Buddhify Your Life - Rohan Gunatillake - E-Book

Buddhify Your Life E-Book

Rohan Gunatillake

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Beschreibung

Der junge Brite Rohan Gunatillake ist eine der kreativsten Stimmen der Achtsamkeits-Revolution. Das Magazin Wired zählt ihn auf ihrer »Smart List« zu den 50 Menschen, die die Welt verändern werden. Sein Lebensziel ist, die achtsame Bewusstheit und den urbanen Alltag mit seinem hohen Tempo sinnvoll zusammenzubringen. Zu diesem Zweck hat Rohan Gunatillake, der zu den führenden Unternehmern im Bereich ganzheitlicher Technologie und moderner Achtsamkeit gehört, die buddhify-App entwickelt. Sie hilft jedem dabei, innere Präsenz im äußeren Chaos zu bewahren und mit jedem Augenblick so umzugehen, dass möglichst viel Bewusstheit, Ruhe und Verbundenheit entstehen. Auf die erfolgreiche App folgt nun sein erstes Buch, das genau das gleiche Ziel verfolgt und 16 Übungen beinhaltet, die es möglich machen, auch in stressigen Zeiten immer im gegenwärtigen Moment zu sein. Ein frischer und moderner Ansatz zur Entwicklung von mehr innerer Präsenz und Zufriedenheit im Leben. www.rohangunatillake.com

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Seitenzahl: 314

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Rohan Gunatillake

Buddhify Your Life

Ruhig und gelassen bleiben im chaotischen Alltag

Knaur e-books

Über dieses Buch

Rohan Gunatillake gehört zu den führenden Persönlichkeiten im Bereich moderner Achtsamkeit. Nach der weltweit erfolgreichen App buddhify erläutert er in seinem ersten Buch Buddhify Your Life sechs einfache meditative Kerntechniken für den Alltag:

- Körperwahrnehmung

- Atemkonzentration

- Mit allen Sinnen wahrnehmen

- Wissen, wo man steht

- Die Praxis der Herzensgüte

- Nichts-Tun

Inhaltsübersicht

Widmung1. KapitelIch habe keine Zeit zum MeditierenMan muss zum Meditieren spirituell oder religiös sein, und so sehe ich mich einfach nicht.Mein Leben ist sehr vernetzt, es ist einfach nicht praktikabel, mich zeitweilig auszustöpseln.Die Zukunft der Achtsamkeit – auf dem Weg zur Arbeit entdecktAchtsamkeit und Meditation – was ist das eigentlich?Erste Regel: Achtsamkeit soll vor allem mobil seinRäucherstäbchen sind entbehrlichZweite Regel: Achtsamkeit muss den Wünschen der Menschen entsprechen, nicht der TraditionVon der Überwachung zur AchtsamkeitDritte Regel: Technik soll zur Lösung beitragen, nicht das Problem verschärfenWo sich Achtsamkeit und Technik begegnenWas Sie in diesem Buch erwartet2. KapitelDen Kopf frei bekommenKerntechnik 1: KörperwahrnehmungZehn Meditationen zur Entspannung rund um die UhrSmarte AchtsamkeitGeistvoll lesenMorgen-StimmungGut zu FußEinschlafhilfeAtemschuleAuf die Haltung achtenStress-SchwerpunkteGanzkörper-AtemDas süße Leben3. KapitelImmer wieder zum Gegenstand der Aufmerksamkeit zurückkehrenKerntechnik 2: Atem-KonzentrationZehn Meditationen für ein Leben mit weniger AblenkungenWerbung ins Leere laufen lassenMäusejagdHandarbeitAblenkung aussprechenBlinzelbewusstseinNatürliches SchlafliedParkbankSchritt-MantraAtemzählungMithören4. KapitelDie Dinge erfassen, während sie geschehenKerntechnik 3: Mit allen Sinnen aufmerkenZehn Meditationen für mehr Präsenz in allen LebenslagenUrlaubsstimmungStoppzeichenWettergesichtEinmal richtig frühstückenMenschen sehenSurf-GefühlePosteingangssuchtNetzbalkenAusgeglichenheitZeitreise5. KapitelWissen, was los ist, und die Gegenwehr in Stellung bringenKerntechnik 4: Wissen, wo Sie stehenZehn Meditationen für den achtsamen Umgang mit SchwierigkeitenWillkommen, UngeheuerFallen lassen!NaturerlebnisseEin achtsamer TrollRegenHalt findenSchlagfertigkeitHandrückenGedankenlückenGeräuschbad6. KapitelAllen Gutes wünschenKerntechnik 5: Die Praxis der HerzensgüteZehn Meditationen zum Schließen der Kluft zwischen uns und anderenEin Schuss FreundlichkeitGut ankommenDampfradioDankbar in den SchlafVersteckte ZutatenE-Mail mit LiebeMenschen-InternetEchtes ZuhörenSich selbst dankenGegenüber7. KapitelDie Kamera auf sich selbst richtenKerntechnik 6: Nicht-TunZehn Meditationen, die Sie auf tiefere Verbindungen aufmerksam machenBewegung in StilleMentale HyperlinksTagesrückblickFernsehenDie Ich-ShowSich »gehen lassen«Gemeinsames BemerkenAusblendenAuf die Stille lauschenZoom8. KapitelAcht wichtige PrinzipienDas erste Prinzip: Achtsamkeit überallDas zweite Prinzip: In Schwung kommenDas dritte Prinzip: IntentionDas vierte Prinzip: Wissen, wie Achtsamkeit wirktDas fünfte Prinzip: SpielenDas sechste Prinzip: Die formelle Praxis nicht vernachlässigenDas siebte Prinzip: Das Miteinander suchenDas achte Prinzip: Auf lange SichtUnd noch etwas9. KapitelEine Kerntechnik wählenDas Umfeld für die Meditation wählenWoran möchten Sie arbeiten?Einen Versuch mit der gewählten Aktivität startenSpielerisch mit den Antworten umgehenDie Umsetzung Ihrer EinfälleWählen Sie einen einprägsamen NamenVerknüpfen Sie die Meditation mit bestimmten GegenständenAn einem Beispiel durchgespieltWie Sie Ihrer Meditation noch mehr Schwung geben könnenAndere einbeziehenDie Übung zur formellen Praxis machenZwischen den Kerntechniken wechselnEine Sammlung aufbauen10. KapitelAchtsamkeit in der digitalen WeltMehr Freundlichkeit im BüroPsychische GesundheitErziehung von innenOutdoor-AchtsamkeitFließende ÜbergängeAusblickDankErgänzende Lektüre, Videos und WebsitesÜber Rohan und seine Arbeit
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Für meine und Ihre Eltern

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1

Achtsamkeit der nächsten Generation

Die Achtsamkeit braucht eine Neuformulierung.

