Buddhas Ehefrau - Mathias Bellmann - E-Book

Buddhas Ehefrau E-Book

Mathias Bellmann

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Beschreibung

Thich Nhat Hanh hat mit seiner Siddhartha Biografie dem Buddha ein literarisches Denkmal gesetzt. Dieser Roman setzt endlich auch Buddhas Ehefrau Yasodhara ein verdientes Denkmal. Denn mithilfe von Buddhas Dharma erwachte auch sie und wurde eine erleuchtete Buddhina. Begleite Yasodhara auf ihrer spirituellen Reise und erlebe die Höhen und Tiefen einer jungen Frau, die sich in einer Männerwelt zur höchsten Reife entwickelte und bewies, wie groß die spirituelle Kraft der Frauen ist.

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Yasodhara

die spirituelle Reise einer Frau

Inhalt

Die edle Tochter

Ehejahre

Mutter sein

Nonne

Lehrjahre

Erwachen

Buddhina

Familienbande

1. Die edle Tochter

Wir alle kennen Buddha Shakyamuni. Er ist der Mann, der einst voll erwachte und uns einen Weg zeigte, wie jeder von uns sich aus seinem Leiden befreien kann. Viele wissen nicht, dass er verheiratet war, bevor er zum Buddha wurde. Seine Frau hieß Yasodhara. Ihr Weg soll hier endlich der ganzen Welt offenbart werden. Denn mithilfe von Buddhas Dharma erwachte auch sie und wurde eine Buddhina.

Es war eine Schweiß getränkte Nacht, in der Yasodhara geboren wurde. Sie war auserwählt eine Adlige zu sein. Sie war eine höher Gestellte und würde ein privilegiertes Leben führen. Zugleich war sie eine Frau in einer Männerwelt und damit gefangen in einem Protokoll. Sie war gebunden an die Ehe und ihre Aufgabe Kinder zu kriegen, damit die Familie wächst und die Kaste weiterlebt. Alles war vorherbestimmt. So sah ihr Schicksal aus.

Yasodhara erwarteten in ihrem Leben weniger Freiräume als die Ärmsten des Landes. Denn die Reichen hatten zwar großen Besitz, aber ihre Verpflichtungen banden sie an ein streng geregeltes Leben. Auch Yasodhara würde die Pflichten erfüllen müssen, die ihre Kaste ihr auferlegte. So war es in allen Kasten. Jede hatte Nöte und Zwänge und diktierte den Menschen das Leben. Außerdem schwebte über allem die Gefahr von Naturkatastrophen oder Kriegen, die das Land verwüsten konnten.

Das war Samsara. Das war die Leidenswelt. In ihr befand sich alles in einem ständigen Fluss des Wandelns. Auch für unsere Neugeborene würde es ein Leben der unaufhörlichen Veränderung werden. Es begann mit dem Schmerz ihrer Geburt. Sie schrie noch immer. Denn das Licht blendete sie und es kratzte furchtbar auf ihrer zarten Haut. Aber da war auch die sanfte Stimme ihrer Mutter. Jetzt lag sie in ihren Armen und ihre Mutter schaukelte sie. Dann schenkte sie der Welt ihr erstes Lächeln.

Wäre sie ein Junge gewesen, dann hätten ihre adligen Eltern die Wahrsager geholt. Sie hätten die Knochen geworfen und die Sterne gelesen. Sie hätten Vorhersagen über ihre Heldentaten gemacht. Diese großen Prophezeiungen hätten ihr ganzes Leben bestimmt. Doch sie war nur ein Mädchen und in dieser Welt waren Frauen untergeordnet. Wer jedoch aufmerksam gewesen wäre, hätte bei ihrer Geburt viele wunderliche Zeichen entdecken können.

Die Dienerinnen und Hebammen hatten den Regenbogen gesehen, der aus dem Brunnen im Hof gekommen war. Die Menschen im Dorf waren erstaunt, als am Morgen vor Yasodharas Geburt ein großer, weißer Elefant am Waldrand aufgetaucht war. Er hatte seinen Rüssel gehoben und eine unbekannte, sanfte Melodie geblasen. Es war ein Wunder, denn so etwas hatte kein Dorfbewohner zuvor erlebt.

