch, Düfte von verführerischem Obst und unbekannten Gewürzen, überfüllte Stände und Auslagen. Dazwischen köstliche Spezialitäten mit dampfenden Gerüchen, die das Wasser buchstäblich im Mund zusammenlaufen ließen. Doch wir wollten nur eines, so schnell wie möglich ein gutes Quartier für die Nacht. Es kamen dabei mehrere infrage, vom schlichten Schlafsaal bis zu den ruhigeren Gästehäusern mit gutem Essen und der Organisation von Bootstouren. Das Letztere glaubten wir, könnte unserer Vorstellung am ehesten entsprechen. Also marschierten wir gut bepackt auf der Hauptstraße Richtung Süden. Denn von einigen Travellern wussten wir bereits, dass das Zakaria-Gästehaus, der linken Straßenseite gelegen, sehr empfehlenswert sein soll. Anstandslos konnten wir für die Nacht ein Zimmer erhalten. Die Leute durchweg alle freundlich und die Atmosphäre angenehm und gut. Ein richtiges Wohlgefühl, das uns entgegenschlug.

Ausgeruht von der erholsamen Nacht und gestärkt mit einem fürstlichen Frühstück reinigte ich meine Kamera und besprach mit Cornelia unsere Plwanungen für die Weiterreise. Unser nächstes Ziel nach Süden hin sollte „Rantau Abang“ heißen, etwa 50 km von Marang. Da es mit meiner unhandlichen Last schwierig war, größere Strecken am Stück zu marschieren, waren wir meist auf irgendwelche Transportmittel angewiesen! Meist hatte ich alle Hände voll zu tun und zu schleppen. Neben meinem vollgepackten Rucksack und der großen Kameratasche hatte ich noch meinen – nicht gerade leichten – Alukoffer. Der voll mit wertvollem Filmmaterial und anderen hitze- und wärmeempfindlichen Teilen für die Kamera war. Nicht zu vergessen, mein unersetzliches – meist immer hinderliches – Stativ. Das schon ein ordentliches Gewicht besaß! Mitunter hieß es schon mal richtig hinzulangen, was nicht immer einfach war. Trotz allem – ich hatte mich selten so wohl gefühlt wie heute. Und ich wusste: Mit jedem Kilometer gegen Süden würde ich meinem großen Traum ein großes Stück näher kommen! Frei wie ein Vogel, heute hier, morgen dort – welch ein Leben. Wenn man aufstand, wusste man nicht, wo man am Abend die Nacht verbringen würde und was der Tag noch für Überraschungen brächte. Der einzige Unterschied zu manch anderen: Ich überließ meist nichts dem Zufall!

Gemächlich liefen wir die Hauptverbindungsstraße am Meer entlang. Immer wieder gab’s etwas zu schmunzeln oder Neues zu entdecken. Überall tolle Menschen, Eindrücke und Begegnungen, fast bei jedem Schritt etwas anderes. Langeweile war geradezu ein Fremdwort!

„Eigentlich müsste nach der Beschreibung unserer Wirtin längst eine Bushaltestelle auftauchen.“

„Der Ansicht bin ich auch“, pflichtete mir mit etwas gequältem Lächeln Cornelia bei. Das Zeug wurde langsam verdammt schwer. Und wir waren gerade im Begriff, einen kleinen Stopp zu machen, als ein kleiner Lieferwagen japanischer Bauart mit grölender Musik und fröhlich winkenden jungen Männern bei uns anhielt. In wildem Kauderwelsch aus Malaiisch und Englisch, von dem ich kein einziges Wort verstand, sprachen sie auf uns ein. Cornelia, die bereits einigermaßen gut Englisch sprechen konnte: „Papa, sie fragen, ob wir nicht Lust hätten mitzufahren! Sie könnten uns bis Kuala Dungun dann mitnehmen!“

„Nichts wie rauf “, gab ich erfreut zur Antwort. Eingequetscht zwischen zahlreichen Obstkisten und den verscheuchten Hühnern von nebenan standen wir zusammengequetscht einander auf den Füßen herum. Doch das konnte der guten Stimmung nichts antun. Eigentlich ging die Strecke noch 10 km über unser Ziel hinaus. Doch warum sollte man die Gelegenheit nicht mit dem Nützlichen verbinden? Bereits am nächsten Tag hätten wir ohnehin hierher müssen, um unsere Flugtickets für den Weiterflug nach Borneo zu besorgen. So machten wir’s eben in einem Zug. Fahren konnten die, denn der Fahrtwind pfiff uns regelrecht um die Ohren. Und die Schlaglöcher taten ihr Übriges. „Arme Hühner“, meinte Cornelia voller Mitleid, als wir ein ums andere Mal kräftig durchgerüttelt wurden. Es war wirklich nicht schwer, mit den jungen Leuten ins Gespräch zu kommen. Als sie noch erfuhren, dass wir Deutsche sind, überboten sie sich mit deutschen Begriffen, wie der Automarken und vor allem der Fußballspieler. Leider war die Zeit jener Nationalspieler längst vorbei. Doch das war Nebensache!

