Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Männer und Beziehungen sind nichts für sie, dessen ist sich Emily nach den Erfahrungen der letzten Jahre absolut sicher. Doch dann trifft sie unvermittelt auf einen Mann, gegen dessen Anziehungskraft sie sich nicht lange wehren kann. Während David sie in seine Welt aus Dominanz und Unterwerfung einführt, versucht ein Stalker, sie in die Hände zu bekommen. Nun ist sie auf die Hilfe eines Mannes angewiesen, von dem sie nicht weiß, ob sie ihm trauen kann. Denn jeder könnte der geheimnisvolle Verfolger sein. Während dieser immer näher kommt und sein perfides Spiel treibt, muss Emily sich eingestehen, dass sie mehr für David empfindet, als sie sollte. Doch ehe sie sich genauer damit befassen kann, gerät sie in Lebensgefahr. Nun zählt jede Sekunde … Teil 3 der romantischen BDSM-Reihe "Broken Dreams".
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 398
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Dalia Black
Broken Fox: Gezähmt
© 2023 Plaisir d’Amour Verlag, D-64678
Lindenfels
www.plaisirdamour.de
Covergestaltung: © Sabrina Dahlenburg (www.art-for-your-book.de)
ISBN Taschenbuch: 978-3-86495-604-1
ISBN eBook: 978-3-86495-605-8
Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses Buch darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorin weitergegeben werden.
Inhalt
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Epilog
Autorin
Für meine Familie
Danke, dass ihr mich immer unterstützt.
Danke, dass ihr immer für mich da seid.
Danke, einfach für alles!
Emily
»Süße, bring uns noch drei Bier.«
Die Stimme eines angetrunkenen Gastes riss mich aus meinen Gedanken.
»Bitte«, ergänzte ich vor mich hin murmelnd und verdrehte die Augen.
Da sah man mal wieder, was Alkohol aus manchen Menschen machte. Sie vergaßen jegliche Höflichkeit. Außerdem war ich nicht seine Süße. Aber was solls? Solange die Gäste glücklich waren, war ich es auch.
Seit ein paar Wochen arbeitete ich im Old Fire´s. Es war ein netter, kleiner, uriger Pub, in dem es eine anständige Küche gab und der in meiner Heimatstadt Somerset, im Süden Englands, lag. Im Gastraum befanden sich mehrere hölzerne Stützbalken, die dem Zimmer ein besonderes Flair verliehen. Tische standen gleichmäßig verteilt im Raum, und an den Wänden und Decken hingen Lampen, die an Lampions erinnerten. Dunkle Holzvertäfelungen an den Wänden rundeten das Bild eines typischen Pubs ab.
Ich liebte diese Atmosphäre und diesen Job, auch wenn ich hier weniger verdiente als im letzten Restaurant. Was aber das Wichtigste war: Mein neuer Chef, Liam Harrison, war mir auf Anhieb sympathisch. Er war Mitte vierzig, hatte grau meliertes Haar, einen gepflegten Bart und seine Arme waren tätowiert. Aber das war nicht alles, womit er Dominanz versprühte. Sein komplettes Auftreten sorgte dafür, dass man Respekt vor ihm hatte. Mit seiner Präsenz nahm er den Raum ein, sobald er ihn betrat, und ich vermutete, dass man als Pub-Inhaber eine gewisse Ausstrahlung und ein dickes Fell haben musste, um mit schwierigen Gästen umgehen zu können. Sie tanzten ihm sonst auf der Nase herum.
Wenn ich ehrlich war, mochte ich dominante Männer, die wussten, was sie wollten. Schon immer. Liam sorgte dafür, dass ich mich hier von Anfang an wohl- und vor allem sicher gefühlt hatte. Es kam mir so vor, als hätten wir von Beginn an einen Draht zueinander.
Mein Ex-Chef, Jack O´Neill, war das genaue Gegenteil von ihm gewesen. Er führte ein Restaurant in der Stadt und war ein Mistkerl, wie er im Buche stand. Er hatte mich rausgeschmissen, weil ich ihn nicht rangelassen hatte. Ein schmieriger Typ, der meinte, seine Position als Chef ausnutzen zu können. Immer wieder begrapschte er mich und versuchte, mich ins Bett zu bekommen. Aber das konnte und wollte ich nicht mit mir machen lassen. Zum Glück wusste ich mich zu wehren, denn meine drei Cousins hatten mir einige Selbstverteidigungstricks beigebracht. Vor einem Monat war er jedoch zu weit gegangen und hatte seine Grenze eindeutig überschritten, indem er mich weiter bedrängt und versucht hatte, mir an die Wäsche zu gehen. Hätte Jack mich nicht rausgeschmissen, nachdem ich mich gegen seine Attacke gewehrt hatte, hätte ich von selbst gekündigt.
Tja, und nun war ich hier gelandet und bereute es kein bisschen.
»Wird‘s bald? Wir verdursten hier.«
Die Ungeduld des Gastes erinnerte mich daran, meinen Job zu erledigen. Es war kaum zu überhören, dass nicht mehr viel fehlte, bis er die Kontrolle über sich verlieren würde, denn er hatte schon einiges an Alkohol getrunken. Und dank meiner Erfahrung im Restaurant hatte ich ein gewisses Gespür für solche Leute entwickelt. Ich sollte Liam auf ihn aufmerksam machen, nicht, dass der Typ noch irgendwelche Dummheiten machte. Ich würde mit meinem Boss besprechen, dass der Gast als Nächstes nur noch Wasser serviert bekam.
»Sicher, kommt sofort.«
Ich beeilte mich, die Biere zu zapfen, und stellte die Gläser auf ein Tablett. Da Seth, unser Koch, im Urlaub war, übernahm mein Chef heute die Küche, während ich mich allein um den Service im Gastraum kümmerte, da sich meine Kollegin Brianna ausgerechnet diese Woche krankgemeldet hatte. Zum Glück hatte ich mich im letzten Monat schnell eingearbeitet und musste Liam nicht ständig um Hilfe bitten.
Ich ging um die Theke herum und nahm das Tablett in die Hand, bevor ich mich um die Tische herumschlängelte.
Es war viel los an diesem Freitagabend. Einige Gäste genossen ihr Feierabendbier, andere feierten irgendetwas. Und natürlich waren auch unsere Stammgäste anwesend, deren Namen ich mittlerweile kannte.
An einem Nebentisch meines Zieles saßen zwei Männer. Der eine von ihnen war mir schon zu Beginn des Abends aufgefallen. Er stach mit seinen strahlend grünen Augen, die wie Smaragde funkelten, und seinen dunklen Haaren aus der Menge heraus, außerdem trug er einen Dreitagebart, mit dem er verdammt heiß aussah. Sein Hemd verbarg einen muskulösen Körper und spannte an den Armen. Die Hemdsärmel hatte er hochgekrempelt, und ich konnte am rechten Arm ein Tattoo erkennen, das unter dem Hemd verschwand. Ich fragte mich, wie weit es wohl reichte. Zierte es seinen gesamten Oberkörper oder nur seinen Arm?
Neben ihm saß ein sonnengebräunter Surfertyp mit ähnlicher Statur und blonden, langen Haaren, die er zu einem Man Bun gebunden trug. Er sah auch sehr attraktiv aus, aber ich bevorzugte seinen Freund, dessen Blicke mich genau in dem Augenblick erreichten, als ich ihn anstarrte. Schnell senkte ich den Kopf und setzte meinen Weg zu den wartenden Gästen fort.