Yasodharas erste Lebensjahre waren gesegnet mit Glück. Doch so würde es nicht bleiben, denn wir alle wissen, jeden von uns erwarten die Schicksalsschläge. Auch unsere kleine Yasodhara würde sich vielen Prüfungen stellen müssen. Aber als Tochter eines mächtigen Kshatriyas waren ihre ersten Jahre ein Geschenk der Götter.

Sie war das jüngste Kind. Niemand in ihrer Familie hatte gedacht, dass ihre Mutter in ihrem Alter noch einmal ein Kind bekommen würde. Deshalb wurde die Kleine als Wunder in der Familie willkommen geheißen. Jeder liebte sie. Besonders liebten alle ihre wachen Augen. Sie waren wie funkelnde Diamanten, die ruhig und weise strahlten.

Yasodhara war ein sehr ruhiges Baby. Die Kindermädchen waren erstaunt, wie entspannt sie war. Sie schrie kaum und schlief jede Nacht durch. Auch als sie laufen lernte und begann mit den andern Kindern zu spielen, blieb sie immer ein Quell der Harmonie. Kein einziges Mal stritt sie sich mit den anderen, stattdessen schlichtete sie Streit, wo immer es welchen gab.

Sie war in eine gute Familie hineingeboren worden. Ihre Familie war nicht nur wohlhabend. In ihrer Familie herrschte auch der Geist der Güte und Mildtätigkeit. Ihr Vater war ein tief religiöser Mann. Er lud oft Weisheitslehrer und Brahmanen zum Essen ein. Als Dank belehrten sie die Familie mit religiösen Erkenntnissen und erklärten ihnen, wie sie sich gut und tugendhaft verhalten mussten, um den Göttern zu gefallen.

Yasodhara war das Lieblingskind ihres Vaters. Sie waren sieben Geschwister. Da waren ihre vier Brüder und die beiden Schwestern. Ihre Geschwister liebten sie genauso sehr wie ihr Vater. Denn Yasodhara war das jüngste Kind. Sie war für alle wie ein Schatz, der gehütet werden musste.

Am liebsten saß sie bei ihrem Vater, wenn der seinen wichtigen Staatsgeschäften nachging. Ihre Geschwister hatten das nie gedurft. Doch bei ihr war er weich geworden. Er liebte es, ihr seine religiösen Theorien vorzutragen. Yasodhara fand es spannend, alles über die Götter und heiligen Männer des Landes zu erfahren.

Ihr Vater war ein bedeutender Mann. Er war Minister, verwaltete einen Distrikt und besaß viel Land, dass er bewirtschaften ließ. Sein bester Freund war Suddhodana. Ihre Freundschaft war im Krieg entstanden. In jungen Jahren mussten die beiden ihr Land gegen eine fremde Armee verteidigen. Dabei hatte ihr Vater das Leben Suddhodanas gerettet. Die beiden hatten sich dann durch einen Blutsbrüderschwur gebunden. Bis heute erzählte ihr Vater jedem Besucher stolz diese Geschichte.

Ihr Vater liebte den Handel. Das war untypisch für einen Krieger. Aber es hatte ihm großen Reichtum eingebracht. Sein Ruf hatte sich im Land verbreitet und zog viele Händler an. Immer wieder kamen Karawanen vorbei und brachten exotische Geschichten. Yasodhara liebte es mit den Kindern der Händler zu spielen. So lernte sie schon in jungen Jahren viel über die Welt.

Ihre beste Freundin war ihre Cousine Deekra. Sie war die Tochter ihres Onkels väterlicherseits. Obwohl sie beide nur Cousinen waren, sah Yasodhara sie wie eine Schwester. Ihre anderen Geschwister waren alle älter. Sie kümmerten sich fürsorglich um sie, aber mit Deekra konnte sie besser spielen.

Am liebsten spielten sie Prinzessin und Zofe. Die beiden Mädchen stellten sich den schönsten Märchenpalast vor. Abwechselnd flochten sie sich die Haare, wuschen sich die Füße und redeten über die Prinzen, die um sie warben. Am Ende fand immer eine pompöse Hochzeit statt. Leider starb der Prinz nach der Hochzeit immer im Krieg. Dann wurde die Prinzessin zur Königin und die Kammerzofe zur obersten Generalin und sie regierten mutig und weise das Land.

Die Spiele der beiden endeten immer in großem Gelächter. Die Erwachsenen schüttelten dann die Köpfe und sagten: „So etwas hätte es zu unserer niemals Zeit gegeben!“ Yasodhara und Deekra hielten dann die Hände vor den Mund, um das Lachen zu unterdrücken. Aber das half wenig, da sie trotzdem weiterlachen mussten.

