Butter bei die Fische! - Ralf Niemzig - E-Book

Butter bei die Fische! E-Book

Ralf Niemzig

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Beschreibung

Die traditionelle norddeutsche Küche ist natürlich eine Fischküche. Und sie ist bodenständig und einfach im besten Sinn: Krabben, Matjes, Hering, Räucherfisch spielen die Hauptrollen, begleitet von Kartoffelsalat, Grünkohl oder Steckrüben. In diesem Buch entdecken wir die Fischküche in Deutschlands Norden. Dazu verraten uns junge Köche und Köchinnen ihre liebsten Rezepte – von Pannfisch über Labskaus und Krabbensuppe bis Kabeljau auf Gurkensalat.

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Ralf Niemzig

Norddeutsche Heimatkücherund um Pannfisch, Labskaus und Krabbenbrötchen

Rezepte Porträts Geschichten

INHALT

Vorwort

Am Anfang war das Salzen

Wildfang und Aquakulturen

Hering satt in Wismar

Die Alte Heringsstraße

Der Reichskanzler und ein marinierter Hering

Schollenbraten im Watt

Das Kochstudio im Fischereihafen Bremerhaven

Das längste Matjesbrötchen

Krabbenfischer ohne Netz und Boot

Der »Kleine Heinrich« auf großer Fahrt

Die Jagd nach dem roten Gold der Nordsee

Sylter Royal

Ein Saal mit hunderttausend Muscheln

Kieler Sprotten aus Eckernförde

Wie aus dem Pannkokenkrog Fischers Fritz wurde

Ein Emigrant aus der Sargassosee

Das Fischeramtsfest der ältesten Fischerinnung Deutschlands in Neustadt

Anitas Kaffeeklappe im Oberhafen

Tafeln nach hanseatischer Tradition

Wenn der Gurkenfisch kommt

Fisch-Sushi im ausgebackenen Weizenteig

Marktschreier auf dem Fischmarkt

Abfischen bei Fischer Frischke

Die Kartoffel und der Alte Fritz

Register

Kulinarischer Veranstaltungskalender

Über den Autor / Dank

Impressum

WAT OP’N DISCH KUMMT,DAT WORD ETEN,

UN

BETER ’N LÜTTEN FISCH,AS GOR KEEN OP’N DISCH.

— PLATTDEUTSCHE REDENSART

VORWORT

Der obligatorische Familienurlaub meiner Kindheit ging zur Kieler Woche an die norddeutsche Küste. Eine Reise zum Geburtsort meines Vaters und zu den Gräbern der Familie. Wenn wieder einmal die Schiffsparade, typisch norddeutsch, wegen Schietwetter ausfiel und die Strandtage auf das Wellenbad verlegt wurden, beneidete ich braun gebrannte Freunde, die von fernen Ländern, Sonne und exotischen Gerichten wie Souvlaki, Lasagne oder Paella berichteten. Dem heimischen salzigen Fisch im Brötchen konnte ich nicht viel abgewinnen. Der geräucherte Aal war für mich ein Vorwand Erwachsener, dem dazu gereichten Schnaps zu frönen, und der Strandkorb ein Übel, um den ungemütlichen Winden zu trotzen. Frustriert in diesem rauen Klima lauschte ich ungläubig den Jugenderinnerungen meines Vaters, der an der Kieler Förde stehend den ein- und auslaufenden Schiffen sehnsüchtig zuwinkte. Es war sein Tor zur großen weiten Welt. Seine Leidenschaft wurde das Sammeln von Schiffspost aus aller Welt.

Nachdem die Pflicht zum Familienurlaub auslief, begann ich selbst den Horizont zu erkunden. Als Jugendlicher trampte ich durch Europa, genoss die Sonne und die kulinarischen Köstlichkeiten Südeuropas. Wie einst die Auswanderer reiste ich per Schiff von Southampton nach New York in die Neue Welt. Als Student lebte ich fern der Heimat in der Karibik, genoss die kreolische Küche und umrundete als Reportage-Fotograf den Globus. Stets umtriebig, wechselte ich die Reiseziele und Speisekarten. Unweit der Wüste Gobi probierte ich die vergorene Stutenmilch der Mongolen, von Trappern in Alaska das gedörrte Elchfleisch und in der Karibik den Guarapo, den frisch gepressten Saft der Zuckerrohrpflanze. Nirgends verwurzelt und ohne Heimweh war ich permanent neugierig auf fremde Gerüche und exotische Geschmackserlebisse. Vom Postamt einer Forschungsstation in der Antarktis schickte ich meinem Vater eine Schiffspost mit der längsten Reise.