Erst vor drei Monaten hatte ich mich von meinem Freund Simon getrennt, da sollte ich nicht schon wieder an andere Männer denken. Simon und ich waren ein knappes Jahr zusammen gewesen, doch es hatte nicht funktioniert. Am Anfang war alles toll, aber er konnte mir sexuell nicht das geben, was ich wirklich brauchte. Ich wollte keinen sanften Blümchensex. Zwar war dieser zwischendurch mal ganz nett, aber ich benötigte Abwechslung. Wenn ich Simon bat, mir mal einen Schlag auf den Hintern zu geben, glich dieser einem zarten Streicheln. Mein Ex hatte keinerlei dominante Ader und nichts übrig für solche Art Vorlieben. Warum ich überhaupt mit Simon zusammen gewesen war? Keinen blassen Schimmer, nennen wir es einfach Geschmacksverirrung. Er war nun mal kein Bad Boy, wie vermutlich der Hottie am Nebentisch es war, dem ich seine dominante Aura in seinem selbstbewussten Auftreten ansehen konnte. Sein Blick löste ein nervöses Kribbeln in mir aus, das ich nicht einzuschätzen vermochte. Vielleicht zog er mich deswegen in seinen Bann? Er hatte etwas an sich, das mich nicht losließ. Ich konnte seinen Blick im Rücken spüren, der mich fixiert hielt. Als ich den Kopf leicht drehte, erkannte ich im Augenwinkel, dass er irgendetwas zu seinem Freund sagte, doch ich konnte ihn in diesem Trubel und der Hintergrundmusik nicht verstehen.
Als ich an meinem Ziel ankam, setzte ich das Tablett auf der Kante des Tisches ab und verteilte die drei Gläser.
»Hey, Zuckerschnute, wann hast du Feierabend?«
Rechts von mir saß eine Gruppe Männer, die ich auf Mitte zwanzig schätzte, also ungefähr fünf Jahre jünger als mich. Sie waren in Feierlaune, daher ignorierte ich die Frage und machte weiter meinen Job. Auch das hatte ich in all den Jahren als Kellnerin gelernt: nicht allen Avancen Beachtung zu schenken, denn das konnte schnell aus dem Ruder laufen.
Gerade als ich das Tablett wieder hochnahm, spürte ich eine Hand auf meinem Hintern. Sofort drehte ich mich um und holte zum Schlag aus. Doch wen ich mit der Faust traf, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.
David
Ich kippte nach hinten, da ich mit einer solchen Attacke nicht gerechnet hatte, und wurde von Finn gestützt.
»Verfluchte Scheiße! Hast du sie noch alle, Tiger?! Fahr deine Krallen ein!«
Ich konnte nicht fassen, dass die Frau, die mir von Anfang an aufgefallen war, mir gerade ein blaues Auge und eine blutende Nase beschert hatte.
Eigentlich wollte ich mit meinen besten Freunden, Ian McAdams und Finn Masterson, einen gemütlichen Abend im Old Fire´s, unserem Stammpub, verbringen und jetzt das?
Ian und ich hatten auf Finn gewartet, der aufgehalten worden und verspätet zur Tür hereingekommen war. Kaum saß er neben uns, beobachtete ich, wie einer der Wichte am Nebentisch die neue Kellnerin anbaggerte und es wagte, sich an ihrem appetitlichen Arsch zu vergreifen. Sofort stand ich auf und wollte ihr zu Hilfe eilen und diesen Typen am Kragen packen, als die Kleine sich umdrehte und ausholte. Wahrscheinlich hatte sie mich für den Übeltäter gehalten.
»Was fällt dir ein, mich einfach anzufassen, Arschloch?«, schrie die Rothaarige sofort und funkelte mich mit Wut in ihren honigfarbenen Augen an.
Liam, einer unserer ältesten Freunde und Inhaber des Old Fire´s, musste den Aufruhr in der Küche gehört haben, denn Sekunden später stand er neben uns und wandte sich seiner Angestellten zu.
»Was zum Teufel ist hier los, Emily? Wieso schlägst du einen Gast?«
Finn reichte mir ein Tuch, das er wohl von der Theke genommen hatte, und ich drückte es auf meine Nase. Die Kleine hatte mich mit ihrem Schlag ordentlich erwischt.
»Ich … ähm … er hat mich …«
Ich fuhr dazwischen. »Ich wollte ihr helfen, da ich gesehen habe, wie dieser Typ hier«, ich wandte mich der Gruppe zu, die neben uns saß, »es wagte, sie zu begrapschen.«
Liam würde meine Aussage nicht infrage stellen und mir glauben, denn wir kannten uns schon lange und vertrauten einander.
Er wandte sich umgehend an den Mann, der, ohne seinen Blick zu heben, an seinem Bierdeckel knibbelte, als ginge ihn das nichts an, und verschränkte die Arme vor seinem Brustkorb.
»Ich würde sagen, du packst deine Freunde ein und verschwindest von hier. Und ich brauche wohl nicht extra zu erwähnen, dass ihr ab sofort Hausverbot habt. Verschwindet und lasst euch nicht mehr blicken. Niemand hat das Recht, mein Personal anzutatschen.« Er drehte sich zu der Kellnerin. »Willst du Anzeige erstatten, Emily?«
Sie schüttelte den Kopf. Die Kleine wirkte auf einmal sehr verlegen und biss sich auf ihre Unterlippe, als sie sich auf mich konzentrierte. »Es tut mir leid! Ich dachte wirklich, dass …«
Ich winkte ab. »Schon gut. Aber vielleicht solltest du dich das nächste Mal erst vergewissern, dass du den Richtigen triffst und nicht deinen Retter k. o. schlägst.«
Auch wenn ich alles andere als erfreut über das Geschehene war, konnte ich ihr nicht böse sein. Schließlich hatte sie sich nur verteidigen wollen.
Die angetrunkenen Jungs zogen sich unter murmelndem Protest zurück, schubsten ihren Freund, der für ihren Rauswurf verantwortlich war, vor sich her und verließen sichtlich unzufrieden mit dem, was ihr Kumpel verbockt hatte, den Pub.
Liam wandte sich wieder an seine Angestellte. »Ist wirklich alles okay bei dir, Emily?«
»Ja, alles gut. Ich will keinen unnötigen Ärger. Solange die Typen nicht wiederkommen, ist alles in Ordnung. Ich gehe dann mal zurück an die Arbeit. Und es tut mir wirklich leid!« Mit diesen Worten drehte sie sich um und verschwand mit schnellen Schritten hinter der Theke.
Im Pub war es bis auf die leise Hintergrundmusik einer Rockband, die aus den Lautsprecherboxen drang, ziemlich still geworden, denn alle hatten ihre Aufmerksamkeit auf das Geschehen gerichtet. Liams Blick auf die Gäste genügte jedoch, damit diese sich wieder ihren Speisen und Getränken widmeten.
