Canarian Nights - Marc Schneid - E-Book

Canarian Nights E-Book

Marc Schneid

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Beschreibung

Wenn die Grenze zwischen Realität und Fiktion verschmilzt. Wenn Sie Abenteuer, Dramen, Liebe und Schmerz erleben möchten, dann lassen Sie sich in die Welt von >>Canarian Nights<< entführen. Lernen Sie die Geschichten rund um Olga, Anastacia, Jago, Pedro & vielen Weiteren kennen. Der Kurzgeschichtenband lässt Spaniens Urlaubsinsel Nr. 1 in ganz neuem Glanz erscheinen und wird in Ihnen eine Lust entfachen, die mystische Insel selbst einmal zu bereisen.

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Seitenzahl: 113

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Über den Autor:

Der Autor Marc Schneid, 1983 in Mannheim geboren und aufgewachsen, hat bereits in seiner Jugend die Leidenschaft für das Schreiben für sich entdeckt. Neben kleineren Veröffentlichungen von Artikeln in regionalen Publikationen erschien mit »Canarian Nights« 2018 sein erster Kurzgeschichtenband. Seine Figuren sind vielschichtig und abwechslungsreich und sind in unterschiedlichen Genres zu Hause.

Inhaltsverzeichnis

1. Dünenwehen

2. Kalte Begierde

3. Anastacia

4. Russian Moments »King of Vodka«

5. Hotel Golden Palace

6. Olga von Vulcania

7. Berggeflüster

8. Sonnenlandgewitter

9. Der Wiener Tango

10. Aurora und die Suchenden aus dem Bongoland

11. El Pedro

12. Der Fluch

13. Ein Sommer in Arucás

14. Desert Rose

Dünenwehen

Ich sah, wie er sich immer weiter von mir entfernte. Seine grüne Sportkleidung und sein schwarzer Sportbeutel wurden immer kleiner, bis er vollkommen hinter den Sträuchern in den Dünen verschwand.

Ich wollte ihm hinterherlaufen, doch ehe ich meine sieben Sachen zusammenpacken und loslaufen konnte, wurde er in den feinen Sandbergen verschluckt. Ich kannte nicht mal seinen Namen.

Ein flüchtiger Blick. Ein einziges Lächeln. Mehr war uns nicht geblieben. Ich ging an den kommenden Tagen immer und immer wieder zum Strand mit der Hoffnung, ihm zu begegnen. Ich ging extra früh und legte mich an seine Liegestelle, doch er tauchte nicht auf. Das ein oder andere Mal kamen meine Freunde mit, doch meine Gedanken kreisten nur um ihn.

Manchmal bildete ich mir ein, ihn kommen zu sehen und sprang von meinem Badetuch auf und lief ihm entgegen, doch es überkam mich nur herbe Enttäuschung, wenn mich ein anderes Gesicht streifte und unbeachtet an mir vorbeizog.

Ich durchkämmte mehrmals die Sanddünen, was teilweise Stunden in Anspruch nahm, weil es ziemlich steil auf und ab ging und ich mich des Öfteren im Dünendschungel verlaufen hatte.

Es durfte nicht sein, dass ich seinen letzten Urlaubstag erwischt hatte und er schon längst tausende Kilometer weiter weg zu Hause war. Am Eingang der Dünen lagen Botschaften aus Kieselsteinen. Liebesnachrichten und Grüße von Touristen und Einheimischen. Ich war versucht, ihm eine solche Botschaft im Dünensand zu hinterlassen. Nach langem Überlegen und Zögern durchforstete ich eines Nachmittags die umliegenden Sträucher und sammelte Äste und Steine und versuchte doch mein Glück.

Ich würde nicht sagen, dass ich besonders kreativ veranlagt bin und ich musste mehrmals auf den gegenüberliegenden Sandhügel steigen, um nachzuschauen, ob ich die Buchstaben halbwegs geradegelegt hatte. Ich schwitzte unablässig, bis der Schweiß mir in den Augen brannte. Meine Oberarme waren knallrot gewesen. Was für ein Tamtam, was?

Das alles wegen einer einzigen kurzen Begegnung. Dabei war mir gar nicht klar gewesen, ob er meine Nachricht verstehen würde, falls er sie überhaupt entdeckte. So legte ich bis in die Abendstunden Stein für Stein in den leicht wegwehenden Dünensand, nur damit sich ein kleiner Satz zu den anderen Kunstwerken gesellen konnte.