Auf meine Bitte hin empfahlen sie uns noch ein gutes Reisebüro, was ich wirklich nur begrüßen konnte! Doch anstatt uns im Städtchen irgendwo nur abzusetzen, fuhren sie uns gar noch zum Reisebüro und schließlich mit lärmender Musik und den besten Wünschen für unsere Weiterreise fröhlich winkend zwischen den Gassen davon.

Doch die nächste Ernüchterung kam prompt. Aus den schnellen, günstigen Flugtickets mit dem bequemen Abflugort wurde leider nichts. Um meine Vorausbuchungen und Planungen auf Borneo einhalten zu können, sollten wir unbedingt spätestens in den nächsten vier Tagen abfliegen können.

Doch die nette Angestellte in unserem Reisebüro, die sich alle Mühe gab, sah sich außerstande, unsere Wünsche zu erfüllen. Wir hatten heute Mittwoch, und spätestens am Sonntag mussten wir fliegen, egal von wo und wie! Und der Preis sollte, wie mir zu Hause von überall her versichert wurde, am billigsten von hier aus sein. Doch dem widersprach die nette Dame energisch. Wenn wir von Malaysia aus fliegen wollten, nur über Kuala Lumpur, und das war alles andere als billig. Dazu weit von hier entfernt und alle Flüge angeblich für die ganze Woche schon ausgebucht. Was machen? Wir waren ratlos und buchstäblich aufgeschmissen. Nach kurzer Überlegung empfahl uns die junge Dame, doch direkt von Singapur aus zu fliegen. Dies wäre äußerst günstig, zudem wären jede Menge Fluggelegenheiten von dort vorhanden. Nachdem wir die günstigen Preisangebote gehört hatten, erkundigten wir uns rasch, wie man denn am besten nach Singapur kommen könnte! „Kein Problem“, meinte sie lächelnd:

„Sie fahren einfach mit einem bequemen Überlandbus. Den können Sie gleich mitbuchen.“ Nach kurzer Überlegung wurden wir uns schnell einig! Das hieß, nachdem wir unsere Tickets und die Bordkarten für den Bus hatten, dass wir am nächsten Morgen direkt und bequem von Rantau Abang aus nach Singapur fahren konnten. Der einhellige Tenor: Dies wäre geschafft!

In unserer Unterkunft für die Nacht angekommen, hieß es wieder mein größtes Heiligtum zu überprüfen. Meine gesamte Kameraausrüstung samt Akkus und Kamera. Nichts durfte dem Zufall überlassen sein. Der tägliche Ablauf mit Streckenplanung, Verbindungen, Unterkunft usw. Alles musste genauestens aufeinander abgestimmt sein und sollte möglichst reibungslos, ähnlich einem Schweizer Uhrwerk, laufen. Nachdem wir alles Notwendige vorbereitet und abgeschlossen hatten, konnten wir trotz kleinen Missgeschicks auf einen erlebnisreichen Tag zurückblicken und fielen sofort in einen tiefen Schlaf.

Der neue Tag schien neue Überraschungen und unerwartete Wendungen für uns bereitzuhalten. Nach einer ruhigen und erholsamen Nacht hieß es früh am Morgen wieder raus aus den Betten. Routinemäßig bereiteten wir uns für den folgenden Abschnitt unserer Weiterreise vor. Mit schwerer Last, aber auch ein wenig Erfahrung, trabten wir über den weichen sandigen Untergrund hinüber. Über einen mehrere hundert Meter langen, stark ausgetretenen Pfad stießen wir auf unsere Bushaltestelle. Kurz darauf ging es im hochmodernen Langstreckenbus auf einer gut 600 km langen Küstenstrecke direkt nach Singapur! Unter Menschen unterschiedlichster Hautfarbe und Rasse wurden wir bald vom Bordfernseher mit kitschigen Filmen, lauter Musik und Werbung, die bis in den hintersten Winkel reichten, regelrecht benebelt. Zum Glück erhielten wir von der Klimaanlage wenigstens noch die lebensnotwendige Menge Frischluft zum Atmen!