Ian, Finn und ich setzten uns zurück an den Tisch. Liam folgte uns. Er stützte sich mit einer Hand auf der Platte ab und sah mich an. »Brauchst du einen Arzt?«
Schnaubend winkte ich ab. »Quatsch, ich habe schon schlimmere Verletzungen überlebt, da ist eine blutende Nase nichts gegen. Ich werde Robyn nachher einen Blick darauf werfen lassen.«
Er nickte. Wir kannten uns seit der Militärzeit und er wusste, dass ich recht hatte, denn ich hatte früher schlimmere Verletzungen erlitten, zum Beispiel eine Stichwunde bei einem Nahkampf, von der ich eine Narbe als Erinnerung behalten hatte. Inzwischen war ich mit meinen achtunddreißig Jahren zu alt für so viel Action, hatte mit den Jungs den Dienst quittiert und ging anderen Beschäftigungen nach. Gemeinsam mit Ian und Finn führte ich eine Detektei, und mein drei Jahre jüngerer Bruder Ben und ein weiterer Freund, Philipp Bentleys, waren Anwälte. Wir wohnten und arbeiteten alle zusammen in einem alten Herrenhaus und es war die beste Entscheidung, die wir je getroffen hatten.
Ich ließ das Handtuch sinken, da die Blutung inzwischen nachgelassen hatte, wusste jedoch, dass ich die Verletzung bald kühlen musste.
Liam klopfte mir auf die Schulter und trat zu Emily hinter die Theke. Kurz darauf kam er mit einer Runde Whiskey und einem Kühlpack zu uns zurück. »Geht aufs Haus. Ich muss jetzt wieder in die Küche. Wenn was ist, sagt Bescheid.«
Er verschwand hinter der Tür, die sich links vom Tresen befand.
Mein Blick fiel auf die Frau, die mich, im wahrsten Sinne des Wortes, umgehauen hatte, und ertappte sie dabei, wie sie mich immer wieder verstohlen musterte. Emily. Süßer Name, auch wenn er nicht ganz zu ihr passte, denn diese Frau hatte Temperament. Es juckte mir in den Fingern, dieses zu zügeln. Ihr entzückender Arsch, der sich in der engen Jeans, die sie trug, versteckte, lud zu einem ordentlichen Spanking ein. Ich war ein Master, genau wie meine Freunde und mein Bruder. Ben und Philipp waren mittlerweile glücklich liiert, mein Bruder würde morgen sogar Liv heiraten, doch ich zog es vor, allein zu bleiben. Zwischendurch hatte ich diverse Spielbeziehungen und nicht das Bedürfnis, mich in irgendeiner Form zu binden. Abwechslung war das, was ich bevorzugte. Außerdem hatte ich mitbekommen, wie sehr mein Bruder unter dem Verlust seiner damaligen Freundin Sarah gelitten hatte, und verspürte daher nicht den Drang, ebenfalls so einen Schmerz zu erleben. Darauf konnte ich verzichten. Ein bisschen beneidete ich meinen Bruder und Philipp vielleicht doch, da sie mittlerweile ihr Glück in Form von Liv und Robyn gefunden hatten, aber ich war mir sicher, dass ich im Moment glücklich war, wie es war.
Allerdings wüsste ich allzu gern, ob die kleine Kellnerin Single war und wie sie auf meine Dominanz reagieren würde. Schon früh hatte ich begonnen, die in mir schlummernde Dominanz auszuleben, und war in den vergangenen Jahren ein Meister darin geworden, die Körpersprache von anderen zu lesen. Eingehend beobachtete ich jede ihrer Bewegungen und ihren Blick, den sie schüchtern senkte, wenn sie bemerkte, dass ich sie ansah. Dazu kam die leichte Röte, die sich auf ihrem Gesicht und Dekolleté ausgebreitet hatte. Ihre Verlegenheit ließ darauf schließen, dass sie sich zu mir hingezogen fühlte. All dies entfachte meine Neugier auf sie und ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass sie mich nicht reizte. Und wenn ich mich nicht täuschte, dann beruhte dieses Interesse auf Gegenseitigkeit. Ihre ständigen – wie sie wahrscheinlich glaubte – heimlichen Blicke verrieten sie.
»Bist du noch bei uns, Kumpel?«, fragte Ian mich.
Meine beiden Freunde sahen mich an. Offensichtlich hatte ich einiges von ihrem Gespräch verpasst.
»`Tschuldigung. Was habt ihr gesagt?«
»Ich wollte gerade erklären, weswegen ich zu spät gekommen bin.« Finn nahm einen weiteren Schluck von seinem Bier.
»Stimmt, du warst bei unserem derzeitigen Schützling, richtig?« Ich sah ihn an und schenkte ihm meine volle Aufmerksamkeit.
»Genau. Die Kleine ist zwar ganz heiß, aber total zickig. Ich kann echt nicht verstehen, wie man auf so einem hohen Ross sitzen und sich für etwas Besseres halten kann. Ihr Vater hatte recht mit der Aussage, dass seine Tochter schwierig sei, und allmählich bereue ich es, dass wir diesen Job angenommen haben, erst recht nach der Nummer, die sie heute abgezogen hat«, fuhr mein Freund fort.
Derzeit arbeiteten wir für einen reichen Londoner Baumogul, dessen Tochter bedroht wurde. Seit einigen Tagen hatten wir aber den Verdacht, dass das nicht der Wahrheit entsprach. Die Drohungen, die ihr Vater erhielt, schienen zu stümperhaft, so, als ob sie von einem Laien verfasst worden waren. Außerdem gab es, seitdem wir auf die Tochter aufpassten, keine Vorkommnisse oder anderen Versuche, die Kleine zu entführen, wie es laut den Drohbriefen immer wieder angedroht wurde. Wir hatten nichts außer den Berichten von Vater und Tochter sowie die Drohungen in Form von Briefen in der Hand. Deswegen hatten wir entschieden, demnächst den Schutz einzustellen und uns vorab noch einmal mit unserem Auftraggeber zu besprechen.
»Vielleicht sollten wir weiter an unserer Theorie arbeiten und herausfinden, ob die Tochter nicht selbst etwas zu verbergen hat.«
Ian hatte recht. Von Anfang an hatten wir bei ihr ein merkwürdiges Gefühl. Vielleicht verbarg sich ein Freund von ihr dahinter und sie steckten unter einer Decke, warum auch immer. Es gab einige Dinge, weshalb sie das tun könnten. Geld könnte dabei die ausschlaggebende Rolle spielen.
»Es spricht einiges dafür, denn ihr wisst noch nicht alles.« Finn hielt inne und Ian und ich sahen ihn an.
»Jetzt mach es nicht so spannend, Bro.«
»Ich war heute noch einmal in ihrer Villa, da sie mir angeblich eine neue Drohung zeigen wollte. Das allein hätte mir schon zu denken geben sollen. Erstens, weil ich die ganze Zeit vor ihrer Tür gestanden und das Haus beobachtet hatte und niemand dort aufgetaucht war, und zweitens, weil die Drohbriefe bisher ausschließlich bei ihrem Vater gelandet waren.« Er schüttelte in seinen Überlegungen versunken den Kopf. »Jungs, ich schwöre euch, ich war wie gelähmt, als sie mir halb nackt, nur mit einem Morgenrock bekleidet, dessen Gürtel nur halb geschlossen war, die Tür öffnete. Ich ließ mir nichts anmerken und folgte ihr ins Esszimmer. Kaum, dass ich am Tisch saß, kam sie auf mich zu, ließ ihre Hüllen fallen und setzte sich nackt auf meinen Schoß. Sie warf sich mir förmlich an den Hals und ich konnte nichts gegen sie machen. Nachdem ich mich unter Kontrolle hatte, sie abwehrte und ihr klar machte, dass ich einen Job zu erledigen hätte, verlor sie die Fassung und redete irgendein Kauderwelsch.«
Ian und ich prusteten los, dabei spuckte ich das Bier, das ich gerade runterschlucken wollte, quer über den Tisch und traf Finn.
