Bruderkrieg - Dale Brown - E-Book

Bruderkrieg E-Book

Dale Brown

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Beschreibung

Atemberaubende Action, unglaublich realistisch!

Amerika steht am finanziellen Abgrund, Unruhen erschüttern das Land, die Regierung kann die Sicherheit der Bürger nicht mehr garantieren – und im Westen übernehmen militante Terroristen das Kommando. Diese selbsternannten »Ritter der Republik« überfallen ein SWAT-Team und bringen gefährliches radioaktives Material in ihren Besitz. Die Regierung ist geschwächt und kann den Terroristen nichts entgegensetzen. Nur die Männer der Civil Air Patrol unter der Leitung des ehemaligen Air-Force-Generals Patrick McLanahan nehmen den Kampf auf, und eine schmutzige Schlacht beginnt ...

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Buch

Als die Aktienmärkte zusammenbrechen und die gesamte US-Wirtschaft in eine tiefe Rezession fällt, ändert sich alles für den neu gewählten Präsidenten Kenneth Phoenix. Die Etats für Bildung, Verkehr und die nationale Sicherheit werden gekürzt – die Regierung kann die Sicherheit der Bürger nicht mehr garantieren. Immer mehr bewaffnete Zivilisten finden sich zusammen, um ihr Überleben zu sichern – darunter auch eine Gruppe, die sich »Ritter der Wahren Republik« nennt. Ein schmutziger Kampf gegen die geschwächte Regierung beginnt.

Die Männer der Nevada Civil Air Patrol unter der Leitung des ehemaligen Air-Force-Generals Patrick McLanahan und seines Sohnes Bradley nehmen den Kampf gegen die Terroristen auf, um ihre Landsleute zu schützen. Doch als die selbst ernannten »Ritter der Wahren Republik« eine Bombe in Reno zünden und Bradley in ein gefährliches Doppelspiel verstrickt wird, steht Patrick McLanahan plötzlich zwei Feinden gegenüber – den Terroristen und den eigenen Männern, denen er nicht mehr vertrauen kann …

Autor

Dale Brown wurde 1956 in Buffalo im US-Bundesstaat New York geboren und nahm bereits Flugstunden, bevor er seinen Führerschein machte. Er studierte an der Penn State University und schlug dann eine Laufbahn in der U.S. Air Force ein. Seit 1986 widmet er sich in erster Linie dem Schreiben. Als einer der erfolgreichsten US-Autoren landete er mit allen bisherigen Romanen auf der New-York-Times-Bestsellerliste. Dale Brown lebt in Nevada, wo er sich oft mit seiner eigenen Maschine in die Luft erhebt.

Von Dale Brown bei Blanvalet lieferbar:

Bruderkrieg – Phantomjäger –

Schattenkommando – Außer Kontrolle –

Friedensstifter

Dale Brown

Bruderkrieg

Thriller

Aus dem Englischen

von Caspar Holz

Die englische Originalausgabe erschien unter dem Titel

»A Time for Patriots« bei William Morrow, New York.

1. Auflage

Deutsche Erstausgabe Juli 2015 bei Blanvalet, einem Unternehmen

der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Copyright © 2011 by Air Battle Force, Inc.

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2015

by Blanvalet Verlag, München, in der Verlagsgruppe

Random House GmbH, München

Umschlaggestaltung: Johannes Frick, Neusäß

Umschlagmotive: Shutterstock

Redaktion: Peter Thannisch

ue · Herstellung: sam

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-15782-1

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und www.twitter.com/BlanvaletVerlag.

www.blanvalet.de

Dieser Roman ist den Freiwilligen gewidmet– all jenen, die ihrem Staat und ihren Mitbürgern auf tausenderlei unterschiedliche Weise dienen, ohne einen Gedanken an eine Belohnung. Es ist dies das höchste Geschenk an die Gesellschaft: das des selbstlosen Einsatzes.

PERSONENDERHANDLUNG

U.S. Air Force Lieutenant-General Patrick McLanahan, (im Ruhestand), Einsatzpilot der Civil Air Patrol CAP (Civil Air Patrol – Zivile Luftpatrouille)

CAP Lieutenant Colonel Rob Spara, Battle Mountain CAP-Staffelkommandant

CAP Captain David Bellville, Staffelvizekommandant, Kadettenkommandant und Leiter der Bodeneinsatztruppen

Michael P. Fitzgerald, stellvertretender Leiter der Bodeneinsatztruppen

Cadet Captain Bradley James McLanahan,CAP (Civil Air Patrol – Zivile Luftpatrouille)

Cadet First Lieutenant Ron Spivey, Angehöriger der Bodeneinsatztruppen

Cadet Technical Sergeant Ralph Markham, Angehöriger der Bodeneinsatztruppen

Leo Slotnick, Einsatzscanner am Bildlesegerät der CAP

John de Carteret, Einsatzbeobachter der CAP

Kenneth Phoenix, Präsident der Vereinigten Staaten

Ann Page, Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten

Jocelyn Caffery, Justizministerin der Vereinigten Staaten

Justin Fuller, Direktor des Federal Bureau of Investigation (FBI)

Special Agent Philip Chastain,FBI

Special Agent Cassandra Renaldo, Heimatschutzministerium

Agent Randolph Savoy,FBI, Pilot des CID (Cybernetic Infantry Device), des Kybernetischen Infanteriegeräts

Lieutenant Colonel Jason Richter, U.S. Army, CID-Techniker und Pilot

Charlie Turlock,CID-Technikerin und -Pilotin

Wayne Macomber, Tin-Man-Kommandosoldat

Brigadier-General Kurt »Buzz« Givens, Stützpunktkommandant, Joint Air Base Battle Mountain

Darrow Horton, ehemalige Justizministerin der Vereinigten Staaten

Timothy Dobson, Central Intelligence Agency (CIA)

Judah Andorsen, Rancher aus Nevada

Reverend Jeremiah Paulson, Oberhaupt der »Ritter der Wahren Republik«

WAFFENUNDAKRONYME

60-zu-1-Regel – Faustregel zur Bestimmung von Kursabweichungen bei der Flugnavigation: Demnach entspricht eine Abweichung von einer Meile nach einer Flugstrecke von 60 Meilen einer ungefähren Kursabweichung von 1°

AGL – (Above Ground Level)Höhe über Grund

AFRCC – (Air Force Rescue Coordination Center)Air-Force-Rettungsleitstelle

AM/PM – Fast-Food-Kette

AN/UWQ-1 – Avenger (Rächer), wahlweise bemanntes Gerät zur mobilen Luftverteidigung

ARCHER – (Airborne Real-time Cueing Hyperspectral Enhanced Reconnaissance)luftgestütztes bildgebendes System, von der CAP zur Unterstützung visueller Suchoperationen eingesetzt

ARF – (Air Reserve Forces)Reserveluftwaffenstreitkräfte der US-Armee

ASAP – (as soon as possible)so schnell wie möglich

ATC – (Air Traffic Control)Luftraumüberwachung

ATF– (Alcohol, Tobacco and Firearms) Sicherheitsbehörde der USA für Alkohol, Tabak, Schusswaffen und Sprengstoff

Avenger – mobiles, wahlweise bemanntes Luftverteidigungsfahrzeug, bestückt mit Wärme suchenden Boden-Luft-Raketen vom Typ Stinger sowie einem 20-Millimeter-Gatlinggeschütz

BAM– Luftfahrtkennung für Battle Mountain

Battle-Lab – Kampflabor; Testeinrichtung zur virtuellen Erprobung neuer Technologien und Lösungen im militärischen Bereich

Bekleidung Klasse B – leichte Bürouniform ohne Jacke

Beta-Einstellung – bei Turbo-Prop-Flugzeugen Vorstufe zu Schubumkehr

BJ – Blowjob

Branch Davidian – »Davidianischer Ast«, endzeitgläubige religiöse Splittergruppe, Abkömmlinge der Adventisten des Siebten Tages

C-57 Skytrain – hoch entwickeltes Nurflügel-Transportflugzeug

Cessna P210 Centurion – einmotoriges Leichtflugzeug mit Druckkabine

CFI– (Certified Flight Instructor) staatlich geprüfter Fluglehrer

C-Four-I – (Command, Control, Communications, Computers and Intelligence) Kommando, Überwachung, Kommunikation, Computer und Nachrichtenbeschaffung

Charlie – C wie Charlie (NATO-Buchstabiertafel)

Check-in-Anfrage – Anmeldung eines hereinkommenden Flugzeugs im Tower

Chief Counsel – oberster Berater und Justiziar

CID – (Cybernetic Infantry Device) Kybernetisches Infanteriegerät, bemannter Roboter

CO – (Commanding Officer) der Befehlshabende

Code drei – mit Blaulicht und Sirene (Streifenwagen)

Department of Wildlife – siehe Wildlife Department

Deputy – Hilfssheriff

DF– (Direction Finding) Funkpeilung

Dimenhydrinat – frei verkäufliches Mittel gegen Luftkrankheit

DME – (Distance Measuring Equipment) Entfernungsanzeige

DoD – (Department of Defense)US-Verteidigungsministerium

Double-Dip – Konjunkturverlauf, bei dem die Volkswirtschaft nach überstandener Rezession während der folgenden Aufschwungphase an Fahrt verliert und erneut in die Rezession abgleitet

DQ– (Dairy Queen) Fast-Food-Kette

EL– Einsatzleiter

ELT– (Emergency Locator Transmitter) nach Absturz eigenständig aktivierendes Notfunkfeuer zur Ortung von Flugzeugen

EMT – (Emergency Medical Technician) Rettungssanitäter

ETA– (Estimated Time of Arrival) voraussichtliche Ankunftszeit

EWO– (Electronic Warfare Officer) Offizier der elektronischen Kriegsführung

FAA – (Federal Aviation Administration) Bundesluftfahrtbehörde der USA

Feed – laufend aktualisiertes Daten- und Informationsformat

Flugbeobachtung – eigentlich: Enroute Flight Advisory Service (EFAS), liefert und sammelt Wetterinfos von Piloten während des Fluges

FRO – (Flight Release Officer) gibt sämtliche einen Flug betreffenden Daten durch

GA – (General Aviation) allgemeine Luftfahrt, im Wesentlichen Flugzeuge mit einem Gesamtgewicht von unter zwölftausend Tonnen

GED – (General Education Diploma) Diplom der allgemeinen Hochschulreife

G-loads/G-Kräfte – Gravitationskraft, bemisst das Vielfache der auf den menschlichen Körper wirkenden Schwerkraft

Golf – G wie Golf (NATO-Buchstabiertafel)