Heute war ein sonniger Tag und Yasodhara wollte ins benachbarte Dorf auf den Markt. Deekra war bereit mit ihr zu gehen. Nur ihr Leibwächter würde sie begleiten, weil Vater sie nie ungeschützt haben wollte. Von dem Wächter abgesehen, waren sie allein und sie könnten tun, worauf sie Lust hatten.

Sie waren früh aufgebrochen. Der Weg ins Dorf war weit und es würde einige Zeit dauern, bis sie dort wären. Die Hitze brannte schon nach einiger Zeit. Ihre Füße und Kleider wurden staubig. Die Sonne brannte und selbst auf Balus Stirn –so hieß Yasodharas Leibwächter– bildeten sich große Schweißperlen, denn er musste seinen Speer und den schweren Schild schleppen.

Die Mädchen störte die Hitze wenig. Sie lachten und freuten sich und bedachten die Landschaft mit Reimen. Die beiden waren ganz vernarrt in Wortspiele. Sie wären zu gern Hofdichter an Suddhodanas Hof geworden, aber für Mädchen war das unmöglich.

Auf dem Weg ins Dorf trafen sie einige Bauernkinder. Balu sagte Yasodhara, dass es nicht standesgemäß wäre, mit den Bauern zu spielen. Die beiden Mädchen kümmerte das wenig. Yasodhara hatte nie verstanden, wozu dieses Kastensystem gut war. Alle Menschen sahen doch irgendwie gleich aus und sie fand, sie sollten dieselben Rechte haben.

Sie fand, es sollte auch gleiche Rechte für Männer und Frauen geben. Es regte sie auf, dass es nicht so war. Denn sie hatte viele Träume. Doch die meisten davon würde sie sich nie erfüllen können, weil es für Frauen verboten war. Einmal hatte sie ihren Vater gefragt, ob er nicht die Unterschiede zwischen Männern und Frauen aufheben könnte. Er hatte den Kopf geschüttelt und ihr erklärt, dass es der göttlichen Ordnung der Brahmanen entspräche, wie sie von den alten Texten gelehrt wurden.

Nachdem sie sich von den Bauerskindern verabschiedet hatten, machten sie sich wieder auf den Weg zum Dorf. Sie trafen noch einen Wasserbüffelträger, einen Wanderasketen und eine Obstfrau, bevor sie ins Dorf kamen. Von der Obstfrau kauften sie drei frische Mangos. Eine Mango schenkten sie Balu und die anderen beiden aßen sie selbst, während sie sich kichernd lustige Sachen erzählten.

Die Drei erreichten das Dorf. Es war ein großes, schönes und sehr reiches Dorf. Das meiste Land gehörte Yasodharas Familie. Die Bauern bewirtschafteten es für sie, konnten aber einen Teil behalten. Es war fruchtbares Land und die Menschen hier waren wohlhabend. Es gab einen großen Fluss und das Land war gesegnet. Die Häuser waren schön und strahlten in bunten Farben. Vor jedem stand die geschnitzte Figur eines Schutzgottes. In den Bäumen hingen bunte Wimpel und Fahnen.

Der Marktplatz lag im Zentrum des Dorfes. Yasodhara hatte gewusst, dass heute Markttag war. Deswegen wollte sie hierher. Sie liebte das Treiben auf dem Markt und auch heute war der Platz bereits voll von Händlern, Marktfrauen und Gauklern. Sie waren nicht das erste Mal hier und wussten genau, wohin sie wollten. Deekra wollte unbedingt zum Kindertheater und zu den Tänzerinnen. Yasodhara wollte zum verrückten Wahrsager.

Sie gingen zuerst zum Theater. Auch Yasodhara freute sich darauf. Denn dort waren die Dorfkinder. Mit einigen hatten sie schon Freundschaft geschlossen. Deshalb würde es eine stürmische Begrüßung werden. Danach war der Wahrsager dran. Zum Schluss wollten sie zu den Tänzerinnen. Deekra liebte das Tanzen. Auch Yasodhara mochte es, aber Deekra war geradezu verrückt danach zu tanzen.

Die Begrüßung wurde noch stürmischer, als die beiden Mädchen gedacht hatten. Kaum da sie den Platz erreicht hatten, stürmte eine wilde Meute von Kindern auf sie zu. Es entstand ein Knäuel aus umarmenden Kindern, das selbst Balu nicht verschonte.

