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Candide oder der Optimismus (frz. Originaltitel Candide ou l'optimisme (1758 verfasst), ist ein 1759 anonym erschienener satirischer Roman des französischen Philosophen Voltaire. Im Jahr 1776 erschien eine deutsche Übersetzung unter dem Titel Candide oder die beste aller Welten. Diese Satire wendet sich unter anderem gegen die optimistische Weltanschauung von Leibniz, der die beste aller möglichen Welten postulierte; stattdessen wird eine Auffassung sichtbar, die skeptischer und pessimistischer ist beziehungsweise welche Leibniz' Postulat in den Kontext der Zeit (Eindruck des Erdbebens von Lissabon 1755, der siebenjährige Krieg) stellt und dadurch relativiert. (aus wikipedia.de)
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Seitenzahl: 181
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Candide oderder Optimismus
Mit den Zusätzen, die man in der Tasche des Doktors fand, als er i.J. der Gnade 1759 zu Minden starb.
Voltaire
Inhalt:
Voltaire – Biografie und Bibliografie
Candide oder der Optimismus
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel.
Neuntes Kapitel.
Zehntes Kapitel.
Elftes Kapitel.
Zwölftes Kapitel.
Dreizehntes Kapitel.
Vierzehntes Kapitel.
Funfzehntes Kapitel.
Sechszehntes Kapitel.
Siebenzehntes Kapitel.
Achtzehntes Kapitel.
Neunzehntes Kapitel.
Zwanzigstes Kapitel.
Einundzwanzigstes Kapitel.
Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Vierundzwanzigstes Kapitel.
Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Sechsundzwanzigstes Kapitel.
Siebenundzwanzigstes Kapitel.
Achtundzwanzigstes Kapitel.
Neunundzwanzigstes Kapitel.
Dreißigstes Kapitel.
Candide, Voltaire
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849615925
www.jazzybee-verlag.de
Frontcover: © Vladislav Gansovsky - Fotolia.com
François Marie Arouet de Voltaire, der vielleicht einflussreichste aller franz. Schriftsteller, geb. 21. Nov. 1694 in Paris, gest. daselbst 30. Mai 1778, war der Sohn eines Finanzbeamten, Arouet, der ihn in dem Jesuitenkollegium Louis le Grand erziehen ließ, sollte nach Beendigung der Gymnasialstudien (1711) die Rechte studieren, fand aber daran keinen Geschmack und wandte sich ausschließlich der Philosophie und den schönen Wissenschaften zu, worin ihn sein Pate, der Abbé de Châteauneuf, bestärkte, der ihn in die geistreichen und frivolen Zirkel der vornehmen Gesellschaft einführte. In diese Zeit fallen seine ersten Oden und der Entwurf zur Tragödie »Œdipe«. Um ihn auf andre Gedanken zu bringen, sandte ihn der erzürnte Vater 1713 als Pagen mit dem Marquis de Châteauneuf, der als französischer Gesandter nach Holland ging, nach dem Haag. Wegen eines Liebeshandels mit einem Fräulein Dunoyer, der Braut des Kamisardenführers Cavalier, nach Paris zurückgeschickt, wurde er Schreiber bei einem Anwalt. Bald darauf folgte er dem Marquis de Caumartin auf sein Landgut St.-Auge bei Fontainebleau; die Begeisterung seines Wirtes für Heinrich IV. und die genaue Kenntnis desselben vom Zeitalter Ludwigs XIV. gaben V. die ersten Anregungen zu zweien seiner Hauptwerke. Der Autorschaft einer nach Ludwigs XIV. Tod erschienenen Satire auf den Regenten verdächtig, musste er in die Bastille wandern (1717), wo er während seiner elfmonatigen Gefangenschaft die »Henriade« entwarf und die Tragödie »Œdipe« vollendete. Die begeisterte Aufnahme dieses Stückes bei der Ausführung (1718) söhnte ihn mit seinem Vater aus; hier signiert er auch zum ersten mal mit »V.«, dem Anagramm von Arouet l. j. (le jeune). Die unvorsichtige Teilnahme an einer Hofintrige hatte bald darauf seine Ausweisung aus Paris zur Folge. Er kam indessen 1720 zurück, um seine Tragödie »Artémire« ausführen zu lassen, die jedoch durchfiel. Nach dem Tode seines Vaters machte er eine Reise nach Holland mit Frau v. Rupelmonde, kehrte aber 1723 nach Paris zurück und ließ die »Henriade« u. d. T. »La Ligue, ou Henri le Grand« in Rouen (angeblich in Genf) drucken. Ein Streit mit dem Chevalier von Rohan-Chabot, der ihn durch seinen Bedienten prügeln ließ, und den er zum Zweikampf forderte, brachte ihn 1726 zum zweiten mal in die Bastille. Nach einigen Wochen erhielt er