Bruckmann Reiseführer Island: Zeit für das Beste. - Erik Van de Perre - E-Book

Bruckmann Reiseführer Island: Zeit für das Beste. E-Book

Erik Van de Perre

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Beschreibung

Handverlesene Autoren-Tipps und Empfehlungen für eine individuelle Reiseplanung, über 400 inspirierende Fotos sorgen nicht nur für eine stressfreie Planung, sondern auch für einen entspannten Urlaub auf Island. Auf Island ist (fast) alles möglich im Djúpavík Hótel in Strandir, einer ehemaligen Heringsfabrik schlafen, am Látrabjarg tausende Papageitaucher beobachten, durch Nationalparks und wild-herbe Landschaften wie den Jökulsárgljúfur wandern. Entdecken Sie in diesem Reiseführer 50 Highlights und zahllose Geheimtipps für Ihren Urlaub. So entdecken Sie neben den Highlights auch jede Menge Geheimtipps, die Ihren Urlaub unvergesslich machen. Und es bleibt dabei immer Zeit für authentische Restaurants oder Hotels und die besten Shopping-Hotspots.

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Ein Mann und sein Pferd – in Vík

HIGHLIGHTS | GEHEIMTIPPS | WOHLFÜHLADRESSEN

»Wir Isländer geben nie auf.Es gibt dafür eine sehr gute Wendung:þetta réddast! Es wird schon irgendwie klappen.«Vigdís Finnbogadóttir

Der Gullfoss in all seiner Pracht

INHALT

Das sollten Sie sich nicht entgehen lassen

Willkommen in Island

REYKJAVÍK UND DER SÜDWESTEN

  1Reykjavík – die Innenstadt

  2Reykjavík – der alte Hafen

  3þjóðminjasafn Íslands

  4Perlan

  5Hafnarfjörður

  6Halbinsel Reykjanes

  7Bláa Lónið

  8Golden Circle

  9Hveragerði

10Eyrarbakki und Stokkseyri

DER SÜDEN

11Kjalvegur und Hveravellir

12Vestmannaeyjar

13Hekla

14Landmannalaugar

15Laugavegur

16þórsmörk und Fimmvörðuháls

17Skógar

18Vík

19Kirkjubæjarklaustur und Laki

20Skaftafell

21Ingólfshöfði

22Jökulsárlón

DER OSTEN

23Lónsöræfi

24Von Djúpivogur nach Reyðarfjörður

25Egilsstaðir

26Seyðisfjörður

27Borgarfjörður eystri

28Askja und Herðubreið

29Langanes-Halbinsel

DER NORDEN

30Mývatn

31Jökulsárgljúfur und Dettifoss

32Húsavík

33Akureyri

34Grenivík und Fjörður

35Siglufjörður

36Skagafjörður

37Blönduós

38Halbinsel Vatnsnes

DIE WESTFJORDE

39Hólmavík

40Strandir

41Ísafjörður

42Hornstrandir

43Suðureyri, Flateyri, þingeyri und Bíldudalur

44Látrabjarg

45Flatey

SNÆFELLSNES UND DER WESTEN

46Búðardalur

47Stykkishólmur

48Snæfellsnes

49Borgarnes

50Reykholtsdalur

REISEINFOS

Island von A bis Z

Island für Kinder und Familien

Kleiner Sprachführer

Register

Impressum

MEHR WISSEN

Mondlandschaft

Das Islandpferd

Der Eistunnel

MEHR ERLEBEN

Badeparadies

Whale Watching

Für Kinder und Familien

Das Arktische Weidenröschen verleiht der Schotterebene bei Skaftafell eine fröhliche Note.

Auf Schusters Rappen lässt sich die vulkanische Urlandschaft am besten erkunden.

Stammgast auf vielen Vogelfelsen ist der Papageitaucher.

Im Fünf-Minuten-Takt jagt der Geysir Strokkur eine Dampfsäule bis zu 20 Meter hoch in die Luft.

Kristallklar rauscht das Wasser durch die Schlucht Rauðfeldargjá.

Auch bei Kindern beliebt: die Bláa Lónið (»Blaue Lagune«).

Das Torfgehöft Glaumbær zeigt, wie eine wohlhabende Familie auf dem Land im 19. Jahrhundert lebte.

DAS SOLLTEN SIE SICH NICHT ENTGEHEN LASSEN

Am Dettifoss drehte Ridley Scott die spektakuläre Auftaktszene seines Science-Fiction-Films Prometheus – Dunkle Zeiten.

Der Golden Circle, ideal für Kurzreisende (S. 64)

Nur einen Steinwurf von Reykjavík entfernt konzentrieren sich die bekanntesten Attraktionen Islands: die Geysire im Haukadalur, der berühmte Wasserfall Gullfoss und der tektonische Graben von þingvellir, Geburtsstätte der ältesten Demokratie Europas. Hinzu kommen etliche weniger bekannte Naturperlen wie der mit Wasser gefüllte Krater Kerið und die heißen Quellen von Hveragerði. Auch dem Reisenden, der nur kurz auf der Insel bleibt, bietet der »goldene Kreis« deshalb eine perfekte Kostprobe der urwüchsigen Natur Islands.

Dettifoss, der »Niagara Europas« (S. 180)

Wie eine gewaltige Kerbe zieht sich die Schlucht Jökulsárgljúfur durch den Nordosten Islands. Der 100 Meter tiefe Canyon ist das Werk des Gletscherflusses Jökulsá á Fjöllum und gehört zu den spektakulärsten seiner Art in Europa. Was ihn aber einzigartig macht, sind die gewaltigen Wasserfälle der Jökulsá. Der Dettifoss, 45 Meter hoch und 100 Meter breit, gilt als mächtigster Wasserfall Europas. Die Wucht der hinunterstürzenden Wassermassen ist so stark, dass die Erde förmlich bebt.

Mývatn, ein Paradies für Geologen und Vogelforscher (S. 174)

Die Umgebung des sechstgrößten Sees Islands überrascht mit einer geradezu unwahrscheinlichen landschaftlichen Vielfalt. Auf engstem Raum findet man hier gewaltige Tafelberge und Explosionskrater neben kreisrunden Pseudokratern und skurrilen, an versteinerte Trolle erinnernde Lavaformationen, brodelnden Schlammtöpfen und dampfenden Lavafeldern. Die große Vogelvielfalt – alle 16 auf Island bekannten Entenarten brüten hier – wird Ornithologen begeistern. Manche Arten, wie die Kragen- und Spatelente, nisten in Europa nur hier auf Island.

Jökulsárlón, ein Hauch von Grönland (S. 142)

Filmemacher aus Hollywood brauchen für den Dreh einer spektakulären Szene in arktischer Umgebung nicht nach Grönland zu reisen, sondern tauchen regelmäßig im Südosten Islands auf. Der Grund: Hier fährt man mit dem Auto bequem direkt bis zum Gletschersee, in den der gewaltige Breiðamerkurjökull kalbt. Haushohe schneeweiße, türkisfarbene oder von der Vulkanasche schwarz gefärbte Eisberge treiben auf der Lagune, wo sie allmählich schmelzen, bis sie unter der Straßenbrücke hindurch ins Meer gleiten.

Überraschend vielfältig: Schafe am Mývatn

Skaftafell, Oase am Rand des ewigen Eises (S. 134)

Am Fuß des Hvannadalshnúkur, des höchsten Gipfels der Vulkaninsel, bildet Skaftafell eine erfrischend grüne Oase, umgeben von schwarzen Sandern und schillernden Eiszungen. Ein erstklassiges Wanderwegenetz mit vielen schönen Aussichtspunkten erschließt das Gebiet, seit 2008 Teil des Vatnajökull-Nationalparks. Das beliebteste Ziel ist der Wasserfall Svartifoss, eingerahmt von wunderschönen Basaltsäulen.

Laugavegur, ein Traumziel für Wanderer (S. 108)

Der 55 Kilometer lange Trek durch das südisländische Hochland gehört für viele zu den schönsten Wanderwegen überhaupt. Auf dem Weg von Landmannalaugar nach þórsmörk zieht die Natur alle Register: Bunte Rhyolithberge wechseln mit spitzen, von neongrünen Moosteppichen bedeckten Palagonitkegeln, knallgelbe Schwefelablagerungen kontrastieren mit pechschwarzen Obsidianfeldern, und der Blick in bodenlos tiefe Canyons wie Markarfljótsgljúfur ist schlicht atemberaubend. Etliche Furten durch eiskalte Gletscherbäche sorgen für zusätzlichen Nervenkitzel.