Nachdem sich alle wieder beruhigt hatten und zu ihren Sitzplätzen gingen, spielte sich eine bewegende Szene ab. Yasodhara war ein bisschen langsamer gegangen genauso wie ein Dorfjunge. „Hallo Indra“, sagte sie schüchtern. „Ich grüße dich Yasodhara“, sagte der Junge selbstbewusst. Er nahm ihre beiden Hände, strahlte sie mit glänzenden Augen an, bevor er sie sanft umarmte. Yasodhara genoss diesen Augenblick, denn in Wahrheit war er der Hauptgrund, weswegen sie in den letzten Wochen immer wieder ins Dorf gekommen waren.

Es hatte vor einigen Wochen begonnen. Sie hatten mit den Dorfkindern im Teich gespielt, als Indra sie immer wieder nass gespritzt hatte. Er hatte es sehr sanft getan und dabei freundlich gelächelt. Etwas tief in Yasodharas Bauch war ganz warm geworden. Es hatte sich gut angefühlt und sie konnte nicht verhindern, dass sie ihn auch schüchtern anlächelte.

Von diesem Tag an konnte sie nur noch an Indra denken. Auf dem Weg ins Dorf ging sie Deekra damit ernsthaft auf die Nerven. Deekra hatte schon begonnen, sie damit aufzuziehen. Auch heute war das Gefühl für Indra wieder da, aber sie wollte es sich nicht anmerken lassen.

Sie war eine adlige Tochter und er war ein Bauernjunge. Eine Verbindung zwischen ihnen war unmöglich. Außerdem wollte sie nicht, dass die anderen Dorfkinder es mitbekamen. Deshalb löste sie die Hände von ihm und fragte selbstbewusst, welches Theaterstück heute gespielt würde. Indra erzählte ihr, dass es die Liebesgeschichte der Göttin Lakshmi war. Yasodhara freute das sehr, denn es war ihr Lieblingsstück. Sie liebte romantische Märchen. Also setzte sie sich mit Indra zu den anderen Kindern und sah sich das Schauspiel an.

Am Ende des Stücks gab es einen riesigen Applaus. Die umstehenden Erwachsenen sahen verwundert herüber. Yasodhara befahl Balu den Schauspielern eine großzügige Spende zu geben. Denn mittlerweile war ihr Drang groß geworden, endlich zum Wahrsager zu gehen.

Seit sie Indra getroffen hatte, hatte sie nachts immer öfter wach gelegen. Nächtelang hatte sie sich hin und her gewälzt und sich gefragt, ob es für sie eine romantische Zukunft gäbe. Diese Frage konnte ihr nur der weise Wahrsager beantworten. Deshalb wollte sie heute zu ihm. Denn ihr Herz verlangte nach einer Nachricht.

Die Hütte des Wahrsagers war nicht auf dem Marktplatz. Seine kleine, verräucherte Hütte lag am Rand des Dorfes. Sie lag neben dem Eingang zum großen Wald, der im Norden begann. Der Weg dorthin war ein bisschen gruselig. Selbst Balu schien jedes Mal nervös zu werden, wenn sie sich der Hütte näherten. Auch wenn er ein mächtiger Krieger war, so hatte er doch Angst vor magischen Dingen.

„Ich habe dich erwartet Kleines! Die Antwort auf deine Frage wird ja sein und gleichzeitig wird alles ganz anders kommen.“ Damit begrüßte sie der Alte. Sein Haar war lang und wild. Er war splitterfasernackt. Sie wusste, er lehnte Kleidung ab. Sein struppiger Bart war zum Glück so lang, dass er sein Glied bedeckte.

Er begann zu lachen. Es klang zugleich wie das Lachen eines Gottes und wie das eines bösen Teufels. „Kommt Kinder, setzt euch und du grimmiger Krieger habe keine Angst. Ich habe den Dämonen befohlen, dich zu verschonen.“ Er lachte wieder. Yasodhara sah die Angst in Balus Augen. Selbst Deekra wirkte sehr unsicher und auch Yasodhara musste sich eingestehen, dass er heute noch unheimlicher wirkte als sonst.