die Freiheit wieder, zugleich aber den gemessenen Befehl, das Königreich zu verlassen. V. wählte England zu seinem Aufenthaltsort (1726–29), studierte eifrigst die Literatur, Philosophie, Geschichte und Politik des Landes und begeisterte sich für Shakespeare. Hier schrieb er das Leben Karls XII. und die Tragödie »Brutus«, den Versuch über die epische Poesie und die philosophischen oder englischen Briefe, durch die er seine Landsleute mit den neuesten Ergebnissen der englischen Forschung und philosophischen Spekulation vertraut machte. Auf Verwendung seiner Freunde kehrte er 1729 nach Paris zurück. Wegen einiger Verse auf den Tod der Schauspielerin Lecouvreur, der die Geistlichkeit ein ehrliches Begräbnis verweigerte, fand er für geraten, eine Zeitlang unter fremdem Namen in Rouen zu leben, wo er seine »Histoire de Charles XII« und die »Lettres philosophiques« heimlich drucken ließ. Die letztern wurden 1734 durch Henkershand verbrannt. Von mehreren Tragödien, »Zaïre« (1732), »Eriphyle« (1732), »Adélaïde Duguesclin« (1734), die er damals schrieb, machte nur die erste Glück; auch »Brutus« (1731) war kühl aufgenommen worden. Das Gedicht »Le temple du goût« (1733), worin der Dichter die gepriesensten Schriftsteller seiner Zeit schonungslos beurteilte, machte großen Lärm und verschloss ihm die Pforten der Akademie. Um den allenthalben losbrechenden Angriffen zu entgehen, begab sich V. 1734 mit seiner gelehrten Geliebten, der Marquise du Châtelet, auf deren Landgut Cirey in Lothringen, wo er mit einigen Unterbrechungen 15 Jahre blieb. Hier entstanden die »Éléments de la philosophie de Newton« (1738); außerdem die berüchtigte »Pucelle d'Orléans«, dann die Tragödien: »Alzire« (1736), »Zulime« (1740), »Mahomet« (1741), »Mérope« (1743), das Lustspiel: »L'enfant prodigue«, die sieben »Discours sur l'homme« (nach Pope, 1738) u. a. Unterdessen war Voltaires Ruhm ein europäischer geworden. Der Kronprinz von Preußen (Friedrich II.) schrieb V. die schmeichelhaftesten Briefe und lud ihn zu einer Zusammenkunft ein; ja selbst Papst Benedikt XIV. genehmigte die Dedikation des (in Frankreich nicht zur Ausführung zugelassenen) »Mahomet« und segnete den Verfasser. 1746 verschaffte ihm ein Singspiel: »La princesse de Navarre«, zur Feier der Vermählung des Dauphins, den langersehnten Sitz in der Akademie und das Amt eines Historiographen. Doch Eifersucht gegen Crébillon und Ärger über die Hofintrigen gegen ihn veranlassten ihn, mit der Marquise du Châtelet nach Cirey zurückzugehen, von wo aus er häufige Besuche an dem Hofe des Königs Stanislaus in Lunéville abstattete, und wo er seine Tragödien »Sémiramis«, »Rome sauvée« und »Oreste« (1750), bestimmt, den Ruhm seines Rivalen Crébillon zu vernichten, und sein Lustspiel »Nanine« vollendete. Nach dem Tode der du Châtelet (1749) begab sich V. auf die wiederholten Einladungen Friedrichs II. 1750 nach Berlin, wo er eine Wohnung im Schloss, den Orden pour le mérite, den Kammerherrnschlüssel und 20,000 Livres Gehalt erhielt. Streitigkeiten mit Maupertuis, dem Präsidenten der Berliner Akademie, und seine eine, spottsüchtige, habgierige Natur störten jedoch bald sein gutes Verhältnis zum König; und als dieser seine Spottschrift gegen Maupertuis: »Diatribe du docteur Akakia« (1752) öffentlich verbrennen ließ, bat V. um seine Entlassung, musste sich aber auf der Rückreise 1753 in Frankfurt eine ziemlich gewalttätige Untersuchung seines Gepäcks nach den Gedichten Friedrichs gefallen lassen. Diese Behandlung hat V. dem König trotz ihrer Aussöhnung und des fortgesetzten Briefwechsels nie vollständig verziehen. Sein Berliner Aufenthalt war aber nicht unfruchtbar gewesen. Er hatte sein berühmtes Werk »Siècle de Louis XIV« (Berl. 1751, 2 Bde.) vollendet, seine Studien zu einer Universalgeschichte begonnen, die er nachher veröffentlichte in dem »Essay sur les mœurs et l'esprit des nations« (vollständig zuerst Genf 1756, 7 Bde.; deutsch von Wachsmuth, Leipz. 