Bald flogen wir regelrecht an romantischen, allein stehenden Häusern und mit Stroh bedeckten Hütten inmitten verträumter Palmengärten vorbei. Und die wie verloren und vergessen wirkenden Fischerdörfer, mit ihren kleinen, bescheiden wirkenden Holzbooten, wechselten sich dabei ständig ab. Mal ging es über schmale, zerbrechlich erscheinende, einfache Holzbrücken, dann wieder entlang großer mit dem Meer verbundener Kanäle, auf denen mächtige Frachtschiffe der Weltmeere ihre kostbare Fracht entluden. Dazwischen wie Fremdkörper unendliche monoton wirkende Kokosplantagen, die mich auf abgeholztem Grund und Überresten von gerodeten Urwäldern protzend geradezu widerwärtig wie der Sensenmann angrinsten. Mich ekelte dieses jammerwürdige Schauspiel einfach an und ich konnte nur hoffen, dass ich das Ganze bald hinter mir wissen würde! Nach etwa 200 km bogen wir für einen ersten Stopp auf eine etwas abseits gelegene Autoraststätte ein. Jeder, der mochte, bekam seinen kostenlosen Tee oder Kaffee.

Nach allgemeiner Erleichterung auf den säuberlich gepflegten Toilettenanlagen ging es in einer für mich schon einschläfernden Eintönigkeit nach den nächsten 200 km zu einer anderen Station gleichen Musters. Stumm, fast reglos, gerade mit der einen oder anderen weniger schönen Angewohnheit beschäftigt, hingen sie wie apathisch in ihren Sitzen! Längst waren die meisten Gesichter deutlich gezeichnet! Vielleicht 180 km von Singapur entfernt, direkt am Meer gelegen, fuhren wir vorsichtig über eine abenteuerlich anmutende, hoch über dem Fluss errichtete provisorische Bambusbrücke! Mit recht komischem Gefühl blickte ich hinunter auf die vielen am Fluss verankerten Hausboote.

Schon bald, nachdem wir die am Südchinesischen Meer gelegene Hafenstadt Mersing hinter uns gelassen hatten, verließen wir die Küstenregion und fuhren Richtung Johor Bahru – durchs Landesinnere! Nur zu gerne hätte ich noch einen mehrtägigen Zwischenstopp einlegen wollen. Leider ließ der enge Zeitplan dies nicht zu. Eigentlich jammerschade, denn gerade von hier aus können kaum berührte Dschungellandschaften, entlang des Endau Rivers, flussaufwärts, mit angemietetem Langboot samt Fahrer erkundet und erforscht werden!

Zahlreiche Stromschnellen und Untiefen verlangen zudem einen gewissen Mut und die Bereitschaft zum Abenteuer, um die Boote über den Dschungel wieder ins Flussbett zu bringen. Zudem sollen in den umliegenden Dschungeln noch ausreichend Tiger, Elefanten und Nashörner leben.

Erfahrene, dort lebende Ureinwohner der Orang Asli sollen dabei als Begleiter dienen. Außerdem sollen über 60 vorgelagerte und meist unbewohnte, kleinere Inseln im Südchinesischen Meer für die Erkundung und garantierte Abenteuer zugänglich sein! Leider blieb das Ganze für uns eben nur ein Traum.

Nach gut anderthalb Stunden Weiterfahrt schien unser Ziel fast erreicht. Noch rasch ein letztes heißes Getränk zur ohnehin unerträglichen Tageshitze und eine kleine Erfrischung, um den müden Geistern wieder neues Leben einzuverleiben. So verließen wir nach einer erlebnisreichen Zeit Malaysia, das Festland im äußersten Süden der Halbinsel. Wir fuhren über die Dammstraße von Johor Bahru hinüber in den Stadtstaat Singapur!

Kaum drüben angekommen, spürte man bereits den merklichen Unterschied. Überall parkende Busse mit Gruppen diskutierender und umherstehender Gäste, mit Bergen von Gepäck. Meist jüngere Leute verschiedenster Hautfarbe. Vor allem waschechte Traveller, ungepflegt, mit langen fettigen Haaren. Entsetzt gab ich Cornelia einen Schubs und deutete auf einige auffallend hübsche braunhäutige Mädchen, die mit vergammelten und total zerrissenen Hosen voller ausgefranster Löcher locker und lässig ihre Späße trieben!

Ich hatte zwar schon so manches gesehen, doch dies war für mich eindeutig der Gipfel der Geschmacklosigkeit! Ich konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen, dass dies einfach cool und gerade der allerletzte Schrei war. Einfach nur, um zu provozieren! Selbst meine Tochter, die gerade im ähnlichen Alter war, hatte diesen letzten Modeschrei von Singapur zuvor noch nie gesehen. Doch sofort erkannte sie, um was es sich dabei handelte! Mit erheitertem Lächeln meinte sie:

„Papa, das muss so sein, die Hosen werden schon mit Löchern gekauft!“ Ich verstand die Welt nicht mehr. Doch zu meiner Schande muss ich gestehen, die Mädchen, die darin steckten, sahen einfach aufreizend aus.