Látrabjarg, Papageitaucher gucken (S. 236)

Nirgendwo sonst auf der Vulkaninsel sind die Papageientaucher zutraulicher. Zu Zehntausenden bevölkern sie im Frühsommer den größten Vogelberg Europas, zusammen mit Unmengen von Tordalken, Lummen, Dreizehenmöwen und weiteren Seevögeln. Die 14 Kilometer langen Klippen bilden die äußerste Westspitze Europas und ragen bis zu einer Höhe von 400 Metern senkrecht aus dem Wasser empor. Erkunden kann man sie vor allem auf ausgedehnten Streifzügen vom Parkplatz am Leuchtturm Bjargtangar aus.

Snæfellsnes, die magische Halbinsel im Westen (S. 250)

Snæfellsnes ist so etwas wie »Island im Kleinen«: Auf engem Raum finden sich hier fast alle erdenklichen Aspekte der Insel: Krater, Lavafelder, Gletscher, Steilküsten, Schären, Vogelberge, Strände, Fischerdörfer … Und über allem thront majestätisch der Snæfellsjökull, jener formschöne Stratovulkan, durch dessen Schlund Jules Vernes Helden ihre Reise zum Mittelpunkt der Erde antraten.

Ein Bad in der »Blauen Lagune« (S. 62)

Sogar wenn drumherum der Sturm tobt oder klirrende Kälte herrscht, tummeln sich Badegäste aus aller Welt im beliebten Thermalfreibad auf der Halbinsel Reykjanes. Die Kombination von Mineralsalzen, Kieselerde und Algen macht das Thermalwasser besonders hautfreundlich. Am schönsten ist das Bad, wenn am Himmel die Nordlichter flimmern.

Wo der Teufel selber am Herd steht: Hverarönd

Vestmannaeyjar, Leben am Vulkan (S. 92)

Heftige untermeerische Eruptionen schufen den südisländischen Archipel der Westmännerinseln. Von den 18 Inseln ist nur eine bewohnt: Heimaey, weltweit bekannt geworden durch den Vulkanausbruch im Jahr 1973, der Teile der Ortschaft verschüttet und das Aussehen der Insel für immer verändert hat. Geblieben sind die riesigen Kolonien der Papageitaucher, denen man auf Streifzügen an der Küste begegnet. Dabei erkennt man am Horizont auch die Insel Surtsey, das jüngste Mitglied der Westmännerinseln, entstanden bei einer weiteren unterseeischen Eruption im Jahr 1963.

WILLKOMMEN in Island

Bedrohliche Vulkane, heiß sprudelnde Geysire, eisige Gletscher, überwältigend raue Landschaften von mystischer Schönheit und Islandpferde: Für viele ist Island ein Sehnsuchtsziel. Denn es gibt viel zu entdecken, besonders wenn man Zeit mitbringt. Klischee oder nicht: Die Begegnung mit dem berühmten Wasserfall Gullfoss, mit den kochend heißen Springquellen oder der »Blauen Lagune« macht die kaum gezähmten Naturkräfte deutlich. Islands Natur ist ein Traum für alle, die die Hektik des Alltags hinter sich lassen wollen.

Viele der Highlights haben mit Wasser zu tun, das mal spektakulär, mal erholsam wirkt. Der mächtige Wasserfall Dettifoss liegt weit im Nordosten, der vielleicht schönste, Dynjandi, hoch oben in den Westfjorden. Heiße Quellen und Schlammlöcher sprudeln auch bei Hveragerði oder am Mývatn. Das Eintauchen in einem geothermisch beheizten Pool in der Hauptstadt beeindruckt genauso wie das Bad im Naturpool am Fuß der Lava in Landmannalaugar oder in einem versteckten Hot Pot im Hochland.

Bunte Solfataren am Leirhnjúkur

Die Isländer

Ein wenig Wildheit oder charmante Unangepasstheit wird zur Landschaft passend auch den Isländern zugeschrieben. Schließlich sind sie Nachfahren der Wikinger, dieser kriegerischen, rauen Nordmänner, die gleichzeitig als herzlich und gerecht galten und Entscheidungen gemeinsam in demokratischen Versammlungen trafen. Andere, möglicherweise Nachfahren der ebenso lebensfrohen, dunkelhaarigen und feingliedrigeren Kelten, die ebenfalls zu den ersten Siedlern zählten, scheinen zart und elfengleich durch das Leben zu schweben wie die Sängerin Björk. Die meisten Isländer sind stolz darauf, ihren Stammbaum bis zur Zeit der »Landnahme« im 9. Jahrhundert zurückverfolgen zu können. Zwei Jahrhunderte später verzeichnete das Landnámabók detailliert die 400 ersten Siedlerfamilien und ihre Nachkommen. Obwohl die Menschen über lange Zeit vor allem als Bauern mit dem Kampf gegen unberechenbare Naturkräfte beschäftigt waren, spielten schon immer Literatur und Kunst eine große Rolle. Skalden – Dichter und Verfasser von Sagas – genossen hohes Ansehen. Noch heute gibt es in Island überproportional viele Autoren und, mit einem Augenzwinkern, die meisten Literatur-Nobelpreisträger pro Kopf: Halldór Laxness bekam den Preis 1955, einer von auch heute nur rund 336 000 Isländern. Im Land selbst wird der ausgeprägte Hang zu Kunst und Kultur so erklärt: Isländer singen, malen, schreiben und machen einfach, weil es auf der Insel niemanden gibt, der ihnen sagt, sie seien nicht gut genug.

Jökulsárlón ist ein Traum für Filmemacher und Fotografen.

Naturphänomene und Geister

Das isländische Klima ist relativ mild: Extreme Minusgrade wie in Nordskandinavien gibt es an den Küsten dank des Golfstroms selten. Island ist weniger eisig und grüner als Grönland. Vielleicht war der Name »Eisland« ein früher PR-Trick der Entdecker, um allzu viele Siedler fernzuhalten. Doch windig und karg ist es hier auch im Sommer, in einer rauen vulkanischen Landschaft. Kein Wunder, dass die Menschen Götter, Trolle und Elfen zur Erklärung heranzogen. Die rumpelnde, gar Feuer spuckende Erde war immer latent bedrohlich. Tödliche Ascheregen oder heiße Lava, die unter den Gletschern enorme Schmelzwasserfluten auslösten, gefährdeten die Höfe. Statt grüner Wiesen blieben dann oft Schwemmflächen und karge Lavafelder zurück; das Wort hraun für Lava ist in vielen Ortsnamen zu finden. In warmen Klimazonen wie Hawaii würde sie schnell zu fruchtbaren Böden werden, doch in Island wuchern auf der Lava vor allem Moose und Flechten.

Lässt regelmäßig Dampf ab: der Gletschervulkan Grímsvötn

Wabernder Dampf steigt aus Erdritzen auf, Schlammtöpfe brodeln und Geysire schießen in die Höhe. Viel Spielraum für blühende Fantasien. Rund um den Mývatn sind besonders unterschiedliche vulkanische Formen zu sehen. Da erinnert manch zackige Felskante auch an Gesichter oder Körper, von Trollen etwa, die nachts ihren Unfug treiben. Wenn diese nicht aufpassten und ein Sonnenstrahl sie traf, so der Volksmund, erstarrten sie zu Felsen.

Das »Verborgene Volk« lässt bis heute seltsame Straßenverläufe entstehen, zum Beispiel wenn Elfen die Bagger blockieren, weil der direkte Weg einen ihrer Wohnfelsen zerstört hätte. Isländer erzählen gern Geschichten, die sie schon als Kinder gehört haben, von Schabernack treibenden Naturgeistern und unsichtbaren Helfern in der Not. Nur wenige wollen sie selbst gesehen haben. Doch einer Studie der Folkloreabteilung der Universität von Island zufolge glauben fünf Prozent der Isländer an Elfen, und fünf Prozent tun es ausdrücklich nicht. Die restlichen 90 Prozent halten deren Existenz für »gut möglich«. Besonders hoch soll das Elfenvorkommen in Hafnarfjörður und in Borgarfjörður eystri an der Ostküste sein.