Inzwischen angekommen, habe ich festgemacht wie ein Seemann, der keine große Fahrt mehr plant. Reich an Erlebnissen bin ich heute mit meiner kubanischen Frau als »Quiddje« unter Fischköppen in Hamburg sesshaft geworden und habe meinen Heimathafen unweit der Küste meiner Vorfahren gefunden. Heute genieße ich den heimatlichen Blick ins weite Land und auf das Meer.

Die Länder hinterm Horizont locken nicht mehr so wie früher. Ich liebe nun die raue Brise in der Nase, den Choral der Möwen in den Dünen und ein kräftiges Moin, ohne weiter viel sagen zu müssen. Es ist die Gelassenheit und Gewissheit in die Gezeiten des Meeres und nicht mehr der sehnsüchtige Blick auf das Wohin, sondern die Neugier auf das Woher. Die Küste und das norddeutsche Fisch-Sushi, gesalzen oder mariniert, ummantelt mit aufgebackenem Weizenteig, der Argwohn meiner Jugend, sind heute mein alltäglicher Genuss des Nordens. Mit Leidenschaft und Liebe bereite ich traditionelle Fischgerichte selbst zu. Lecker, einfach und schnell schließen sich dabei nicht aus. Was zählt, ist der Duft und der Geschmack Norddeutschlands.

Dieses Buch ist mein kulinarischer Landgang und zeigt die Facetten und Traditionen norddeutscher Fischgerichte. Zumeist bodenständig und deftig, sind sie einfach nachzukochen. Von vor Ort zeige ich dabei auch interessante Neukreationen sowie die Menschen dahinter. Nicht zuletzt sind es die Geschichten und Begegnungen, die den Fischgenuss abrunden. Guten Appetit!

VOM HERING

Der Hering ist ein salzig Tier,er kommt an vielen Orten für.Wer Kopf und Schwanz kriegt, hat kein Glück.Am besten ist das Mittelstück.Es gibt auch eine saure Art,in Essig wird sie aufbewahrt.Geräuchert ist er alle Zeitein Tier von großer Höflichkeit.

Wer niemals einen Hering aß,wer nie durch ihn von Qual genas,wenn er mit Höllenpein erwacht,der kennt nicht seine Zaubermacht!

Drum preiset ihn zu jeder Zeit,der sich der Menschheit Wohl geweiht,der heilet, was uns elend macht,dem Hering sei ein Hoch gebracht!

Heinrich Seidel (1842–1906)

AM ANFANG WAR DAS SALZEN

AM ANFANG WAR DAS SALZEN

Fisch gehört in den Küstenregionen von Nord- und Ostsee seit dem Mittelalter auf den Speisezettel der Bevölkerung. Am Anfang standen die bis zu 150 Fastentage pro Jahr, an denen Fisch das verbotene Fleisch ersetzte. Grundlage war die Haltbarmachung der leicht verderblichen Ware Fisch durch Salzen oder Trocknen. Salzhering wurde an der norddeutschen Küste selbst konserviert, während Stockfisch zumeist aus Skandinavien importiert wurde. Die klimatischen Bedingungen Norddeutschlands erlaubten keine Konservierung über natürliche Trocknung. Mit der Zeit entwickelten sich die Konservierungsmöglichkeiten weiter. Es kamen das Marinieren und das Räuchern hinzu. Andere heimische Fischarten wie Scholle, Dorsch, Aal und Lachs ergänzten und bereicherten die Speisekarte. Den geräucherten oder gesalzenen Fisch aß man stets als Beilage. Er ist bis heute Basis vieler Fischrezepte.

Bis ins 19. Jahrhundert waren Brei und Grütze (zerkleinerte Getreidekörner mit Wasser aufgekocht) Alltagskost in Norddeutschland. Vor allem im ländlichen Raum bot Fisch eine erschwingliche Abwechslung und Bereicherung der kärglichen Nahrung. Getrocknete Hülsenfrüchte wie Bohnen und Erbsen wurden lange gegart, mit Speck verfeinert und als Brei zubereitet. Die Kartoffeln kamen, im Vergleich zu anderen Regionen, spät in den Norden. Sie setzten sich erst im 19. Jahrhundert in den Küstenregionen durch und verdrängten den Getreidebrei.