Go-Pack – tragbare medizinische Erstversorgungsausrüstung

GPS – (Global Positioning System) Satellitennavigationssystem

GUARD– Notfrequenz im Flugverkehr

Hacky Sack – mit Sand oder kleinen Metallkugeln gefüllter kleiner Stoffball für Jonglierkunststücke

Hazmat – (Hazardous Materials) Gefahrenstoffe

HRT– (Hostage Rescue Team) Spezialeinsatzkommando zur Geiselbefreiung

ICU– (Incident Commander Utility) Einsatzleiterprogramm

IFR – (Instrument Flight Rules) Instrumentenflugregeln

IMSAFE – (Illness, Medicines, Stress, Alcohol, Fatigue, Eating/Hydration) Krankheit, Medikamente, Stress, Alkohol, Müdigkeit, Nahrungs- und Flüsigkeitsaufnahme – Checkliste zur Überprüfung der Flugtauglichkeit von Besatzungsmitgliedern

I-O – Input-Output

Lima – L wie Lima (NATO-Buchstabiertafel)

L-Per – Gerät zur Peilung eines Funkfeuers

Medevac – medizinische Evakuierung

Medicaid – Gesundheitsprogramm für Bedürftige

MIA – (Missing in Action) vermisst

MRE – (Meals Ready to Eat) Fertiggerichte

MSL – (Mean Sea Level) Meeresspiegel (NN) Normalnull

Municipal– städtisch, Gemeinde

National Operations Center – Nationale Einsatzzentrale

Navaid– Navigationshilfe

NextGen – (Next Generation)GPS-gestütztes System zur Steuerung des Luftverkehrs

NORDO – (No Radio) Flugzeug, das seiner Kommunikationsfähigkeit beraubt ist

North American Aerospace Defense Command – zuständig für die Luftverteidigung der Vereinigten Staaten

Nomex – flammenresistente Faser (eingetragenes Warenzeichen)

NTSB – (National Transport Safety Board)US-Flugsicherheitsbehörde

OSI – (Office of Special Investigations) Sonderermittlungsbehörde der Air Force

OTM – (Other than Mexicans) nicht aus Mexiko stammende illegale Einwanderer

PDA – (Personal Data Assistant) elektronischer Organizer

PETN – Pentaerythrittrinitrat (Petrin), extrem leistungsstarker Sprengstoff

PIREPS – (Pilot Reports) Pilotenberichte zu Wetter- und Flugbedingungen

Predator – Raubtier (Bezeichnung für Drohnentyp)

PT – (Physical Training) Sport

PTSD – (Post-Traumatic Stress Disorder) posttraumatische Belastungsstörung

RDX – (Research Department Explosive, auch Hexogen, Cyclotrimethylentrinitramin, Cyclonit oder T4) wirkungsvoller Sprengstoff für industrielle und militärische Anwendungen

RPG – (Rocket-Propelled Grenade) Panzerfaust

RQ-15 Sparrowhawk – unbemanntes Aufklärungsflugzeug

RTB– (Return to Basis) Rückkehr zur Basis

SAR – (Search and Rescue) Suche und Rettung

Scopolamin – Medikament gegen Flugkrankheit

SIGMET – (Significant Meteorological) Bericht über möglicherweise riskante Wetterbedingungen

Sparrowhawk– Sperber (Bezeichnung für Drohnentyp)

Special Agent – Sonderermittler (des FBI)

SQTR– (Specialty Qualification Training Board) Ausbildungseinrichtung für Sonderqualifikationen

Suburban – großer, geländetauglicher SUV

SWAT– Sondereinsatzkommando der Polizei

Transponder – automatisches Antwortgerät, z. B. in Flugzeugen

triangulieren – über Dreiecksortung anpeilen

UAV – (Unmanned Aerial Vehicle) unbemanntes Flugzeug, Drohne

UHF – Ultrahochfrequenz

UHFGUARD freqency – Überwachungsfrequenz auf UHF für den Flugverkehr

Urban DF – Funkpeilung in Ballungsgebieten

U.S. Northern Command – eine der sechs regionalen Kommandozentralen der US-Streitkräfte

VFR – (Visual Flight Rules) Sichtflugregeln

VMC – (Visual Meteorological Conditions) Sichtwetterbedingungen

VoIP – (Voice over Internet Protocol) Möglichkeit, das Internet für Sprachkommunikation zu nutzen

Wilco – (will comply) Anweisungen werden befolgt

Wildlife Department – Fachbereich für geschützte Tier- und Pflanzenarten

WMIRS– (Web-based Mission Information Reporting System) internetgestütztes Berichtssystem der zivilen Luftüberwachung

XS-19A Midnight – einstufiges Raumfahrzeug zur Erreichung der Erdumlaufbahn

Zulu – Greenwichzeit, auch GMT

NACHRICHTENAUSDERREALENWELT – AUSZÜGE

EXTREMISTENDROHENGOUVERNEUREN: TRETETZURÜCK, ODERIHRWERDETABGESETZT. Einer Warnung des FBI zufolge könnten Drohbriefe Ausschreitungen provozieren – Devlin Barrett, Associated Press – 12. April 2010 – WASHINGTON – Das FBI warnt die Polizei landesweit, dass ein Aufruf regierungsfeindlicher Gruppen, Gouverneure ihres Amtes zu entheben, zu Ausschreitungen führen könnte.

Laut ihrer Website will eine Gruppe, die sich »Hüter der Freien Republiken« nennt, Amerika durch eine friedliche Auflösung von Teilen der Regierung »erneuern«. In Schreiben, die an die Gouverneure verschickt wurden, verlangen sie deren Rücktritt, andernfalls würden sie des Amtes enthoben …

Bis Mittwoch hatten mehr als dreißig Gouverneure solche Schreiben erhalten, die ankündigten, dass sie ihres Amtes enthoben würden, sofern sie nicht innerhalb von drei Tagen zurückträten, so eine interne Mitteilung von FBI und Heimatschutzministerium. Die Mitteilung liegt Associated Press vor …

… Das FBI bringt dieses Schreiben mit den sogenannten »unabhängigen Bürgern« in Zusammenhang, die mehrheitlich der Überzeugung sind, von sämtlichen Pflichten als US-Bürger – etwa dem Zahlen von Steuern oder dem Besitz einer staatlichen Erlaubnis zum Führen eines Fahrzeugs – befreit zu sein. Einem Geheimdienstbericht zufolge ist eine kleine Anzahl dieser Personen bewaffnet und gewaltbereit.

Vergangenes Wochenende führte das FBI mehrere Razzien bei mutmaßlichen Angehörigen einer christlichen Miliz im Mittleren Westen durch, die angeblich die Ermordung von Polizeibeamten plante. Im Laufe des letzten Jahres hatten Agenten des FBI eine Zunahme der Internetkommunikation einer Reihe von nationalen Extremistengruppierungen beobachtet, denen möglicherweise auch radikale selbst ernannte Milizen, weiße Separatisten, extreme Bürgerrechtler und unabhängige Bürger angehören.

DIEMENSCHENHINTERDERSUCHAKTION: Neueste Informationen über den Flugzeugabsturz in Nebraska (Krystle Kacner, KDLT, Sioux Falls, South Dakota, 27. November 2010): Anfang der Woche entdeckte die Zivile Luftpatrouille CAP ein vermisstes einmotoriges Flugzeug, das mit Ziel Omaha von Chamberlain aus gestartet war.

Das am Sonntagabend abgestürzte Flugzeug wurde im Nordosten Nebraskas gefunden. Bei dem Absturz kamen zwei der Insassen ums Leben. Vor dem Auffinden des Flugzeugs mussten jedoch zahlreiche Einsatzkräfte Schwerstarbeit leisten.

»Anfangs war es ein wenig nervenaufreibend, weil es mein erster Einsatz war, aber als ich dann hier eintraf und mit der Arbeit begann, die man von uns erwartete, bin ich gar nicht mehr zum Nachdenken gekommen, sondern habe nur noch gehandelt«, erklärte Cadet Chief Master Sergeant Elizabeth Foy.

Der Anruf erreichte Cadet Chief Master Sergeant Foy am frühen Morgen, unmittelbar bevor sie zum Unterricht an der O’Gorman-Highschool aufbrach.

Kaum war sie im Hauptquartier der Zivilen Luftpatrouille CAP eingetroffen, als das, was sie während des Trainings gelernt hatte, die Kontrolle übernahm.

»Eile ist angesagt, Trödeln kommt nicht infrage. Als Teil des Bodenteams mussten wir die ganze Zeit über aus dem Fenster starren, um sicherzustellen, dass die Einsatzleiter auf Kurs blieben«, erklärte Foy.

»Richtig, ich bin erst im zweiten Jahr an der Highschool, aber trotzdem kann ich etwas bewirken, und das ist für mich eigentlich das Größte«, sagte Foy …

EINEWEITEREHELDENTATDESNEVADA-GESCHWADERS! (gocivilairpatrol.com, 11. Dezember 2010): Herzlichen Glückwunsch allen Teilnehmern am Einsatz 10M0964A, der zur Auffindung eines vermissten Jägers in Lincoln County führte. Maschine N9459M mit dem Piloten Rick Parker und der aus Clyde Cooper und Bill Petersen bestehenden Besatzung entdeckte den 83-jährigen Mann und forderte einen Bodensuchtrupp des Sheriffs an. Der Mann wurde per Helikopter in eine medizinische Einrichtung verbracht.

An der Suchaktion waren insgesamt acht Mann Besatzung und zwei Flugzeuge beteiligt. Das AFRCC (Air Force Rescue Coordination Center, die Luftrettungseinsatzzentrale der Air Force) hat dem Nevada-Geschwader offiziell seinen zweiten erfolgreichen Rettungseinsatz in diesem Rechnungsjahr anvertraut.

PROLOG

Dies ist die Porzellanerde der Menschheit.

– John Dryden

ELKO, NEVADA

Sommer

»Schwere Gewitter auf Ihrer gesamten Flugstrecke«, begann der Wetterinstruktor der Flugdienststation der US-Bundesluftfahrtbehörde FAA. »Vertikale SIGMET Seven Charlie für Nevada, Idaho, Kalifornien und Utah. Schwere bis schwerste Gewitter auf einem einhundert Meilen langen Streifen fünfzig Meilen südöstlich von Battle Mountain, Nevada. Bewegt sich von zwo-zwo-neun bei fünfzehn Knoten, mit Spitzen oberhalb der Flughöhe bei drei-neun-null, inklusive starkem Regen, Hagel und starken Winden mit Böen von über fünfzig Knoten.«

Mann, schoss es dem jungen Piloten durch den Kopf, das war so ziemlich einer der übelsten Wetterberichte, die er je gehört hatte. Frank Post war ein Softwareentwickler aus Silicon Valley, Absolvent der Stanford University mit Auszeichnung und Privatpilot mit einer Freigabe für Instrumentenflüge und einer Flugzeit von etwas weniger als zweihundert Stunden, die meisten davon in seiner gebrauchten einmotorigen Cessna C-182R Skylane. Er sah zu seiner Frau hinüber, die neben ihm saß und immer noch diesen ungeduldigen Gesichtsausdruck hatte, mit dem er während der letzten anderthalb Tage hatte vorliebnehmen müssen.