Nachdem wir die Endstation eines großen Busbahnhofs im Zentrum Singapurs erreicht hatten, führten wir eine kurze Lagebesprechung durch. „Eine günstige Übernachtung für nur eine Nacht dürfte in Singapur nahezu aussichtslos sein. Am besten, wir fragen einen Taxifahrer“, meinte ich, „die wissen noch am ehesten Bescheid.“ Gesagt, getan. Schnell hielten wir neben der nächstbesten Straßenlaterne einen an.

Doch dieser wimmelte uns einfach ab und meinte, da wäre bereits alles ausgebucht! Ich probierte erneut mein Glück, und tatsächlich fand ich einen hilfsbereiten Taxifahrer, der uns zu einem Hochhaus brachte, das an einer Hauptdurchgangsstraße gelegen war. Schnell erfuhren wir über unseren Taxifahrer, dass dort trotz Überfüllung noch eine Übernachtungsmöglichkeit bestünde.

Überglücklich führte er uns in eine Art Pension in den oberen Etagen, die von einem älteren chinesischen Ehepaar bewohnt und vermietet wurde! Wir wurden mit übertriebener chinesischer Höflichkeit begrüßt. Schnell wurde aus einem gepflegt wirkenden Einbettzimmer ein Zweibettzimmer – mit schönem Blick zur Straßenseite hin. Da unser Überflug nach Kota Kinabalu bereits für 8:45 Uhr gebucht war, erübrigte sich die übliche Auspackerei.

Kota Kinabalu

Kaum, dass ich durch lärmendes Straßengeräusch aufgewacht war, galt mein erster Gedanke der Uhr! Es war nämlich bereits 6:00 Uhr gewesen und ging auf 6:45 Uhr zu, für diese Zeit hatten wir unser Taxi bestellt. Ich dachte, wenn die Schlaft ablette nicht wollte, dann musste sie eben! Kurzentschlossen schnappte ich mein bereitliegendes Kampfmesser und zauberte mehrfach hintereinander helle Klingeltöne an einem leeren, wie dafür geschaffenen Getränkeglas. Das Ganze verfehlte seine Wirkung nicht. Doch recht wenig begeistert, mit geradezu unverständlichem Gesicht für meine morgendliche Klingelaktion, schaute sie bissig und noch schlaft runken aus ihrem Bett. Doch die Zeit drängte …

Bald darauf, nur mit etwas schon reichlich überreifem Obst im ohnehin nicht verwöhnten Magen, schleppte ich mein unhandliches Zeug nach unten. Bereits zehn Minuten darauf fuhren wir staunend und bequem durch die gepflegte Innenstadt einer Weltmetropole, die ihresgleichen sucht! Ich wunderte mich: Kein Abfall, keine weggeworfene Zigarettenkippe oder die ekelerregende – in Asien übliche – Umherspuckerei war zu beobachten! Nein, das war hier ohnehin alles unter strengste Strafe gestellt. Wenn ich an Malaysia und andere Orte Südostasiens dachte, dann schien mir dies fast wie ein Paradies zu sein.

Etwa eine gute halbe Stunde später waren wir sicher am Flughafen angelangt! Obwohl ich schon so manchen Flughafen erlebt hatte, war es doch immer wieder aufs Neue ein prickelndes Gefühl, das einen dabei befiel. Abertausende von Menschen aller Hautfarben, Rassen und Sprachen, in friedlichem Durcheinander vereint. Bereits in den frühen Morgenstunden war es schwülwarm – knapp um die 30° C heiß und kaum zum Aushalten. Alles klebte mir förmlich am Körper, Cornelia erging es kaum anders, als wir kurz vor dem Check-in noch schnell ein Frühstück mit Tee bestellten. Zum Glück wurden wir von den überaus freundlichen Angestellten rasch bedient! Auch dem gesamten Flughafenpersonal samt Sicherheitskräften kann ich nur mein größtes Kompliment aussprechen! Stets hilfsbereit und freundlich. Rasch und ohne Schwierigkeiten wurden wir bei Singapur Airlines eingecheckt. Welch Gefühl, sich ohne Geschleppe von Gepäck wieder einmal frei zu bewegen!

Überglücklich ließ ich mich alsbald in den herrlich bequemen Fensterplatz fallen. Cornelia neben mir. Und als die Maschine mit vollem Schub der Triebwerke abhob, kam ich mit jedem Meter an Höhe meinem Traum einen großen Schritt näher! Unter uns – hin bis zum Horizont – sahen wir das unendliche Blau des Südchinesischen Meeres, mit vielen kleinen, wie Perlen strahlenden Palmeninseln. Ab und zu mal ein verloren wirkendes, silbern glänzendes Schiff mit seinem Kielwasser im Sonnenlicht. Oder vereinzelte weiße Wölkchen, verstreut unterm südlichen Tropenhimmel, die wie lustige kleine Himmelsboten verschmitzt zu uns herüberblickten!