Wenig Wald, viele Betonkirchen

Eine karge Tundra, wilde Küstenstreifen und eine oft bunte Geologie prägen das Land. Die anfangs noch ein Drittel Islands bedeckenden Wälder verbrauchten die Siedler schnell als Bau- und Brennholz. Nur wenig Wald blieb erhalten, etwa in Hallormsstaður am Lagarfljót und in geschützten Tälern wie bei Skaftafell. Der Holzmangel prägte auch den Baustil: Jahrhundertelang waren geduckte Grassoden- und Torfdachhäuser die Norm, mit dicken Wänden und Walrippen als Stützelemente. Viele der stattlichen Holzhäuser, die Händler im 18. und 19. Jahrhundert etwa in Seyðisfjörður oder Ísafjörður errichten ließen, kamen als Fertigbausatz aus Norwegen. Moderne Architekten hingegen setzten auf Beton als Baumaterial und schufen damit spektakuläre Bauten und Kirchen wie in Reykjavík, Stykkishólmur und Blönduós.

Noch bis 1936 bewohnt: der ehemalige Pfarrhof Laufás

Paradies für Wale und Seevögel

Zur Safari auf große Wildtiere eignet sich Island nicht: Der einzige größere einheimische Vierbeiner ist der Polarfuchs. Eisbären bleiben seltene Besucher auf Eisschollen aus Grönland. 1771 schenkte der norwegische König Island 13 Rentiere. Doch die Isländer wussten wenig mit ihnen anzufangen, da sie nicht als Nomaden lebten und ließen sie in die Tundra entweichen. Etwa 5000 Nachkommen der ersten Rentiere durchstreifen heute das östliche Hochland. Weit häufiger sind Robben und Seehunde, die sich entlang der Küste tummeln, vor allem im Osten im Mündungsschwemmland des Lagarfljót bei Húsey und im Norden an der Halbinsel Vatnsnes. Auch Tausende von Walen sind vor der Küste zu Hause. Whale Watching (s. S. 190) ist von Reykjavík aus ebenso möglich wie vor der »Walhauptstadt« Húsavík im Norden.

Besonders beeindruckend ist die isländische Vogelwelt. Seevögel nisten zu Tausenden an den Klippen. Beim Spaziergang am Látrabjarg, dem größten Vogelfelsen der Welt, kommt man brütenden Papageientauchern, Trottellummen, Dreizehenmöwen und Tordalken besonders nahe. In den fruchtbaren Feuchtgebieten der Mündungsdeltas sind Regenpfeifer, Schwäne, Küstenseeschwalben und verschiedene Raubmöwenarten anzutreffen. Gänse tummeln sich im Hochland, und der Mývatn gehört europaweit zu den bedeutendsten Brutgebieten für Enten.

Kulinarisch karge Zeiten

Die meisten größeren Tiere kamen als Nutztiere mit den Menschen nach Island. Am häufigsten sind Schafe, insgesamt 480 000. Noch heute halten viele Familien, selbst IT-Fachleute oder Bademeister, nebenbei ein paar Schafe. Von Frühjahr bis Herbst weiden die meisten Tiere frei in den Bergen. Der göngur, der herbstliche Schafabtrieb, und das anschließende Sortieren der Schafe im rétt (Pferch) ist in vielen Teilen Islands ein Ereignis mit Volksfestcharakter. Eine besondere Bedeutung kommt den Islandpferden (s. S. 208) zu, die vor allem im Nordwesten und im Süden des Landes gezüchtet werden.

Am Vogelberg Látrabjarg kommt man dem Papageientaucher besonders nahe.

Obwohl einige Pferde auch früher wohl verspeist wurden, waren Fischfang und Schafzucht lange Islands Hauptnahrungsquellen. Auch das Sammeln von Vogeleiern und die Jagd auf Seevögel halfen beim Überleben. Ackerbau war klimatisch nur begrenzt möglich. Die größte Kunst bestand darin, die Vorräte möglichst haltbar über den Winter zu bringen. Fisch wurde dazu an großen Gestellen getrocknet (Stockfisch) oder gesalzen auf den Felsklippen am Strand zum Trocknen ausgebreitet (Klippfisch). Fleisch wurde oft gepökelt. Und der skurrile hákarl oder »Gammelhai« ist einer innovativen Haltbarkeitsmethode zu verdanken: Man ließ den wegen eingelagerter Gifte eigentlich ungenießbaren Grönlandhai monatelang fermentieren. Das lässt ihn zwar stinken, aber verwandelte ihn gleichzeitig in eine essbare, wertvolle Eiweißquelle.

Nach langen dunklen Monaten, in denen Stürme selbst das Fischen nicht erlaubten, feierten die Isländer den nahenden Frühling und das Ende der Wintervorräte mit dem þorrablót, der noch heute als Familienfest begangen wird. Dabei kommen traditionelle Gerichte wie Stockfisch, Innereien, vergorener Hai oder im Feuer versengte Schafköpfe auf den Tisch, bevorzugt zusammen mit brennivín, Kartoffelschnaps mit Kümmelaroma.

Erst nach mehrmonatiger Fermentierung genießbar: hákarl oder »Gammelhai«.

Innovativ auch in der Krise

Die junge Nordic Cuisine setzt seit einigen Jahren pfiffig und innovativ auf traditionelle Zutaten. Heute hat Island auch viele frische Zutaten zu bieten, denn Gewächshäuser tricksen auch im Winter Dunkelheit und Kälte aus. Frisches Gemüse und Obst kommen aus eigenen Landen frisch auf den Tisch, vor allem aus der Region rund um Hveragerði. Dort strömen die warmen Dämpfe aus der Erde in die Glashäuser und sorgen für ein fruchtbares Klima, während Geothermiekraftwerke den Strom für künstliche Sonnen erzeugen. Wer sich Hveragerði im Dunkeln von Reykjavík aus nähert, sieht die beleuchteten Treibhäuser im Tal wie funkelnde Erscheinungen unter sich liegen.

Erfinderisch waren die Isländer offenbar schon immer, wenn es darum ging, auf einsamen Höfen Maschinen zu reparieren, eigene Wasserkrafträder in Betrieb zu nehmen oder neue Wege durch den Lavastrom zu prägen. Sich immer wieder aufzurappeln, haben sie über Jahrhunderte gelernt. So ließen sie sich auch von der weltweiten Finanzkrise nicht unterkriegen, die die Vulkaninsel hart traf. Weil die Führung der drei Banken des Landes versagt hatte, wurden diese kurzerhand verstaatlicht. Die Schulden, die das Volk nicht verursacht hatte, wollte es auch nicht bezahlen. Bei der Oberbürgermeisterwahl von Reykjavík gewann nach der Krise ein gelernter Komiker und selbsterklärter Anarchist: Jón Gnarr. Aus Protest war er mit der Spaßpartei »Beste Partei« angetreten und bekam die meisten Stimmen. Typisch Island: pragmatisch, schräg humorvoll und gern etwas skurril.

Reykjarfjörður: Sogar am Ende der Welt gibt es einen warmen Pool.

Geschichte im Überblick

Ab 860 Norweger erkunden, ob sich das scheinbar feindliche »Eisland« zum Siedeln eignet. Zuvor hatten sich Menschen hier nur vorübergehend aufgehalten, etwa irische Mönche im 7. Jh.

874 Die erste »Landnahme« wird dokumentiert: Ingólfur Arnarson landet zunächst an der Südostküste und lässt sich 877 permanent bei Reykjavík nieder.

930 Zum ersten Mal tagt die Volksversammlung Alþingi. Alle erwachsenen Männer Islands treffen sich in þingvellir, um – als ältestes noch existentes Parlament der Welt – einen unabhängigen Staat auszurufen.

1000 Das Alþingi beschließt demokratisch die Konvertierung aller Isländer zum Christentum. Als erster Europäer betrat Leif Eriksson Nordamerika.

1056 Island bekommt seinen ersten Bischof. Dessen Sitz ist Skálholt, 50 Jahre später wird Hólar im Norden Bischofssitz.

1220–1262 In der »Sturlunger-Ära« kämpfen die bedeutendsten Sippen des Landes um die Vorherrschaft. Taktisch festigt der König von Norwegen dabei seine Macht. Die meisten Sagas entstehen in diesem Jahrhundert.