»Nicht witzig, Jungs«, brummte er, wischte sich das Bier mit einer Serviette ab und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Doch. Ich stelle mir gerade vor, wie der große Sir Finn Masterson wehrlos einer nackten Frau ausgeliefert war, die ihn besprungen hat.«
Erneut fing Ian an zu lachen. Finns Entrüstung war zu komisch. Genau wie wir anderen war er ein Dom und ein sehr strenger dazu, keine Sub hatte es je gewagt, ihm irgendwelche Widerworte zu geben, und ihn jetzt so sprachlos zu sehen, war noch nie vorgekommen.
Einige Minuten später hatten wir uns wieder im Griff, grinsten unseren Freund aber weiterhin an. Das würden wir ihm definitiv noch einige Zeit lang unter die Nase reiben.
»Jetzt mal im Ernst, Jungs. Was ist, wenn sie die Drohungen selbst verfasst? Aus mangelnder Aufmerksamkeit oder was weiß ich. Nach der Nummer heute würde ich es ihr durchaus zutrauen.«
»Ja, du könntest recht haben. Ich hatte euch doch auch schon gesagt, dass ich von Anfang an ein merkwürdiges Gefühl bei ihr hatte«, erklärte ich. »Das Treffen mit ihrem Vater ist doch für nächste Woche anberaumt. Ich schlage vor, wir konfrontieren ihn mit der Idee und sehen dann weiter. Sicher ist, dass derzeit keine akute Gefahr und somit kein Handlungsbedarf besteht. Oder seht ihr das anders?«
Meine Freunde schüttelten den Kopf.
Nachdem wir uns darauf geeinigt hatten, mit dem Vater zu reden, beendeten wir das Thema und tauschten uns über den morgigen Tag aus. Wir waren gespannt, denn mein Bruder würde seine Liv heiraten. Alle freuten sich für die beiden. Sie hatten viel erlebt und hatten es verdient, endlich glücklich zu werden und nach vorn zu schauen.
Ich musste meinen Bruder nur wegen des blauen Auges beschwichtigen. Er würde es bestimmt nicht lustig finden, wenn das auf den Hochzeitsfotos aufleuchtete. Vielleicht konnte Liv mir mit etwas Make-up aushelfen. Die Frauen hatten da doch immer so ihre Tricks. Immerhin hatte Liv, als wir sie kennengelernt hatten, genau so einen angewandt, dass wir auf den ersten Blick nichts von ihren Verletzungen erahnen konnten.
Die Jungs und ich unterhielten uns noch einige Zeit. Dabei entgingen mir die Blicke, die Emily mir immer wieder zuwarf, keineswegs. Aus dem Augenwinkel erwischte ich sie ständig dabei, wie sie mich beobachtete. Ich nahm mir vor, sie in den nächsten Tagen ein wenig auf die Probe zu stellen, um herauszufinden, was das zwischen uns war. Denn sie versprühte eine Anziehungskraft auf mich, die ich bisher selten erlebt hatte.
Emily
Endlich Feierabend! Meine Füße taten von dem ganzen Hin- und Herlaufen höllisch weh. Vielleicht sollte ich Liam nach Kilometergeld fragen. Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf. Wahrscheinlich würde er mich nur mit einem finsteren Blick niederstarren und mein Anliegen im Keim ersticken.
Na ja, einen Versuch wäre es vielleicht doch wert, denn ich konnte das Geld sehr gut gebrauchen. Ich bewohnte nur ein kleines Einzimmerappartement, da ich mir keine größere Wohnung leisten konnte, und besaß auch kaum Möbel: eine Matratze, eine Kleiderstange, eine Mikrowelle, eine Spüle und einen winzig kleinen Kühlschrank.
Und wer war schuld an der Misere? Ein Typ, mit dem ich vor Simon zusammen war und der mich ausgenommen hatte wie eine Weihnachtsgans. Leider hatte ich die rosarote Brille auf und zu spät bemerkt, dass er mein ganzes Geld verzockt hatte. Letztendlich musste ich mein restliches Hab und Gut verkaufen, um halbwegs über die Runden zu kommen, da er plötzlich spurlos verschwunden war. Zwar hatte ich einen Job, aber im Restaurant verdiente man keine Millionen, um die Schulden, die wegen Vince auf mir lasteten, begleichen zu können. Daher hatte ich einen Zweitjob, dem ich drei- bis viermal die Woche nachging: Zeitungen austragen. Es war ein mühseliger Job, da ich auch mein Auto verkauft hatte und alles mit dem Rad und einem kleinen Anhänger erledigen musste, nachts und zu jeder Jahreszeit. Der Lohn war noch geringer als hier im Pub, aber es war die einzige Möglichkeit, mich halbwegs über Wasser zu halten.
Meine Familie konnte ich nicht um Hilfe bitten, denn ich schämte mich zu sehr, ihnen dann sagen zu müssen, dass ich arm wie eine Kirchenmaus war und am Existenzminimum lebte.
Meine Eltern waren nach Australien ausgewandert, als ich noch ein Teenager war. Da ich die Schule beenden und vor allem meine Freunde nicht verlieren wollte, hatten sie sich einverstanden erklärt, dass ich bei Onkel Arthur und Tante Abigail sowie meinen drei älteren Cousins lebte.
Ich hatte wirklich eine super Kindheit, denn die Jungs waren bereits damals immer für mich da gewesen und behandelten mich eher wie ihre kleine Schwester als ihre Cousine. Sie hatten mich beschützt und so einige Jungs vertrieben, die es nicht gut mit mir meinten und mich nur ausnutzen wollten, um mich flachzulegen. Es war zugleich Segen und Fluch, denn so hatte ich Schwierigkeiten gehabt, überhaupt einen Mann kennenzulernen.
Spätestens jetzt bereute ich es, ihnen nicht von Vince erzählt zu haben, denn dann wäre es nie so weit gekommen und ich würde nun nicht in so einer Lage stecken. Ich wusste, sie wären immer für mich da, doch ich konnte sie trotzdem nicht um Hilfe bitten, ich schämte mich zu sehr dafür, dass ich so dumm gewesen war.
Wie hieß es so schön? Hinterher war man immer schlauer. Es lehrte mich jedenfalls, mich nicht mehr so schnell auf einen Mann einzulassen. Tatsächlich wusste ich nicht, ob ich überhaupt noch bereit für eine Beziehung war, nachdem meine letzten beiden so schiefgelaufen waren. Als Single ging es mir gut. Ich war mein eigener Chef und musste niemandem Rechenschaft über mein Tun und Lassen ablegen. Daher hatte ich nach Simon beschlossen, keine feste Partnerschaft mehr einzugehen. Ich würde es so nehmen, wie es kam, und nur noch Spaß haben.