„Also stell mir schon deine Frage Kleines!“ „Ähm“, stotterte Yasodhara, „ also ich lag viele Nächte wach und es quälte mich. Also sage mir, werde ich die wahre Liebe finden?“

Es zischte. Ein schriller Lichtknall ließ die kleine Hütte erzittern. In dem Moment als Yasodhara ihre Frage ausgesprochen hatte, hatte der Alte etwas ins Feuer geworfen, das furchtbar laut knallte und einen merkwürdigen Dampf entstehen ließ. Balu hatte instinktiv seinen Speer auf das Feuer gerichtet. Der Wahrsager begann so heftig zu lachen, dass er kichernd nach hinten plumpste.

Er richtete sich blitzschnell wieder auf. Sein Blick veränderte sich. Yasodhara sah, wie ein schwarzer Schatten durch seine Augen zuckte. Er sah sie sehr ernst an: „Mädchen, die Antwort auf deine Frage hat mir der große Brahma höchstpersönlich gebracht. Das ist mir im Leben noch nie passiert. Dich erwartet eine epische Liebe. Bereite dich darauf vor Kleines! Denn Brahma sollte seine Nachricht nicht umsonst an dich geschickt haben.“

Yasodhara war baff. Selbst als sie die Hütte verlassen hatte, konnte sie an nichts anderes denken, als an die Ernsthaftigkeit mit der er die Frage beantwortet hatte. Deekra hatte sie zu den Tänzerinnen schleifen müssen. Eigentlich wollte sie mit Yasodhara tanzen, aber die konnte keinen vernünftigen Schritt mehr setzen. Sie saß wie hypnotisiert am Rand, während Deekra mit den anderen Tänzerinnen die traditionellen Tänze übte.

Plötzlich fing Yasodhara an zu lächeln. Ihre Verwirrung löste sich auf und wich einem tiefen Glücksgefühl. Sie konnte die Worte des wirren Wahrsagers jetzt ganz klar verstehen. Er hatte gesagt, der große Brahma hatte versprochen, sie würde die große Liebe finden. Das war die beste Antwort, die sie hätte bekommen können. Denn es bedeutete, sie müsste nur noch auf ihren Traumprinzen warten und dann bekam sie ihre Traumhochzeit.

In den nächsten Wochen wurde Yasodharas Stimmung immer besser. Sie war auch vorher schon ein fröhliches Mädchen gewesen. Doch jetzt stieg ihre Stimmung in himmlische Bereiche und jeder begann den Unterschied zu bemerken und wollte wissen, was der Grund war. Sie antworte, Brahma hätte ihr ein Zeichen gesandt. Diese Antwort verstand jeder, denn die Macht der Götter war allgegenwärtig.

Wochen vergingen und Yasodhara hatte nicht mehr an das Dorf gedacht. Die Prophezeiung hatte alles verändert und sie hatte Indra fast vergessen. Irgendwann jedoch packte sie die Sehnsucht an ihre Freunde im Dorf wieder. Also beschloss sie zusammen mit Deekra zurück zum Dorf zu gehen.

Am nächsten Morgen machten sie sich auf den Weg. Auch Balu war wieder dabei. Die beiden Mädchen freuten sich auf ihre Freunde. Nur ihr Leibwächter Balu wirkte noch grimmiger als sonst. Wahrscheinlich saß ihm immer noch der Schock in den Knochen von seinem letzten Besuch beim Wahrsager.

Die Dorfkinder begrüßten sie stürmisch. Alle jubelten, tanzten und lachten. Selbst Balu strahlte mit seinen knochigen Zähnen. Dann sah sie Indra. Sie freute sich, ihn zu sehen. Aber sie merkte, dass das warme Gefühl im Magen verschwunden war. Er versuchte sich ihr zu nähern, doch sie hatte Angst ihm zu nahe zu kommen. Deshalb wich sie ihm aus. Sie bemerkte, wie er wütend wurde, als sie anders als sonst reagierte. Doch es ging nicht anders. Ihre Gefühle waren verschwunden und sie wollte ihm nichts vormachen.

Sie gingen alle zum Dorfteich, denn die Sonne brannte heiß. Sie sprangen ins Wasser. Es wurde ein riesiger Spaß. Alle lachten und planschten. Besonders mit Ravi lieferte sich Yasodhara eine wilde Wasserschlacht. Er war ein kleiner Junge, den sie sehr mochte, weil er fast immer zu lachen schien.