1262 Island stellt sich per Vertrag unter die Oberhoheit von Norwegen, doch das Alþingi behält das Recht zur Gesetzgebung. 1380 fällt Norwegen – und damit auch Island – an Dänemark.

1402 Die Bevölkerungszahl sinkt stark aufgrund von Pest und Hungersnöten. Der Handel mit England, der Hanse und Dänemark blüht, vor allem mit Fisch.

1550 Die Reformation erreicht das Land, der unnachgiebige Bischof von Hólar wird enthauptet. 1551 wird das Evangelisch-Lutherische Staatsreligion.

1602 Die dänische Krone verhängt ein Handelsmonopol über Island, das erst 1787 wieder gelockert wird.

1627 Algerische Piraten überfallen die Westmännerinseln und die Südküste und verschleppen 380 Menschen als Sklaven. Nur sehr wenige kehren zurück.

1662 Dänemarks König übernimmt die absolute Hoheit über Island, das Alþingi wird in seinen Rechten weiter eingeschränkt.

1702 Die erste Volkszählung ermittelt 50 358 Einwohner. In den nächsten sechs Jahren stirbt ein Drittel bei einer Pockenepidemie.

1783–1784 Der Laki-Ausbruch verwüstet ganz Südisland und verursacht Missernten rund um den Globus.

Bis 1843 Nachdem das Alþingi 1800 entmachtet wurde, wächst nun die Unabhängigkeitsbewegung, angeführt von Isländern in Dänemark, darunter Jón Sigurðsson. 1843 bekommt das Alþingi wieder beratende Funktion, 1854 fällt Dänemarks Handelsmonopol.

1874 Das Land feiert 1000 Jahre seit der Landnahme, das Alþingi wird dank neuer Verfassung (mit Einschränkungen) wieder Gesetzgeber. Ab 1904 volle Selbstverwaltung, noch unter dänischer Krone.

1911 wird die erste Universität gegründet, 1915 erhalten Frauen das Wahlrecht, 1918 wird Island unabhängig, in Personalunion mit Dänemark.

1940 Britische Truppen besetzen das Land zum Schutz vor dem Deutschen Reich, 1941 folgen US-Streitkräfte. Erst 2006 schließen Letztere ihren Stützpunkt in Keflavík und ziehen komplett ab.

1944 In þingvellir wird die Republik Island ausgerufen. Sie gehört seit 1945 zur UN, ab 1949 zur NATO, ab 1950 zum Europarat, ab 1952 zum Nordischen Rat, ab 1968 zum GATT und 1970 zur Europäischen Freihandelszone EFTA.

1952–1975 Das Land verteidigt seine Fischgründe in drei »Kabeljau-Kriegen« gegen britische Fischer und dehnt die Grenzen schließlich auf 320 km aus.

1955 Halldór Laxness erhält den Literaturnobelpreis.

1963 Ein untermeerischer Vulkanausbruch lässt die Insel Surtsey entstehen.

1973 verschüttet ein Vulkanausbruch beinahe die Nachbarinsel Heimaey.

1980 Vigdís Finnbogadóttir wird als weltweit erste Frau Präsidentin.

1993 Island wird Teil des Europäischen Wirtschaftsraums EWR.

2000 Island feiert 1000 Jahre Christentum, Reykjavík ist eine der Kulturhauptstädte Europas.

2001 Island tritt dem Schengen-Abkommen bei.

2008 Das von der Finanzkrise schwer getroffene Island verstaatlicht die drei Banken des Landes.

2009 Islands Regierung tritt zurück und verliert in Neuwahlen. Jóhanna Sigurðardóttir ist die erste offen homosexuell lebende Regierungschefin der Neuzeit.

2010 Eine Volksabstimmung stimmt gegen die Rückzahlung von Krisenschulden, was den beantragten EU-Beitritt gefährdet. Eine neue Verfassung wird erarbeitet.

2011 Tagelang legt die Asche des Vulkans Eyjafjallajökull, die hoch in die Atmosphäre steigt, den Flugverkehr über Europa lahm.

2014 Im August beginnt nördlich des Vatnajökull eine riesige Spalteneruption, die bis Ende Februar 2015 andauern wird. Die Lava der größten Eruption seit 1783–84 (Laki) bedeckt schließlich eine Fläche von 85 km2.

2015 Island zieht seine Kandidatur für eine EU-Mitgliedschaft zurück.

REYKJAVÍK UND DER SÜDWESTEN

1Reykjavík – die Innenstadt

2Reykjavík – der alte Hafen

3þjóðminjasafn Íslands

4Perlan

5Hafnarfjörður

6Halbinsel Reykjanes

7Bláa Lónið

8Golden Circle

9Hveragerði

10Eyrarbakki und Stokkseyri

Donnernd stürzt sich der Gullfoss 32 m in die Tiefe.

1 Reykjavík – die Innenstadt

Eine Stadt macht Dampf

Schön ist Reykjavík nicht wirklich. Eher rau, wie der nasskalte Seewind, der hier oft durch die Straßen fegt. Eine klassische Altstadt sucht man vergeblich, die Architektur prägen Beton und buntes Wellblech – funktionell und erdbebensicher. Dagegen überrascht die kulturelle Vielfalt der Innenstadt, wo es erstklassige Kunstmuseen, moderne Architektur, Designshops und Galerien zu entdecken gibt.

An schönen Tagen erkennt man von Reykjavík mühelos die 120 km entfernte Silhouette des Vulkans Snæfellsjökull.

Für manche ist Reykjavík (121 800 Einw.) eine kleine Metropole, für andere ein zu schnell gewachsenes Dorf. Wie eine Krake breitet die Hauptstadt ihre Tentakel über die umliegenden Hügel aus. Eine Entwicklung, die sich vor allem in den vergangenen Jahrzehnten vollzogen hat, nicht zuletzt aufgrund der Landflucht aus anderen Landesteilen. Während am Stadtrand kühle Hochhaussiedlungen mit Plattenbau-Charme entstanden, schossen an der Küste futuristisch anmutende Glaspaläste aus dem Boden. Doch dann platzte 2008 die Immobilienblase.

Das Café »Bókakaffi Súfistans« ist Teil eines Buchladens.

GUT ZU WISSEN

OHNE DUSCHE NICHT INS BAD

In isländischen Schwimmbädern ist es üblich, unbekleidet zu duschen und sich von Kopf bis Fuß mit Seife zu waschen, bevor man ins Wasser geht. Plakate erläutern das in mehreren Sprachen und mit eindeutigen Zeichnungen. Seifenspender sind in den Duschen vorhanden. Das sollte man unbedingt beachten, will man nicht als Ferkel gelten: Vergessliche Gäste müssen sich darauf einstellen, dass sie vom Personal oder von anderen Badegästen strafende Blicke ernten bzw. auf die Hygieneregeln hingewiesen werden.

Der Untergang dreier Großbanken brachte Island an den Rand des Staatsbankrotts. Gerade in der Hauptstadt sahen viele ihr Vermögen in Rauch aufgehen. Der Name Reykjavík, »Rauchbucht«, eingeführt von Ingólfur Arnarson, erhielt eine neue, zynische Bedeutung. Als der kühne norwegische Seefahrer sich um 870 der Vulkaninsel näherte, war diese noch unbewohnt. Nach altnordischem Brauch warf er seine Hochsitzstützen ins Meer und ließ sich dort nieder, wo sie von den Göttern angeschwemmt wurden: in einer Bucht, die er aufgrund der aufsteigenden Dampfsäulen reykjavík taufte.

Aufsteigende Dampfsäulen

Lange plätscherte das Leben in der »Rauchbucht« vor sich hin. Erst unter dem Impuls des Landvogts Skúli Magnússon – er gilt als »Vater der Stadt« – entstand Mitte des 18. Jahrhunderts rund um die ersten Werkstätten für Wollverarbeitung so etwas wie ein Dorf. Als Reykjavík 1786 das Stadtrecht bekam, zählte der Ort 167 Einwohner, erhielt jedoch als kaupstaður (Handelsstadt) besondere Handelsrechte. Die verräucherten Torfhäuser von einst ersetzten hübsche Holzhäuser. Diese Tage leben weiter in den bunten, oft mit Wellblech verkleideten Häusern zwischen dem Meer und dem See Tjörnin. Die Aðalstræti, die »Hauptstraße«, war jahrhundertelang die einzige Straße der Stadt. Nr. 10 ist das älteste Haus aus dem Jahr 1762.