»Wo befinden sich diese Gewitter jetzt?«, erkundigte sich Frank über Funk. Seine Frau Kara verdrehte die Augen und sah zum x-ten Mal an diesem Nachmittag auf ihre Uhr. Kara war im Immobiliengeschäft tätig gewesen, allerdings war der Immobilienmarkt im Zuge des gegenwärtigen wirtschaftlichen Niedergangs in Kalifornien nahezu vollständig zugrunde gegangen, weshalb sie gelegentlich für andere Immobilienmakler einsprang, meist indem sie juristischen Papierkram erledigte, Wohnungen vorbereitete und präsentierte. Etwas so Aufwendiges und Übertriebenes wie ein eigenes Flugzeug zu besitzen hatte ihr nie behagt, und sie hatte nur deshalb in diesen einwöchigen, kreuz und quer durch das ganze Land führenden Trip eingewilligt, weil man ihr hoch und heilig versprochen hatte, dass sie sowohl ihre Eltern in Kansas als auch Franks Familie in Nevada besuchen würden.

»Der Nordrand der Gewitterfront befindet sich ungefähr fünfzig Meilen südlich von Battle Mountain«, wiederholte der Instruktor.

Franks Miene hellte sich auf. Er trug die Position des Unwetters auf der Flugnavigationskarte ein, die er auf dem Schreibtisch im Flugplanungsraum liegen hatte, und zeichnete dann einen Pfeil, der die Bewegungsrichtung des Unwetters darstellte. Kara warf einen Blick darauf und schien erleichtert. »Demnach kann ich dem Unwetter hinter Elko davonfliegen«, meinte er, »und sobald der Instruktor mir durchgibt, dass die Gewitterstürme näher kommen, kann ich weiter nach Norden ausweichen und sie umfliegen.«

»Verfügen Sie über eine Ausrüstung zur Wetterumgehung und Erkennung?«

»Nein«, antwortete Frank.

»Wie sieht’s mit NextGen aus?«

»Nein«, wiederholte er. NextGen oder Next Generation war das neue Luftverkehrssteuersystem, das die Datenlinks an Bord eines Flugzeugs benutzte, um seine über den GPS-Satelliten gewonnenen Positions-, Kurs- und Höhendaten an die Flugsicherung weiterzuleiten, anstatt sich eines bodengestützten Radars zu bedienen. NextGen war dafür ausgelegt, Reichweite und Effizienz der Luftraumüberwachung zu verbessern, ohne die blinden Flecken des Radars in höher gelegenem Gelände, aber es war teuer und in kleineren Maschinen der zivilen Luftfahrt noch für mehrere Jahre nicht vorgeschrieben.

»Die Radarerfassung in diesem Gebiet ist lückenhaft«, sagte der Instruktor. »Solange Sie nicht sehr hoch oder exakt entlangfliegen, kann es sein, dass Sie auf Ihrer Flugroute immer mal wieder von der Radarüberwachung verschwinden.« Unerwähnt blieb der Umstand, dass die Radareinrichtungen der Luftraumüberwachung für die Verfolgung von Flugzeugen, nicht des Wetters, ausgelegt waren. Obwohl die neueren digitalen Systeme besser waren als die herkömmlichen analogen, gehörte Wetterumgehung nicht zu den Kernkompetenzen eines Fluglotsen.

»Ich beabsichtige, mich genau an die Flugroute zu halten. Und für den Fall, dass ich höher gehen muss, hab ich Sauerstoff an Bord.« Seine Worte ließen Kara die Stirn runzeln. Sie hasste es, die kleinen gummiartigen Sauerstoffmasken anzulegen, die ihr Nase und Kehle austrockneten und unter denen sie Platzangst bekam.

»Roger«, sagte der Instruktor und setzte sein Briefing fort mit Wetterbedingungen und Vorhersagen. Ihr Zielort auf diesem Flug war Sparks, Nevada, wo sie Karas Schwiegereltern besuchen wollten. Allerdings war eine Übernachtung in Carson City eingeplant, denn an der Selbstbedienungszapfsäule dort gab es billiges Benzin, fast zwei Dollar pro Gallone günstiger als in Reno. Die Vorhersage verhieß kühlere Temperaturen jenseits der Unwetterfront, der Himmel allerdings würde klar sein und der Wind aus Westen kommen, exakt parallel zur westöstlichen Rollbahn in Carson. Das war perfekt.

Anschließend las der Instruktor die Höhenwindvorhersagen ab, die nicht wesentlich besser waren als die Zusammenfassung der Radarüberwachung: kräftiger Wind aus Südsüdwest vor der Unwetterfront, wechselnd zu westlichen Winden dahinter, mit einer Vorhersage für leichte bis mittelschwere Turbulenzen oberhalb zwölftausend Fuß. Er schloss sein Briefing mit: »Kann ich Ihnen heute sonst noch irgendwie behilflich sein?«

»Ich würde gern weitermachen und mich eintragen«, sagte Frank. Kara lächelte, klatschte leise in die Hände, wandte sich dann zu ihrem Sohn Jeremy herum und sagte ihm, dass er seinen Zeichenblock und die Buntstifte einpacken sollte, die er über dem gesamten Fußboden des Flugplanungsraums verteilt hatte.

Einen längeren Moment blieb der Instruktor stumm. Offenbar konnte er nicht glauben, dass dieser Bursche in ein übel aussehendes Wetter starten würde. Andererseits war es nicht sein Job, einem Piloten vorzuschreiben, ob er fliegen solle oder nicht, sondern lediglich, ihm sämtliche verlangten Informationen zu geben. »Bleiben Sie auf Empfang, ich rufe die Flugplanseite auf … Okay, ich habe hier IFR, Cessna Zwo-Acht-Drei-Vier-Lima, ein Charlie eins-achtzig-zwo Schrägstrich Golf, Abflug um zweiundzwanzig Uhr Zulu, Flugroute Battle Mountain, Lovelock, Carson City direkt auf zehntausend Fuß. Machen Sie weiter mit dem Rest.«

»Flugzeit zwo Komma fünf Stunden, keine Anmerkungen, Treibstoff für fünf Stunden an Bord, Ausweichflughafen ist Reno International.« Frank nannte noch seinen Namen, seine Adresse in San Carlos, Kalifornien, seine Handynummer und gab durch, dass drei Menschen an Bord sein würden, sowie die Farben seiner Maschine – weiß mit blauen Streifen.

»Ihr Flugplan ist eingetragen«, sagte der Instruktor, nachdem er alle Informationen in seinen Computer eingegeben und von den Computerservern der US-Bundesluftfahrtbehörde FAA die Mittelung »AKZEPTIERT« abgewartet hatte. »PIREPS über eins-zwo-zwo-Punkt-null werden nachdrücklich bestätigt. Ihnen einen sicheren … und umsichtigen Flug, Sir.« Es war klar, dass er mit seinen Worten den Piloten von seinem geplanten Flug abbringen wollte, ohne ihm gleich zu sagen: »Komm zur Vernunft, du Idiot, und lass deinen dämlichen Arsch am Boden.«

»Danke«, sagte Frank und hängte ein. Er wandte sich zu Kara herum. »Südlich unserer Flugstrecke gibt es eine Gewitterfront«, erklärte er ihr, während er rasch seine Karten und den Flugplan zusammenräumte. »Aber ich denke, wir können ihr ausweichen, denn sie bewegt sich ziemlich langsam. Sollte sie schneller heraufziehen, können wir sie weiter nördlich umgehen, und sollte das nicht möglich sein, kehren wir um und landen wieder hier in Elko.«

»Nein, das werden wir nicht«, sagte Kara entschieden. »Ich hab genug von diesem Kuhdorf hier. Zwei Tage wegen Unwettern hier festzusitzen – mir reicht’s.«

»Ich finde, es ist ein nettes kleines Städtchen.«

»Außer dem McDonald’s die Straße runter haben wir nichts davon gesehen«, sagte sie.

»Das Hotel war sauber, die Leute sind freundlich, und im Kasino gibt es eine Bowlingbahn und ein Kino.«

»Ich werde mich hüten, meinen Sohn in eines dieser Kasinos mitzunehmen. Es ist mir egal, ob sie dort ein Leben lang Eis und Kino umsonst anbieten.« Sie wandte sich herum zu ihrem Sohn. »Jeremy, ich hatte dich gebeten, deinen Kram zusammenzupacken. Wir fliegen … endlich.«

»Ich muss mal cagada«, sagte der Junge, das spanische Wort benutzend, sprang auf und flitzte los.

»Schon wieder?« Seine Mutter seufzte auf. »Hoffentlich hast du dir nichts eingefangen.«

»Ich werd schon mal die Maschine losmachen und beginne mit der Vorflugkontrolle«, sagte Frank. »Nehmt euch in Acht, wenn ihr draußen aufs Rollfeld kommt.«

Jeremy blieb über fünf Minuten weg. »Wo bleibst du denn so lange?«, fragte seine Mutter. »Hast du etwa wieder Durchfall?« Beschämt nickte der Junge. »Ich denke, der letzte Eisbecher bei McDonald’s war keine so gute Idee. Vielleicht solltest du diesmal die Du-weißt-schon anziehen.«

»Ich ziehe keine Windeln an«, protestierte Jeremy. »Ich bin zehn.«

»Es ist eine Windel für Erwachsene«, sagte Kara. »Wenn du sie trägst, brauchst du nicht in dieses Tütendings zu pinkeln, und wenn irgendetwas schiefgeht, ist es leichter sauber zu machen.«

»Ich ziehe keine Windel an!«, beharrte Jeremy.

Frank kam zurück in den Flugplanungsraum und warf einen Blick auf den Zeichenblock und die Buntstifte, die immer noch auf dem Fußboden lagen. »Was ist hier los? Wieso seid ihr noch nicht fertig?«

»Jeremy hat eine Weile gebraucht auf der Toilette.«

»Hat’s dich wieder erwischt, Kumpel?«, fragte Frank.

»Daaad…!«

»Also, in dem Fall solltest du die Hygieneunterwäsche anziehen, Kamerad«, sagte sein Vater und zwinkerte ihm zu.