Nachdem ich mich umgezogen und meine Sachen gepackt hatte, ging ich zur Hintertür des Pubs hinaus und schloss sie ab. Dann lief ich auf mein Fahrrad zu, das hinter einem Müllcontainer angekettet war. Am Rad angekommen sah ich, dass auf dem Boden neben ihm ein Strauß Blumen lag. Wie waren die denn hierhergekommen? Ich blickte mich um, aber es war niemand zu sehen. Dann bückte ich mich, hob sie vom Boden auf und legte sie auf den Gepäckträger. Während ich die Kette aufschloss, überlegte ich, von wem die Rosen sein könnten.
Plötzlich nahm ich Schritte hinter mir wahr, die mich aus meinen Gedanken rissen. Hoffentlich war das nicht der Typ von letzter Woche, der mich angefasst hatte, und ich bereute sofort, nicht zusammen mit Liam gegangen zu sein. Aber ich hatte ihm angeboten, das restliche Geschirr abzuspülen, obwohl es schon spät war und das bis morgen hätte warten können, dennoch wollte ich es noch heute erledigen.
Ich hielt den Schlüssel so in der Hand, dass die Spitze zwischen meinem Zeige- und Mittelfinger herausschaute. So könnte ich mich im Ernstfall wehren. Dies war einer der Tricks, den meine Cousins mir beigebracht hatten, denn damit konnte man einem Angreifer erheblichen Schaden zufügen. Prompt erinnerte ich mich an die Worte dieses Fremden: Vielleicht solltest du dich das nächste Mal erst vergewissern, dass du den Richtigen triffst.
Langsam wandte ich mich um und erschrak, denn mit diesem Mann hätte ich nie gerechnet.
»Simon?«
»Hey, Schatz.«
Ich seufzte und entspannte mich, denn von meinem Ex ging keinerlei Gefahr aus.
»Simon, es hat sich ausgeschatzt. Ich habe dir doch gesagt, dass das mit uns nicht funktioniert. Wie oft soll ich dir das noch sagen? Und warum lauerst du mir hier auf? Woher weißt du überhaupt, wo ich arbeite?«
Plötzlich schrillten meine Alarmglocken. Ich traute Simon zwar nicht zu, dass er mir etwas tun würde, doch sein Auftauchen beunruhigte mich dennoch.
»Bitte, lass es uns noch einmal versuchen. Ich werde mich ändern, versprochen.«
Er trat näher, ich wich zurück und umfasste den Lenker des Rades fester. Er gab mir keine Antworten auf meine Fragen und ein Schauer lief mir über den Rücken.
»Simon, du kannst dich nicht ändern, du …«
»Emily, alles in Ordnung?« Die tiefe Stimme von Liam ertönte von der Hintertür, die er wieder aufgeschlossen haben musste. Gott sei Dank! »Ich habe etwas vergessen und hier hinten noch Licht gesehen.«
Er erkannte, dass ich nicht allein war. An meiner Haltung konnte er wahrscheinlich ablesen, dass ich nicht erfreut über diese Begegnung war. Liam trat auf den Hof und stellte sich schützend vor mich. Seine imposante Größe von einem Meter neunzig schüchterte Simon zusehends ein, denn er war gute fünfzehn Zentimeter kleiner, und so ging er einen Schritt zurück.
»Es ist alles okay, Liam, danke«, beruhigte ich meinen Chef.
»Bitte, Emily, überleg es dir noch mal.« Simon versuchte, an Liam vorbeizusehen, und ich trat etwas zur Seite, um seinen Blick zu erwidern.
»Es gibt nichts zu überlegen, und jetzt geh bitte und komm nicht mehr hierher. Lass mich in Ruhe.«
Jetzt, da ich nicht mehr allein vor Simon stand und wusste, dass mein Chef notfalls eingriff, beruhigte ich mich langsam. Mein Ex senkte traurig den Blick, ließ seine Schultern hängen, drehte sich um und war nach wenigen Metern in der Dunkelheit verschwunden. Ich atmete tief durch.
Liam drehte sich zu mir herum und legte seine Hand auf meine Schulter. »Bist du in Ordnung? Wer war das?«
»Ja. Ja, danke. Niemand.« Ich wollte nur noch nach Hause, aber als ich mich aufs Rad setzen wollte, hielt Liam mich zurück.
»Warte. Ich schließe hier ab und bringe dich dann nach Hause.«
»Das ist nicht nötig. Wirklich. Ich habe es nicht weit.«
Ich würde es nicht zugeben, aber ich war froh über sein Angebot. Doch ich wollte nicht, dass er sich wegen mir Umstände machte. Außerdem wollte ich nicht, dass er sah, wie ich lebte.
Liam ignorierte meinen Einwand jedoch, schloss die Hintertür ab, schnappte sich das Fahrrad und mit der anderen Hand meinen Ellenbogen. Dann zog er mich um die Hausecke und führte mich zu seinem Volvo, der vor dem Pub parkte.
»Hübsche Blumen. Sind sie von diesem Niemand?«
Mist! Ich hatte vergessen, Simon zu fragen, ob er sie dort hingelegt hatte. Ich hob die Schultern. »Keine Ahnung. Wahrscheinlich.« Wer sollte sie sonst dort deponiert haben?
Liam musterte mich skeptisch, sagte aber nichts weiter dazu. Dann öffnete er den Kofferraum und nachdem er die Rücksitze umgeklappt hatte, hob er mein Bike in sein Auto.
»Nun schwing deinen Hintern schon in den Wagen, Mädchen.«
Seine Worte ließen keinen Protest zu, doch ich kämpfte mit mir. Sollte das der Anfang einer Anmache sein oder war ich einfach nur paranoid wegen meines Ex-Arbeitgebers? Kurz zögerte ich, fasste dann aber den Entschluss, Liam zu vertrauen, und wenig später fuhren wir vom Parkplatz auf die Straße.
Mein kleines Appartement lag nicht weit vom Pub entfernt, und mit dem Auto kamen wir schon nach wenigen Minuten vor dem Haus an. Liam parkte in einer Parklücke und schaltete das Fahrzeug aus.
»Danke, das war sehr nett von dir.« Ich löste den Gurt und öffnete die Tür.
»Warte, ich helfe dir mit dem Rad.«
»Das ist nicht nötig.«
Doch mein Chef stieg mit mir aus und hob das Rad mühelos aus seinem Kofferraum. »Danke.«
»Nicht dafür. Das ist selbstverständlich. Und glaub ja nicht, dass ich nicht gemerkt habe, dass du auf meine Frage, wer der Typ war, nicht die Wahrheit gesagt hast. Für heute lasse ich es aber gut sein. Wenn er allerdings noch mal auftauchen sollte, sag mir Bescheid.« Eindringlich sah er mich an.
Ich ging nicht darauf ein, während ich Liam das Rad aus der Hand nahm, doch ich hätte damit rechnen müssen, dass er eine Antwort verlangte und sich nicht mit meinem ausweichenden Verhalten zufriedengeben würde. Er ließ das Bike nicht los. Stattdessen nahm er mein Kinn in seine Hand und starrte mich an.