Inzwischen war auch bereits das fleißige Bordpersonal mit dem Verteilen von ersten Getränken und kleinen Snacks beschäftigt. Und der eine oder andere der meist malaysischen Fluggäste schaute ihnen mit vielsagenden Blicken hinterher. Wie ich der Durchsage unseres Bordlautsprechers entnehmen konnte, waren wir bereits im Landeanflug auf Kota Kinabalu und wurden gebeten, uns anzuschnallen. Die Anspannung stieg. Der Schub der Triebwerke wurde gedrosselt und ein starkes Vibrieren erschütterte die Maschine. Die Bordbeleuchtung war ebenfalls abgeschaltet und die Maschine verlor spürbar an Höhe. Ein eigenartiges Gefühl lastete dabei auf meinem Magen! Absolute Stille, kein Laut war mehr zu hören. Was vorher draußen nur in Konturen zu erkennen gewesen war, schoss jetzt mit atemberaubender Geschwindigkeit auf uns zu – wurde immer größer. Die Flughafengebäude, Landebahnen samt abgestellten Flugzeugen. Fast zum Greifen nah. Doch am beeindruckendsten waren für mich die vielen, alles überstrahlenden Palmen. Sie waren für mich der Inbegriff von absoluter Schönheit. Nach einem sanften und weichen Aufsetzer rollte unsere Maschine langsam aus. Alles drängte sofort nach draußen, wo eine fast unglaubliche schwülwarme Luft uns regelrecht den Atem nahm. Der Flughafen war ein richtiger Provinz-Airport, gut überschaubar – alle sehr freundlich und die Abwicklung verlief völlig ohne Probleme. Bevor wir uns um eine günstige Fahrgelegenheit kümmern konnten, musste ich erst noch genügend Geld eintauschen! Von allen Seiten stürmten und bedrängten uns bereits eifrige Kofferträger und private Shuttle-Transfer-Anbieter, die uns angeblich zu irgendwelchen günstigen Hotels und Unterkünften bringen würden. Doch wir kannten bereits das Spielchen und fielen nicht darauf herein! Schnell fanden wir einen hilfsbereiten, netten jungen Mann mit einer geradezu abenteuerlich aussehenden Rostlaube, was uns nicht weiter störte! Im Gegenteil – ich empfand sogar ein gewisses Mitgefühl.

Ohne viele Worte verstaute er unser sperriges Gepäck und bedankte sich mit einem strahlenden Lächeln bei seinen guten Kunden aus Deutschland.

Sabah, der östlichste Bundesstaat Malaysias, ist etwa doppelt so groß wie die Schweiz, wird aber nur von etwas mehr als 1,8 Millionen Menschen samt seinen meist kleineren Inseln bewohnt. Die Küstengebiete waren einst der ideale Schlupfwinkel berüchtigter Piraten! Heute treiben Seeräuber im Sulu-Archipel zwischen Sabah und den Philippinen ihr Unwesen! Zum Zeitpunkt meiner Reise wurde von dieser Region absolut abgeraten. Nahezu alle Reiseveranstalter hatten das Gebiet um Sandakan und die vorgelagerten Inseln zu den Philippinen aus ihrem Reiseprogramm gestrichen! Doch gerade das war unter anderem mein Ziel und ich wollte alles Mögliche versuchen, um dorthin zu gelangen. Ein Großteil des gesamten militärischen Nachschubs der philippinischen Moro-Rebellen auf Mindanao wurde über die Umschlagplätze der Küstenstädte Sandakan und Lahad Datu abgewickelt. Bereits im Vorfeld wurde auf mögliche Gefahren hingewiesen!

Mit unersättlichem Wissenshunger starrte ich bei der Fahrt nach Kota Kinabalu auf alles, was mir noch unbekannt war, und versuchte, die faszinierenden Eindrücke in meinem Gehirn zu speichern wie auf einem Chip. Dabei ging mir so unheimlich viel durch den Kopf und ich fand dabei mehr Fragen als Antworten. Schon vor unserer Reise hatte ich mich regelrecht in die Bücher und alte Reisebeschreibungen und Aufzeichnungen reingefressen! Und mich mit der Tradition, den Bräuchen und Lebensgewohnheiten der einzelnen Stämme Borneos, Sarawaks und Sabahs ausführlich befasst. Und mir so ein geschichtliches Gesamtbild bis zum heutigen Tage hin erarbeitet! Kota Kinabalu ist der klassische Ausgangsort aller Unternehmungen auf Sabah. Und immer wieder neue Anlaufstelle für Exkursionen und Expeditionen aller Art! So auch bei uns. Von hier ließ sich nämlich unser nächstes Ziel gut erreichen: Mount Kinabalu, der größte Berg Malaysias.

