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Kurt Tucholsky - das ist nicht nur einer, das sind mehrere: ein bissiger und polarisierender Satiriker, die Personifikation der Melancholie, die sich durch seine Dichtung zieht, lebensnaher Menschenbeobachter, liebevoller Spötter, nachdenklicher Philosoph. In sich vereint Tucholsky vieles, das einem erst bewusst wird, wenn man in die Welt seiner Dichtung eintritt, wenn man das "tiefste Lebensgefühl" erforscht, das seine Lyrik ausmacht und dessen Wirklichkeit man zu hinterfragen beginnt: C'est la vie? Ssälawih?
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Seitenzahl: 211
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KURT TUCHOLSKY
wurde am 9. Januar 1890 in Berlin als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren, studierte in Berlin und Genf Jura und promovierte 1915 in Jena. Seit 1913 war er Mitarbeiter der »Schaubühne« und späteren »Weltbühne«, nach Siegfried Jacobsohns Tod zeitweilig auch ihr Herausgeber. 1930 verlegte er seinen Wohnsitz nach Schweden. Am 10. Mai 1933 verbrannten die Nationalsozialisten seine Bücher und bürgerten ihn am 22. August aus – gemeinsam mit 32 weiteren Personen, darunter u. a. Lion Feuchtwanger und Heinrich Mann. Aus Verzweiflung über den Sieg des Nationalsozialismus nahm er sich am 21. Dezember 1935 in Hindas, Schweden das Leben.
Kurt Tucholsky besaß das Talent, die Welt nicht nur mit einem Paar Augen zu betrachten: Von allen Seiten, Ebenen und Blickwinkeln beobachtete er das Geschehen als schmunzelnder Beobachter, feixender Provokateur, mahnender Weiser und hin und wieder ein Stück seiner Seele Preisgebender. Der Facettenreichtum seines dadurch entwickelten Talents intensiviert sich in seiner Lyrik, die mal politisch, mal philosophisch, mal spöttisch, mal liebend, dann wieder verabscheuend die Auswüchse des Lebens kommentiert.
Dieser Band versammelt Tucholskys schönste Gedichte in chronologischer Anordnung.
Seine Bücher wurden von den Nationalsozialisten verbrannt, er selbst begeht aus Verzweiflung über den Nationalsozialismus Selbstmord – Kurt Tucholskys Leben endet tragisch. Der Welt hinterließ er ein wertvolles Werk, das es gerade vor dem Hintergrund seiner Vita zu würdigen gilt. Dieser Band kommt dem nach, indem er die schönsten, bissigsten, nachdenklichsten, rührendsten, weisesten Gedichte des talentierten Lyrikers versammelt. Tucholskys Poesie lädt dazu ein, andere Blicke als sonst auf das Leben, auf Werte und Normen zu werfen, dabei zu philosophieren, zu verspotten, zu schmunzeln und zu schlucken, wenn einem das Lachen immer wieder im Halse stecken bleibt.
Kurt Tucholsky
C’est la vie –! Ssälawih –!
Kurt Tucholsky
C’est la vie –!
Ssälawih –!
Gedichte
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Alle Rechte vorbehalten
© by marixverlag in der Verlagshaus Römerweg GmbH, Wiesbaden 2014
Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2014
Covergestaltung: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH
Hamburg Berlin
Bildnachweis: © fotolia
eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-8438-0467-7
www.verlagshaus-roemerweg.de/Marix/
»Erst habe ich gemerkt, wie es ist.
Und dann habe ich verstanden, warum es so ist.
Und dann habe ich begriffen, warum es nicht anders sein kann.
Und doch möchte ich, daß es anders wird.«
Kurt Tucholsky
EIN SÜNDHAFT BLAUER TAG!1913
Kritik
Auftakt
Parkett
Schöner Herbst
Schall und Rauch
MAL GEHTS UNS GUT1914–1918
Vorfrühling
Bund der Landwirte
Kleines Gespräch mit unerwartetem Ausgang
Wetterhäuschen
Der Kriegslieferant
Auf Urlaub
Auf die Weltbühne
Wünsche
An Peter Panter
Professoren
Der alte Fontane
Kolonne
Die arme Frau
Namensänderung
UND PLÖTZLICH WURDE DIE ZEIT WIEDER KLEIN1919
Das Lied vom Kompromiß
Eisner
Der zwanzigjährigen ›Fackel‹
Osterspaziergang
Das Königswort
Sehnsucht nach der Sehnsucht
Preußische Presse
Die Schule
Nach fünf Jahren
An ihren Papa
Klagelied eines Einsamen
Versunkenes Träumen
Kino-Atelier
Mit einem japanischen Gott
An unsre Kleine
Erweckung
Silvester
Lebensmittel! Lebensmittel!
BERAUSCHT – ACH, DASS ICH STETS SO BLIEBE!1920
Absage
Wider die Liebe
Rechts und links
Dantons Tod
Die Dame mit ’n Avec
Namensänderung
An den deutschen Mond
Preissturz?