So viel Interesse wie in unserer Zeit haben Achtsamkeit und Meditation noch nie gefunden. Es gibt auch immer mehr Forschungsergebnisse, die deutlich für ihre Wirkungen und Nutzeffekte sprechen. Große Firmen lassen ihre Angestellten zwecks Stressmanagement an Achtsamkeitskursen teilnehmen. Spitzensportler üben sich in Achtsamkeit, um unter hohem Erfolgsdruck ruhig und leistungsfähig zu bleiben. Für Promis ist Achtsamkeit inzwischen ein Must-have-Lifestyle-Accessoire – aber vor allem sind es Leute wie Sie, die erkannt haben, dass Achtsamkeit deutliche Veränderungen zum Besseren bewirkt, wenn man sie in das eigene Leben integriert. So weit, so gut.

Dummerweise werden die meisten Leute, die sich für Achtsamkeit interessieren, trotzdem nicht aktiv. Drei Haupthindernisse halten sie davon ab, aus einer netten Idee gelebte Wirklichkeit werden zu lassen. Ich nenne diese drei Hindernisse das Zeitproblem, das Freigeistproblem und das digitale Problem. Als Hersteller von Produkten im Umkreis der Achtsamkeit empfinde ich diese Probleme als spannende Herausforderungen, da sie alle überwindbar sind.

Ich habe keine Zeit zum Meditieren

Das ist das Zeitproblem. In dieser von Terminen überlasteten Welt mit ihren unzähligen Vorhaben und Verpflichtungen scheint es nahezu unmöglich, sich zwanzig Minuten freizuschaufeln, in denen man ganz bei sich sein kann. Sobald auch nur anklingt, dass dieser Aufwand nötig ist, wenn wir von der Achtsamkeit wirklich etwas haben wollen, sehen wir das Ganze als unerreichbares Fernziel. Wenn das auf Sie zutrifft, keine Sorge: Wir werden das Zeitproblem lösen.

Man muss zum Meditieren spirituell oder religiös sein, und so sehe ich mich einfach nicht.

Das ist das Freigeistproblem. Achtsamkeitsmeditation hat ihren Ursprung tatsächlich im Buddhismus. Nun scheint der Buddhismus zwar unter den Weltreligionen einen besonders guten Ruf zu genießen, aber alles, was mit Achtsamkeit und Meditation an spiritueller Ästhetik und sonstigem Beiwerk verbunden ist, stellt für viele Menschen ein echtes Hindernis dar. Auch das darf so sein. Wir werden das Freigeistproblem lösen.

Mein Leben ist sehr vernetzt, es ist einfach nicht praktikabel, mich zeitweilig auszustöpseln.

Das ist das digitale Problem. Achtsamkeit und Technik – im Allgemeinen werden sie als nicht kompatibel angesehen, sogar als Gegensatz. Heißt es nicht immer wieder, wir könnten nur wahrhaft präsent und »angeschlossen« sein, wenn wir alles Äußere abschalten? Aber in einer Welt, in der unsere Arbeit, die Wirtschaft, ja unser ganzes Leben so weitgehend von Technik abhängig sind, können wir, wenn es um unser persönliches Wohlbefinden geht, nicht bei der Verteufelung alles Digitalen bleiben. Nun, keine Angst, auch das digitale Problem werden wir bald im Griff haben.

 

Sie halten ein Achtsamkeitsbuch der nächsten Generation in Händen. Es ist für die unzählig vielen gedacht, die nicht wissen, wie sie in ihren dichten Zeitplänen noch Freiräume finden sollen, die sich aber trotzdem mehr Bewusstheit, mehr Ruhe und mehr Freundlichkeit wünschen. Allen, die immer dachten, Achtsamkeit und Meditation seien irgendwie nichts für sie, rufe ich zu: Dieses Buch ist für euch!

Was für Gefühle lösen diese einleitenden Worte bei Ihnen aus? Drängen sich Gedanken auf, sind deutliche Reaktionen wahrzunehmen? Spüren Sie etwas Anregendes, oder überwiegen die Zweifel?

Spüren Sie einmal nach, ob klare Körperempfindungen auftreten. Können Sie wahrnehmen, wie Ihr Atem in diesem Moment fließt oder wie sich die kleinen Bewegungen anfühlen, die ein Blinzeln ausmachen? Oder spüren Sie einfach mal, wie sich dieses Buch in Ihren Händen anfühlt. Wirklich, das kann Spaß machen. Es ist das, was geschieht.

*

Sollten Sie zu den Leuten gehören, die einfach so Zeit für formelle Meditation im Sitzen erübrigen können, nichts gegen kahlköpfige Leute in wallenden Gewändern haben, die Ihnen sagen, was zu tun ist, und dazu auch noch in keiner Weise von ihren digitalen Gerätschaften abhängig sind, dann zählen Sie zu den Glücklichen, die sich einfach an eines der vielen bestehenden Systeme der Achtsamkeits- oder Meditationspraxis anschließen können. Nehmen wir aber an, Sie gehören nicht zu diesem Personenkreis. Dann stehen Sie vielleicht vor dem Dilemma, dass die drei oben erwähnten Probleme schulterzuckend hingenommen werden und man Ihnen sagt: Damit musst du zurechtkommen, so ist es nun mal.

Nein, so ist es nicht, und deshalb brauchen wir heute eine Achtsamkeitspraxis, die besser auf unsere moderne Lebenswirklichkeit abgestimmt ist. Der in diesem Buch vorgestellte Ansatz löst das Zeitproblem dadurch, dass er Meditation in erster Linie als Aktivität in Bewegung auffasst. Wir können überall meditieren, nicht nur an einem der Meditation auf dem Sitzkissen vorbehaltenen Platz. Mein Ansatz löst auch das Freigeistproblem, und zwar durch das Vorverständnis, dass die Achtsamkeitspraxis zwar religiösen Ursprungs ist, aber eine Evolution durchlaufen hat und heute ganz neuen Zwecken dient. Und er löst das digitale Problem einfach dadurch, dass er der Technik ihren Stellenwert in unserem Leben zugesteht, um anschließend zu fragen, wie wir sie für unser Wohlbefinden nutzen können, anstatt es durch sie bedroht zu sehen.