Bereits am nächsten Tag machten wir uns mit einem Kleinbus auf den Weg und ließen nach kurzer Zeit das Tiefland um Kota Kinabalu zurück. Hinter uns verschwand allmählich im Dunst der zivilisierte Küstenbereich Sabahs. Vor uns, in aufsteigenden schmalen Serpentinen, ein hügeliges einzigartiges Urwaldgebiet von traumhafter Schönheit. Die Fahrt führte uns immer weiter hinauf ins offene, mit vielen kleineren Hügeln versehene Bergland. Nach einer rund 100 km langen, zweistündigen Fahrt hieß es endlich: Aussteigen!

An der Rezeption des Parkhauptquartiers mieteten wir einen Zwei-Mann-Bungalow für drei Nächte. Länger ging es leider nicht, denn er war bereits von anderen Gästen gebucht worden, die drei Tage später eintreffen sollten. In der Nähe gab es allerdings noch zwei Hostels mit billigen Unterkünften. Es war eine wunderbare Lage, mit herrlichem Panoramablick auf den hinter Nebel und Wolken versteckten Mount Kinabalu und fast die gesamte weit verstreute Parkanlage. Man empfand und spürte: Dies hier ist etwas Außergewöhnliches. Ein riesiges Basislager mitten in der Wildnis. Eine Art Goldfieber oder Aufbruchstimmung schien hier zu herrschen. Menschen aus allen Ländern, Abenteurer und Aussteiger, Neugierige, Mutige und Zauderer, alle hatten dasselbe Ziel. Die Luft schien explosiv, wie geladen und voller Abenteuer!

Am Abend holte ich mir von den Parkrangern die Erlaubnis und einen festen Termin für die Besteigung des Mount Kinabalu. Gleich am folgenden Tag würde ich die zweitägige Bergtour in Angriff nehmen. Doch ganz billig war der Spaß nicht, denn außer den üblich zu entrichtenden Gebühren benötigte man noch einen Guide. Dazu kam noch eine Übernachtungsmöglichkeit in der Laban-Rata-Hütte in 3.600 m Höhe. Da die Besteigung für ein Mädchen im Alter von Cornelia doch zu anstrengend gewesen wäre, verzichtete sie freiwillig und ohne Druck auf die Tour. Das zeugte doch schon von einer gewissen Reife und Größe. Nach der Besprechung mit den Rangern wollten wir nur eines: unsere ersehnte Ruhe! Jetzt durften nur noch die letzten Vorkehrungen getroffen werden, ansonsten hieß es Kräfte schonen für die nun kommenden Tage! Ruhig war diese Nacht, nichts, was unseren Schlaf gestört hätte. Ab und zu erwachte ich und lauschte müde in die Dunkelheit hinein, um gleich wieder einzuschlafen.

Mount Kinabalu

Es war wohl um die fünfte Stunde in der Früh – beim ersten Morgenlicht! Die ersten Tiere verließen bereits den schützenden Dschungel der Nacht und verkündeten mit ihren unvergleichlichen lautstarken Rufen den gerade erwachenden Tag. Von da an war die Nacht auch für mich gelaufen. Während Cornelia noch tief vermummt und verkrochen unter ihrer Decke lag, lauschte ich bereits dem Gesang und den vertrauten Rufen unserer morgendlichen Gäste. Für mich gab es einfach nichts Schlimmeres, als wach bei Tagesanbruch im Bett liegen zu müssen, nur um die Schlafmütze nicht zu stören! Nur zu gerne hätte ich mich bereits vor die Hütte geschlichen, um zu sehen, was um diese Zeit so draußen herumschleicht. Doch irgendwann musste sie ja aufstehen. „Wie schön wäre es doch, wenn jetzt irgendein Schreihals sie aus den Federn treiben könnte“, dachte ich. Leider wollte mir diesen Gefallen keiner tun. Dann musste es eben anders gehen, denn ein bisschen nachhelfen konnte ja auch nicht schaden! Dabei kam mir der auf dem Nachtschränkchen gelegene Kugelschreiber von Cornelia wie gerufen.

Aufmerksam beobachtete ich Cornelia, um im selben Augenblick mit einem flinken Schubs das nützliche Schreibgerät hinunterzustoßen. Doch statt des erlösenden Geräuschs blickte ich stattdessen in Cornelias ungläubiges Gesicht! Sie hatte mich klammheimlich aus den Augenwinkeln heraus beobachtet und blamierte mich mit schallendem Gelächter wegen des misslungenen Anschlags. Als ich ihr den Grund für meine außergewöhnliche Aktion erklärte, verstand sie meine Neugierde.