Völlig erledigt und halb verdurstet schleppte ich mich ins Hotel zurück, wo meine Freunde bereits ausgehfertig in der Lobby standen und warteten, bis ich endlich eingetrudelt war.

Sie betrachteten mich mit Unverständnis und klopften ungeduldig auf ihre Armbanduhren. Ich sprang in meinem Hotelzimmer schnell unter die Dusche und machte mich schick für den Abend im Yumbo Center. Meine Blicke wanderten den ganzen Abend durch die tanzenden Menschenmengen.

Ich bemerkte, dass meine Erinnerung an sein Aussehen langsam anfing zu schwinden.

Dunkelbraune Haare, dunkle Augen, dichte Augenbrauen, dunkler Bart, dunkelgrüner Trainingsanzug und ein kleines Muttermal auf seiner linken Wange. Mehr Merkmale sind mir nicht geblieben. Ich hatte doch nicht wegen der Aktion heute durch die Anstrengungen in der prallen Hitze einen Sonnenstich und noch eine Amnesie dazu erlitten?

Himmelherrgott, nein! Das darf heute nicht alles umsonst gewesen sein! Ich wurde leicht hysterisch. Nur ein wenig. Nicht übermäßig dramatisch. Kein hysterischer Anfall wie ihn Diane Keaton regelmäßig in ihren Filmen erleidet. Vielleicht so etwas kurz davor. Würden Sie meine Freunde fragen, dann würden sie Ihnen bestätigen, dass es genau so ein filmreifer hysterischer Diane Keaton-Anfall gewesen war.

Ich ärgerte mich über mich selbst und stänkerte den ganzen Abend rum und verdarb damit nicht nur mir die Laune, sondern auch die meiner Freunde.

Keiner sprach mehr ein Wort mit mir. Sie hielten mein Verhalten für total überzogen und fragten mich, ob ich nicht einfach nur übertreiben würde.

Es gäbe doch noch mehr solcher Typen, die hier herumlaufen würden. Einer von ihnen zeigte auf ein paar Jungs, die zwar nicht annähernd so aussahen wie meine Strandbegegnung, aber in seinen Augen genau dem gleichen Typus entsprachen, den ich ihnen den lieben langen Tag vorpredigte. Ich lief in den folgenden Tagen extra den anderen Weg zum Bongoland. Den Weg über die Promenade durch die Dünen, wo meine Botschaft lag. Immer angetrieben von dem Funken Hoffnung, eine Antwort vorzufinden.

Aber dort lag keine. Keine Antwort, kein Hinweis, keine Spur von meinem Schwarm. Ich begann langsam meinen Freunden zuzustimmen und ließ den Gedanken los, ihn jemals wieder zu treffen.

Er kam nicht mehr zum Strand. Lag nicht bei den Dünen oder dazwischen. Ich sah ihn nie abends beim Feiern oder in einer Bar sitzen. Ich hakte ihn ab. In den darauffolgenden Tagen verblich die Erinnerung an ihn immer mehr, bis nur noch der grüne Trainingsanzug an meinen Synapsen haften blieb.

Wir hatten nur noch sieben Tage auf der Insel, bis wir zurück in die Heimat mussten.

Ich beschloss den restlichen Urlaub sinnvoll zu nutzen, nachdem ich mit der utopischen Sucherei soviel Zeit vergeudet hatte. Einer verblassenden Spinnerei, deren Namen ich nicht mal kannte.

Ich schnappte mir meine Freunde und wir machten einige Ausflüge um die Insel herum. Liehen uns Jet-Skis und ein Boot aus und schipperten zu jedem Strand und zu jeder Bucht, die Gran Canaria zu bieten hatte. Wir holten noch einmal alles heraus, was die Woche hergab. Wir tingelten jeden Abend durch das Nachtleben von Playa del Inglés und Maspalomas. Wir besuchten die Ureinwohner in Fortaleza und ließen uns durch die Höhlen führen. Jetzt war nicht einmal mehr sein grüner Trainingsanzug in meinem Gedächtnis geblieben. Alles war so gut wie erloschen. Sein Bild fast verschwommen.

Und als der allerletzte Erinnerungsfetzen im Begriff war aus meinem Gehirn zu entweichen passierte das Unglaubliche. Der Typ im grünen Trainingsanzug schloss tatsächlich gerade seine Zimmertür neben meiner auf, als ich am vorletzten Tag auf dem Weg zum Frühstück war und aus meinem Zimmer gelaufen kam. Es war kurz vor 9.00 Uhr.