Sicher, wir könnten die Achtsamkeit auch weiterhin so sehen, wie sie bisher gesehen wurde, doch das würde bedeuten, dass sie eine Randerscheinung bleibt, ein Luxus, den sich die meisten Menschen nicht leisten können, weil so etwas in ihrem Alltag nicht unterzubringen ist. Das wäre schade, denn schließlich deutet ja inzwischen wirklich eine Menge darauf hin, dass Achtsamkeitspraxis alle möglichen positiven Wirkungen haben kann. Das ist so, als würde man sagen: »Ich habe hier eine ganz großartige Sache, aber für dich ist sie nicht geeignet, tut mir leid.«

Das wäre nicht nur schade, sondern würde schlichtweg an der Tatsache vorbeigehen, dass die Achtsamkeitspraxis im Laufe der Zeit erhebliche Veränderungen erlebt und neue Elemente aufgenommen hat. Wir werden uns die Evolution der Achtsamkeit im weiteren Verlauf genauer ansehen und uns auch fragen, wohin es von jetzt an gehen könnte. Bevor wir uns jedoch ins Abenteuer stürzen, sollten wir uns einen Kerngedanken ganz bewusst vor Augen führen, nämlich dass die Achtsamkeitspraxis immer schon flexibel gewesen ist und sich im Laufe ihrer langen Geschichte bei jeder Begegnung mit einer neuen Kultur immer wieder neu zu erfinden vermochte. Deshalb ist die derzeitige Neuformulierung der Achtsamkeit nur das folgerichtige nächste Kapitel dieser Geschichte: ihre Abwandlung im Licht neuerer Erkenntnisse der Neurowissenschaft und Psychologie und in Verbindung mit den neuen Entwicklungen der digitalen Technik.

Wenn wir von der Geschichte und Entwicklung der Achtsamkeit sprechen, fassen Sie das bitte nicht als ein akademisches Thema auf. Letztlich denken wir dabei ja an Einzelne wie Sie und mich, die beim bisher Üblichen ansetzen und sich überlegen, wie es in unserer heutigen Lebenswirklichkeit am besten angewendet werden kann. Für mich selbst war es ein Durchbruch, als ich herausfand, wie ich in dieser Welt der engen Zeitfenster meditieren kann. Dadurch hat sich nicht nur mein Verständnis von Achtsamkeit geändert, sondern mein ganzes Leben.

Die Zukunft der Achtsamkeit – auf dem Weg zur Arbeit entdeckt

Während meiner letzten Monate an der Universität fing ich an zu meditieren, und nach dem Examen zog ich nach London zurück, um eine Stelle bei einer großen Technologieberatungsfirma anzutreten. Das war eine aufregende Zeit, ich genoss die Energie dieses Berufslebens im großen Verbund, konnte den im Verlauf meines Studiums angehäuften Schuldenberg spürbar verkleinern, und mein Interesse an Achtsamkeit und Meditation nahm rasant zu. Ich sah mich nach Kursen und Gruppen in erreichbarer Nähe um und trug mich sogar mit dem Gedanken an ein Wochenend-Retreat.

Dummerweise hatte ich nicht genügend Zeit für so etwas. Während des Studiums war das kein Problem gewesen, ich hatte keine Mühe, hier und da eine halbe Stunde für die Meditation abzuzweigen. Jetzt, so abrupt in die Arbeitswelt versetzt, sah das alles ganz anders aus. Selbst wenn ich irgendwo noch eine halbe Stunde für die formelle Meditation im Sitzen fand, war es oft so, dass Aufmerksamkeit und Energie einfach nicht im erforderlichen Maße mitspielten. Die Lösung des Problems fand ich glücklicherweise eines Montagmorgens in der Northern Line der Londoner Underground.

Alle Linien der Underground haben ihre Tücken, aber die Northern Line ist wirklich zermürbend, besonders am Morgen. Großstädte sind ja überhaupt als einsam und beziehungslos verschrien, und am deutlichsten spürt man das vielleicht, wenn man tief unter der Erde in dieser Enge unterwegs ist, umgeben von Menschen und doch so allein.

Eine halbe Stunde war ich vom südlichen London in die City unterwegs, und über die frustrierenden Unannehmlichkeiten dieser täglichen Pendelfahrten hinaus hegte ich einen besonderen Groll auf die Northern Line, weil sie mir meine Meditationszeit wegnahm. Denn am liebsten meditierte ich am Morgen. Da war nicht nur der gerade erst aufgewachte Kopf noch frisch, sondern der Morgen bot mir auch eine tröstliche Regelmäßigkeit, weil ich häufig Überstunden zu leisten hatte und nie wusste, wann ich zu Hause sein würde. Die Schwierigkeit bestand nun darin, dass ich in ein Projekt eingebunden war, für das ich jeden Tag sehr früh im Büro sein musste – auf Kosten meiner morgendlichen Meditationszeit.

Wunderbarerweise konnte ich an diesem Morgen einen Sitzplatz ergattern. Da saß ich nun zwar, aber es ging doch nichts anderes als Selbstmitleid über die verlorene Meditationszeit in meinem Kopf herum. Unser Gehirn weiß ja, wie es einen unbedeutenden kleinen Gedanken zu einer Katastrophe aufblähen kann, und ich war jetzt wahrhaftig überzeugt, dass mein Job, den ich liebte, mich zum endgültigen Abschied von der Meditation zwang. Ach, dahin, dahin!

Ich übte damals eine Form der Meditation, die Anfängern häufig zur Einführung beigebracht wird. Man achtet dabei auf die körperlichen Empfindungen des Atmens, und immer wenn die Aufmerksamkeit abwandert, holt man sie zum Atem zurück, wodurch sich mit der Zeit Bewusstheit und Stabilität entwickeln. Aber wenn ich das in der U-Bahn mit geschlossenen Augen versuchte, standen einfach viel zu viele andere Körperempfindungen im Vordergrund. Das Schütteln und Rattern, die Hitze, das ständige Rempeln – wie sollte ich da die Empfindung des Atmens verfolgen, geschweige denn bei ihr bleiben? Es war ein Riesenfrust. Ich hab’s nicht drauf. Die U-Bahn ist Mist. Alles ist Mist.