Ohne zu zögern, nur leicht bekleidet, schlich ich mich nach draußen. Fast noch schlafend wirkte die Natur um mich herum. Ich kam mir geradezu vor wie ein ungebetener Ruhestörer, der hier um diese Zeit nichts zu suchen hat.

Wenige Schritte entfernt, ein friedfertiges Bild. Zahlreiche herrliche Pfauen inmitten kleiner rehartiger Tiere, die friedlich im silbern anmutenden Morgenlicht äsend und eifrig pickend umherliefen. Stumm und geräuschlos stand ich ungeschützt vor der Hütte, ohne dass sie Notiz von mir nahmen. Doch bereits nach kurzer Zeit kehrte ich wieder in den schützenden Bungalow zurück, wo mich Cornelia bereits erwartete und mit einem frischen, schmackhaften Tee überraschte!

Der neue Tag schien uns gut gesonnen, auch das ersehnte Wetter schien endlich zu stimmen. Vor meinem Abmarsch wollten wir im Restaurant in aller Ruhe gut frühstücken. Die Zeit dazu hatten wir allemal. Der Marsch sollte nach mehreren Aussagen schon etwas anstrengender sein. Auch sollte die Auswahl an Essen in der Berghütte nicht allzu üppig ausfallen. Doch dies sollte für mich kein Problem sein.

Etwa gegen sieben konnten wir zum Frühstück laufen. Dies war es ohnehin bald. „Wenn wir keine Hetze veranstalten wollen – warum nicht gleich drauflos?“, meinte ich mit einem leichten Anflug von Grinsen im Gesicht …

Bereits kurze Zeit darauf saßen wir im völlig verwaisten Gastraum. Ich muss gestehen, ich hatte bereits einen mächtigen Appetit. Und es konnte mir nicht schnell genug gehen! Als ob sie es geahnt hätte, brachte mir die glutäugige Kellnerin auch rasch schon ein paar schmackhaft gefüllte Omeletts samt Toast, Butter und verführerisch anmutenden Marmeladen. Natürlich durfte der obligatorisch duftend frische Tee nicht fehlen! Doch auch Cornelia stand mir in keinster Weise in etwas nach. Na denn, prost …

Völlig entspannt genossen wir die unbeschreibliche Atmosphäre. „Einfach zum Wohlfühlen“, meinte Cornelia mit ihrem strahlenden Jungmädchengesicht. Eine große Last wurde in diesem Augenblick von mir genommen! Ich spürte, sie würde es schaffen, eine weitere Nacht auch ohne mich auszukommen. Immerhin war sie mit ihren gerade einmal 14 Jahren doch noch ein Kind und fühlte sich dabei manch Gefahren ausgesetzt.

Unaufhaltsam drehte sich inzwischen der Zeiger und die Unruhe tat ihr Übriges. Mit besorgtem Blick auf die Uhr des Gastraums brachen wir auf. Und es dauerte nicht lange, bis wir auf der Anhöhe unseres Bungalows waren. Langsam schien auch Cornelia zu begreifen, dass sie bald völlig allein auf sich gestellt sein würde. Nach flüchtiger Umarmung noch eine kleine Aufmunterung: „Mach’s gut – pass auf dich auf.“ Kurz darauf entschwand mit letztem Blick auf Cornelia unser Bungalow hinter einem voll mit Wildwuchs überzogenen Hügel.

Nun war es wirklich so weit! Schon von Weitem entdeckte ich einen geduldig wartenden Guide, der mich freundlich mit seinem lockeren „Hello“ begrüßte. Er schien mir noch ein ziemlich junger Bursche zu sein. Doch Erfahrung besaßen die Guides allemal, zumal sie nur über eine gründliche und schwere Ausbildung einen solchen Traumjob erhielten. Und umgänglich schien er auf jeden Fall zu sein. Ohne große Umschweife versuchte er sofort mit mir ins Gespräch zu kommen. „Mein Name ist Sukaibin“, meinte er mit gewissem Stolz im Gesicht. Was immer auch dies bedeuten mochte! „Ich bin der Herbert“, versuchte ich ihm zu erklären, was er mit einem undurchschaubaren Lächeln quittierte. Doch zu viel mehr reichte unsere Unterhaltung nicht aus. Bevor es losging, setzte ich mein Gepäck ab und warf einen kurzen Blick in meine Kameratasche. Doch meine Befürchtung hatte sich zum Glück nicht bestätigt. Denn meine amerikanischen Zigaretten samt Feuerzeug, Kugelschreiber und Kaugummis waren ebenso dabei wie mein unentbehrliches Notizbüchlein, dazu die wichtigen Samentüten für botanische Raritäten unterwegs.