»Du meinst die Windeln, Dad! Ich zieh keine Windeln an!«

»Astronauten tragen sie auch, und du möchtest doch Astronaut bei der Space Defense Force werden, oder?«

»Wenn ich einen vierstündigen Weltraumspaziergang mache, dann ziehe ich die an«, versprach Jeremy.

»Na schön, schon gut«, sagte Kara, die allmählich die Geduld verlor. »Und wenn du dir in die Unterwäsche machst, wollen wir hoffen, dass deine Großeltern nichts davon mitbekommen. Räum jetzt deine Sachen zusammen, und dann los!«

Es dauerte weitere fünf Minuten, bis Jeremy seine Sachen aufgeräumt hatte. Während er wartete, holte Frank sein iPhone aus der Tasche und rief eine App auf, mit der sich die NextRad-Radaraufnahmen herunterladen ließen. Sofort erkannte er die angekündigte Unwetterfront und stellte fest, dass sie sich weiter nördlich befand als vorausberechnet.

»Wie sieht es aus?«, wollte Kara wissen.

»Ziemlich scheußlich – wir werden sie auf jeden Fall nördlich umfliegen müssen«, antwortete ihr Mann. Er hatte es auf einmal ziemlich eilig und verzichtete auf seinen geplanten Toilettenbesuch. »Kommt jetzt, Leute, wir müssen los«, drängte er seine Familie. Kurz darauf waren sie auf dem Weg zum Flugzeug, die Hände des Jungen voller Buntstifte.

Draußen wurden sie von strahlendem Sonnenschein empfangen, eine willkommene Abwechslung nach den Gewittern und ständig die Richtung wechselnden Winden. Frank stellte fest, dass der Wind aus Südwesten kam und gelegentlich auffrischte, was einen Start bei leichten Querwinden bedeutete, jedoch nichts, was sich nicht bewerkstelligen ließe. Innerhalb von Minuten startete er den Motor der Cessna 182 Skylane, erhielt von der Elko-Bodenkontrolle seine Instrumentenflug- und Rollfeldfreigabe und war kurz darauf unterwegs. Er rollte durch ein paar größere Wasserlachen, ein wenig schneller, als er dies üblicherweise tat, um so schnell wie möglich abzuheben.

Niemand sonst befand sich auf der Platzrunde oder auf dem Rollfeld. Frank führte hastig einen Vorstartcheck der Zündmagneten durch und ging dann rasch den Rest der Checkliste durch. »Alle startbereit?«, fragte er über die Sprechanlage.

»Startklar, Dad!«, antwortete Jeremy begeistert.

»Ich bin so weit«, gab Kara zurück, die überprüfte, ob der Gurt ihres Sohnes auch straff saß.

»Und los geht’s.« Frank drückte den Knopf des Mikrofons. »Elko-Tower, Cessna Zwo-Acht-Drei-Vier-Lima, Nummer eins, Startbahn zwo-drei, bereit zum Start«, gab er durch.

»Cessna Zwo-Acht-Drei-Vier-Lima, Elko-Tower, Startbahn zwo-drei für Start freigegeben.«

»Drei-Vier-Lima, Freigabe für Start erhalten, Startbahn zwo-drei.« Frank ließ die Cessna auf Startbahn 23 rollten, und anstatt die Bremsen festzustellen, den Motor bis zur Volllast hochzufahren und dann die Bremsen zu lösen, rollte er weiter, und als er auf Startbahnmittellinie einschwenkte, gab er Vollgas. Geschmeidig röhrte der Motor hoch bis zur Volllast, die viersitzige Cessna reagierte so quicklebendig wie eh und je und gewann rasch an Geschwindigkeit …

Da ertönte auf der linken Seite des Flugzeugs, wo der Reifen des linken Hauptfahrwerks war, ein scharfes Schlagen, das lauter und lauter wurde, je mehr die Maschine beschleunigte. »Was zum … Irgendwas stimmt nicht«, murmelte Frank und riss den Gashebel zurück in den Leerlauf.

»Was ist?«, fragte Kara, die Besorgnis in ihrer Stimme unüberhörbar. »Was ist denn los?«

»Warum halten wir an, Dad?«, wollte Jeremy wissen.

»Ruhe im Cockpit, Leute«, mahnte Frank. »Denkt dran, keine Gespräche bis zum Erreichen der Reiseflughöhe, außer in einem Notfall.« Er drückte den Mikroknopf. »Elko-Tower, Drei-Vier-Lima bricht Start ab, möglicherweise Reifenpanne.«

»Roger, Drei-Vier-Lima«, antwortete der Fluglotse im Tower. »Freigabe für Startabbruch, schwenken Sie an nächster Rollbahn rechts, und kontaktieren Sie Bodenkontrolle.«

»Drei-Vier-Lima, wilco.«

»He, Dad?«

»Ich sagte, keine Gespräche, Jeremy.«

»Aber, Dad …!«

»Das ist hoffentlich wichtig, Jeremy.«

»Ich glaub, es ist dein Sicherheitsgurt, Dad. Irgendwas hängt aus dem Flugzeug raus.«

Der Pilot sah aus seinem linken Seitenfenster, und tatsächlich, in seiner Hast hatte er vergessen, seinen Sicherheitsgurt anzulegen, und das Schnallenende hatte gegen die Seitenwand des Flugzeugs zu schlagen begonnen. Wie, zum Teufel, hatte er das nur übersehen können?

»Danke, Kumpel«, sagte Frank mit zerknirschter Stimme. »Gut aufgepasst.« Er rollte von der Startbahn, setzte sich mit der Bodenkontrolle in Verbindung und erhielt die Freigabe zur Rückkehr auf die Startposition. In der Vorlaufzone zog er den Gashebel zurück in den Leerlauf, zog den Griff der Feststellbremse, ließ Kara für alle Fälle die Fußbremsen an ihrem Satz Seitenruderpedale drücken – normalerweise warnte er sie, ihre Füße bloß von den Pedalen fernzuhalten, doch jetzt wollte er sie genau dort –, entriegelte die Tür und stieß sie auf. Wegen des sich drehenden Propellers erforderte es deutlich mehr Kraft, sie zu öffnen, als er gedacht hatte, und der Lärm war auch lauter als erwartet.

»Ich hoffe, das passiert mir nie wieder«, sagte Frank, nachdem er alles hereingeholt hatte. Er brauchte einen Moment, um zu verschnaufen – und merkte, dass allein die Aufregung, sich inmitten all dieses Lärms und heftigen Windes zu befinden, seinen Herzschlag hatte rasen lassen. »Die Jungs im Tower fanden das bestimmt zum Schreien komisch.« Er vergewisserte sich, dass er diesmal den Sicherheitsgurt angelegt hatte, und sah dann nach den Gurten der anderen. »Okay, alle startbereit?«

»Dad, ich muss auf die Toilette«, sagte Jeremy.

»Was?«, schrie Frank – und fühlte sich augenblicklich schlecht wegen seines Ausbruchs. »Aber du warst doch gerade erst!«

»Ich muss halt eben, Dad.«

»Wenn wir umkehren, können wir dann noch diese Unwetterfront umfliegen?«, fragte Kara. »Oder müssen wir dann eine weitere Nacht hier verbringen?«

»Schon möglich.«

»Dann müssen wir eben auf den Besuch bei meinen Eltern in Reno verzichten«, sagte Kara über die Cockpitsprechanlage. »Wir werden den Aufenthalt in Reno streichen und von Carson City aus direkt nach Hause fliegen. Jeremy darf keinen Schultag verpassen, und ich habe keine Urlaubstage mehr.«

Anstatt ihr zu antworten, fragte Frank: »Geht’s um Nummer eins oder um Nummer zwei?«

»Nummer eins«, sagte der Junge, doch hätte sein Vater sich herumgedreht und seinen Sohn angesehen, hätte er dessen leicht banger Miene entnommen, dass sich Nummer zwei womöglich ebenfalls ankündigte.

»Dann wirst du die Pinkeltüte nehmen«, entschied Frank. »Wir fliegen los. Halt es ein, solange du kannst.«

»Okay, Dad«, gab Jeremy kleinlaut zurück. Frank rief Elko-Tower, erhielt erneut die Startfreigabe, und Augenblicke später rollten sie abermals über die Startbahn. Diesmal war klein Schlagen zu hören, und auch sonst stimmte alles. Dann waren sie in der Luft.

Bis dreißig Minuten nach dem Start war der Himmel strahlend blau und sonnig, doch kurz darauf sah Frank es – eine schmutzig weiße, graue und braune Wolkenbank am Horizont. Er konnte den nördlichen Rand der Unwetterfront sehen, die sich aber weit rechts befand und nicht links, wie er gehofft hatte. Die Gewitterwolken türmten sich himmelwärts, und als er näher heranflog, hätte er schwören können, sie noch höher hinaufwallen zu sehen, erfüllt von genügend Wärme und genug Energie, um eine ganze Stadt zu versorgen.

»Salt-Lake-Zentrale, hier Cessna Zwei-Acht-Drei-Vier-Lima.«

»Drei-Vier-Lima, hier Salt-Lake-Zentrale – sprechen Sie.«

»Würde wegen der Wetterbedingungen gern eine Kursänderung von zwanzig Grad Nord vornehmen.«

»Kursänderung nach rechts genehmigt. Geben Sie durch, sobald Sie wieder im Direktanflug auf Winnemucca sind.«

»Drei-Vier-Lima, wilco.«

»Wieso drehen wir ab?«, fragte Kara.

»Um von diesen Wolkenzusammenballungen so weit weg wie möglich zu kommen«, erklärte ihr Frank. »Wenn wir jetzt abdrehen, sind wir nicht so weit ab vom Kurs, wenn wir sie passieren. Es handelt sich um ein sich ziemlich langsam bewegendes System, wir sollten ihm problemlos ausweichen können.«

»Drei-Vier-Lima, hier Salt-Lake-Zentrale … Äh, können Sie bestätigen, dass Sie nicht über Wettersichtungs- und Wetterausweichausrüstung verfügen?«, fragte der Fluglotse über Funk.

»Positiv, Drei-Vier-Lima verfügt nicht über Wetterausweichausrüstung«, gab Frank zu. Schon mehrfach hatte sich Frank während dieses Sommers gewünscht, der im Westen besonders gewitteraktiv zu sein schien, er hätte die zusätzlichen Kosten für ein tragbares Navigationsgerät nicht gescheut, mit dem sich via XM-Satellitenfunk die Wetter- und Radarbilder herunterladen ließen. Aber diese Ausrüstung war nicht vorgeschrieben, und er flog selten bei schlechtem Wetter oder nachts. Zudem war es erheblich teurer als das Gerät, das er angeschafft hatte, und die monatlichen Kosten waren astronomisch – schon jetzt war seine Frau stinksauer, welche Summen dieser ganze Flugzeugkram verschlang.