Mitten in diesem wohligen Rausch von Selbstmitleid ging mir wie im Comic eine Glühbirne auf. Da ich mich zu ebenjener Zeit in der U-Bahn befand, die ich sonst zu Hause der Meditation widmete, und da ich zudem gerade saß, weshalb konnte ich dann nicht einfach hier meditieren? Die Fahrt dauerte auch ziemlich genauso lange wie meine übliche Meditation. Gut, die Umstände waren ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber was soll’s? Ich war wie elektrisiert, und tatsächlich stellten die nächsten etwa zwanzig Minuten mein Verständnis von Meditation völlig auf den Kopf.

Der ganze Frust war wie weggeblasen. Diese Eingebung, dass ich überall meditieren konnte, wenn ich es ernsthaft darauf anlegte, ist seitdem die Grundlage meines Verständnisses von Achtsamkeit. Wenn ich meine Aufmerksamkeit beim Atem halte, kommt es in erster Linie auf das geistige Vermögen dazu an, nicht auf den Atem. Sobald das klar war, machte ich mir keinen Kopf mehr wegen meiner Ausrichtung auf den Atem, sondern wandte meine Aufmerksamkeit einfach dem zu, was sich jeweils gerade bot. In dem beschriebenen Augenblick in der Londoner Underground richtete ich meine Aufmerksamkeit auf die Empfindungen des Sitzens. Ich spürte das Vibrieren und Rütteln unter mir und entdeckte Empfindungen und Nuancen, die mir noch nie aufgefallen waren. Ich nahm wahr, wie meine Muskulatur auf das Beschleunigen und Abbremsen reagierte. Es ging also jetzt mehr um die Bewusstheit selbst als um den Gegenstand meiner Achtsamkeit, und daraus ergab sich auf ganz organische Weise, dass es Ablenkungen und Störungen … nicht mehr gab!

Jetzt konnte sich meine Aufmerksamkeit frei entfalten, und ich horchte auf alles, was ringsum zu hören war. In dieser entspannten Aufnahmebereitschaft wurden mir die verschiedenen Geräusche einfach nur bewusst, und ich musste nichts mit ihnen tun. Wenn ich die Augen öffnete und die anderen Fahrgäste betrachtete, regte sich sogar ganz leise ein Gefühl von Dankbarkeit. Ich kannte dieses Gefühl, es war wie am Ende einer Gruppenmeditation. Die Zielvorstellungen sehen bei solchen Gruppenretreats anders aus, aber sie hatten offenbar doch eine vorbereitende Rolle gespielt.

Meine Auffassung von Meditation hat sich an diesem Tag grundlegend und dauerhaft gewandelt.

Achtsamkeit und Meditation – was ist das eigentlich?

Hier herrscht bei vielen Menschen einige Verwirrung. Sind Achtsamkeit und Meditation dasselbe? Sind sie verschieden? Oder beides? O je.

Sicher ist, dass die beiden Begriffe in allen möglichen Zusammenhängen, sogar in wissenschaftlichen Forschungsberichten, ohne die nötige Trennschärfe verwendet werden. Als jemand, der mit der Darstellung der Sache befasst ist, fällt mir hier eine gewisse Verantwortung zu. Klären wir die Angelegenheit also ein für alle Mal.

Meditation ist noch relativ einfach zu definieren. Unter Meditation verstehen wir die Anwendung bestimmter Techniken, mit denen wir unsere Aufmerksamkeit so ausrichten können, dass bestimmte positive Fähigkeiten und Qualitäten wie Konzentration, Klarheit und Bejahung ausgebildet werden. Alle möglichen geistigen Qualitäten sind trainierbar, und für eine bestimmte Qualität kann es viele verschiedene Techniken geben. Es gibt die klassische Form des Sitzens mit geschlossenen Augen für eine bestimmte Zeit, aber wir werden in diesem Buch eine andere, nämlich dynamische oder mobile Form in den Mittelpunkt stellen, eine Meditation, die parallel zu den Aktivitäten unseres Alltags verläuft. Meditation ist kurz gesagt ein übergreifender Begriff für eine breite Palette von Techniken aus den verschiedensten Traditionen und für die unterschiedlichsten Zwecke.

Achtsamkeit bedeutet grundsätzlich, dass wir uns dessen bewusst sind, was jeweils gerade in unserer Erfahrung geschieht. Wenn wir all das bewusst wahrnehmen, seien es Körperempfindungen, Gedanken oder Gefühlsregungen, sind wir achtsam. Achtsamkeit ist ein ganz zentraler Bestandteil der Meditation, vor allem der sogenannten Einsichtsmeditation, von der die moderne Achtsamkeitsbewegung deutlich geprägt ist.

 

Dass Achtsamkeit und Meditation nicht so leicht auseinanderzuhalten sind, geht vor allem auf die Zeit zurück, in der »Meditation« zu einem Modewort wurde. Erst seit den sechziger und siebziger Jahren hat Meditation überhaupt einen Stellenwert im öffentlichen Bewusstsein. Die Angehörigen der sogenannten Hippie-Generation entwickelten ein romantisches Faible für die spirituellen Traditionen Asiens und brachten von ihren Morgenlandfahrten all das mit, was sie an exotischem Gedankengut aufgeschnappt hatten. Bis heute leiden sie an Symptomen, die »Hippie-Kater« genannt werden.

Meditation ist ursprünglich eine spirituelle Praxis. Das hat sich jedoch in den letzten vierzig Jahren geändert. Heute wird Meditation, insbesondere Achtsamkeitsmeditation, in allen möglichen Zusammenhängen eingesetzt, von der Arbeitswelt bis zur Psychiatrie. Damit hat sich die Meditation teilweise von ihren spirituellen Wurzeln gelöst, wird aber trotzdem noch weitgehend als zur Eso- oder Alternativszene gehörig betrachtet. Und wie sich dann zeigte, waren Mittel für die medizinische Forschung und Aufträge für entsprechende Trainingsprogramme in Unternehmen leichter zu bekommen, wenn man dem Kind einen anderen Namen gab: Achtsamkeit. Dabei ist es geblieben.