Es war schließlich gegen neun, als wir uns bei herrlich schönem Wetter und dröhnendem Lärm unzähliger Zikaden auf den beschwerlichen Weg machten. Der Pfad war noch fest und ausgetreten und führte uns hinab zu einer großen offenen Senke, die auf mich wie ein großer, von unendlichem Urwald umschlossener Kessel wirkte. Verteilt – wie eingebettet – wirkten die von oben im silbergrellen Tropenlicht erstrahlenden Dächer der einzelnen Gebäude. Und das umgarnende, bunt wirkende Grün in allen Nuancen hinderte mich mehrfach, einfach blindlings weiterzulaufen.

Dabei vernahm ich immer wieder sonderbare – ärgerlich erklingende – Geräusche, die mich an schwer arbeitende, kreischende Kreissägen erinnerten und versteckt aus dem Regenwald zu mir herüberdrangen. Fieberhaft suchte ich deshalb diese gut getarnten Sägewerke zu entdecken. Leider vergebens. Für mich war dies geradezu der Gipfel der Unverfrorenheit und einfach unglaublich, sollte dies mit Duldung der Parkverwaltung geschehen sein! Holzeinschlag im Schutzgebiet und dazu mit deren Unterstützung, einfach unvorstellbar. Schon bald drangen die an Wahnsinn grenzenden, schrillen Sägegeräusche aus allen Richtungen an mein Ohr. So viele Sägewerke kann es wieder nicht geben, überlegte ich. Also musste es eine andere Ursache haben! Doch dies sollte ich noch früh genug erfahren.

Während Sukaibin etwas vorneweg lief, genoss ich einfach mit jedem Atemzug die unbeschreibliche Schönheit mit all dem Unbekannten, das ständig auf mich einströmte und das ich auf Schritt und Tritt für mich entdeckte.

Eine kleine Bude links des Weges schließlich, besetzt mit ein paar übereifrig kontrollierenden Parkangestellten, hinderte uns zunächst am Weitermarsch. Denn ohne Genehmigung samt Eintrittsgebühren und einem zugeteilten Guide lief hier überhaupt nichts ab. Zum Glück gab es dank meines Guides keine Schwierigkeiten. Ein gut gemeintes, aufmunterndes Kopfnicken machte uns den Weg frei, munter konnten wir nun drauflos marschieren. Von nun an tauchten wir ein in eine andere Welt, mit eigenen Gesetzen und Regeln.

Mit seinen 754 km2Größe und noch weitgehend unberührten Urwäldern ist dieses Schutzgebiet auf Borneo geradezu einzigartig.

In seinem Innern beherbergt es unzählige Tier- und Pflanzenarten, die längst noch nicht alle entdeckt sind. Im Gegenteil, laufend kommen neue hinzu. Dies zeigt auf erschreckende Weise einmal mehr, was durch die sinnlose Zerstörung der letzten noch intakten Regenwälder Borneos an unentdeckten Tier- und Pflanzenarten für immer zerstört und vernichtet wird. Als ich die nackten, kahlen, gerodeten Berghänge inmitten der unendlich schönen, geheimnisbergenden Urwälder sah, blutete mir das Herz! Und ich fragte mich immer wieder, was müssen das für Menschen sein, die rücksichtslos und aus reiner Profitgier solche Verbrechen an Mensch und Natur unbestraft verüben können! Etliche der hier lebenden Pflanzen sind endemisch und kommen nur hier vor. Forscher schätzen die hier vorkommenden Pflanzenarten auf gute 6.000, darunter etwa 1.000 verschiedene Orchideen, 610 Farnarten, 135 Feigenarten, 52 verschiedene Palmen und 30 Ingwersorten neben 24 Arten von Rhododendren. Doch auch die Kannenpflanzen der Nebelwälder bringen es auf gute 9 Stück. Selbst die Fauna steht dem kaum in etwas nach. So sind bis jetzt allein 326 verschiedene Vogelarten bekannt, wie eine große Zahl seltenster Tierarten, die oft nur hier zu finden sind. Doch der gewöhnliche Rucksacktourist sucht meist vergebens und wird auf seinen vorgegebenen markierten Pfaden ohnehin so gut wie nichts zu Gesicht bekommen.

Ich wusste: Mir dürfte es dabei kaum anders ergehen. Breite, rotfarbene, stufenartig gewachsene Felsplatten, auf denen das Wasser des Vortages noch in Strömen von oben herunterschoss und von der einen Seite zur andern rann, gaben mir eine erste Vorahnung.