»Roger«, antwortete der Fluglotse. »Auf Ihrem neuen Steuerkurs abseits der Flugroute werden Sie höher fliegen müssen, um innerhalb der Radarerfassung zu bleiben. Cessna Drei-Vier-Lima, gehen Sie höher und bleiben Sie auf eins-zwo-tausend.«

»Verlasse eins-null-tausend, gehe auf eins-zwo-tausend«, antwortete Frank. Er schob die Mischungs- und Propellersteuerungen vor, erhöhte die Treibstoffzufuhr und setzte zu einem flachen Steigflug an.

»Müssen wir jetzt auf Sauerstoffzufuhr umschalten?«, fragte Kara.

»Nur, wenn du das Gefühl hast, du müsstest«, antwortete Frank. »Na, mach schon, hol die Masken heraus.« Die tragbare Sauerstoffflasche und die drei Masken befanden sich in einer Stofftasche hinter dem Pilotensitz. Diese zu öffnen und die Masken herauszunehmen war also kein Problem. Kara wischte sämtliche Masken innen mit einem alkoholgetränkten Tupfer ab, wobei sie darauf achtete, ihre eigene doppelt abzuwischen – sie fand immer, die Masken wären eine wahre Brutstätte für Keime.

Kaum hatten sie die elftausend Fuß passiert, setzten die Turbulenzen ein. Auf zehntausend Fuß hatten sie gelegentlich einen sachten Stoß verspürt, jetzt jedoch war es ein beharrlicher, unregelmäßiger leichter Wellenschlag mit hin und wieder einem mittelschweren Stoß, und je höher sie stiegen, desto schlimmer wurde es.

»Drei-Vier-Lima, hier Salt-Lake-Zentrale – wie ist Ihr Flug?«, erkundigte sich der Lotse, als sie bei zwölftausend Fuß in die Waagerechte einschwenkten.

»Leichte, gelegentlich mittelschwere Turbulenzen«, meldete Frank. »Wann kann ich wieder runtergehen auf zehntausend?«

»Nicht bis hinter Battle Mountain, Sir«, antwortete der Fluglotse.

»Kann ich auf zehn-fünf zusätzlich nach VFR fliegen?« »Zusätzlich nach VFR« war eine Möglichkeit für Piloten auf IFR-Flug, auf Sichtflughöhen zu fliegen, vorausgesetzt, sie flogen nicht innerhalb der Wolken.

»Negativ, Drei-Vier-Lima, das liegt unterhalb meiner Leitflughöhe in Ihrem derzeitigen Gebiet«, widersprach der Fluglotse. »Sie werden warten müssen, bis Sie den Anflugluftraum von Battle Mountain erreichen. Bleiben Sie weiter auf eins-zwo-tausend.«

»Bleibe auf eins-zwo-tausend, wilco«, antwortete Frank. Seine einzige andere Möglichkeit, den Turbulenzen zu entkommen und auf eine niedrigere Flughöhe zu gehen, war der Abbruch seines IFR-Flugplans, doch das wollte er nicht, solange er diese Gewitterfront nicht umflogen hatte – die Gebirgszüge in diesem Gebiet waren ziemlich hoch, und ohne Kontakt zu einer Bodenkontrolle war das ziemlich gefährlich.

»Dad, ich fühl mich nicht so toll«, sagte Jeremy. Sofort hatte seine Frau eine Kotztüte parat, öffnete sie und reichte sie ihrem Sohn.

Die Turbulenzen wurden immer heftiger, mittlerweile beständig mittelschwer, unterbrochen von gelegentlichen Stößen, die ihre Körper an den Schultergurten zerren ließen.

»Können wir diese Turbulenzen nicht irgendwie umfliegen?«, fragte Kara.

»In etwa zwanzig Minuten.«

»Zwanzig Minuten?«

»Fürchte ja.« Frank schaute aus dem linken Seitenfenster und stellte überrascht fest, wie nah er den Gewitterwolken war – vermutlich weniger als zwanzig Meilen, der empfohlene Mindestabstand. Zweifellos wurden die Turbulenzen durch einen Nebeneffekt des Gewitterambosses hervorgerufen, der von oben her auf sie niederging – ein solcher Nebeneffekt vermochte Hagelschlag und Eisregen über eine Entfernung von zwanzig Meilen zum Sturmzentrum oder mehr zu schleudern. »Diese Gewitter bewegen sich deutlich schneller als vorhergesagt.« Er warf einen Blick auf sein GPS-Navigationsgerät – und tatsächlich, sie kämpften gegen einen Querwind von fünfzig Knoten an. Das Unwetter war im Begriff, sie einzuholen.

Einen Moment lang spielte Frank mit dem Gedanken, nach Elko zurückzukehren, aber das würde ihren Zeitplan vollends über den Haufen werfen. Wenn sie dann gezwungen waren, mehr als eine Nacht in Elko zu verbringen – und laut dem Wetterbericht würden am folgenden Tag die Gewitter zurückkehren und sich mehrere Tage festsetzen –, würde er sich für den Verlust der entsprechenden Arbeitszeit einen scharfen Verweis einhandeln. Er konnte einen regulären Flug von Elko nach Oakland nehmen, aber damit würde er noch mehr Geld verschwenden, zumal er dann auch einen solchen Flug zurück nach Elko nehmen musste, um sein Flugzeug abzuholen. Umkehren war eine Möglichkeit, aber keine sonderlich verlockende.

»Drei-Vier-Lima, hier Salt-Lake-Zentrale – fliegen Sie immer noch nach Sichtwetterbedingungen?«, erkundigte sich der Fluglotse.

»Hier Drei-Vier-Lima – positiv«, antwortete Frank. »Wir kriegen gerade leichten Regen.«

»Wie ist Ihr Flug?«

»Leichte bis gelegentlich mittelschwere Turbulenzen«, log Frank. Zutreffender wäre »anhaltende mittelschwere Turbulenzen« gewesen, mit inzwischen noch häufigeren Steigböen, die so heftig waren, dass er mit der Oberseite seines Headsets gegen den Kabinenhimmel stieß.

»Die nächstgelegene Gewitterzelle befindet sich für Sie auf zehn Uhr in fünfzehn Meilen«, meldete der Fluglotse. »Möglicherweise müssen Sie nach Südosten ausweichen, um sie zu umgehen.«

»Roger«, bestätigte Frank. »Können Sie mich um die Gewitterzellen herumleiten und mich von den Zellen fernhalten?«

»Drei-Vier-Lima, schwenken Sie links auf Steuerkurs eins-sieben-null, Leitvektordaten entsprechend den Wetterbedingungen, bleiben Sie auf eins-zwo-tausend. Freigabe für Ausweichkurs erteilt, um weiter nach Sichtwetterbedingungen zu fliegen – sofern möglich.«

»Hier Drei-Vier-Lima, bestätige Steuerkurs eins-sieben-null.« Sie hielten sich nun parallel zum Sturm, womit sie sich genau genommen von ihrem Ziel entfernten. Sollte ihm der Fluglotse dringend zu einer Umkehr nach Elko raten, dann wär’s das gewesen. Eben das schien auch der Sturm zu wissen. Jetzt, da sie sich auf einem eindeutigen Umgehungskurs befanden, schien er erst richtig munter zu werden und verwandelte sich in die fauchende, hässliche Bestie, die er tatsächlich war, und heftete sich an ihre Fersen. Aber zuvor hatte er noch eine Überraschung für sie.

Frank war erleichtert, als er tatsächlich Risse in der Wolkenwand entdeckte, und beschloss, genau darauf zuzuhalten. »Ich kann auf der anderen Seite blauen Himmel ausmachen«, sagte er. »Da kommen wir durch.« Er versuchte, genau auf besagte Risse zuzusteuern, doch es kam ihm vor, als würde er seitwärtsfliegen. Die Turbulenzen wurden immer stärker. Er vernahm ein Piepen und sah ein gelbes Warnlicht aufleuchten – der Autopilot hatte sich abgeschaltet. Er packte das Steuerhorn fester und hatte Mühe, die Kontrolle zu behalten. Er war klug genug, das Flugzeug ein wenig nach oben und unten wandern zu lassen und nicht gegen die Auf- und Abwinde anzukämpfen.

»Drei-Vier-Lima, schwenken Sie links auf Steuerkurs eins-fünf-null, Leitvektor entsprechend den Wetterbedingungen, Freigabe für Höhenbereich eins-zwo-tausend bis eins-vier-tausend«, gab der Lotse über Funk durch. Schockiert erkannte Frank, dass er bei seinem vergeblichen Versuch, durch den Riss in der Gewitterfront zu steuern, genau nach Norden flog, und er konnte außer einer grauen Masse auch nichts mehr sehen. Die Turbulenzen waren ein wenig abgeebbt, dafür prasselte ein heftiger Regenguss mit kieselsteingroßen Hagelkörnern auf das Flugzeug. Er hatte keine Ahnung, wie seine Flughöhe war – es erforderte jeden Funken Konzentration, den Kurs beizubehalten und die Tragflächen halbwegs waagerecht zu halten.

Mit ein paar flüchtigen Blicken auf freien Himmel hatte ihn der Sturm angelockt, jetzt war sein Schlund dabei, sich zu schließen. »Salt Lake, hier Drei-Vier-Lima«, stieß Frank hervor. »Das sieht gar nicht gut aus. Ich muss hier raus.«

»Wie war das bitte, Drei-Vier-Lima?«

»Dad?«

»Nicht jetzt, Jeremy.«

»Drei-Vier-Lima, Luftstützpunkt Battle Mountain ist für Sie auf sechs Uhr, fünfundfünfzig Meilen. Schwenken Sie rechts auf Steuerkurs eins-sechs-null.«

»Dad?«

»Was ist denn, Jeremy?«

»Eis auf dem Pitotrohr!«

Frank sah hin und stellte fest, dass sowohl das Pitotrohr als auch die Vorderkanten beider Tragflächen mit einer Eisschicht überzogen waren. Es war Juli, und in Elko hatten bei ihrem Abflug über dreißig Grad geherrscht. Wie konnte da Eis entstehen? Frank schaltete die Pitotheizung ein, ging dann über in einen Rechtsschwenk …

… und plötzlich rissen ein Windstoß und eine Turbulenz die linke Tragfläche so abrupt und heftig nach oben, dass die Maschine ruckartig auf die Seite kippte. Frank hörte jemanden einen Schrei ausstoßen, womöglich sich selbst. Er mühte sich ab, die Tragflächen wieder in die Horizontale zu bringen, doch der künstliche Horizont schwankte unkontrollierbar hin und her, und die Neigungswinkelanzeige schien in einem scharfen Rechtsschwenk erstarrt. Die Nase schoss himmelwärts – oder möglicherweise auch Richtung Boden, mit Sicherheit hätte er das nicht zu sagen vermocht. Dass er am Steuerhorn zerrte und es drehte schien nicht das Geringste zu bewirken.