Doch nicht jedem gefiel ihr Spiel, denn plötzlich tauchte Indra auf und schubste Ravi ins Wasser. Dann schlug er ihm mit der Faust ins Gesicht. Auf den ersten Schlag folgten weitere. Sie fragte sich warum? Hatte er sich vielleicht in den Kopf gesetzt, sie eines Tages zu heiraten? Doch war das schon eine Erlaubnis, gewalttätig werden zu dürfen? Nur weil Ravi mit ihr gespielt hatte, schlug er nun auf ihn ein. Als ob das ihr Interesse wieder erwecken würde.

Sie war plötzlich froh, dass ihr Vater sie so sehr liebte, dass er sie nie gegen ihren eigenen Willen verheiraten würde. Sie erinnerte sich an die Tränen ihrer Cousine, als ihr Onkel sie einem alten Kriegsherrn aus dem Norden versprochen hatte. Sie wollte nicht so enden und noch weniger wollte sie einen Holzkopf wie diesen dummen Schläger heiraten. Wie konnte sie sich so in Indra getäuscht haben?

Es musste auch andere Jungen mit Herz und Verstand geben. Diese Schlägertypen gefielen ihr nicht. Sie träumte lieber von einem sensiblen Jüngling, der Träume hatte und der sie niemals schlagen würde. Denn Yasodhara hasste Gewalt. Sie würde nie verstehen können, warum so viele Menschen anderen Menschen Gewalt antaten. Es ergab einfach keinen Sinn!

Wieder dachte sie an den Wahrsager. Sie wollte zu ihm, aber die Dorfkinder erzählten ihr, dass er das Dorf abrupt nach ihrem letzten Besuch verlassen hatte. Nicht einmal seine Frau wusste noch, wo er war. Er hatte ihr nur gesagt, dass er in den Wald gehen musste, um Brahma wieder zu finden. Yasodhara kehrte also ohne einen Besuch beim alten Wahrsager zurück.

Sie erreichten den Palast erst spät abends. Doch trotz der späten Stunden konnte sie nach dem Abendessen nicht einschlafen. Draußen regnete es heftig. Es hatte schon auf dem Heimweg angefangen. Sie setzte sich in den Torbogen und blickte auf den kleinen Teich im Garten des Palastes. Die Regentropfen wühlten das Wasser auf und das Mondlicht konnte sich nicht spiegeln. So war auch ihr Geist. Unruhig und aufgewühlt von quälenden Gedanken. Noch immer dachte sie an das, was Indra getan hatte. Sie verstand nicht, wie er so aggressiv werden konnte. Es machte ihr Angst. Sie hoffte, einen lieben Mann zu finden, der Gewalt genauso verabscheute wie sie.

Der Morgen kam. Eine Dienerin weckte sie und teilte ihr mit, dass ihr Vater sie sehen wollte. Sie aß und dann ging sie schnell zu ihm. Als sie ankam, verhielt er sich sehr mysteriös. Das überraschte sie nicht, denn sie kannte ihn gut. Das war sein übliches Spiel, wenn er eine Überraschung für sie hatte. Er liebte es, wenn sie brav mitspielte. Tatsächlich machte es ihr Spaß und ihre Neugierde wurde dadurch noch größer.

Dann endlich verriet er ihr das Geheimnis: „Tochter! Ich will zu meinem besten Freund Suddhodana und ich will, dass du mich begleitest!“ Yasodhara platzte vor Freude und schrie: „Ja Vater, ich will! Du hast mir so viel über ihn und seinen Palast erzählt. Ich will es endlich mit eigenen Augen sehen!“ Sie lachte, sprang aufgeregt im Kreis herum, dann umarmte sie stürmisch ihren Vater und küsste ihn auf die Stirn. Dann kannte sie kein Halten mehr. Sie rannte raus auf den Hof. Nichts schien ihre Energie bremsen zu können und so lief sie wild im Kreis herum.

Das war die beste Nachricht des Jahres. Ihr Vater würde sie mit zu Suddhodana nehmen. Er war sein bester Freund. Sie kannte viele Geschichten über die Abenteuer der beiden. Seit vielen Jahren hatte sie gehofft, seinen Palast endlich selbst sehen zu können. Am meisten freute sie sich auf seinen Sohn. Ihr Vater hatte ihr so viel von ihm erzählt, dass er ihr schon seit langem nicht mehr aus dem Kopf ging.