Seufzend antwortete ich: »Mach ich. Versprochen. Entschuldige die Umstände und danke nochmals.«
Endlich entließ er mein Fahrrad aus seinem Griff, und ich wandte mich dem Haus zu. Abwartend stand er an seiner Fahrertür, wahrscheinlich um sicherzugehen, dass ich wohlbehalten im Gebäude verschwunden wäre. Da ich mir ohnehin noch eine dickere Jacke anziehen musste, um während meines Zweitjobs nicht zu erfrieren, lehnte ich mein Fahrrad an die Hauswand, sicherte es mit dem Schloss und ging mit den Blumen zur Tür. Inzwischen saß er in seinem Wagen, doch ich konnte seinen Blick noch immer auf mir spüren. Es war ein gutes Gefühl, dass sich jemand so offen Sorgen um mich machte, aber gleichzeitig war es mir unangenehm. Immerhin war er mein Chef. Und was ich für Erfahrungen mit einem Boss hatte, brauchte ich wohl nicht zu erwähnen.
Nachdem ich eingetreten war, schloss sich die Tür automatisch hinter mir und ich hörte die leiser werdenden Motorengeräusche von Liams Wagen. Tief atmete ich durch.
Als ich im vierten Stock angekommen war, sah ich einen weiteren Strauß roter Rosen auf meiner Fußmatte liegen und stoppte in der Bewegung. Was war hier los? Erlaubte sich jemand einen Scherz mit mir? War Simon etwa vorher hier gewesen und hatte mir die Blumen hinterlassen? Aber das machte keinen Sinn. Warum hatte er dann noch welche an meinem Fahrrad hinterlassen? Tief in Gedanken versunken nahm ich sie mit in die Wohnung. Da ich keine Vase besaß, ließ ich Wasser in mein Spülbecken laufen und legte beide Sträuße mit den Stielen hinein. Die Blumen konnten schließlich nichts für Simons Verhalten. Seufzend sah ich sie ein letztes Mal an, bevor ich den Blick abwandte.
Ich musste mich beeilen, wenn ich bald ins Bett wollte, und zog mir meine dickere Jacke an. Es ging auf den Herbst zu und die Nächte konnten schon ziemlich frisch werden.
Bevor ich zur Tür heraustrat, sah ich erst durch das Fenster und dann durch den Türspion, ob die Luft rein war. Es würde mir noch fehlen, wenn mein Ex erneut vor mir stehen würde. Hoffentlich hatte er endlich begriffen, dass es vorbei war und er vergeblich um eine weitere Chance bat. Die Blumen würden daran nichts ändern. Nie würde es mit uns funktionieren. Wenn ich Simon mit diesem David vergleichen würde … Nein! Stopp! Die beiden konnte man nicht miteinander vergleichen. David strahlte aus jeder Pore seines Körpers pure Dominanz aus, die mir bereits aufgefallen war, als er den Pub betreten hatte. Fast wünschte ich mir, er wäre ein Dom wie aus den vielen Büchern, die ich las. Schon immer träumte ich davon, so jemanden kennenzulernen und mich fallen zu lassen. Doch dies war nur ein Traum, zu schön, um wahr zu sein. Es mochte sein, dass David dominant war, aber das bedeutete gar nichts. Ich sollte mich nicht in noch mehr Träumereien als ohnehin schon verstricken. Ich sollte mir nicht vorstellen, wie er meinen Hintern versohlen würde, wie er mich mit seinen Blicken verschlingen würde und … Stopp! Nein. Ich sollte wirklich aufhören, mich in dieser Fantasie zu verirren. Es war eine schlechte Idee. Ich hatte mir gerade erst geschworen, mich nicht wieder auf einen Mann einzulassen, keine Beziehung einzugehen. David sah nicht so aus, als hätte er einfach unverbindlichen Sex. Außerdem hatten wir keinen besonders guten Start gehabt. Immerhin hatte ich ihn geschlagen, und er machte nicht den Eindruck, davon sehr angetan gewesen zu sein. Aber wer wäre das schon?
Ich schüttelte den Kopf und verscheuchte diese Gedanken, jetzt musste ich mich um meinen Job kümmern. Je länger ich hier stand, desto länger brauchte ich, und die Aussicht, mich aufs Ohr zu hauen, würde in weite Ferne rücken. Also schloss ich die Wohnungstür und stieg die Treppen hinab.
An der Haustür kam mir mein Nachbar, Mr. Browner, vom Keller aus entgegen. Er sah mich erschrocken an, als er mich bemerkte.
»Miss Stone. Zu so später Stunde noch unterwegs?«
Er trug eine Kiste, die mit Kissen und Wolldecken vollgestopft war. An einer Ecke hing etwas heraus, das aussah wie ein … Seil? Ich zuckte mit der Schulter. Was ging es mich an. Vermutlich band er die Kissen und Decken zusammen, um sie ordentlich stapeln zu können. Ich dachte mir nichts weiter dabei.
»Ja, ich muss leider noch etwas arbeiten.«
»Machen Sie nicht zu lange. Eine Frau sollte um diese Jahreszeit und so spät nicht mehr draußen sein.« Er warf mir einen strengen Blick zu, so, wie mein Vater es damals immer getan hatte, wenn ich böse war. »Vor allem nicht allein.«
Er berührte meine Hand, doch ich entzog sie ihm schnell wieder. Etwas in seiner Mimik ließ mich erschauern, sodass ich nur nickte und nach einer kurzen Verabschiedung nach draußen trat.
David
Einen Kaffee schlürfend saß ich am Küchentisch. Heute Morgen kam ich nicht in die Gänge und könnte diese schwarze Brühe literweise trinken. Finn, Ian und ich trafen uns gleich mit unserem Klienten, dem Vater des zickigen Schutzobjekts. Wir wollten ihn mit dem Verdacht konfrontieren, dass seine Tochter hinter alldem steckte. Es blieb abzuwarten, was er dazu sagte und ob er unsere Dienste weiter in Anspruch nehmen wollte.
Ich nahm einen erneuten Schluck von dem Muntermacher, als mein Bruder in die Küche trat. »Guten Morgen!«
»Morgen.«
»Was machen dein blaues Auge und die Nase?«, fragte Ben amüsiert. Es verging kein Tag, an dem die Jungs mich nicht damit aufzogen und sich ein breites Grinsen in ihre Gesichter stahl. Zum Glück war es schon so gut wie verheilt und meine Nase machte mir kaum noch Probleme. Es hatte durchaus seine Vorteile, eine Ärztin im Haus zu haben. Robyn, Philipps Freundin, hatte sich die Verletzungen angesehen. Meine Nase war zum Glück nur geprellt, nicht gebrochen und die Schwellung ging jeden Tag mehr zurück. Ben war, wie zu erwarten, nicht erfreut darüber gewesen, dass ich am Tag seiner Hochzeit so auftreten musste, aber im Nachhinein fand er es witzig. So etwas könne nur mir passieren, hatte er gesagt. Liv hatte mir mit einem Grinsen dabei geholfen, mein blaues Auge mit Make-up zu kaschieren. Sie prophezeite mir allen Ernstes, dass ich wohl meine Traumfrau kennengelernt habe. Ha! Als ob. Natürlich hatte ich sofort abgewunken. Das würde niemals passieren.
Um von mir abzulenken, stellte ich meinem Bruder eine Gegenfrage. »Was macht dein nicht vorhandener Schlaf?«
Missmutig sah er mich mit zusammengekniffenen Lidern an. Seitdem er vor einer Woche Vater geworden war, hatte er kein Auge mehr zugetan und dicke Augenringe.