Ich werde die beiden Begriffe in diesem Buch als annähernd gleichbedeutend und damit austauschbar verwenden, wie es heute weitgehend üblich ist. Es gibt etliche verschiedene Definitionen der Achtsamkeit, aber die möchte ich lieber der Fachliteratur überlassen. Wenn wir von Achtsamkeit oder Meditation sprechen, meinen wir letztlich den gezielten und aktiven Einsatz unserer geistigen Vermögen zur Verbesserung unserer geistigen Vermögen. Mehr brauchen wir eigentlich nicht zu wissen.

*

Ich studiere und übe Achtsamkeit jetzt seit gut zwölf Jahren. Neuerdings entwickle ich auch Apps und andere Produkte zu diesem Thema. Mein persönlicher und beruflicher Werdegang macht mir deutlich, dass ein neues Achtsamkeitsspiel mit neuen Regeln in der Luft liegt. Die erste dieser Regeln kennen wir bereits; sie ergab sich aus jener schicksalhaften Pendelfahrt auf der Londoner Northern Line.

Erste Regel: Achtsamkeit soll vor allem mobil sein

Wenn Leute sagen, sie hätten keine Zeit zum Meditieren, liegen sie nicht unbedingt falsch, sie wählen nur einen zu engen Blickwinkel. Hier ist es wichtig, den Unterschied zwischen formeller und informeller Praxis zu kennen.

Nach wie vor denken die meisten an formelle Praxis, wenn sie das Wort »Meditation« hören. Wir setzen uns an einen Platz, wo wir ungestört sein können, schließen die Augen und widmen eine bestimmte Zeit ausschließlich der von uns gewählten Meditationsform. So sieht Meditation in jeder populären Darstellung aus. Jemand sitzt mit verschränkten Beinen da, die Hände ruhen auf den Knien, und oft sind Daumen und Zeigefinger zu einem Ring geschlossen. Hier und da vielleicht ein »Om«, um das Bild abzurunden.

Diese Form der Praxis ist außerordentlich wichtig. Hier vertiefen wir unsere Achtsamkeit, und die vollkommene Stille, die wir hier anstreben, kann zu Einsichten führen, die sich in unserem Leben als wirklich tragfähig erweisen. Aber wir müssen eben Zeit dafür aufbringen, und Zeit, das ist Ihnen sicherlich schon aufgefallen, gehört zu den knappen Ressourcen unserer modernen Welt. Wie stehen die Chancen für ein stilles Meditationsstündchen an einem Wochentag?

Gern wird versucht, aus dieser Zeitnot eine Tugend zu machen, und das kann dann so klingen: »Zwanzig Minuten Meditation, mehr braucht man nicht. Ach was, zehn Minuten genügen auch, wirklich. Und wenn du keine zehn Minuten erübrigen kannst, keine Sorge, hier habe ich ein fünfminütiges Meditations-Powerpack für dich.« Es gibt inzwischen Apps für einminütige und sogar Moment-Meditationen.

Keine Frage, wenn wir es wirklich darauf anlegen, werden wir irgendwie ein wenig Zeit für formelle Meditation finden, es wird nur für die allermeisten immer schwieriger, echte Freiräume zu schaffen, in denen wir von nichts belagert sind. Kurz: Wenn Zeit der entscheidende Faktor wäre, stünden die Aussichten für Achtsamkeitspraxis nicht gut. Und genau hier kann uns die informelle Praxis helfen.

Es gibt glückliche Menschen, die regelmäßig zu acht Stunden Nachtschlaf kommen. Vielleicht bringen wir es dann auch noch auf zehn, zwanzig oder dreißig Minuten formeller Praxis pro Tag. Dann bleiben aber immer noch fast sechzehn Stunden, die in puncto Achtsamkeit ungenutzt bleiben, während wir uns mit der Hoffnung trösten müssen, dass sich das in der formellen Praxis Gewonnene auf den ganzen Tag auswirkt. Genau deshalb ist die informelle Praxis so wichtig. Sie nutzt die Zeit, die wir ohnehin haben; sie verlangt nicht, dass wir ein bestimmtes Zeitkontingent für sie reservieren.

Diese Unterscheidung ist aber nicht ganz unbedenklich. Sie könnte suggerieren, dass die formelle Praxis »eigentlich« wichtiger und wirksamer ist. Das verleitet Menschen dazu, sich hinter dem Zeitproblem zu verschanzen, und außerdem trifft es nicht zu. Beide Praxisformen sind gleich wichtig. Wenn ich zur informellen Praxis rate, dann einfach deshalb, weil uns dafür wesentlich mehr Zeit zur Verfügung steht, nämlich der ganze Tag! Nennen wir es also lieber nicht informelle Meditation, sondern mobile Meditation oder mobile Achtsamkeit. Nennen Sie es ruhig auch Unterwegs-Meditation oder Meditation to go, wenn Sie möchten.

Im Übrigen sind formelle und mobile Praxis seit jeher feste Bestandteile der Achtsamkeitstradition. Es wurde ursprünglich gar nicht zwischen ihnen unterschieden; es ging jederzeit und unter allen äußeren Bedingungen um Qualitäten wie Stetigkeit, Aufgeschlossenheit und Mitgefühl. Erst im Verlauf ihrer Entwicklung haben die verschiedenen meditativen Traditionen der mobilen Praxis einen unterschiedlichen Stellenwert zugeschrieben. Hier und da wurde sie sogar zum Hauptbestandteil der Praxis. Grundsätzlich ist also der Gedanke der Achtsamkeit in Bewegung oder eben der mobilen Achtsamkeit nicht neu und schon gar nicht meine Erfindung. Es scheint aber, dass die Zeit für ihr Comeback gekommen ist.