»Dad?«, fragte Jeremy.

»Nicht jetzt, Jeremy.«

»Aber Dad, deine Steuerkursanzeige, deine Neigungswinkel … Sieh doch, deine …«

»Ich sagte, nicht jetzt, Jeremy! Ich versuche, dieses Flugzeug zu fliegen.« Plötzlich fiel mehr Licht durch die Windschutzscheibe. Eine dünne Eisschicht verschleierte die Sicht nach draußen, aber er konnte wieder sehen.

Sie hatten die Gewitterfront hinter sich gelassen!

»Okay, okay, ich hab’s!«, rief Frank über die Sprechanlage. »Wir haben’s geschafft. Wir …«

In diesem Augenblick sah er, wie ihnen der Erdboden entgegenraste – sie befanden sich auf einem nahezu senkrechten trudelnden Sturzflug. Er richtete die Steuerung mittig aus, rammte das linke Seitenruder herein, schaffte es irgendwie, das Trudeln zu unterbinden, riss den Gashebel zurück und brachte die Nase fast in die Horizontale – kurz bevor das Flugzeug auf dem Erdboden aufschlug.

»Cessna Zwo-Acht-Drei-Vier-Lima, hier Salt-Lake-Zentrale!«, funkte der Fluglotse. »Haben Radarkontakt verloren! Empfangen Sie mich?« Er wartete ein paar Augenblicke und spürte, wie es ihm eiskalt über den Rücken rieselte, seine Kehle trocken wurde und sich die feinen Härchen in seinem Nacken aufstellten. »Drei-Vier-Lima, hier Salt-Lake-Zentrale – empfangen Sie mich?« Sein Vorgesetzter stand bereits neben ihm. »Scheiße, Bill«, sagte er. »Ich glaub, ich hab ihn verloren.«

»Salt-Lake-Zentrale, hier Flug United zwölf-siebzehn.«

»Flug United zwölf-siebzehn, hier Salt-Lake-Zentrale – sprechen Sie.«

»Wir empfangen ein ELT-Notfunkfeuersignal auf zwo-vier-drei-Komma-null«, meldete der Linienpilot.

Der Fluglotse fühlte, wie seine Unterlippe zu zittern begann. Diese UHF-Frequenz war der internationale Notfallkanal, auf dem das ELT, das Ortungsnotfunkfeuer eines Flugzeugs, sendete – und ELTs aktivierten sich automatisch nach einem Absturz. Eine Hand legte sich auf seine Schulter – es war die seines Vertreters, der gekommen war, ihn abzulösen, damit er von seinem Terminal wegkam, seine Kräfte sammeln und seinen Bericht machen konnte. »Verstanden, zwölf-siebzehn«, sagte er. »Danke.«

»Ich werde mich mit der Air Force in Verbindung setzen«, sagte sein Vorgesetzter.

»Nein, das übernehme ich«, sagte der Fluglotse. Er riss sich das Headset vom Kopf, stemmte sich aus seinem Stuhl hoch, griff zu dem Telefon zwischen seinem Platz und dem des zweiten Fluglotsen und drückte einen roten, mit AFRCC gekennzeichneten Knopf. Er holte tief Luft, während er auf die Freischaltung der Direktverbindung wartete.

»Rettungsleitstelle, Sergeant Goris«, meldete sich der diensthabende Fluglotse im AFRCC auf der Tyndall Air Force Base in Florida, die sämtliche Luft- und Seerettungseinsätze in der Vereinigten Staaten anordnete. »Empfangsbereit, Salt-Lake-Zentrale.«

»Hier spricht Adams, Salt-Lake-Zentrale. Haben Radarkontakt zu einer Cessna 182 verloren, fünf-fünf Meilen nordnordwestlich von Battle Mountain, Nevada, in einem Gebiet mit schweren Gewittern. Linienflug auf Flughöhe drei-fünf-null berichtet, sie empfangen UKW-ELT oberhalb dieses Bereichs.«

»Wir übernehmen, Salt Lake«, sagte der Mann am anderen Ende der Leitung. Im Hintergrund konnte der Fluglotse einen Alarm losgehen hören. »Farben, an Bord befindliche Treibstoffmenge, Name des Piloten, Seelen an Bord?«

Der Fluglotse riss den Streifen mit dem Flugplan aus seiner Halterung. »Weiß mit blauen Streifen, fünf Stunden, drei … drei Seelen an Bord«, las er mit stockender Stimme vom Datenstreifen des Flugplans ab.

»Roger, Salt Lake. Wann wird das Unwetter Ihrer Einschätzung nach aus dem Gebiet abziehen?«

»Es bewegt sich einigermaßen schnell und ist nicht sehr groß, nur lang«, sagte der Fluglotse. »In ungefähr einer Stunde.«

»Danke, Mr. Adams. Tut mir leid. Tyndall hat verstanden.«

LAGERHALLENKOMPLEX NAHE DES STÄDTISCHEN FLUGHAFENS LINCOLN, KALIFORNIEN

Zur selben Zeit

»Okay, Leute, folgendermaßen«, sagte der Special Agent in Charge des FBI, Gary Hardison. Er war umringt von zwei Agenten in Zivil, einem Team aus vier Beamten des Sondereinsatzkommandos des FBI und einem Team aus acht Bundesagenten des ATF, allesamt voll ausgestattet mit Panzerwesten und Schutzhelmen und bewaffnet mit Maschinenpistolen. »An diese Bande heranzukommen ist der krönende Abschluss von achtzehn Monaten verdeckter Arbeit. Passieren wird das alles in ungefähr einer Stunde.«

Hardison trat hinüber zu einer großen Schautafel mit einer Overheadprojektion von Satellitenaufnahmen des Ziels sowie handgezeichneten Diagrammen ihres Zugangsplans. »Hier ist der Hangar, wo sie den Austausch vornehmen wollen, in der Mitte der ersten Reihe, die der Rollbahn am nächsten liegt. Halten Sie die Augen offen nach Flugzeugen und Piloten auf dem Flughafengelände. Allerdings hatten wir stürmisches Wetter, weshalb der Flughafenmanager der Ansicht ist, dass es auf dem Gelände keine Piloten geben wird. Sicherheitshalber hat er bis auf unsere eigenen sämtliche Zugangskarten für die Flugsteige gesperrt, sie werden also das Flughafengelände nicht betreten können, bevor wir fertig sind. Wir haben dafür gesorgt, dass die anderen Hangars besetzt sind, die Identität der Besitzer ist überprüft worden, und der Flughafenmanager hat ihre Zugangskarten gesperrt, sodass sie nicht hineingelangen können. Im Zielhangar befindet sich ein einzelnes Flugzeug, eine doppelmotorige King Air 350, die die Verdächtigen für den Transport des Materials zu benutzen gedenken. Wir hatten den ganzen Abend eine unbemannte Predator-Drohne am Himmel, die nach Anzeichen dafür Ausschau gehalten hat, ob die Bande versucht, jemanden auf dem Dach zu postieren. Tun sie dies, werden wir alarmiert, und sollte es uns nicht gelingen, den Schützen auszuschalten, brechen wir das Ganze ab. Ich werde die Drohne von hier aus überwachen. Riley wird das elektrische Tor passieren, das unter Beobachtung durch die Bande stehen wird. Stricker folgt ihm in der Limousine. Sie werden durchfahren, sich selbst, die Limousine und den Lkw von den Wachen überprüfen lassen, dann bis zum Hangar weiterfahren. Ich gehe davon aus, dass sie wenigstens einen Mann bei Ihnen im Lkw und in der Limousine mitfahren und mindestens einen am Tor zurücklassen werden. Sobald sie die Freigabe zum Betreten des Geländes haben und sie am Hangar vorfahren, werden sie zunächst mit dem Bargeld hineingehen und dann die Schmuggler nach draußen zum Lkw begleiten, um sie das Material prüfen zu lassen. Sobald diese es für gut befunden haben und wir keine warnenden Piepser empfangen, schalten Sie die Burschen draußen vor dem Hangar aus, anschließend geben wir den Sondereinsatzkommandos von SWAT und ATF das Zeichen, woraufhin diese wie der Blitz zur Stelle sein werden, um den Hangar zu räumen.«

Hardison wies auf einen einzelnen Beamten in Uniform. »Für das SWAT-Team verantwortlich ist Captain Derek Coulter vom Sheriff’s Department Yuba County«, fuhr der Special Agent in Charge fort. »Nachdem wir die Jungs draußen vor dem Hangar überwältigt haben und die Hubschrauber unterwegs sind, werden er und seine Männer anrücken, um den Flughafen zu sperren und die Startbahn, die Rollbahnen und Ausgänge abzuriegeln. Bis zur Verhaftung werden sie hier im Lagerhallenkomplex unsichtbar sein. Captain?«

»Wir haben sechs Fahrzeuge, die an der Abriegelung von Start- und Rollbahnen beteiligt sind, jeweils besetzt mit zwei Hilfssheriffs«, erklärte Coulter. »Zwei werden sich in der Nähe des Hangars befinden, in dem die Operation stattfindet, und das Nordende der Startbahn und die Hauptrollbahn abriegeln. Wir sind ständig auf Einsatzfrequenz, sollten Sie also Hilfe benötigen oder die Lage sich ändern, stehen wir bereit. Darüber hinaus haben wir nur wenige Minuten entfernt einen Hubschrauber bereitstehen. Meine Männer haben schon bei zahlreichen Gelegenheiten mit dem FBI zusammengearbeitet. Viel Glück.«