Er war es. Live und in Farbe. Ich flippte aus. Was sage ich da? Ein bombastisches Freudenpaket explodierte in mir drin.

»Du bist es!« katapultierte es sich mit solch einer Wucht aus meinem Mund heraus, dass ich mir reflexartig die Hände davorhielt, als hätte ich das Gesagte einfangen und rückgängig machen gewollt.

»Hey Du. Grüß Dich. Ich bin Andreas«, sagte er, genauso perplex über die überraschende Begegnung mit mir, wie ich es gewesen war.

Wir waren Zimmernachbarn gewesen und ich lag die ganze Zeit, mich in Verzweiflung suhlend, Tür an Tür, neben ihm. Was für ein absurder und urkomischer Zufall zugleich. Ich textete ihn in einem maschinengewehrartigen Tempo zu.

Andreas kam kaum noch zu Wort. Ich wusste nicht einmal, ob er sich genauso freute oder nur höflich zu mir sein wollte.

Er freute sich genauso! Er hatte wie ich versucht, mich ausfindig zu machen. Wegen einer Fußverletzung war es ihm leider nicht mehr möglich gewesen an den Strand zu gehen. Wir amüsierten uns über unsere Begegnung und fielen uns in die Arme.

Bis zu meinem Abflug bekam uns keiner mehr zu Gesicht. Und halten Sie sich fest. Jetzt kommt das Allerbeste. Wir wohnten in Deutschland nur zwölf Kilometer voneinander entfernt.

Das ist wohl genauso strange, wie die Tatsache, dass wir sogar während der Grundschule damals in ein- und dieselbe Klasse gegangen waren und Andreas nach der vierten Klasse mit seinen Eltern wegziehen musste. Sie denken sicher, ich veralbere Sie, doch es hat sich genauso zugetragen und wahrscheinlich werden recht wenige Menschen solche phänomenalen Zufälle erleben.

Nächsten Sommer wollen wir uns jedenfalls auf der Insel das Jawort geben. Dort, wo alles seinen Anfang genommen hat. Dort in den Dünen, wo das magische Wehen des Sandes unsere Herzen verband.

Kalte Begierde

Bernhard war so in seinem Börsenteil aus der Morgenzeitung vertieft und mit seiner Nachrichten-App beschäftigt, dass er unten im Hotelbistro am Frühstückstisch seine Frau gar nicht mehr wahrnahm, die mit einem Obstteller und einer Schüssel Müsli vor ihm saß.

Barbara lenkte sich mit ihrem E-Book ab und stocherte nebenbei blind in ihrem Teller herum. Ihr gemeinsamer Urlaub sollte eigentlich ein Neuanfang sein, nachdem die eisige Kälte in ihren dünfzehn Jahren Ehe eingekehrt war. Ihre Ehe blieb kinderlos, weil ihnen ihre Karrieren wichtiger gewesen waren und ihnen für eine Großfamilie keine Zeit blieb.

Barbara hatte sich zu Hause den Urlaub schön ausgemalt und dem Versprechen ihres Mannes Glauben geschenkt, dass sie einen zweiten Anlauf wagen würden. Leider verfielen sie bereits am Anreisetag in ihr altes Verhaltensmuster.

Noch ehe sie aus dem Taxi vom Flughafen ausgestiegen waren hatte ihr Mann nur seine Arbeit im Kopf und hing den Weg vom Flughafen bis in ihr Hotelzimmer nur an seinem Mobiltelefon und gab seiner Vertretung im Büro Anweisungen zu laufenden Aufträgen. Er war schon zu lange ihr stiller Begleiter gewesen und das änderte sich auch trotz der paradiesischen Urlaubsidylle nicht, die sie umgab.

Nach dem Frühstück verbrachte Barbara den halben Tag alleine, während sich ihr Mann Bernhard mit seinem Laptop an den Pool verkroch und nichts mehr um sich herum mitbekam. In der Nacht, spürte sie im Bett nur seine kalten Füße an ihren Schenkeln und seinen unruhigen Atem. So buchte sie für sich alleine Tagesausflüge, bei denen sie glücklichen Paaren zusehen musste, wie sie ihre Wünsche auslebten.

Glückliche Paare, die im Bus herumturtelten oder Händchen haltend bei den Sehenswürdigkeiten herumspazierten. Bernhard ahnte nicht, dass Barbara diesen Urlaub als letzte Chance betrachtete, bevor sie zu Hause die Scheidungspapiere einreichen würde, die bereits bei ihrem Anwalt lagen und er nur auf ihr Einverständnis wartete.