Der formellen Meditation wird von vielen eine Breiten- und Langzeitwirkung nachgesagt. Der Nutzen dieser Praxis, so heißt es, überträgt sich irgendwie auf unser gesamtes Leben. Das mag so sein, doch da der Rest unseres Lebens so viel mehr Raum und Zeit einnimmt, werden wir in diesem Buch nicht beim traditionellen Vorrang der formellen Meditation stehen bleiben. Es wird vielmehr darum gehen, unsere Achtsamkeitspraxis parallel zu allen sonstigen Verrichtungen des Tages zu üben. Die formelle Praxis wird ihren Platz behalten, aber sie wird künftig eher eine unterstützende und vertiefende Rolle spielen. Zeitmangel wird uns jedenfalls von jetzt an nicht mehr als Ausrede dienen können. Wir müssen nur noch klären, welche Techniken wir anwenden können – und wie sich verhindern lässt, dass wir vergessen, sie anzuwenden. Das sind jedoch lösbare Aufgaben, weniger schwierig, als in unserem ohnehin vollen Tagesplan noch Freiräume zu finden.

Zudem sind Sie mit diesem Wechsel vom Formellen zum Mobilen bereits durch die Veränderungen auf dem Gebiet der Computertechnik vertraut. Wenn Sie nicht mehr ganz blutjung sind, werden Sie sich daran erinnern, dass Sie früher ein bestimmtes Zimmer in Ihrer Wohnung aufsuchen mussten, wenn Sie arbeiten, spielen oder Ihre E-Mails checken wollten. Da stand dann eine umfangreiche beigefarbene oder hellgraue Maschinerie, vor der Sie Platz nahmen. Heute haben wir die gleiche Power und mehr in unseren Smartphones und Tablets, und das überall, wo wir gerade stehen oder gehen. Es gibt immer noch ein paar Dinge, für die ein stationärer Computer praktischer ist, aber die mobilen Geräte nehmen heute schon den ersten Platz ein.

Für Achtsamkeit und Meditation steht das jetzt auch an.

Räucherstäbchen sind entbehrlich

Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich meinen Lebensunterhalt einmal mit der Entwicklung von Dingen verdienen würde, die anderen Menschen einen leichteren Zugang zur Achtsamkeit eröffnen. Die Freude an der Herstellung von Achtsamkeitsutensilien liegt auch darin, dass ich mit Leuten Bekanntschaft schließe, die diese Hilfsmittel als nützlich empfinden und mir ihre Geschichte erzählen. Eine von ihnen ist Jennifer, eine aufstrebende Anwältin mit einem kleinen Sohn, deren Geschichte etwas sehr Typisches hat.

Wie kommen wir zur Meditation? Vor allem durch Krisen oder weil wir neugierig sind. Wenn es bei Ihnen Neugier war wie bei mir, besteht Ihr Hauptanliegen vermutlich darin, dass Sie wissen möchten, wie Ihr Geist funktioniert. Irgendwie ahnen Sie, dass Ihre Gedanken und Gefühle von erheblichem Einfluss auf Sie selbst und Ihre Umgebung sind und es Ihnen vermutlich guttun wird, sich Ihres Innenlebens ein wenig anzunehmen. Achtsamkeit erscheint Ihnen dafür geeignet.

Häufiger sind es jedoch Krisen, die unser Interesse wecken. Wer sich für Achtsamkeit interessiert, hat im Allgemeinen sehr schwierige Dinge erlebt und sucht jetzt etwas, das ihm hilft, damit fertig zu werden. Die Auswirkungen solcher Krisen können ganz unterschiedlich sein: Manche Menschen werden depressiv, andere entwickeln Angststörungen oder chronische Schmerzen. Oftmals liegen gar keine handfesten Diagnosen dieser Art vor, aber die Beeinträchtigung kann dennoch groß sein; denken wir an Arbeitsstress, Schlafstörungen oder den Bruch von Beziehungen. Manchmal ist es auch schlicht das Gefühl, dass alles zu viel ist und wir es einfach nicht mehr schaffen.

Genau dieses Gefühl, es nicht mehr zu schaffen, führte Jennifer zu mir. Sie erzählte mir, sie fühle sich vollkommen erdrückt von allem, was Arbeit, Heim und Familie ihr abverlangten. Wörtlich sagte sie: »Es war wie ein Sturm, in dem ich mich nicht mehr zurechtfand. Es ging einfach nicht mehr. Irgendwas musste sich ändern.«

Sie hatte munkeln gehört, Achtsamkeit sei besonders gut zur Stressbewältigung geeignet, und so buchte sie den erstbesten Kurs, den sie in erreichbarer Nähe fand. Sie bat ihre Mutter, bei der Versorgung ihres Sohnes mitzuhelfen, damit sie nach der Arbeit diesen Kurs besuchen konnte, und sie freute sich sehr auf die erste Stunde. Sie würde etwas lernen, was ihr Rückhalt gab, sie würde sich fit machen, um es mit allen Herausforderungen aufzunehmen.

Was dann tatsächlich geschah, ist wirklich zum Weinen. Jennifer stieß auf das Freidenkerproblem, und das mit erheblicher Wucht. Der Kurs begann mit einer einfachen geführten Meditation, bei der es darum ging, dem Atem aufmerksam zu folgen. Es fiel Jennifer nicht leicht, sich zwischen den vielen Gedanken und Ablenkungen während der kurzen Meditation zurechtzufinden, aber sie bekam doch den Eindruck, dass an der Sache etwas dran war.

Aber das dicke Ende ließ nicht lange auf sich warten. Der Kurs war als nicht religiös gebunden ausgeschrieben, aber die Lehrerin brachte doch Dinge ins Spiel, die einfach religiös geprägt waren – Statuen, Räucherstäbchen, Ritualglocken. Dann wurde auch noch rezitiert. Jennifer ließ das alles irgendwie über sich ergehen, aber in der Teepause verdrückte sie sich. Die Meditation als solche sprach sie durchaus an, aber ihre ganze Biographie und alle ihre Wertvorstellungen hatten in ihr eine regelrechte Aversion gegen alles äußerlich Religiöse hervorgebracht. Es war ihr einfach nicht möglich, sich darüber hinwegzusetzen. »Wenn das Meditation ist, dann ohne mich«, lautete ihre Schlussfolgerung. Danach wandte sie sich von dem Thema Achtsamkeit ab, strich es einfach aus ihrem Bewusstsein und wurstelte irgendwie weiter. Zwei Jahre später bekam sie ihr zweites Kind, und sie liebte ihre Mutterrolle, aber die Anforderungen wurden dadurch natürlich noch einmal höher. Da fiel ihr die Achtsamkeit wieder ein, und obwohl sie keine guten Erinnerungen damit verband, entschloss sie sich zu einem zweiten Anlauf. Diesmal fing sie mit einer App an, die ihr von einer Freundin empfohlen worden war, und so fand sie schließlich den Weg zu mir. Endlich hatte sie etwas, das keine spirituellen Klimmzüge von ihr verlangte, und dieser einfache Zugang erlaubte ihr jetzt, sich ernsthaft auf die Achtsamkeit einzulassen und in den Genuss der positiven Wirkungen zu kommen.