Abschied von der Junggesellenzeit
Zum nächsten Putsch!
Mikrokosmos
Sommerlied
Heimg’funden
Löwenliebe
Steuerabzug
Nichts anzuziehen –!
IN DEN BERLINER STRASSEN1921–1922
An ihr
Abschiedsgesang
Führerhunde
Berliner Sonntag
Vorn an der Rampe
An die Berlinerin
Schaufenstermoral
Auf ein Frollein
Merkt ihr nischt –?
Händler und Helden
Couplet für die Bier-Abteilung
EINMAL WAREN WIR BEIDE GLEICH1923–1924
An einen Bonzen
Deutsches Lied
Figurinen
Nur die Ruhe
Zu tun! Zu tun!
Place des Vosges
Gebet für die Gefangenen
DÉJÀ VU –?1925
Ruhe und Ordnung
Gefühle
Pariser Vorort
Prolet vor Gericht
Besetzt! Bitte, später rufen –!
Farbenklavier
Frauen von Freunden
Deutsche Pleite
Die fünf Sinne
SAG AN, MEIN HERZ, SAG AN1926
Angestellte
Das alte Vertiko
Was brauchen wir –?
Nächtliche Unterhaltung
Flaggenlied
Bei näherer Bekanntschaft
An meinen Sohn
Feldfrüchte
Wenn jener wiederkäme
Angst des Kapitalisten vor der Einigkeit der Arbeiter
Wo bleiben deine Steuern –?
Altes Volkslied
Der schlimmste Feind
HABEN. SEIN. UND GELTEN.1927
Geschworene
Einigkeit und Recht und Freiheit
Finish
Subkutan
Pfeifen anrauchen
Heimgefunden
Der Pfau
Der Rhein und Deutschlands Stämme
Das Ideal
Saxo-Borussen
Bei uns in Europa
Lied der Kupplerin
Flaggenfriede
All People on Board!
Alfred Kerr
Illustrierte Welt
EINMAL HIN UND EINMAL HER1928
Horoskop 1928
Die Leibesfrucht
Nebenan
Ehekrach
Für Maxim Gorki
Deine Welt
Meine Flieger – deine Flieger
Sonntagsmorgen, im Bett
Konjugation in deutscher Sprache
Aus der Ferne
Olympiade
Gesang der englischen Chorknaben
Wenn die Igel in der Abendstunde
Träumerei auf einem Havelsee
Sie schläft
Berliner Herbst
Glück im Unglück
Liebespaar am Fenster
Das Sozialistengesetz 1878
Don’t Gish Me –!
Das Lächeln der Mona Lisa
Beschluß und Erinnerung
Oller Mann
C’EST LA VIE –! SSÄLAWIH –!1929
Lied fürs Grammophon
Chanson für eine Frankfurterin
Was ist im Innern einer Zwiebel –?
Media in Vita
Die Kinderstube
Guter Neurath ist teuer
Der Meineid
Junge Autoren
Lehrgedicht
Mutterns Hände
Einkehr
In aller Eile
Diskretion
Berolina … Claire Waldoff
Heinrich Zille
Ja, Bauer, das …!
Holder Friede
Das Gesetz
Unerledigte Konten
Die Tagung
Hej –!
Der verrutschte Hut
Deutsche Richter von 1940
Aussperrung
Das Parlament
Lied der Steinklopfer
Bürgerliche Wohltätigkeit
Ideal und Wirklichkeit
DER SÜSSE KITSCH MIT ZUCKER-EI1930
Aus!
Kirche und Wolkenkratzer
Theorie der Leidenschaft Berlin N 54
Frage
Die freie Wirtschaft
Augen in der Großstadt
Danach
Deutschland erwache!
Zwei alte Leute am 1. Mai
Das dritte Reich
Nur
Kleines Operettenlied
Fahrgäste
Die Mäuler auf!
S. J
Abendlied
Wahre Liebe
Marschlied nach den Wahlen
Die Redensart
Aussage eines Nationalsozialisten vor Gericht
Der Neurotiker
Der andre Mann
Wo ist der Schnee
Aufgewachsen bei
Malwine
Stationen
Karrieren
Diese Häuser
Zuckerbrot und Peitsche
Ballade
Oh Frau!
Dein Lebensgefühl
TROTZ KOPPWEH, ÄRJA, NOT UN SCHMERZ …1931
Die Frau spricht
Eine Frage
Gestoßener Seufzer
Rußland
Schepplin
Parteimarsch der Parteilosen
Das Persönliche
An das Publikum
Der Mitesser
Goethe-Jahr 1932
An das Baby
Sie, zu ihm
Media in Vita
NA, NU WISSEN SE – NU IST ZU ENDE1932
Das Lied von der Gleichgültigkeit
Europa
Recht muß Recht bleiben –!