Gleich nebenan förderten Archäologen 2001 Erstaunliches zutage. Bei Ausgrabungen stießen sie auf die Grundmauern eines stattlichen nordischen Langhauses aus dem 10. Jahrhundert. Dahinter fand man unter einer Ascheschicht des Vulkans Veiðivötn Überreste einer Mauer, die noch älter war. Anhand der Asche setzte man ein Alter von 871 Jahren fest, plus/minus zwei Jahre. Die Mauer darunter war also der älteste Beweis menschlicher Besiedlung auf Island. Heute gibt das Museum Landnámssýningin mit einer kurzweiligen Multimedia-Ausstellung Einblicke in die Besiedlung der Gegend, ergänzt von Artefakten archäologischer Ausgrabungen aus der Umgebung des Tjörnin.

Geheimtipp

PENISMUSEUM: SAMMLUNG KOMPLETT

Der eine sammelt Briefmarken, der andere Münzen – und Sigurður Hjartarson sammelt eben Penisse. Im Isländischen Phallusmuseum brachte der Gymnasiallehrer die Phallen sämtlicher isländischer Säugetiere zusammen: vom winzigen Glied einer Maus bis zum 170 cm langen und 75 kg schweren Pottwalpenis. An die 280 Stück baumeln heute von der Decke, füllen Glasbehälter und schmücken die Wände, als wären es Jagdtrophäen. Nur das Glas mit der Aufschrift Homo sapiens blieb lange verwaist. Zwar hatte Páll Arason, Jahrgang 1915, vor vielen Jahren verfügt, dass seine Männlichkeit nach dem Ableben ans Museum gehen sollte, doch die robuste Gesundheit des Mannes kam dem in die Quere. Erst 2011 meldete Sigurðurs Sohn Hjörtur Gísli – der Museumsgründer ist mittlerweile in Rente – strahlend, die Sammlung sei jetzt komplett.

Reðasafnið. Mai – Sept. tgl. 10 – 18 Uhr, übriges Jahr tgl. 11 – 18 Uhr, Eintritt 1500 ISK, Laugavegur 116, 105 Reykjavík, Tel. 561 66 63, www.phallus.is

Nicht verpassen

ÁRBÆJARSAFN: ZURÜCK IN DIE ZEIT

Ohne die ferne Silhouette der Hochhäuser und das nahe Rauschen der Stadtautobahn wäre das Freilichtmuseum Árbær die perfekte Zeitreise. 26 rekonstruierte Häuser, vor allem aus Reykjavík, vermitteln einen Eindruck vom isländischen Leben vor 100 bis 200 Jahren. Das Smiðshús (1823) ist das älteste Haus der Sammlung. Die Gebäude des Gehöfts Árbær stehen noch immer an ihrem ursprünglichen Platz. Im Sommer bevölkern Haustiere die Museumswiesen, und Menschen in traditionellen Trachten hauchen der Siedlung Leben ein. Kurios: Die nordisländische Kirche von Silfrastaðir (1842) wurde zwischendurch lange Zeit als Wohnraum genutzt, dient aber heute im Freilichtmuseum wieder als Kirche, oft sogar als Traukirche.

Árbæjarsafn. Juni–Aug. tgl. 10 bis 17 Uhr, sonst tgl. Führung um 13 Uhr, Eintritt 1500 ISK, Kistuhyl, 110 Reykjavík, Tel. 411 63 04, www.borgarsogusafn.is

Kochtopf-Revolution

Auf einer künstlich aufgeschichteten Insel am Tjörnin-See erhebt sich das im Jahr 1992 fertiggestellte Rathaus, ein postmodernes Gebäude, an dem sich die Geister scheiden. Dicke Betonpfeiler, markante, halbrunde Dächer und eine imposante Glasfront bilden einen scharfen Kontrast zum nahen See, der von über 40 Vogelarten bevölkert wird. Das Interieur des Rathauses überrascht Besucher mit einem gewaltigen 3-D-Relief-modell Islands.

Ein paar Schritte weiter liegt der schönste Platz der Stadt: Austurvöllur, begrenzt von der Kathedrale Dómkirkja (1787) und dem Parlamentsgebäude Alþingishús aus dunklem Basalt. Auf dem grasbewachsenen Platz, bewacht von der Statue des Freiheitskämpfers Jón Sigurðsson, trugen sich im Winter der Krise 2008/2009 turbulente Szenen zu. Zur Zeit der »Kochtopf-Revolution«, einer Serie großer Demos, ließen Tausende Dampf ab, indem sie auf Töpfen und Pfannen trommelten. Lautstark forderten sie die Einbuchtung des Premierministers Geir Haarde. Pikantes Detail: Dessen Amtssitz, Stjórnarráðshús, ein schlichtes weißes Haus in der Lækjargata, wurde im 18. Jahrhundert von den Dänen ursprünglich als Gefängnis gebaut.

Stadtrundgang

Zu Reykjavíks Wurzeln startet man am Lækjartorg.

Stjórnarráðshús – Der heutige Amtssitz des Regierungschefs fungierte bis 1816 als Gefängnis.

Fálkahús – Im »Falkenhaus« warteten einst für die Jagd gefangene Gerfalken auf ihren Transport zum dänischen König. Das heutige Haus ist von 1858.

Hafnarhús – Museum für zeitgenössische Kunst, u.a. des Pop-Art Künstlers Erró, im »Hafenhaus«

Volcano House – Filme über Vulkanausbrüche

Aðalstræti 10 – ältestes Haus der Stadt (1762)

Landnámssýningin – Das Museum wurde rund um die Überreste eines Langhauses (9. Jh.) erbaut.

Rathaus – Der moderne Komplex wurde zum Teil in den Tjörnin-See hineingebaut.

Austurvöllur – Der schönste Platz der Stadt war früher Übernachtungsstätte und Weide für die Pferde, mit denen die Bauern in die Stadt kamen.

Hallgrímskirkja – Das Wahrzeichen der Stadt wurde zwischen 1945 und 1986 errichtet.

Listasafn Einars Jónssonar – Das Skulpturenmuseum ist dem Bildhauer Jónsson gewidmet.

Reðasafnið – Islands skurrilstes Museum

Safnahúsið – Berühmte Manuskripte aus dem Mittelalter, darunter die Eddas und Sagas, werden hier aufbewahrt.

Auf die Vulkane ist Verlass

Längst ist wieder Normalität eingekehrt, das Einzige, was noch dampft, sind die thermal beheizten Freibäder. Davon bietet das »nördlichste Badeparadies der Welt« seinen 121 800 Einwohnern ganze sieben, alle mit Hot Pots, Whirlpools und Dampfbädern. Um die Heizkosten braucht sich keiner zu sorgen: Die Vulkane im Untergrund sind billige und ergiebige Energielieferanten. Über 70 Bohrlöcher versorgen sämtliche Gebäude der Hauptstadt mit Warmwasser. Unter Straßen und Bürgersteigen verlegte Schläuche sorgen auch im Winter für schnee- und eisfreies Shoppen.

Vor dem Eingang der spitzen Hallgrímskirkja wacht die Statue des Amerika-Entdeckers Leif Eriksson.

Längst aus dem Straßenbild verschwunden sind die Hausfrauen, die einst, mit schweren Wäschekörben unter dem Arm, durch den Laugavegur zu den þvottalaugar (Waschquellen) im Laugardal zogen. Reykjavíks Flaniermeile prägen heute Boutiquen, Galerien, trendige Bars und gemütliche Cafés. Im Café »Bókakaffi Súfistans« in einem Buchladen können Gäste bei einer Tasse Kaffee Zeitschriften oder Bücher lesen. Galerien, Musikgeschäfte und Designshops flankieren auch den nahen Skólavörðustígur, der zur imposanten Hallgrímskirkja hochführt.

Spitzer Bleistift

Islands größte Kirche, wie ein spitzer Bleistift in den Himmel ragend, ist Reykjavíks Wahrzeichen. Sie wurde nach dem Dichter Hallgrímur Pétursson (1614–1674) benannt. Der Entwurf stammt von Staatsarchitekt Guðjón Samúelsson, der sich von den inseltypischen Basaltsäulen inspirieren ließ. Blickfang im Innern ist die Orgel mit 5275 Pfeifen von der renommierten Bonner Orgelbauwerkstatt Johannes Klais Orgelbau. Vom 74 m hohen Turm ergibt sich ein toller Rundblick.