Solche Geschichten kommen leider häufig vor. Man muss schon allen Mut zusammennehmen, um zum ersten Mal zu einem Meditationskurs zu gehen. Uns dämmert, dass wir vielleicht doch noch nicht alles wissen und ein bisschen Unterstützung durch neue Ansätze durchaus vertragen würden. Wir müssen uns also ein bisschen aus dem Fenster hängen, und das verlangt Mut. Das finde ich an Jennifers Geschichte, die sie mit vielen anderen teilt, so besonders bedauerlich. Wer anfangs schlechte Erfahrungen macht, wird oft so sehr davon geprägt, dass er vielleicht jahrelang keine neuen Versuche unternimmt, mag der Wunsch, mit dem eigenen Innenleben ins Reine zu kommen und die eigenen Probleme zu bewältigen, auch noch so groß sein. Und für manche ist es leider so, dass sie durch den ersten Fehlversuch dauerhaft verprellt werden.

Inzwischen gibt es zum Glück viele Zugänge zur Achtsamkeit, die niemanden zwingen, einen spirituellen oder religiösen Standpunkt einzunehmen. Dennoch, das Erbe der Hippiezeit begleitet uns bis heute, weshalb Meditation weiterhin von den meisten als spirituelle Praxis wahrgenommen wird, die man größtenteils auf dem Kissen oder Holzbänkchen absolviert. Tatsächlich ist sie aber viel mehr, und das war schon immer so.

Das bringt uns zur zweiten Regel der mobilen Achtsamkeit.

Zweite Regel: Achtsamkeit muss den Wünschen der Menschen entsprechen, nicht der Tradition

Lange war es in der Geschichte der Achtsamkeit so, dass man nur über Religion und Spiritualität Zugang zu ihr bekam. Das hat sich geändert. Natürlich gibt es Meditation nach wie vor auch als spirituelle Praxis, aber das ist nur ein Ansatz unter anderen. Menschen haben heute andere Gründe, sich mit Achtsamkeit zu befassen – Arbeitsstress zum Beispiel oder Gesundheitsprobleme, Leistungsdruck und der ganz normale alltägliche Wahnsinn.

Das lässt sich nicht alles über einen Kamm scheren, doch leider wird trotzdem immer wieder versucht, den spirituellen oder religiösen Gesichtspunkt obenan zu stellen, anstatt zu fragen, worum es den Leuten eigentlich geht, wenn sie sich für Achtsamkeit interessieren. Und für gewöhnlich läuft es darauf hinaus, dass eine spirituell motivierte Meditationsform auf eine neue und andere Motivation hin umgeschneidert wird. Dummerweise sind die überlieferte Sprache, die Ästhetik, die rituellen Elemente und die Praxisformen so eng mit der traditionellen Darstellung der Meditation verbunden, dass sie einfach nicht zur Disposition stehen, obwohl sie für einen beträchtlichen Anteil der Interessierten unannehmbar sind. Die müssen sich dann auch noch sagen lassen: »So ist das eben mit der Meditation, und wenn es dir nicht passt, dann liegt das nicht an unserer Art der Vermittlung, sondern daran, dass du auf dem Holzweg bist.«

Das ist der Punkt, an dem gutes Design ins Spiel kommt. Wenn die Leute die Verpackung nicht mögen, wohl aber am Geschenk selbst – der Achtsamkeit – interessiert sind, was liegt dann näher, als hier etwas zu ändern? Verpacken wir das Geschenk doch so, dass der Empfänger Lust hat, es zu öffnen!

Darum geht es in der zweiten Regel der mobilen Achtsamkeit: Wir setzen da an, wo Sie gerade sind, und da soll die Meditation Sie abholen – nicht andersherum. Wenn Sie erst einmal umdenken müssen, um überhaupt Einlass zu bekommen, wird sehr wahrscheinlich nichts daraus. Sollte es für Sie beispielsweise vordringlich sein, Ruhe in eine stressige Situation zu bringen, dann muss Ihnen die Achtsamkeit für diesen Zweck sofort zur Verfügung stehen. Wenn Sie mit Angst und anderen seelischen Problemen zu kämpfen haben, sollten Sie auf spezifisch dafür geeignete Unterstützung zurückgreifen können. Und alles muss so dargestellt werden, dass es sich ganz natürlich in unsere Lebensrealität einfügt. Eigentlich liegt das auf der Hand, aber es scheint eben doch noch nicht selbstverständlich zu sein. Deshalb gibt es dieses Buch.

Von der Überwachung zur Achtsamkeit

Sollten Sie je Ihr Smartphone oder sonstige Gerätschaften zum sogenannten Self-Tracking verwendet haben, um Ihren Schlaf, die Kalorienaufnahme, Ihre Schritte oder Ihren Puls zu überwachen beziehungsweise zu zählen, also zu »tracken«, dann gehören Sie, ob es Ihnen bewusst ist oder nicht, zu einer weltumspannenden Bewegung, die sich »Quantified Self« (QS) nennt. Hier sind Leute gemeint, die mit irgendwelchen technischen Mitteln ihr Leben vermessen und die so gewonnenen Informationen dann verarbeiten. Man geht davon aus, dass diese Informationen insofern sinnvoll sind, als sie uns zu besseren Entscheidungen über unser Leben führen können.

Chris Dancy aus Tennessee ist eine der Galionsfiguren der Quantified-Self-Bewegung. Chris ist Extremtracker, die Presse hat ihn schon mal als den angeklemmtesten Bewohner dieser Erde bezeichnet. Er hat Systeme ersonnen, die Zehntausende verschiedene Parameter aus allen Bereichen seines Lebens abgreifen und tracken können, und man darf davon ausgehen, dass er jederzeit mindestens fünfzehnhundert dieser Parameter messen und analysieren lässt. Und Sie klagen über Informationsflut?