Sie wusste, dass er Siddhartha hieß und so alt war wie sie. Obwohl sie ihn nicht kannte, hatte sie sich schon eine Vielzahl an Spielen ausgedacht, die sie zusammen mit ihm spielen wollte. Es erschreckte sie, dass sie immer öfter an ihn denken musste. Noch kannte sie ihn gar nicht. Doch es war wie ein himmlisches Gefühl, dass sie zwang, an ihn zu denken. Darunter mischte sich auch Angst: Was wenn sie ihm nicht gefiele und er nicht mit ihr spielen wollte?

Die nächsten Tage schienen sich endlos lang auszudehnen. Jeder einzelne Augenblick kroch im Schneckentempo dahin. Yasodhara wurde immer ungeduldiger, aber es half nichts. Sie musste warten. Es fühlte sich so an, als ob nichts anderes wichtiger wäre als die Reise zu Suddhodanas Haus. In ihrer Fantasie malte sie sich den Palast in gewaltigen Ausmaßen aus. Vor allem aber malte sie Bilder von Siddhartha in ihrem Herzen.

Dann endlich brach der Morgen ihrer Abreise an. Yasodhara öffnete die Augen und lächelte. Sie war voller Energie, obwohl sie in der Nacht vor Aufregung kaum hatte schlafen können. Ihre neue Dienerin Sunita brachte ihr Milch und Früchte zum Frühstück.

Sunita war erst vor ein paar Tagen ins Haus ihres Vaters gekommen. Sie war noch sehr jung. Eine schreckliche Bluttat hatte sie zur Waise gemacht. Ihre Eltern waren von Dieben ermordet worden. Es war eine traurige Geschichte. Sie hatte nur überlebt, weil sie sich im Stroh der Tiere versteckt hatte.

Yasodharas Vater hatte seine Krieger nach den Räubern suchen lassen. Sie fingen sie ein und dann verurteilte ihr Vater sie zum Tode. Das Mädchen hatte er in sein Haus geholt, damit sie ein sicheres Zuhause bekam. Da sie kaum älter als seine Tochter Yasodhara war, sollte sie ab jetzt ihre Dienerin werden.

Die Pferde wieherten, als sie sich im Hof versammelten. Yasodhara sah die Krieger ihres Vaters. Sie sahen stattlich aus. Sie trugen ihre besten Waffen, Schilde und Brustharnische. Ihr Vater schien großen Eindruck auf Suddhodana machen zu wollen. Die Ochsenkarren waren voll beladen. Alle wussten, sie waren voll mit Geschenken für Suddhodana. Balu sagte ihr, wo sie und Sunita sitzen sollten. Dann erschien ihr Vater. Er pfiff und war bester Laune.

Yasodhara hatte gelernt, seine Körpersprache zu lesen. Sie erkannte sofort, wann es ihm gut ging und heute war er unübersehbar in bester Stimmung. Die Reise bedeutete ihm wirklich viel. Sie würden einige Tage bis zu ihrem Ziel reiten müssen und unterwegs am Wegrand kampieren. Darauf freute sich Yasodhara sehr, denn es klang nach einem großen Abenteuer.

Eine solche weite Reise hatte Yasodhara noch nie in ihrem Leben gemacht. Sie kannte viel von Vaters Land, aber sie war noch nie darüber hinaus gereist. Heute würde sie viel weiter reisen, als das Land ihres Vaters reichte. Sie hatte keine Ahnung, was es dort gab. Von den Händlern hatte sie viele Geschichten gehört. Manche waren voll von magischen Wesen und Göttern. Andere hatten ihr von riesigen Palästen mit Gold und Juwelen erzählt.

Der Tross hatte sich in Bewegung gesetzt. Sie ritten den ganzen Tag hindurch bis die Nacht hereinbrach und sie ihr Lager aufschlugen. Mit all den Kriegern draußen am Wegrand zu übernachten, fand Yasodhara großartig. Sie schlief gut. Die Träume unter freiem Himmel waren sehr intensiv. In der letzten Nacht schienen sie besonders große Bedeutung zu haben. Wollten die Götter ihr ein Zeichen schicken? Vielleicht war die Zeit ihrer Heirat gekommen. Die Wäscherinnen hatten ihr erzählt, dass sie jetzt alt genug war und bald einem Mann versprochen werden würde. Bisher hatte ihr keiner gefallen oder hatte den Ansprüchen ihres Vaters genügt.