Im Laugavegur reihen sich die Boutiquen mit internationaler und isländischer Mode aneinander.

Am Eingang thront die Statue des Amerika-Entdeckers Leif Eriksson. Das angrenzende Museum Listasafn Einars Jónssonar ist Einar Jónsson (1874–1954) gewidmet. Er war Islands erster Bildhauer, der international bekannt wurde.

UNESCO-Literaturstadt

Gerade im künstlerischen Bereich blüht Reykjavík immer mehr auf, die Kunst-, Literatur- und Musikszene ist erstaunlich vielseitig. Unter den vielen Kunstmuseen ist das Listasafn Reykjavíkur hervorzuheben, das sich über drei Standorte verteilt: Das Hafnarhús, der Hauptstandort in einer umgebauten Lagerhalle am Hafen, präsentiert zeitgenössische Kunst. Etwas außerhalb der Innenstadt bieten Kjarvalsstaðir Werke des Landschaftsmalers Jóhannes Kjarval und Ásmundarsafn Skulpturen von Ásmundur Sveinsson.

Aufgrund seiner einmaligen literarischen Produktion – auf 1000 Isländer kommen jährlich fünf Buchveröffentlichungen – wurde Reykjavík 2011 zur UNESCO-Literaturstadt ernannt. Teile der unschätzbar wertvollen Mittelalterliteratur sind noch immer in der Stadt erhalten. Im Safnahúsið kann man Meisterwerke wie die Guðbrandsbiblía (Guðbrandur-Bibel) und Jónsbók bewundern.

Nicht verpassen

WIR TREFFEN UNS IM POOL

Schwimmbäder und Hot Pots sind wichtige Treffpunkte für die Einheimischen. Viele Isländer gehen vor allem in den Pool, um Leute zu treffen und zu plaudern, Schwimmen spielt eine untergeordnete Rolle. Sie kommen oft an einem festen Wochentag und treffen dann immer dieselben Leute und Freunde. Und wirklich jeder geht ins Schwimmbad. Nicht undenkbar, dass man mit Reykjavíks Bürgermeister, Schauspielern, Popstars, Parlamentsmitgliedern, Professoren und Pastoren im Hot Pot sitzt. Die Bäder sind grundsätzlich Freibäder, was aber auch bei kaltem Wetter kein Grund zur Sorge ist: Die Wassertemperatur beträgt 28 bis 30 °C, in den Hot Pots sogar 37 bis 45 °C.

Laugardalslaug. 50-Meter-Bad, Wasserrutschen, 7 Hot Pots, Dampfbad und heißes Salzwasserbad. Mo–Fr 6.30–22 Uhr, Sa, So 8–22 Uhr, Eintritt 900 ISK, Sundlaugavegur 30, 105 Reykjavík, Tel. 411 51 00, www.reykjavik.is/en/all-swimming-pools

Infos und Adressen

SEHENSWÜRDIGKEITEN

Hallgrímskirkja. Tgl. 9–17 Uhr, Juni–Sept. tgl. 9–21 Uhr, sonst 9–17 Uhr, Eintritt Kirche frei, Turm 900 ISK, Hallgrímstorg 1, 101 Reykjavík, Tel. 510 10 00.

Listasafn Reykjavíkur – Hafnarhús. Fr–Mi 10–17 Uhr, Do 10–22 Uhr, Eintritt 1500 ISK, Tryggvagata 17, 101 Reykjavík, Tel. 411 64 00, www.artmuseum.is

Volcano House. Tgl. 9–22 Uhr, Eintritt Ausstellung frei, Film 1990 ISK, Tryggvagata 11, 101 Reykjavík, Tel. 555 19 00, www.volcanohouse.is

Das Museum Landnámssýningin

Landnámssýningin. Tgl. 9–20 Uhr, Eintritt 1500 ISK, Aðalstræti 16, 101 Reykjavík, Tel. 411 63 70, www.borgarsogusafn.is

Listasafn Einars Jónssonar. Di–So 10–17 Uhr, Eintritt 1000 ISK, Eiríksgata 3, 101 Reykjavík, Tel. 561 37 97, www.lej.is

Safnahúsið. Mai–Mitte Sept. tgl. 10–17 Uhr, Mitte Sept.–April Di–So 10–17 Uhr, Eintritt 1200 ISK, Hverfisgata 15, 101 Reykjavík, Tel. 530 22 10, www.culturehouse.is

ESSEN UND TRINKEN

Grillmarkaðurinn. Das 2011 eröffnete Spitzenrestaurant bietet traditionelle Fisch- und Fleischgerichte mit modernem Twist, serviert in einer cool durchgestylten Umgebung. Verwendet werden nur erstklassige Produkte von lokalen Bauern. Mo–Do 11.30–14 und 18–22.30 Uhr, Fr 11.30–14 und 18–23.30 Uhr, Sa 18–23.30 Uhr, So 18–22.30 Uhr. Lækjargata 2a, 101 Reykjavík, Tel. 571 77 77, www.grillmarkadurinn.is

Fiskmarkaðurinn. In diesem trendigen Restaurant in einem der ältesten Häuser der Stadt wird das Beste aus dem Reich Neptuns kredenzt, z. B. Königskrabbe. Fr–Sa 18–23.30 Uhr, So–Do 18–22.30 Uhr. Aðalstræti 12, 101 Reykjavík, Tel. 578 88 77, www.fiskmarkadurinn.is

þrir Frakkar. Der Name, »Drei Franzosen«, erinnert an die früheren Besitzer dieser Location, das Ambiente an ein französisches Bistro. Beim Essen setzt Spitzenkoch Úlfar Eysteinsson aber auf traditionelle isländische Kost, vor allem Fisch und Meeresfrüchte – von plokkfiskur (Fischpüree), dem einstigen Arme-Leute-Essen, bis zu Walfleisch. Mo–Fr 11.30–14.30 und 18–22 Uhr, Sa, So 18–23 Uhr. Baldursgata 14, 101 Reykjavík, Tel. 552 39 39, www.3frakkar.com

Café Paris. Das gemütliche Bistro wird von Touristen, Studenten und Bankern gleichermaßen frequentiert. Bei Sonne ein beliebtes Straßencafé. Mai–Aug. tgl. 8–24 Uhr (Sa, So bis 1 Uhr), sonst tgl. 9–24 Uhr (Sa, So bis 1 Uhr), Austurstræti 14, 101 Reykjavík, Tel. 551 10 20, www.cafeparis.is

Íslenski barinn. Dieses urige Fischrestaurant überrascht mit isländischen Spezialitäten, die sonst nur selten die Speisekarte schmücken – von fermentiertem Hai und Stockfisch bis Papageitaucher und in Bier gekochten Muscheln. Tgl. 11.30–22 Uhr, Ingólfsstræti 1a, 101 Reykjavík, Tel. 517 67 67, www.islenskibarinn.is

ÜBERNACHTEN

Hótel Borg****. Die Grande Dame (1930) unter den Unterkünften am schönsten Platz der Stadt. Originale Art-déco-Einrichtung und moderne, geräumige, individuell gestylte Zimmer. Zentraler geht es nicht. Pósthússtræti 11, 101 Reykjavík, Tel. 551 14 40, www.keahotels.is

101 Hotel****. Das kleine, aber feine Boutique-hotel, untergebracht in einem Bürogebäude aus den 1930er-Jahren, ist eine Schöpfung der Designerin und Besitzerin Ingibjörg Pálmadóttir. Der Name »101« greift Reykjavíks Postleitzahl auf. Hverfisgata 10, 101 Reykjavík, Tel. 580 01 01, www.101hotel.is

Reykjavík Residence Hotel***. Brandneues Apartmenthotel in einer ansehnlichen alten Villa mit großen, gut ausgestatteten Zimmern für Selbstversorger. Hverfisgata 45, 101 Reykjavík, Tel. 561 12 00, www.rrhotel.is

Baldursbrá Guesthouse. Ruhig unweit des Rathauses gelegen, mit einfachen, aber liebevoll eingerichteten Zimmern. Reichhaltiges Frühstück, ein Hot Pot im Garten: Es gibt viele Gründe, hier Quartier zu beziehen. Evelyn, die freundliche Besitzerin, stammt aus der Bretagne. Laufásvegur 41, 101 Reykjavík, Tel. 552 66 46, www.baldursbra.com

Butterfly Guesthouse. Hinter dem blassgrünen Giebel in einer ruhigen Straße der Innenstadt verbirgt sich eine kleine, schmucke Pension mit schönen Zimmern und Appartements (mit oder ohne Bad). Ránargata 8a, 101 Reykjavík, Tel. 894 18 64, www.butterfly.is

AUSGEHEN

In der Clubszene wird Reykjavík in einem Atemzug mit New York oder Berlin genannt. Großraumdiskotheken sind selten zu finden, die Szene besteht hier vielmehr aus zahlreichen kleinen Clubs in der Innenstadt. In den meisten wird Wert auf schicke Kleidung gelegt. Über Livemusik informiert die Gratiszeitung The Reykjavík Grapevine, die überall ausliegt.