Schon bald nach der Aufnahme seines Voll-Trackings verzeichnete Chris die ersten Nutzeffekte seiner umfassenden Selbstüberwachung. Er sah die Verbindungen zwischen seinem Verhalten und dem Grad seines Wohlbefindens und konnte auf diesem Wege nicht nur abnehmen, sondern auch seine Stimmungslage besser steuern. Nach drei Jahren beschlich ihn jedoch das Gefühl, dass das alles ein bisschen zu weit ging: »Deinen Namen zu googeln mag noch irgendwie hingehen. Aber wenn du dein ganzes Leben googeln kannst, hältst du irgendwann nicht mehr mit. Es kann nicht sinnvoll sein, dass man sein eigenes Leben ständig durchblättert und jede Gefühlsregung fixiert und markiert.« Es kam so weit, dass er an seinen Daten schon ablesen konnte, wann die nächste Depression anstand. Nein, so ging es nicht mehr. Er hörte aber nicht auf zu tracken. Er nahm die Achtsamkeit hinzu.

»Diese Stille. Im digitalen Bereich bedeutet Stille meist, dass etwas kaputt ist. Aber wir brauchen Stille, um überhaupt Menschen zu sein. Wir brauchen die Unterbrechungen, die Lücken. Wir haben diese Technologie erschaffen, aber sie fördert uns nicht in unserem Menschsein, sondern birgt die Gefahr, dass wir nur noch ihr dienen.«

Achtsamkeit, mit einiger Stetigkeit geübt, gibt uns die Klarheit, mit der wir Verbindungen erkennen können. Was Chris an Technik einsetzt, versorgt ihn mit Informationen, die er laufend analysieren kann, um daraus langfristig sinnvolle Veränderungen in seinem Leben abzuleiten. Er braucht aber, wie er selbst sagt, die durch seine Meditation aufgebaute Stabilität, um wirklich etwas mit dieser Informationsflut anfangen zu können. Inzwischen ist die Integration der Technik in sein Leben etwas so Natürliches für ihn geworden, dass er sich als »achtsamen Cyborg« bezeichnet.

Das mag alles ein bisschen weitab von der Norm liegen, aber Chris hält für uns alle, die wir ein ausgewogenes digitales Leben anstreben, einen Rat bereit: Meide den digitalen Dualismus. Mit dem von Nathan Jurgenson geprägten Begriff des digitalen Dualismus umschreiben wird das, was wir als den Unterschied oder Gegensatz zwischen online und offline sehen, zwischen der sogenannten virtuellen und der sogenannten realen Welt. Tatsächlich, so Chris Dancy, ist das alles »einfach Leben. Mit dieser dualistischen Betrachtungsweise lassen wir eine Kluft zwischen Mensch und Maschine entstehen, wo es doch eigentlich um immer mehr Ganzheit gehen sollte.«

Das sehe ich auch so. Strenge Grenzziehungen zwischen online und offline oder digital und real sind höchst problematisch. Zunächst einmal ist unser Leben einfach nicht so: Sobald wir unser Smartphone in die Tasche stecken, verschwindet der Unterschied zwischen online und offline. Überhaupt wird die Unterscheidung zunehmend bedeutungslos, da immer mehr alltägliche Gebrauchsgegenstände, vom Auto bis zum Kühlschrank, ans Internet angeschlossen sind.

Ein Beharren auf dem digitalen Dualismus hat aber noch eine andere und gefährlichere Konsequenz: Es schürt Konflikte. Ich habe aus meiner jahrelangen Erfahrung mit Meditation gelernt, dass jede Trennungslinie Konflikte nach sich zieht. Schon wenn wir »virtuell« und »real« gegeneinanderhalten, stellt das ein gewaltiges Werturteil dar. Millionen Menschen überall auf der Welt empfinden den Austausch über digitale Kanäle als sehr sinnvoll. Soll man ihnen sagen, das sei nicht real, nicht echt? Nein, das glaube ich nicht. Aber dieses Problem wird sich zum Glück mit der Zeit von selbst lösen. Vielen ist die digitale Welt heute noch fremd und unheimlich, doch das wird sich ändern.

Die Gefahren des digitalen Dualismus waren mir beim Schreiben dieses Buchs deutlich bewusst. Deshalb stelle ich die digitale Technik nicht als Sonderthema dar (auch wenn sie dem Charakter des Buchs entsprechend breiten Raum einnimmt), sondern als Bestandteil des modernen Lebens. Der Umgang mit den verschiedenen Aspekten unseres vernetzten Lebens zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. In einem Buch über mobile Achtsamkeit wäre es ein Fehler, unser digitales Leben als Sonderthema abzuhandeln. Dadurch würden wir nur weitere Grenzen ziehen, und die haben wir wahrlich schon genug.

Im Gespräch mit Chris Dancy fand ich es besonders spannend, einmal der Frage nachzugehen, wie wir aus unserem täglichen Umgang mit der Technik verlässlichen Nutzen ziehen können. Für ihn ist klar, dass sich uns jetzt die Chance bietet, Information und Technik so in den Dienst unseres Wohlergehens zu stellen, dass sie uns als Menschen weiterbringen. In seinen Augen ist die Verwandlung der Technik von etwas Fremdem in etwas Förderndes so etwas wie die Ablösung von Big Brother durch Big Mother, und das führt uns zu dritten Regel der mobilen Achtsamkeit.

Dritte Regel: Technik soll zur Lösung beitragen, nicht das Problem verschärfen

Meditationslehrer lehren das, was sie wissen. Wenn Achtsamkeit und Technik vielfach noch als Gegensatz gesehen werden, liegt das auch daran, dass die Generation von Lehrern, der wir die Einführung der Achtsamkeitspraxis im Westen und auch ihre rasante Entwicklung verdanken, nicht digital aufgewachsen ist. Viele der einflussreichen Lehrer dieser Generation sind heute fünfzig, sechzig und älter und haben sich erst spät, falls überhaupt, mit der digitalen Kultur vertraut gemacht, die für die jetzige Jugend selbstverständlicher Mainstream ist. Zudem kommen viele von ihnen aus der Hippie-Bewegung, die zwar nicht direkt technikfeindlich war, aber deutliche Vorbehalte hatte.