Singt eener uffn Hof
Altes Lied 1794
Da oben spielen sie ein schweres Drama
mit Weltanschauung, Kampf von Herz und Pflicht:
Susannen attackiert ein ganz infama
Patron und läßt sie nicht.
Ich sitze im Parkett und zücke den Faber
und schreibe auf, ob alles richtig sei;
Exposition, geschürzter Knoten – aber
ich denk mir nichts dabei.
Mein Herz weilt fromm bei jenem lieben Kinde,
das lächelnd eine Kindermagd agiert:
ich streichle ihr im Geiste sehr gelinde,
was sie so lieblich ziert.
Nun sieh mal einer diese süßen Pfoten,
dies Seidenhaar mit einem Häubchen drauf –
es gibt da sicher manch geschürzten Knoten:
ich löst ihn gerne auf.
Wer sagte da, daß ich nicht sachlich bliebe?
(Nu sieh mal einer dieses schlanke Bein!)
Begeisterung, Freude am Beruf und ›Liebe‹ –:
So soll es sein!
Thalia stürzt sich in die Winterrobe
und macht sich bis zum Rückenwirbel bloß …
Ab wirft sie ihren Schmoddergown – ick jloobe,
jetzt geht es los.
Das Winterfieber packt die kleinsten Schmieren,
der Mime schwärzt den alten Schappohklapp,
der Direktöhr läßt das Theater renovieren
und staubt die Hypotheken ab.
Der Spielplan steigt: man wird Modernes geben,
Bongs Klassiker, Band eins bis hundertzehn,
und Ibsen, Shakespeare und Herrn Schönherrleben –
ihr werdets sehn!
Man ist erregt bis in die tiefsten Tiefen –
selbst nachts brennt Licht im Direktionsbüro.
Schon hört man unsern Holzbock interwiefen …
Rideau!
Rideau!
Das Stück hat Weltanschauung. Neben mir Ottilchen
hat weit die grauen Augen aufgemacht:
Der, nach dem Spiel, erhofft ein Kartenspielchen,
der eine Nacht …
Der Diener meldet die Kommerzienräte,
die Gnädige empfängt, ein Sektglas klirrt.
Ich streichle ihre Hand, die sonst die Hüte nähte …
Ob das was wird?
Da oben gibt es Liebe und Entsetzen,
doch so gemäßigt, wie sichs eben schickt.
»Ottilie«, flüstre ich, »vermagst du mich zu schätzen?!«
Sieh da: sie nickt.
Nun läßt mich alles kalt: die ganze Tragik
ist jetzt für mich verhältnismäßig gleich.
Und nimmt Madameken ihr Gift, dann sag ick:
»Ich bin so reich …«
Das ist ein sündhaft blauer Tag!
Die Luft ist klar und kalt und windig,
weiß Gott: ein Vormittag, so find ich,
wie man ihn oft erleben mag.
Das ist ein sündhaft blauer Tag!
Jetzt schlägt das Meer mit voller Welle
gewiß an ebendiese Stelle,
wo dunnemals der Kurgast lag.
Ich hocke in der großen Stadt:
und siehe, durchs Mansardenfenster
bedräuen mich die Luftgespenster …
Und ich bin müde, satt und matt.
Dumpf stöhnend lieg ich auf dem Bett.
Am Strand wär es im Herbst viel schöner …
Ein Stimmungsbild, zwei Fölljetöner
und eine alte Operett!
Wenn ich nun aber nicht mehr mag!
Schon kratzt die Feder auf dem Bogen –
das Geld hat manches schon verbogen …
Das ist ein sündhaft blauer Tag!
Der Name ists, der Menschen zieret,
weil er das Erdenpack sortieret –
bist du auch dämlich, schief und krumm:
Du bist ein Individuum.
Hier sieht man nun den Dichter walten.
Er schafft nicht nur die Dichtgestalten,
nein, er benamset auch sein Kind –
und nennt es Borkman oder Gynt.
Wie aber, wenn er in den Dramen
gediegne bürgerliche Namen
benutzt und jener Bürger klagt,
damits der Richter untersagt?
»Du wirst dich von dem Namen trennen!
Mußt du ihn grade Barnhelm nennen?«
Der Richter schüttelt das Barett:
»Der Name macht den Kohl nicht fett!«
Und kurz: Wir werden was ertragen!
Schon sieht man Doktor Tassow klagen,
mit ihm in trautestem Verein
den Grünkramhändler Wallenstein.
Dem Dichter fällt in seine Leier
auch der Apotheker Florian Geyer –
dem Dichter grausts mit einem Mal:
Er numeriert sein Personal.
Wie nennt man nun die Rechtsgelehrten,
die uns mit diesem Spruch beehrten?
Wie nennt man also dies Gericht?
Hier weiß ich keinen Namen nicht.
Sieh da: nun ist der fette Dichter wieder
von seinem Winterschläfchen aufgewacht,
und er entlockt der Harfe heitre Lieder,
ti püng – die Winde wehn, der Himmel lacht.
Er schauet sanft verklärt, und eine Putte
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