Kaffibarinn. Tagsüber Café, abends Disco mit den besten DJs. Die hippe Bar mit Bohemien-Ausstrahlung war Drehort des Kultfilms 101 Reykjavík. Bergstaðastræti 1, 101 Reykjavík, Tel. 551 15 88, www.facebook.com/kaffibarinn

EINKAUFEN

Kraum. Überraschende Kreationen von über 100 isländischen Designern: originelle Vasen, Lammfellhöcker, Schuhe aus Fischleder oder aus Pferdehaar etc. Mo–Fr 9–18, Sa 10–18, So 11–18 Uhr, Bankastræti 7, 101 Reykjavík, Tel. 517 77 97, www.kraum.is

Kirsuberjatréð. Elf isländische Frauen verkaufen hier in Eigenregie Schmuck, Textilien, Töpfereien etc. Wie wäre es mit einer Umhängetasche aus Seewolfsleder oder einer Schüssel aus Rettich und Zucchini? Mo–Fr 10–18, Sa, So 10–17 Uhr, Vesturgata 4, 101 Reykjavík, Tel. 562 89 90, www.kirs.is

INFORMATION

Reykjavík Tourist Information Centre. Tgl. 8–20 Uhr. Aðalstræti 2, 101 Reykjavík, Tel. 590 15 50, www.visitreykjavik.is

Reykjavík City Card. Die Card gewährt freien Eintritt in zahlreiche Museen und in die sieben Pools der Stadt sowie die kostenlose Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel. Sie ist beim Fremdenverkehrsamt erhältlich. Weitere Verkaufsstellen sind im Internet aufgelistet. Preise: 3700/4900/5900 ISK für 1/2/3 Tage, www.visitreykjavik.is

Gemütliche Cafés gibt es in der Innenstadt zuhauf.

2 Reykjavík – der alte Hafen

Es weht ein frischer Wind

Noch vor Kurzem fristete der Gamla Höfnin, der »alte Hafen«, am Rand der Innenstadt ein tristes Dasein. Dann kam der Wandel: Leer stehende Fabriken wurden zu Museen oder Hotels, in einstige Fischerschuppen zogen Restaurants, Cafés und Galerien ein. Vom Pier mit den eingemotteten Walfangschiffen starten Whale-Watching-Touren. Symbol der überstandenen Wirtschaftskrise ist die neue Konzerthalle Harpa.

Im nagelneuen Konzertgebäude Harpa fanden sowohl das isländische Symphonieorchester als auch die isländische Oper ein Zuhause.

Der Ausbau des Hafens (1913–1917) war das bis dahin größte Bauprojekt der isländischen Geschichte. Vorher ankerten die Schiffe in der Bucht, und die Güter mussten mit Ruderbooten an Land gebracht werden. Für den Transport des Baumaterials für Molen und Kais wurde sogar eine Eisenbahnstrecke angelegt. Das Ergebnis war ein zweigeteilter Hafen: Im Vesturhöfn (»Westhafen«) konzentrierte sich die Fischerei, im Austurhöfn (»Osthafen«) legten die Frachtschiffe an. Der Hafen boomte und war nach einem halben Jahrhundert schon wieder zu klein. Nach der Fertigstellung des neuen Hafens Sundahöfn (1968) östlich der Innenstadt verschwanden die Frachter. Fabriken und Lagerhallen machten dicht, Fischerschuppen fielen dem Strukturwandel der Fischerei zum Opfer. Die Verödung war unabwendbar.

Noch immer werden im »alten Hafen« von Reykjavík Schiffe repariert.

Wer heute auf dem Hafnarstígur (»Hafenpfad«) den »alten Hafen« erkundet, reibt sich verwundert die Augen. Im Verlauf des 1 km langen Fußwegs, markiert durch bunte Streifen, die das Band zwischen den wichtigsten Elementen des Hafens symbolisieren, wird der Wandel deutlich, der sich in den vergangenen Jahren vollzogen hat.

Harpa – Symbol für den Optimismus

Ein logischer Startpunkt für den Streifzug ist die neue Konzerthalle Harpa (»Harfe«). Der fabelhafte Glaspalast, der sich hoch über dem Hafen erhebt, ist die größte Konzerthalle Skandinaviens und bietet 1800 Plätze. Der Entwurf des 43 m hohen Gebäudes, das wie ein überdimensionierter Kristall wirkt, stammt von dem dänischen Architektenbüro Henning Larsen. Die fischschuppenähnliche Fassade, deren Glasbausteine je nach Licht und Blickwinkel wechselnde Farben erzeugen, entwarf der dänisch-isländische Künstler Ólafur Elíasson. Dass der Bau je vollendet wurde, grenzt an ein Wunder, denn während der Wirtschaftskrise gingen die Banker und Investoren, die das Mega-projekt finanzierten, allesamt pleite. Statt einer State-of-the-Art-Konzerthalle drohte der Stadt, eine kolossale Bauruine zu erhalten. Doch so weit kam es dann doch nicht: Mit einem unglaublichen Kraftakt wurde das fehlende Geld aufgebracht und der Palast in einer Sparversion, die »nur« ca. 160 Mio. Euro kostete, zu Ende gebaut. Seit der Eröffnung 2011 gilt er nicht mehr als Symbol des Scheiterns, sondern verkörpert nun den unerschütterlichen Optimismus.

Geheimtipp

SÆGREIFINN: RUSTIKAL, ABER KÖSTLICH

Im Restaurantgeschäft landete Kjartan Halldórsson nur durch Zufall. Als eines Tages eine Gruppe ausländischer Besucher in seinem Fischladen fragte, ob er ihnen den Fisch auch zubereiten könnte, witterte der ehemalige Fischer und Koch der Küstenwache eine Chance. Er rannte zum nächsten Baumarkt, kaufte einen Grill und kredenzte seinen Gästen den Fisch auf den Fischkästen im Laden.

Die Kästen sind längst verschwunden, aber rustikal sieht das winzige, mit Fischernetzen, Fotos von alten Dampfern und Schiffsmodellen eingerichtete Lokal noch immer aus: Man sitzt auf gepolsterten Fischtonnen an langen Tischen. Das Essen kommt auf einem Plastikteller, hat aber eine Spitzenqualität. Der legendären Hummersuppe stehen die saftigen Spieße (Heilbutt, Kabeljau, Scholle, Zwergwal – je nach Tagesangebot) in nichts nach.

Sægreifinn. Mitte Mai–Aug. tgl. 11.30–23, Sept.–Mitte Mai 11.30–22 Uhr, Geirsgata 8, 101 Reykjavík, Tel. 553 15 00, www.saegreifinn.is

Einfach gut!

KOLAPORTIÐ: ISLANDS EINZIGER FLOHMARKT

Die Aufschrift Kolaportið über dem Eingang verrät, das hier einst die Kohlen für die Dampfschiffe gelagert wurden. Seit 1989 beherbergt der schmucklose Betonklotz hinter der Zollbehörde den einzigen Flohmarkt Islands. Neben den üblichen Wühltisch- und Secondhandwaren gibt es einige Stände mit echten Antiquitäten. Spannend ist jedoch vor allem der hintere Bereich, wo Händler aus dem ganzen Land ihre Spezialitäten feilbieten: rúgbrauð (süßes, dunkles Roggenbrot) aus Selfoss, hákarl (fermentierter Haifisch) von der Snæfellsnes-Halbinsel, harðfiskur (Trockenfisch) aus den Westfjorden, reyktur lax (Räucherlachs) aus Hafnarfjörður, svartfugl (Lummen) … Überall kann man natürlich ausgiebig kosten. Denn nur so erkennt man z. B. den feinen Unterschied zwischen birkireyktur und taðreyktur lax – Ersterer wird mit Birkenholz, Letzterer mit getrocknetem Schafmist geräuchert.