»Es geht schon. Ich weiß, für wen ich es mache, und verzichte lieber auf Schlaf, als auf irgendetwas, das mit meiner Frau und meinem Sohn zu tun hat.«
Stolz funkelte in seinen Augen. Er liebte seine Familie abgöttisch. Das taten wir alle auf unsere eigene Weise. Liv war das Beste, was Ben hätte passieren können, und ich war stolz auf meinen kleinen Bruder. Jacob war erst ein paar Tage alt, aber er hatte uns alle schon um den Finger gewickelt. Mein Neffe hatte das perfekte Timing gewählt, um das Licht der Welt zu erblicken, und mein Bruder lächelte versonnen. Ich konnte ihm ansehen, dass er genau wie ich an den aufregenden Tag letzte Woche dachte. Er hatte Liv das Ja-Wort gegeben und direkt nach der Trauung war ihre Fruchtblase geplatzt.
»Wo ist Liv eigentlich? Schläft sie wenigstens noch?«
»Nein, der kleine Mann hier, hat offensichtlich etwas dagegen, wenn seine Mommy mal für fünf Minuten die Augen zumacht.« Gähnend betrat Liv mit Jacob im Arm den Raum und kam auf den Tisch zu.
Ich stand auf und gab ihr zur Begrüßung einen Kuss auf die Stirn und strich meinem Neffen vorsichtig über den weichen dunklen Flaum auf seinem Kopf. »Guten Morgen, ihr zwei. Habt ihr wenigstens etwas geschlafen?«
Kurz überlegte Liv, schüttelte dann den Kopf, bevor sie zu Ben ging und ihm seinen Sohn übergab, um sich selbst eine Tasse Kaffee zu holen.
»Schlaf wird völlig überbewertet.« Sie zuckte mit den Schultern.
Ich trat näher zu meinem Bruder und beobachtete ihn mit seinem Sohn. Jacob sah seinen Daddy mit großen Augen an und gähnte herzhaft. Seine strahlend blauen Augen waren die seiner Mutter und die dunklen Haare hatte er meinem Bruder zu verdanken. Er war ein richtiger kleiner Wonneproppen, und ich freute mich sehr für Ben, dass er endlich sein Glück gefunden hatte.
Mein Bruder setzte sich an den Tisch und ich gönnte mir eine weitere Tasse Kaffee, bevor ich mich mit Ian und Finn auf den Weg zu unserem Klienten machte.
»Das glaube ich einfach nicht. Wie können Sie es wagen?«
Ich wusste, dass Mr. Shaw von unserer Vermutung nicht begeistert sein würde, aber wir sahen keinen anderen Ausweg, als ihn damit zu konfrontieren. Wir saßen in seinem riesigen Büro und versuchten, ihm zu erklären, was oder vielmehr, was nicht passiert war, seitdem wir engagiert worden waren. Nämlich genau gar nichts.
»Hören Sie, Mister Shaw. Wir hätten es nicht zur Sprache gebracht, wenn wir nicht sicher wären. Aber es spricht alles dafür, dass Ihre Tochter diese Briefe selbst verfasst hat. Es gab keine weiteren Drohungen gegen sie und es ist rein gar nichts passiert. Ganz zu schweigen von dem Vorfall, den Ihre Tochter letzte Woche arrangiert hatte.«
Finn tat alles, um Mr. Shaw zu überzeugen, hatte ihm sogar erzählt, dass seine Tochter versucht hatte, ihn zu verführen. Doch ich wagte, zu bezweifeln, dass wir es schafften, unseren Klienten dazu zu bewegen, uns zu glauben und sein geliebtes Goldkind zur Rede zu stellen. Er war genauso stur wie seine Tochter. Oder eher andersherum: Der Apfel fällt eben nicht weit vom Stamm.
Ich sah nur noch eine Möglichkeit, diese leidige Angelegenheit zu beenden, damit ich mich endlich einer anderen Aufgabe widmen konnte. Sicher, wir wurden von Mr. Shaw bezahlt, aber es war reine Zeitverschwendung. Ich hatte Besseres zu tun. Meine Planung sah nämlich vor, Emily heute einen Besuch im Pub abzustatten, und ich freute mich schon sehr auf ihre Reaktion, denn seit meinem letzten Besuch war fast eine Woche vergangen.
»Mister Shaw, wir haben Ihnen alles dargelegt, was wir herausgefunden haben, und wie Sie sehen, war dies nicht viel. Da ich das Gefühl habe, dass Sie uns ohnehin nicht vertrauen und an unserem Erfolg zweifeln, sehen wir uns gezwungen, das Mandat mit sofortiger Wirkung niederzulegen.«
Mir war das Geld egal, das wir durch diesen Klienten verlieren würden. Seit Jahren arbeiteten wir für ihn, egal ob es Überprüfungen von Mitarbeitern waren oder andere Ermittlungen, doch auf dieses Spiel hatten weder Ian und Finn noch ich Lust, darin waren wir uns, Gott sei Dank, einig gewesen.
»Das können Sie nicht machen. Ich beauftrage Sie schon seit Langem.«
»Ja, das ist uns durchaus bewusst, und wir würden Sie ungern als Klienten verlieren, aber in diesem Fall können wir Ihnen leider nicht weiterhelfen. Es tut uns leid!« Ian stand genau in dem Moment auf, als die Tochter ins Büro platzte.
»Was ist denn hier los?«
Sie wirkte nervös, als sie uns erblickte, und ich bemerkte, wie sie mit ihren Händen anfing, die Handtasche fester zu umfassen. Sie kam zum Tisch. Stirnrunzelnd beobachtete ich sie, als sie ihre Tasche abstellte. Dabei war sie so ungeschickt, dass diese umfiel und mehrere Unterlagen auf den Boden fielen.
»Mist. Lassen Sie es liegen, ich mache das schon.« Eilig sammelte sie ein paar Blätter ein, doch Finn war schneller.
Als er sich erhob und die Zettel musterte, die er in der Hand hielt, sagte er: »Na sieh mal einer an. Ich würde sagen, wir hatten mit unserer Vermutung recht.«
»Ich … ähm … also ich … ich kann das erklären«, stammelte Valerie Shaw.
»Kind, was ist das?« Ihr Vater trat neben Finn und nahm ihm die Sachen aus der Hand. Es waren Zeitungen, aus denen Buchstaben ausgeschnitten und auf weiße Blätter geklebt waren. Alles sah danach aus, dass Valerie wirklich selbst für die Drohbriefe verantwortlich war. Es stellte sich nur noch die Frage, aus welchem Grunde sie das gemacht hatte.
Valerie ließ sich seufzend auf einem Stuhl nieder, während vier Augenpaare auf sie gerichtet waren. Sie stützte sich nach vorn und verbarg ihr Gesicht zwischen ihren Händen.
»Also schön.« Sie stieß den Atem aus und richtete den Blick auf ihren Vater. »Ja, ich war es. Es tut mir leid«, fing sie an.
Anders als erwartet, konnte ich keine Reue in ihrem Gesicht erkennen. Nein, es war Trotz. Purer, reiner Trotz.