Noch heute werden zum Fisch, nun eine Hauptspeise, verschiedenste Kartoffelbeilagen gereicht.

Salz, das weiße Gold, wurde damals nicht für seinen Geschmack geschätzt, sondern als Konservierungsmittel. Lüneburg mit seinen reichen Salzvorkommen kam eine zentrale Bedeutung zu. Die dortige Salzproduktion hat eine fast 1000-jährige Geschichte. Das in Lüneburg produzierte Steinsalz war reiner als das nordfriesische Salz, welches man dort durch das Verbrennen von in Meerwasser getränktem Torf gewann. Das sagenumwobene Rungholt an der Nordseeküste produzierte ebenfalls nordfriesisches Salz. Man geht davon aus, dass der gigantische Torfabbau die verheerenden Auswirkungen der Grote Mandränke, die Sturmfluten von 1362 und 1634, noch begünstigte. Beide Sturmfluten formten das Festland zu den heutigen Nordfriesischen Inseln.

Für das Konservieren von fünf Fässern Hering benötigte man ein Fass Salz. Das besonders reine Salz aus Lüneburg fand über den dafür extra angelegten Stecknitzkanal, den ältesten künstlich angelegten Wasserweg Nordeuropas, seinen Weg nach Lübeck und von dort in den ganzen Nord- und Ostseeraum. Der Fischreichtum jener Zeit schuf eine immense Salznachfrage und machte Lüneburg sehr reich. Mehr als 25.000 Tonnen Salz wurden jährlich im Mittelalter exportiert. Ein Erbe, an dem die Stadt bis heute schwer trägt. Der über Jahrhunderte direkt unter der Stadt abgebaute Salzstock führt immer wieder zu Verwerfungen an der Erdoberfläche, sodass Häuser absinken, einstürzen und teilweise sogar abgerissen werden müssen. Die industrielle Salzproduktion wurde gegenüber Mitbewerbern unrentabel und 1980 eingestellt. Im Deutschen Salzmuseum Lüneburg kann man die faszinierende Geschichte der Stadt und ihre Bedeutung für die Hanse nacherleben. In Erinnerung an die Geschichte des Salzes finden jedes Jahr im Herbst in Lüneburg die Sülfmeistertage statt.

Weiter östlich in Mecklenburg-Vorpommern waren seit dem 13. Jahrhundert die Salinen von Bad Sülze von gleicher Bedeutung. Die aus einem Brunnen geförderte Sole wurde hier stundenlang in Pfannen gesiedet, bis Salzkristalle entstanden. Über die Recknitz und den Saaler Bodden gelangte das Salz in den Ostseehandel. Noch heute wird jährlich der historischen Salzstraße mit Festen gedacht.

Der Fisch, vor allem der häufig vorkommende Hering, entwickelte sich in seinen verschiedenen Formen der Konservierung zur wichtigen Handelsware und beflügelte den Aufstieg der Hanse. Gedörrt oder eingelegt in Salz oder Salzlake, ließ er sich einfach lagern und transportieren. Das Handelsnetz der Hanse reichte von Flandern bis nach Russland und von Island bis nach Venedig. Der lose Verbund, ursprünglich ein Zusammenschluss von norddeutschen Kaufleuten, entwickelte sich im 14. Jahrhundert als Städtebund zu einer Wirtschaftsmacht in Nordeuropa, welche politische und gesellschaftliche Entwicklungen länderübergreifend prägte und bestimmte. Städtegründungen an der Küste erfolgten zumeist in der Nähe von Laichplätzen und Durchzugsgebieten des Atlantischen Herings. Zahlreiche »Heringsdörfer« an der Küste tragen den Hering im Namen. Große Vorkommen gab es vor der Küste des dänischen Schonen, der heutigen Südspitze Schwedens. Die Kaufleute, die sich auf den Heringshandel spezialisierten, bezeichnete man deshalb als Schonenfahrer. Hoch angesehen in der damaligen Gesellschaft, hatten sie ihr eigenes Wappen mit drei Heringen. Die Kooperation der Lübecker Schonenfahrer bestand vom 12. Jahrhundert bis ca. 1850. Der Matjesorden in Bremerhaven trägt noch heute dieses Wappen.