»Danke Ihnen, Derek«, sagte Hardison. »Des Weiteren: Die SWAT-Helikopter werden auf der Rollbahn vor dem Hangar aufsetzen, was für die im Innern des Hangars hoffentlich der erste Hinweis darauf sein wird, dass etwas im Busche ist. Das Hangartor dürfte geschlossen sein, links daneben gibt es eine einzelne Durchgangstür. Der Hangar verfügt über ein zwanzig Fuß hohes Dach mit jeder Menge Querstreben darunter. Sie alle, denken Sie daran, oben ebenso abzuklären wie rings um Sie her. Da drinnen herrscht ein ziemliches Durcheinander aus rollbaren Werkzeugkisten, Lampen, Hebezeugen und dergleichen. Also, Hess, Scott, Edwards und Caffery, lassen Sie besondere Vorsicht walten. Der Hangar verfügt über eine Toilette in der Südwestecke sowie, in der Nordostecke, über eine Einzimmerwohnung im ersten Stock. Das sind die wichtigen Bereiche, die es abzudecken gilt. Die Toilette hat keine Fenster. Harris und Vasquez, Sie werden um das Flugzeug herumgehen müssen, um das Klo abzudecken. Nehmen Sie sich vor Luftschläuchen und anderen Stolperfallen auf dem Fußboden in Acht. Außerdem weist das Dach der Toilettenräume eine ebene Fläche auf, die sie zum Verstauen von irgendwelchem Kram benutzen, also decken Sie dieses ebenfalls ab. Die Wohnung hat ein einzelnes Fenster, das den Hangar überblickt, aber kein Fenster in der Tür, also, Carter und Meredith, Sie sollten es demnach über die Treppe bis nach oben schaffen, während McGinty und Cromwell das Fenster von unten sichern. Hartmann und Benz, für Sie ist die King Air 350 reserviert. Eingangstür auf der linken Seite des Flugzeugs, dazu kleine Fenster, die sich öffnen lassen, auf der rechten und linken Seite des Cockpits, groß genug, um die Mündung einer Waffe durchzustecken, also seien Sie auf der Hut. Auf der rechten Seite des Flugzeugs gibt es einen Notausstieg, Sie sollten jedoch merken, wenn sie den rausprengen, um auf Sie zu schießen. Bleiben Sie hellwach. Sobald der Hangar geräumt ist, ziehen wir die Abteilung für Kriminaltechnik und gefährliche Materialien hinzu und fangen an, den Laden umzukrempeln.«

Hardison stellte sich den Fragen der Beamten, erhielt eine Aktualisierung über die Wetterbedingungen und den Status der Leute aus dem Sheriff’s Department, machte einen Uhrenvergleich mit allen und entließ die Gruppen anschließend zu ihren eigenen Briefings und der Überprüfung ihrer Waffen und Ausrüstungen. Zur abgesprochenen Zeit begaben sich die Teams zu ihren Fahrzeugen, und die Operation lief an. In der weiträumigen Ladezone, zwischen langen Reihen leer stehender Lagerhäuser, standen vier Bell-Jet-Ranger-Helikopter, und die Jungs vom SWAT begannen diese zu besteigen.

Riley lenkte den fensterlosen Kastenwagen bis vor das eigentliche Zugangstor, gefolgt von Stricker in einer kleinen Limousine. Diesseits des Tors, unter einem Baum auf dem Flughafenparkplatz für Mietautos, stand ein einzelner Wagen. Als der FBI-Agent seine Scheinwerfer kurz aufblendete, stieg ein Mann mit Sonnenbrille, kariertem Hemd und einem weißen T-Shirt darunter sowie, dem Anschein nach, Cowboystiefeln aus dem innerhalb des Tors geparkten Wagen. Eine Waffe schien er nicht zu tragen, doch der FBI-Agent wusste, ein gewiefter Schütze vermochte ein halbes Dutzend Waffen unter dieser schlichten Kleidung zu verbergen.

Der Mann ging auf das Tor zu, bis er Stricker in der Limousine erkannte, und nickte dann nach hinten zu seinem Wagen. Der sprang an – Riley sah den zweiten Mann im Wagen nicht einmal, was ihn daran erinnerte, in der Nähe dieser Jungs hellwach zu bleiben. Der Wagen fuhr Richtung Tor, bis die Sensoren im Asphalt ausgelöst wurden und sich das Tor zu öffnen begann, setzte dann zurück, wendete und hielt nur wenige Meter entfernt an. Die Lieferwagen und die Limousine fuhren durch das Tor und warteten, bis dieses sich zu schließen begann.

Kaum tat es dies, stieg der Mann im karierten Hemd auf der Beifahrerseite aus dem Lieferwagen aus und überprüfte rasch die Ladezone. Im selben Augenblick stieg ein zweiter, bislang unbemerkter Mann auf der Beifahrerseite in die Limousine ein und befahl Stricker, den Kofferraum zu öffnen. Als er dies tat, erschien noch ein weiterer, bislang unsichtbar gebliebener Mann, überprüfte den Kofferraum, gab das Daumen-hoch-Zeichen und verschwand.

»Ihr Jungs seid gut – die sind wie aus dem Nichts aufgetaucht«, bemerkte Riley.

»Gehen wir«, meinte der erste Mann, ohne auf die Bemerkung einzugehen. »Höchstgeschwindigkeit zehn Meilen in der Stunde.«

Sie passierten die Selbstbedienungstankstation, überquerten das Flugvorfeld, fuhren dann Richtung Norden über eine Autozubringerstraße, vorbei an einer Reihe von Hangars. Weder andere Autos noch Flugzeuge waren zu sehen. Sie fuhren fast die gesamte Reihe entlang bis zum vorletzten Hangar und hielten dort. Der Fahrer des Führungsfahrzeugs holte ein Walkie-Talkie hervor und sprach hinein, und wenige Minuten darauf trat ein Mann aus dem Hangar, einen Koffer in der Hand.

»Auf die Sekunde pünktlich, Riley«, sagte der Mann, der aus dem Innern des Hangars gekommen war. »Das gefällt mir.«

»Sich zu verspäten ist ein Zeichen von Respektlosigkeit und schlechtes Geschäftsgebaren, Sullivan«, sagte Riley. Er wies mit einem Nicken auf den Koffer. »Ist das die gesamte Summe?«

»Die Hälfte«, sagte der Sullivan genannte Mann.

Rileys Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Was soll der Scheiß, Sullivan? Wir hatten nicht vereinbart, es aufzuteilen.«

»Ich will zuerst die Behälter draußen überprüfen.« Sullivan griff in seine Jacke und holte ein kleines, an einen überdimensionierten Garagentoröffner erinnerndes Gerät hervor. »Bestehen Sie, bekommt Ihr Freund hier das Geld. Wir fahren den Lieferwagen in den Hangar, um die Behälter mit dem größeren Gerät zu überprüfen, und wenn mit denen alles stimmt, können Sie sich mit dem Rest davonmachen.«

Riley zögerte, schüttelte dann den Kopf. »Schaffen Sie Ihr größeres Gerät hierher, nach draußen.«

»Würde zu viel Aufmerksamkeit erregen«. Der Mann nickte dem zweiten verdeckten Ermittler zu und warf den Koffer zu ihm hinüber. »Überprüf ihn.«

Stricker trug den Koffer zu seinem Wagen und öffnete ihn. Im Innern befanden sich Dutzende Geldbündel, größtenteils Hunderter. Er ließ einige Stapel am Daumen vorbeischnellen, um sich zu vergewissern, dass sie nicht mit Papierschnipsel aufgefüllt waren, und zählte die Bündel dann rasch durch. Jedes enthielt 10 000 Dollar, alles in allem also etwa 150 000 Dollar.

Stricker klappte den Koffer zu und stieg aus seinem Wagen. »Die Hälfte der Gesamtsumme.«

»Tja, ist doch einen Blick wert, was?«, fragte Sullivan, ein Lächeln auf den Lippen.

»Das ist alles, was Sie dafür kriegen«, meinte Riley, »einen Blick. Wenn Sie den Lieferwagen in den Hangar fahren wollen, kostet Sie das weitere hundertfünfzig. Larry wird das Geld verwahren, während Sie die Behälter untersuchen.«

Sullivan wies mit einem Nicken auf den zweiten verdeckten Ermittler. »Sie vertrauen ihm dreihunderttausend Dollar an?«

»Stricker weiß, wenn er mich bescheißt, ist sein Leben keinen Pfifferling mehr wert«, gab Riley zurück. »Also los.«

Jetzt war es an Sullivan zu zögern, dennoch nickte er. »Tun wir’s.« Er ging zum Lieferwagen und öffnete die seitliche Schiebetür. Drinnen befanden sich vier große, knapp einen Meter hohe Stahlzylinder mit einem Durchmesser von etwa vierzig Zentimetern. Er nickte. »Es sind die echten, keine selbst gebastelten Container?«

»Ich bin doch nicht so verrückt, mit von Amateuren zusammengeschraubten Containern herumzufahren«, sagte Riley. »Sind Sie mit der Handhabung vertraut?«

»Nein, aber mein Mitarbeiter Carl.« Sullivan sprach in ein Walkie-Talkie, und wenige Minuten darauf trat ein Mann aus dem Hangar. Das Gehen bereitete ihm Mühe, sein Haar war schütter und fehlte stellenweise ganz, und eines seiner Augen schien getrübt. Er nahm den Detektor von Sullivan entgegen und untersuchte die Metallbehälter. »Carl war fünfzehn Jahre Pilot für das Energieministerium«, erklärte Sullivan. »Er hat dieses Zeug in allen möglichen Flugzeugtypen kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten geflogen. Ein Zwischenfall, und sie hätten ihn gefeuert – bei Streichung sämtlicher Bezüge. Drei Jahre später fand er heraus, dass er Leukämie hat.«

Der Carl genannte Mann schaltete das Gerät ein, wartete, bis es sich initialisiert hatte, und warf dann einen Blick auf das Display. »Keine Lecks.«

»Jede Behörde verfügt heutzutage über Strahlendetektoren«, sagte der verdeckte Ermittler. »Ich werde nicht durch die Gegend fahren und darauf warten, dass mich irgendein Provinztölpel hochnimmt.«

Carl untersuchte den ersten Metallbehälter, tippte dann Befehle in die kleine, seitlich an dem großen Metallbehälter befindliche Tastatur. Ein Motor öffnete eine mächtige stählerne Verschlussklappe, und dahinter erschien ein winziges Sichtfenster in der Seite des Metallbehälters. Carl hob den Detektor an und hielt ihn an das offene Fenster.

»Sollte er nicht Abstand zum Fenster halten?«, meinte Riley.

»Carl weiß, dass ihn ein paar Dosen mehr auch nicht schneller umbringen«, sagte Sullivan. »Carl?«

»Betateilchen sowie Gammastrahlung … ziemlich hohe Werte.« Carl schloss das Fenster.

»Das ist das Iridium-192«, sagte Riley. »Die Halbwertszeit dieses Zeugs ist recht kurz, aber Sie sagten, das sei okay.« Sullivan nickte, behielt aber Carl weiter im Blick, während dieser arbeitete.

Carl überprüfte einen weiteren Metallbehälter. »Ausschließlich Gammastrahlung. Sehr hohe Werte.«

»Kobalt-60«, bemerkte Riley.