Ihr Einverständnis war nur eine SMS-Nachricht davon entfernt, um die Scheidung in die Wege zu leiten. Der Urlaub sollte ihr die Entscheidung erleichtern, weil sie nicht sicher war, ob wirklich alles verloren war. Doch Barbara hatte sich wieder in ihrem Mann getäuscht und eigentlich hatte sie es im Vorfeld schon gewusst, doch die junge Frau von damals wollte nicht so schnell aufgeben und ihre Liebe nochmal einer Probe unterziehen.

Bernhard ging ihr zu Hause oft aus dem Weg, wenn sie mit ihm Zeit verbringen wollte; und jetzt verhielt er sich in ihrem Urlaub nicht anders. Er konnte nicht mehr aus seiner Haut.

Er ließ sie wieder im Stich. Barbara hatte für sie beide ein wirklich bezauberndes Hotel ausgesucht, das ihr ihre Nachbarin wärmstens empfohlen hatte. Das Golden Palace hielt, was es versprach, nur Bernhard nicht. Es tröstete sie ein wenig über ihren Verlust hinweg. Nach der ersten frustrierenden Woche saß Barbara alleine beim Frühstück. Wartend auf ihren stillen Begleiter, der nicht kam. Ihr fiel ein gut gekleideter Mann in einem blaugrauen Anzug auf, der mit einem Bündel Zetteln durch die Frühstückstische marschierte und Fragebögen verteilte.

Er näherte sich ihrem Tisch und als er vor ihr stand und ihr einen schönen guten Morgen wünschte, hatten sich plötzlich mehrere Muskeln in ihrem Gesicht geregt und ihr damit ein Lächeln entlockt.

Kein aufgesetztes Lächeln, wenn wieder einmal Leute hinter ihrem Rücken über sie und ihren Mann zu flüstern begannen. Nein! Ein echtes, wahrhaftiges Lächeln, das sie in der Form schon Jahre nicht mehr in ihrem Gesicht gespürt hatte. Er nahm ihre Hand und küsste sie auf die Handfläche.

Der Hotelchef sprach etwas Deutsch und verwickelte Barbara in einen Smalltalk. Er wollte gar nicht mehr weg von ihr, so war er von ihrer Ausstrahlung fasziniert. Er wollte ihre Nähe spüren.

Er hatte sie seit ihrer Ankunft beobachtet, wie sie alleine aus der Stadt oder vom Strand gelaufen kam ohne Begleitung ihres Mannes. Wie sie bei den Mahlzeiten ihre Schweigemauer höher bauten.

Manuél Cortés sah die Traurigkeit in ihren grünen Augen und die verletzte Seele, die tief verborgen in ihr keimte. Er wollte ihr zeigen, wie sehr sein Herz seit ihrer Ankunft im Golden Palace höherschlug, und dass ihn ihre Schönheit umhaute, doch sein Posten und die Tatsache, dass Barbara eine verheiratete Frau war, hatten ihn darin gehindert seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen.

Manuél hatte versucht, ihr Signale zu senden, doch Barbara trauerte um ihre Ehe und reagierte auf kein einziges Signal von ihm. Er legte ihr heimlich eine Visitenkarte in ihre offene Strandtasche, die an ihrem Stuhl lehnte, als sie einen Moment abgelenkt war, während sie den Fragebogen ausfüllte.

Manuél bedankte sich bei ihr und wünschte ihr noch einen schönen Aufenthalt. Barbara lächelte erneut und verabschiedete sich dankend. Bernhard ließ sich an diesem Morgen beim Frühstück nicht mehr blicken und auch den restlichen Vormittag nicht.

***

Manuél Cortés hatte den Vormittag über frei und schlenderte oben ohne mit seiner Sporttasche durch den heißen Dünensand. Seine schulterlangen nussbraunen, lockigen Haare klemmten unter seiner Sonnenbrille, die er auf seinem Kopf trug.

Der Schweiß perlte über seine Brust. Er kam vom Sport und wollte sich am Strand noch etwas Abkühlung verschaffen und lief über die hügeligen Dünen zum Strand. Bei der letzten Düne angekommen hatte er eine fabelhafte Aussicht auf den ganzen Strandabschnitt und da stach sie aus der Touristenmasse hervor. Barbara, in ihrem figurbetonten olivgrünen Badeanzug und ihrem roten Sonnenhut, der sie vor der Hitze schütze.