WILDFANG UND AQUAKULTUREN

WILDFANG UND AQUAKULTUREN

Bei der Auswahl unserer Speisefische lohnt sich immer auch ein Blick auf die aktuelle Situation und die Herkunft. Unsere Meere sind zunehmend leer gefischt und die Bestände mancher Arten stark gefährdet. Während Fischpopulationen in einem Fanggebiet stark überfischt sein können, sind sie anderswo noch gesund. Aktuelle Informationen, welche Fischarten man guten Gewissens kaufen kann, erhält man z. B. unter www.fischbestaende-online.de.

Mit dem steigenden Fischbedarf wird das nachhaltige Wirtschaften in der Fischerei immer wichtiger. Der Helgoländer Hummer etwa ist sicherlich eine besondere norddeutsche Delikatesse und sein Fang eine alte Tradition, aber sein Bestand ist seit Längerem stark gefährdet. Zwischen den Weltkriegen gab es noch zahlreiche Hummerfischer auf Helgoland. Sie fingen bis zu 80.000 Tiere jährlich. Die Hummerbuden am Hafen auf Helgoland sind noch immer Zeugen dieser Vergangenheit. Heute dienen sie als Cafés, Bistros und Souvenirläden. Seit einigen Jahren versucht man die geringe Population zu stabilisieren. Das Alfred Wegener Institut auf Helgoland züchtet Hummer nach und wildert sie im Alter von einem Jahr auf dem Helgoländer Felssockel aus. Auch wenn die Arbeit erste Erfolge zeigt, wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis man wieder von einer ungefährdeten Population ausgehen kann. Dass Stör und Lachs ebenfalls einmal zahlreich die deutsche Küste besiedelten, kann man sich kaum noch vorstellen. Auch für sie gibt es Wiederansiedlungsprogramme.

Aquakulturen kommt daher eine immer größere Bedeutung zu. Sie sind eine wichtige Alternative zum Wildfang, denn Beifang wird vermieden. Ihr Vorteil ist eine vergleichbare, manchmal sogar bessere Qualität als beim Wildfisch, aber nur dann, wenn in der Aufzucht auch gewissenhaft und verantwortungsvoll gearbeitet wird. Wichtige Kriterien für gute Aquakulturen sind die Anzahl der gehaltenen Fische pro Kubikmeter Wasser, die Gewährleistung einer konstant guten Wasserqualität, das Fischfutter und der Umfang und Einsatz von Medikamenten. Die Standards, was vernünftig ist, variieren leider sehr stark. Eine gute Orientierungshilfe für nachhaltige Wildfangprodukte bietet die Zertifizierung des MSC-Siegels www.msc.org. Bei Aquakulturen sollte man auf das ASC-Siegel https://de.asc-aqua.org achten.

Worauf sollte man sonst beim Kauf von Fisch achten? Neutral sollte ein frischer Fisch riechen, seine Kiemen rot leuchten. Er sollte klare und hervorstechende Augen haben. Die Fischhaut muss bei leichtem Druck nachgeben und in ihre ursprüngliche Form zurückkehren. An der Küste lohnt sich immer ein Blick auf die Seite www.fischvomkutter.de. Fischer informieren hier über ihren frischen Fang und Direktverkauf.

Mit unserer Kaufentscheidung bestimmen wir mit, wie, wo und welcher Speisefisch gefangen bzw. gehalten wird. Fischverzehr wird zukünftig noch mehr als bisher etwas Besonderes sein, denn Fisch kann und darf nicht überall und jederzeit zur Verfügung stehen. Dessen sollten wir uns stets bewusst sein und das wertschätzen und erhalten, was wir noch haben.

HERING SATT IN WISMAR

HERING SATT IN WISMAR

Im Alten Hafen von Wismar beginnen Anfang März die jährlichen Heringstage. Nach alter Tradition bringen der Hanseatische Köcheclub Wismarbucht und der Bürgermeister den fangfrischen Hering auf alten Holzkarren vom Hafen zum Markt. Die ausgenommenen Silberlinge werden dort in Weizenmehl paniert und in Rapsöl zu goldbraunen Bratheringen zubereitet.

Der Hering hatte für die Stadt Wismar stets eine große wirtschaftliche Bedeutung und ermöglichte im Mittelalter den Aufstieg zur bedeutenden Hansestadt. Bratheringe frisch gebraten oder eingelegt in einem Essig-Gewürz-Sud sind hier eine regionale Spezialität.

DIE ALTE HERINGSSTRASSE

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