Carl prüfte den dritten Metallbehälter. »Neutronen, Protonen, Betateilchen und Gammastrahlen. Plutonium-239.« Zu guter Letzt prüfte er den vierten. »Alphateilchen, Betateilchen und Uran. Neptunium.« Er schloss das Fenster, wankte zurück zu Sullivan und gab ihm seinen Detektor zurück. »Das Prüfgerät drinnen wird uns die genauen Mengen und Werte verraten, Sir.«

»Danke, Carl«, sagte Sullivan und fasste ihn im Vorübergehen am Arm. »Machen Sie sich bereit, okay?«

»In Ordnung, Sir.«

»Neptunium-237, wie bestellt«, sagte Riley. »Jetzt das restliche Geld, und Sie können das Zeug in Ihren Hangar schaffen lassen. Mein Mann Stricker wird das gesamte Geld durchzählen, zu unserem Treffpunkt rausfahren, und ich werde hierbleiben, bis Sie die Behälter abgenommen haben.«

»Abgemacht«, sagte Sullivan. Er sprach erneut ins Funkgerät, und ein weiterer Mann brachte einen zweiten Koffer heraus. Stricker zählte sämtliche Geldscheine durch, sorgfältig diesmal, nickte zustimmend und fuhr los. Sullivan gab per Funk den Befehl, das Hangartor zu öffnen.

Als sich die Prüfklappe am ersten Atommüllcontainer öffnete, ermittelte das Strahlendosimeter an Bord der unbemannten, auf einem hohen Rundkurs kreisenden Predator-Drohne die freigesetzte Strahlung und sendete ein Alarmsignal an die Kommandozentrale im Lagerhallenkomplex in der Nähe des Flughafens. »Das Siegel am ersten Metallbehälter ist aufgebrochen worden«, sagte Hardison zu seinem Assistant Special Agent in Charge. »Lassen Sie sie starten.«

Der ASAC ging nach draußen und gab dem Leiter des Einsatzkommandos das Zeichen, sich für den Start bereit zu machen, und die Helikopterpiloten starteten die Motoren.

In diesem Augenblick bog ein Streifenwagen des Yuba County Sheriff’s Department in die Einfahrt des Lagerhallenkomplexes, in dem die vier Helikopter versteckt gehalten wurden. Der ASAC sah auf seine Uhr und fragte sich, was der Sheriff wohl wollte. Etwa dreißig Meter von der vorderen Helikopterreihe entfernt hielt der Streifenwagen, und ein Mann in Anzug und mit Krawatte und Sonnenbrille stieg aus, holte seine Dienstmarke hervor und klemmte sie in die obere Tasche seines Jacketts, sodass der siebenzackige Sheriffstern deutlich zu sehen war.

Der ASAC war dem Sheriff noch nie begegnet, der Neuankömmling zeigte den Piloten aber das Daumen-hoch-Zeichen, als er auf den Assistant Special Agent in Charge zutrat. »Sheriff Adamson?«, fragte dieser.

»Nein«, gab der Mann zurück, holte eine Maschinenpistole unter seinem Jackett hervor und schoss dem ASAC drei Mal in die Brust. Unmittelbar darauf entnahm er seinem Jackett ein kleines Gerät, drückte einen Knopf und betrat die Lagerhalle. Zwei Sekunden später explodierte auf dem Rücksitz des Polizeistreifenwagens ein selbst gebauter 300-Pfund-Sprengsatz. Die erste Helikopterreihe verschwand inmitten eines Feuerballs, dieser erfasste auch die zweite Reihe, und innerhalb von Sekundenbruchteilen waren alle vier Helikopter zerstört und zwölf SWAT-Beamte ums Leben gekommen.

Im Laufschritt begab sich der Mann zur Tür des Büros, das als Kommandostelle diente, und ließ sich genau in dem Moment auf ein Knie fallen, als Hardison mit gezogener Waffe herausgestürzt kam, um zu sehen, was die horrende Explosion draußen verursacht hatte. Seine kugelsichere Weste rettete Hardison, die Wucht der in seiner Brust einschlagenden Kugel riss ihn jedoch zu Boden. Ruhig blickte der Mann auf ihn herab und schoss ihm zweimal in den Kopf, machte dann kehrt und ging nach draußen.

Das Hangartor hatte sich fast schon weit genug geöffnet, um den Lieferwagen hineinzufahren, als Riley einen gepanzerten SWAT-Suburban des Yuba County Sheriff’s Department bemerkte, der die Rollbahn entlang auf sie zugerast kam. Mist, schoss es ihm durch den Kopf, sie sind zu früh! Wo, zum Teufel, bleiben die Helikopter?

Das Fahrzeug kam mit quietschenden Reifen vor dem Hangar zum Stehen, und zwei Beamte in schwarzen Kampfanzügen und mit Kevlarhelmen sprangen heraus, während aus dem hinteren Teil des Wagens ein Mann ausstieg, zwei Geldkoffer in den Händen!

»He!«, rief Riley und hob, sich ergebend, die Hände. »Was, zum Teufel, soll …?« In diesem Moment vernahm er die Explosion aus der Richtung des Lagerhauskomplexes sowie das Kreischen von zerfetzendem Metall und begriff – noch ehe der Fahrer des Suburban eine Pistole aus seinem Holster riss, zielte und dem FBI-Agenten drei Kugeln ins Gesicht schoss –, dass die Operation gescheitert war.

»Berichten Sie«, sagte der Mann namens Sullivan.

»Die SWAT-Teams sind ausgeschaltet«, erklärte der Fahrer. »Die Fahrzeuge des Sheriff’s Department wurden so platziert, dass sie den Zugang zum Flughafen so gut wie irgend möglich versperren, und die Teams Bravo und Charlie melden sich bei ihren Nacheinsatz-Sammelpunkten. Keine Verluste.«

»Ausgezeichnet«, sagte Sullivan. »Hervorragende Arbeit. Helfen Sie dem Alphateam, die Metallbehälter an Bord des Flugzeugs zu schaffen und zu sichern, und melden Sie sich anschließend bei Ihren Sammelpunkten.«

»Jawohl, Sir.« Im Laufschritt begaben sich die drei Männer in den Hangar, wo die Atommüllbehälter bereits mit einem Gabelstapler abgeladen wurden. Sullivan folgte ihnen nach drinnen und sah Carl, der gerade in eine Flugnavigationskarte vertieft war. Sullivan fiel Carls blasse, schweißnasse Haut auf, und dass seine Hände zitterten, während er einen Schluck Wasser trank. »Alles in Ordnung mit Ihnen, Carl?«, erkundigt er sich.

»Komme bestens zurecht«, antwortete Carl. »Gerade vor ein paar Minuten habe ich die letzten Medikamente eingenommen – damit werde ich die nächsten Stunden überstehen. Lange genug.«

Sullivan nickte. »Sie sind ein wahrer Patriot, Carl«, sagte er. »Ein echter Held.«

»Vielen Dank, Sir.« Carl tippte auf die Navigationskarte. »In dem Tal hier werde ich auf jeder Flughöhe in permanentem Radarkontakt stehen – das lässt sich unmöglich vermeiden«, erklärte er. »Aber sobald ich über die Sierra hinweg bin, werden sie mich verlieren. Ich arbeite mich von Kamm zu Kamm nach Süden vor, ändere mehrfach den Kurs, halte mich von den Ballungsgebieten fern und begebe mich zu der Landepiste, um die drei Metallbehälter auszuladen und Treibstoff aufzunehmen.«

»Ausgezeichnet«, sagte Sullivan. »Sie haben diese Operation hervorragend geplant.«

»Es war mir ein Vergnügen, Sir«, erwiderte Carl. »Und auch die Einsatzkommandos haben ausnahmslos hervorragende Arbeit geleistet.«

»Haben sie, dank Ihrer Inspiration.«

»Vielen Dank, Sir.« Carl nahm Haltung an und salutierte. »Es war mir eine Ehre, Ihnen zu dienen, Sir«, sagte er.

Sullivan erwiderte seine militärische Ehrenbezeugung. »Nicht mir, Carl – wir dienen der Wahren Republik«, sagte er. Als er den Piloten umarmte, konnte er das Zittern spüren, das Carls ganzen schmächtigen Körper ergriffen hatte. Die Ärzte hatten ihm keine sechs Monate mehr gegeben, dann würde ihn die Leukämie dahinraffen; sein beidseitiger grauer Star würde ihn noch vorher seines Augenlichts berauben. »Gut gemacht, Soldat. Weiter so.«

»Für die Wahre Republik, Sir«, sagte Carl, faltete seine Karten zusammen und begab sich zur King Air.

Lange bevor die ersten Einheiten von FBI und Polizei am Flughafen eintrafen, war die King Air beladen und – auf östlichem Kurs bei niedriger Flughöhe – in der Luft. Unterdessen zerstreuten sich die Männer am Flughafen in alle Himmelsrichtungen – mit Autos, Motorrädern und sogar Booten – und flohen, um in sicheren Häusern, die über das gesamte Gebiet verteilt waren, den Einbruch der Nacht abzuwarten.

KAPITEL 1

Viele, höre ich, verachten diese Männer,

weil sie so wenige waren. Wann waren die Guten und

die Mutigen jemals in der Überzahl?

– Henry David Thoreau

BATTLE MOUNTAIN, NEVADA

Zur selben Zeit

Die Unwetter der jüngsten Vergangenheit hatten den Garten – sofern man ihren kleinen Flecken aus Erde, Gras und Steinen denn als Garten bezeichnen konnte – in eine matschige, grün eingefärbte Sumpflandschaft verwandelt. Die ungepflasterten Straßen, festgewalzt vom Auto- und Baustellenverkehr, befanden sich in etwas besserem Zustand, doch auch sie nass und matschig.

Es hätte das vom Krieg geschundene Irak oder Afghanistan sein können, oder irgendein entlegenes chinesisches Dorf. Stattdessen handelte es sich um eine vergleichsweise neue Trabantensiedlung der Gemeinde Battle Mountain im zentralen Norden Nevadas.

Battle Mountain war nicht mehr als eine kleine Ansammlung von Lagerhäusern, Geschäften, Saloons und Bordellen und hatte sein Dasein als unbedeutendes Eisenbahnbetriebswerk und Bergarbeiterlager im zentralen Norden des Nachbürgerkriegs-Nevada begonnen. Obwohl es mittlerweile Regierungssitz von Lander County war, hatte es die Gemeinde nie geschafft, sich die offiziellen Rechte als Stadt oder Ortschaft, ja nicht einmal als Dorf zu sichern. Selbst als ganz in der Nähe die Interstate gebaut worden war und die US-Armee vor der Ortschaft eine Ausbildungsbasis für B-17-Bomberbesatzungen eingerichtet hatte, entwickelte sich die Gemeinde nicht weit über ihre Vergangenheit als Bergarbeitersiedlung und Weghindernis hinaus.

Und das war es auch, was Bradley James McLanahan über Battle Mountain dachte – nur ein weiteres Hindernis auf seinem Weg.