Sie brachen stets kurz nach Sonnenaufgang auf. Es war Yasodhara, die nach einigen Tagen als erste in der Ferne die Mauern von Suddhodanas Palast erkannte. Die Sonne ließ das Dach des Palastes golden blitzen. Für einen Moment glaubte sie, in Brahmas Himmel zu reisen. Denn das Sonnenlicht tanzte magisch auf den Spitzen der Wachtürme.

„Siehst du den Palast mein Kind?“, fragte ihr Vater, während er neben ihr ritt, „es ist ein beeindruckender Bau!“ Er strahlte bis über beide Ohren. Sie liebte es, ihren Vater glücklich zu sehen. In sich selbst spürte sie auch, wie die Vorfreude jede Pore ihres Körpers kribbeln ließ. Während der ganzen Reise war ihre Neugierde immer größer geworden. Sie hatte sich das Bild Siddharthas in hunderten Varianten ausgemalt.

Die Menschen in den Häusern vorm Palast winkten freudig, als sie an ihnen vorbei ritten. Sie sahen glücklich und gut genährt aus. Ihre Kleidung war sauber und die Häuser strahlten in bunten Farben. Es war eine schöne Gegend. Das gefiel Yasodhara. Sie wünschte sich, dass sie bald all die Menschen kennenlernen könnte. Wer waren sie? Welche Geschichten hatten sie zu erzählen?

Sie ritten durch das große Tor und dann sah sie ihn! Sie hatte keine Ahnung gehabt, wie er aussehen würde. Doch es konnte keinen Zweifel geben. Dieser wunderschöne Junge musste Siddhartha sein. Seine Augen funkelten wie Diamanten. Seine Haut strahlte golden. Seine Muskeln waren straff und sein Lächeln brachte ihr Herz zum Rasen. Er lachte sie an und sie vergaß die Welt um sich herum für einen Moment.

Sie hielten vorm großen Haupthaus und der Tross ihres Vaters wurde entladen. Fleißige Diener waren in Windeseile herbeigeeilt und schleppten die schweren Truhen hinein. Dann erschien ein mächtig aussehender Mann. Er war in ein teures Gewand gekleidet. Sein Blick verriet Strenge und Autorität. „Ich hoffe, ihr hattet eine angenehme Reise“, sagte er zu ihrem Vater, „Suddhodana erwartet euch bereits. Es gibt viel zu besprechen. Kommt und beeilt euch. Die Angelegenheit ist sehr ernst und duldet keinen Aufschub!“

Als Yasodhara ihren Vater begleiten wollte, stoppte er sie mit einer eindeutigen Handgeste. Dabei wirkte er sehr ernst: „Tochter, bleibe hier, bis ich zurück bin.“ Sie hatte keine Wahl. Sie musste warten. Während sie sich fragte, was sie jetzt tun sollte, war schon der schöne Jüngling neben ihr aufgetaucht. Yasodhara bemerkte, dass er von nahem noch besser aussah..

Der Unbekannte verbeugte sich höflich: „Ich grüße dich unbekannte Schönheit. Mein Name ist Siddhartha. Ich bin der Sohn Suddhodanas. Mein Vater hat mir viel von eurer Familie erzählt. Er verdankt deinem Vater sein Leben. Mein Dank sei euch deshalb auf ewig gewiss! Lasst mich euer demütiger Diener sein, solange ihr hier seid.“

Yasodhara war sprachlos. Sie lächelte ihn schüchtern an und nickte. Sie spürte, wie ihr Herz schneller zu hämmern begann. Er streckte ihr selbstbewusst die Hand entgegen. Yasodhara griff schüchtern zu. Dann führte er sie auf einen Spaziergang durch den Hof. Er führte sie überall herum und zeigte ihr den Wachturm. Er erzählte ihr, wie sehr er es liebte, von oben das ganze Land zu überblicken. Nach ihrem Rundgang setzten sie sich an den Rand eines plätschernden Brunnens.

„Du gefällst mir“, sagte Siddhartha, „ich weiß nicht warum, aber ich spüre eine magische Verbindung zwischen uns.“ Während er das sagte, konnte Yasodhara sehen, wie die Sonnenstrahlen auf seiner Haut tanzten. Er wirkte nicht mehr wie ein sterblicher Mensch. Er sah jetzt aus wie ein himmlisches Wesen. Sie hatte seine Worte gehört und auch sie spürte die Magie. Etwas göttliches war da und verband sie.