Kolaportið. Sa, So 11–17 Uhr. Tryggvagata 19, 101 Reykjavík.

Im Innern des skulpturalen Baus befindet sich auch der isländische Pavillon, der für die Expo 2010 in Shanghai konzipiert wurde und 2011 auf der Frankfurter Buchmesse, wo Island Ehrengast war, für die Vulkaninsel warb. Der würfelförmige Pavillon präsentiert sich als Multimedia-Box und entführt den Betrachter mit einem Film im 360-Grad-Panorama in die faszinierenden Naturwelten der Insel. Er zeigt Impressionen der Hauptstadt und fesselt mit spektakulären Aufnahmen von rauschenden Wasserfällen und dramatischen Vulkanausbrüchen.

Deutsche Dampfloks

Im Schatten der Harpa liegt der ehemalige Handelshafen Austurhöfn. Statt Frachter sind hier jetzt die Schiffe der Küstenwache und des isländischen Instituts für Meeresforschung vertäut, neben einigen Kreuzfahrtschiffen (die größeren weichen allerdings in den Sundahöfn aus). Ein paar Schritte weiter erinnert eine alte Dampflok an die für den Bau des Hafens angelegte Schmalspurbahn: Die »Minör« (1892) wurde wie ihre Schwester (zu sehen im Freilichtmuseum Árbæjarsafn) von der deutschen Lokomotivfabrik Arnold Jung geliefert. Die 12 km lange Bahnstrecke war bis 1928 für den Gütertransport in Betrieb.

Den Walen auf der Spur

Am deutlichsten wird der Wandel rund um den Pier Ægisgarður. Hellblau leuchten die alten Fischerschuppen aus den 1930er-Jahren, die vor wenigen Jahren gerade noch vor der Abrissbirne gerettet werden konnten. Heute sind in den hübsch renovierten Buden Restaurants, Cafés, Galerien, Designshops und ein Kino untergebracht. Auch diverse Whale-Watching-Veranstalter bezogen hier Quartier.

Rundgang durch den alten Hafen

Im Verlauf dieses Spaziergangs auf dem Hafnarstígur erlebt man hautnah die erstaunliche Metamorphose, die sich im »alten Hafen« in den vergangenen Jahren vollzogen hat.

Konzerthalle Harpa – Das neue Wahrzeichen des »alten Hafens« besticht durch seine exzellente Akustik. Die Bandbreite der Veranstaltungen reicht von klassischer Musik bis hin zu Rock und Pop.

Minör – Die grüne Dampflok ist das einzige Relikt der einstigen Schmalspurbahn im »alten Hafen«. Mit der Bahn wurden Felsblöcke von den Gruben am Öskjuhlíð und Skólavörðuholt transportiert.

Kolaportið – Die Rückseite des ehemaligen Kohlenspeichers, in dem heute jedes Wochenende ein gut besuchter Flohmarkt stattfindet, schmückt ein sehenswertes Mosaik mit Szenen des Hafenbetriebs von Gerður Helgadóttir (1928–1975).

Hafnarbærinn – In den hellblau angestrichenen Fischerbuden wurden einst Fische ausgenommen und gesalzen oder Netze gelagert.

Whale Watching Centre – Die Ausstellung hier ist der perfekte Einstieg zu einem Whale-Watching-Erlebnis. Der unumstrittene Blickfang ist das Skelett eines Zwergwals.

Walfangschiffe – Die schwarzweiß angestrichenen Boote mit der Aufschrift Hvalur (»Wal«) fuhren bis vor 20 Jahren mit ihrem Fang zur Walfangstation am Hvalfjörður, nördlich von Reykjavík.

Aurora Reykjavík – Das Erlebniszentrum illustriert die Deutung der Polarlichter in verschiedenen Kulturen und vermittelt Tipps und Tricks für die Polarlichtfotografie.

Saga Museum – Fast genauso spannend wie die oft blutrünstigen Szenen ist der Film, der die Entstehung der Wachsfiguren erläutert.

Víkin – Sjóminjasafnið í Reykjavík – Das im Jahr 2005 eröffnete Museum zeichnet mit spannenden Videoaufnahmen und Augenzeugenberichten ein lebendiges Bild der Seefahrtsgeschichte. Auch die »Óðinn«, das ehemalige Schiff der Küstenwache, kann man erkunden.

Whales of Iceland – Die verblüffend realistischen Walmodelle und -geräusche lassen keinen Walliebhaber unberührt.

Kaffivagninn – Das authentische Seemannscafé ist noch immer ein Treffpunkt alter Seebären.

Im Seefahrtsmuseum wird die Geschichte der isländischen Fischerei und Küstenkultur illustriert.

Die Walbeobachtungsfahrten sind fast immer erfolgreich. Gesichtet werden vor allem Zwerg- und Buckelwale, Weißschnauzendelfine und Schweinswale, im Winter zudem ab und zu Schwert-, Finn- und Blauwale. Ein ausrangierter Trawler beherbergt das Whale Watching Centre, ein Museum, das mit Ton- und Videoaufnahmen Wissenswertes über die Wale vermittelt. Pikantes Detail: Gleich nebenan liegen die betagten Walfangkutter. Im Sommer verkehrt vom Pier eine Fähre zur vorgelagerten Insel Viðey (s. Einfach gut).

2006 hat Island die kommerzielle Jagd auf Zwerg- und Finnwale wieder aufgenommen.

Sagas und Nordlichter

In einem historischen Gebäude an der Grandagarður ist das neue Polarlicht-Zentrum »Aurora Reykjavík« untergebracht, das dieses faszinierende Naturschauspiel mithilfe von modernen Multimedia-Technologien wie HD-Projektionen und interaktiven Displays zum Leben erweckt.

Im Saga Museum begegnet man auch irischen Mönchen.

Gleich nebenan zog 2014 das Saga Museum ein. Die mit dumpfen Axthieben und markerschütternden Schreien untermalte Ausstellung im Stil von Madame Tussauds zeigt große Persönlichkeiten und Schlüsselereignisse der Geschichte – von der Besiedlung bis zur Reformation. Mit lebensgroßen Wachsfiguren sind 17 Szenen dargestellt. Man trifft auf den norwegischen Wikinger Ingólfur Arnarson und Sagahelden wie Leif Eriksson, begegnet dem großen Dichter und Politiker Snorri Sturluson und ist Zeuge der Köpfung des Bischofs Jón Arason. Während des Rundgangs erkennt man vielleicht auch einige Einwohner aus Reykjavík in den Figuren. Der Museumsdirektor figuriert zum Beispiel als Ingólfur Arnarson; auch seine Töchter tauchen auf – als irische Prinzessin bzw. als kleines Sklavenmädchen, das an einem Fisch knabbert.

Geschichte statt Fisch

Der Hafenpfad endet beim Sjóminjasafnið, eingerichtet in einer ehemaligen Fischfabrik: Dieses moderne Seefahrtsmuseum illustriert den Ausbau des Hafens und die Entwicklung der Schifffahrt – von Ruderbooten bis zu modernen Trawlern und Frachtschiffen. Gleich nebenan liegt die »Óðinn« (1959), ein ausrangiertes Schiff der Küstenwache, dessen Einsätzen die Besatzungen zahlreicher in Seenot geratener Schiffe ihr Leben verdanken.

Nur ein paar Schritte entfernt befindet sich die ständige Wal-Ausstellung Whales of Iceland. Die im Februar 2015 in einer ehemaligen Fabrikhalle eröffnete Ausstellung ist die größte ihrer Art weltweit. Auf einer Fläche von 1700 m2 werden 23 lebensgroße Modelle der Cetacea gezeigt, die in isländischen Gewässern beheimatet sind – vom winzigen Schweinswal bis zum mächtigen Blauwal. Das blaue Licht in der Halle vermittelt den Eindruck, als würde der Betrachter in die Tiefen des Ozeans eintauchen. Interaktive Touchscreens und modernste Computertechnik vermitteln Wissenswertes zu den einzelnen Meeressäugern. Eine bessere Einstimmung auf eine Walbeobachtungsfahrt gibt es nicht …