»Du hast mich einfach nicht mehr wahrgenommen und mich wie Luft behandelt.« Sie warf die Hände in die Luft. »Außerdem hast du mir immer weniger Geld zur Verfügung gestellt und …«
»Waaaas?! Spinnst du jetzt total, Valerie?« Ihr Vater sah sie aus großen Augen an. »Nur weil ich wollte, dass du nicht mehr die verwöhnte Tochter bist, die mein Geld ausgibt, und einmal selbst anfängst zu arbeiten, erfindest du so etwas? Ich habe mir wirklich Sorgen um dich gemacht.« Sprachlos ließ Mr. Shaw sich neben Valerie nieder.
Finn, Ian und ich wechselten Blicke. Es war Zeit für uns, zu gehen. Den Rest musste unser Klient mit seiner Tochter unter vier Augen regeln. Das Gespräch ging uns nichts an, denn diese Situation mussten die beiden selbst klären.
»Ich denke, der Fall ist aufgeklärt und unsere Hilfe nicht weiter erforderlich. Wir verabschieden uns hiermit.« Ich nickte meinen Freunden zu und wir wandten uns zur Tür. Doch bevor wir gingen, hielt unser Auftraggeber uns auf.
»Danke für alles, schicken Sie mir bitte Ihre Rechnung, meine Herren. Ich würde mich freuen, wenn ich Sie zukünftig weiterhin engagieren darf, falls ich wieder einmal Probleme mit irgendetwas bekommen sollte. Mir ist das äußerst unangenehm, aber das sollte unserer übrigen Zusammenarbeit nicht im Wege stehen.«
Wir nickten ihm zu, dann drehte sich Mr. Shaw zurück zu seiner Tochter und wir schlossen die Tür hinter uns. Ich fragte mich, ob wir tatsächlich wieder von ihm hören würden oder ob ihm die Sache so peinlich war, dass er uns nicht mehr beauftragen würde. Die Zeit würde es zeigen. Auf jeden Fall würden wir, wenn das so wäre, mit ihm einen wichtigen Mandanten verlieren.
»Mannomann. Ich hasse verwöhnte Gören.« Finn entriegelte seinen Wagen und wir stiegen ein.
Ein zustimmendes Grummeln von Ian und mir folgte. Unfassbar, was Valerie getan hatte, nur um die Aufmerksamkeit ihres Vaters zu gewinnen. Ich konnte noch nie etwas mit Frauen anfangen, die sich nur aushalten ließen und fröhlich das Vermögen eines anderen ausgaben.
Ich dachte an Emily. Würde sie so etwas tun? Wäre sie fähig zu so etwas? Nein, ich konnte mir das nicht einmal annähernd vorstellen. Allein, dass sie jeden Tag einem Job nachging, in dem sie wahrscheinlich nicht allzu gut bezahlt wurde, zeigte mir, dass sie nicht zu den verwöhnten Gören gehörte. Zwar kannte ich sie nicht, noch nicht, aber ich hatte eine gute Menschenkenntnis. Von der ersten Minute an hatte ich erkannt, dass sie ihren Job liebte.
Meine Freude auf heute Abend stieg, und wenn ich die Chance bekäme, mehr über sie herauszufinden, würde ich sie ergreifen. Ich konnte es kaum erwarten.
Emily
Es verging kein Tag, ohne dass ein neues Geschenk wie aus dem Nichts auftauchte, und dieser Umstand machte mich immer unruhiger.
Einmal kam ein Bote ins Old Fire´s und brachte eine Schachtel Pralinen. Vor meiner Wohnungstür waren wiederholt Blumen aufgetaucht, und auch an meinem Fahrrad fand ich Nachrichten. Doch ich wollte mich nicht unterkriegen lassen und ignorierte sie alle. Allerdings verschwand dieses merkwürdige Gefühl dadurch nicht. Im Gegenteil, es wurde immer schlimmer, denn der Unbekannte hörte nicht auf.
Mittlerweile war ich mir sicher, dass Simon nicht dahintersteckte. Es war nicht seine Art. Ich glaubte einfach nicht daran, dass er zu so etwas fähig war und sich in einen Stalker verwandelt hatte. Immerhin war er seit dem Abend, an dem Liam dazugekommen war, nicht mehr aufgetaucht, und genau aus diesem Grund fragte ich mich ein ums andere Mal, wer dafür verantwortlich war.
Das waren jedoch nicht meine einzigen Gedanken. David war seit diesem Tag auch nicht noch einmal vorbeigekommen. Bedauern breitete sich in meinem Inneren aus. Wahrscheinlich hatte ich mir dieses gegenseitige Interesse nur eingebildet, sonst wäre er doch wiedergekommen, oder? Andererseits war dies auch nicht verwunderlich, wenn man bedachte, dass ich ihn geschlagen hatte. Innerlich zuckte ich mit den Schultern. Was solls. Mein Gespür für Männer ließ sowieso zu wünschen übrig. Erst Vince, der mich ausgenommen hatte, dann Simon, der viel zu sanftmütig gewesen war, ganz zu schweigen von meinem Ex-Chef, der sich immer wieder die Freiheit herausgenommen hatte, mich anzutatschen. Nein, eigentlich sollte ich genug von den männlichen Wesen haben, doch trotzdem. Irgendwie schlich sich dieser eine Mann mit diesen atemberaubend grünen Augen und dem dunklen Haar, das er nach hinten gestylt trug, immer wieder in meine Gedanken.
So darin versunken, füllte ich die Bar mit neuen Getränken auf und bückte mich, um die unteren Schränke zu bestücken. Als ich mich wieder erhob und umdrehte, sahen mich die smaragdleuchtenden Iriden, an die ich eben noch gedacht hatte, an. Ich zuckte erschrocken zurück und stieß gegen das Regal hinter mir, sodass die Flaschen gefährlich ins Straucheln gerieten.
»Ganz ruhig, Tigerchen, ich komme in friedlicher Absicht.« Ein amüsierter Blick traf mich und David hob beide Hände, als ob er mir zeigen wollte, dass er unbewaffnet war.
Ich riss mich zusammen und versuchte, eine unbekümmerte Miene aufzulegen.
»Da hast du aber Glück gehabt, dass eine Theke zwischen uns ist und dich vor mir bewahrt, Großer. Wo sind denn deine Bodyguards?«, entgegnete ich und warf einen verstohlenen Blick über seine Schulter. Ich war mir nicht sicher, ob mein freches Auftreten ihm gefallen würde, doch im selben Moment grinste er mich an.
»Denen habe ich heute mal freigegeben.« Er zwinkerte.
»Wow, du bist echt großzügig. Aber ich gebe dir einen Tipp: Wenn du dich nicht immer so anschleichst, dann würdest du sicherer leben.«
Er zuckte mit den Schultern. »Wie kommst du darauf, dass ich das getan habe? Ich bin wie ein ganz normaler Gast durch diese Tür gekommen und stehe hier, um meine Bestellung aufzugeben. Scheinbar warst du in irgendwelchen Träumereien versunken, dass du mich nicht wahrgenommen hast. Spielte ich darin etwa eine Rolle? Und abgesehen davon, ich scheue nie ein Risiko.« Sein Blick, den er mir bei diesen Worten zuwarf, war so intensiv, dass ich dahinschmolz.
Bevor ich eine passende Erwiderung finden konnte, musste ich erst meine Gedanken sortieren. »Das hättest du wohl gern. Vielleicht träumst du