1867, 6 Bde.), und mehrere Tragödien geschrieben (»Amélie, ou le duc de Foix« u. a.), besonders aber das dem König gewidmete »Poème sur la loi naturelle« (1752, gedruckt 1756), das wiederum von dem Pariser Parlament zur Verbrennung verurteilt wurde. Da ihm der Aufenthalt in Paris noch immer verboten war, kaufte er ein Landgut bei Genf, »Les Délices«, dann die Herrschaften Tourney und Ferney in dem französischen Grenzländchen Gex. Hier verlebte der Patriarch von Ferney, wie er sich gern nennen hörte, die letzten 20 Jahre seines Lebens, umgeben von fürstlichem Luxus und im Genuss einer Rente von 140,000 Livres. Er erhob den armen Flecken nach und nach zur wohlhabenden Stadt und baute eine Kirche mit der Inschrift: »Deo erexit Voltaire«. Die bedenklichen Schwächen in seinem Charakter traten grell hervor, solange er noch danach strebte, Vermögen und Einfluß zu gewinnen. Später, wo ihm beides reichlich zu Gebote stand, stellte er seine Mittel und Geisteskräfte vorwiegend in den Dienst edler Zwecke, der Toleranz und der Aufklärung. Unerschrocken trat er als Hort und Verteidiger unschuldig Verfolgter auf und brachte es beispielsweise durch seine rastlosen Bemühungen dahin, dass der Prozess des unschuldig hingerichteten Jean Calas (s. d.) wieder aufgenommen und die unglückliche Familie der Armut und Schmach entzogen wurde. Dabei entwickelte er eine ungemeine literarische Tätigkeit. Zunächst lieferte er zahlreiche Artikel für die »Encyclopédie«. Als die wichtigsten seiner Schriften in dieser Epoche sind sodann hervorzuheben: der Roman »Candide« (1758); »Histoire de Russie sous Pierre I« (1759); »Idées republicaines« (1762); »Sur la tolérance« u. »Catéchisme de l'honnête homme« (1763); »Contes de G. Vadé«; »Commentaire sur Corneille«; das »Dictionnaire philosophique« (1764); mehrere Tragödien (darunter »Agathocle«, »Tancrède«, »Socrate«, »Irène«), Oden und eine Übersetzung des »Julius Cäsar« von Shakespeare (1764) etc. Im Februar 1778 besuchte der Vierundachtzigjährige noch einmal Paris, wo er mit Ehrenbezeigungen überhäuft wurde, aber, vielleicht infolge der dadurch veranlassten Aufregung, in eine Krankheit verfiel und starb. Die Geistlichkeit in Paris verweigerte ihm ein kirchliches Begräbnis, und sein Neffe Abbé Mignot, der ihn in der Abtei von Scellières beigesetzt hatte, ward sogar bestraft. 1791 wurden seine Gebeine auf Volksbeschluss im Panthéon beigesetzt. 1890 wurde ihm in Ferney eine Statue errichtet. Sein Bildnis s. Tafel »Klassiker der Weltliteratur II« (im 12. Bd.).
V. war Philosoph, Geschichtschreiber, gelegentlich Politiker, dramatischer und Romandichter. Den Grund zu seinen philosophischen und politischen Ansichten hat er in England gelegt. Seine sogen. philosophischen Schriften bestreiten wirkliche oder vermeinte Irrtümer oder Vorurteile oft mit kaustischer, unwiderstehlicher Schärfe, oft mit witzelnder Unkunde, oder sie tragen bald mit ermüdender Breite, bald mit absprechender Kürze den Locke-Condillacschen Sensualismus und Eudämonismus mit stetem Kampf gegen das Christentum vor. Indessen tritt er mit gleicher Entschiedenheit wie den christlichen Dogmen dem Atheismus entgegen und glaubt fest an das Dasein eines persönlichen Gottes. An den religiösen Gebräuchen teilzunehmen hielt er trotz seines freien Standpunktes für gestattet. Während er anfangs an die Freiheit des Willens glaubte, hat er sie später geleugnet. Noch schwankender urteilt er über die Unsterblichkeit der Seele. Als Politiker schätzt er die englische Verfassung als die beste. Er zuerst stieß den Ruf: »Freiheit und Gleichheit!« aus, definiert aber jene als nur vom Gesetz abhängig, diese als gleiche Berechtigung aller im Staate. Den Unterschied der Stände hält er für notwendig, verwirft aber bloße Geburtsvorrechte. Alles Heil erwartet er nicht von unten her durch eine Revolution, sondern von den Reformen einer aufgeklärten Regierung. Seine historischen Darstellungen ermangeln, bei trefflicher Anordnung des Stoffes und höchst geistreicher und ansprechender Darstellung, doch der Genauigkeit. Er war bei der wundersamsten Fülle von Kenntnissen ungründlich und oberflächlich, und wo nicht seine Unkunde zu Irrtümern führte, da taten es seine lebhafte Phantasie und sein Hass gegen Christentum und Kirche. Ein Meisterstück romanhafter Geschichtschreibung ist die »Histoire de Charles XII«. Wertvoll besonders durch Reichhaltigkeit des Stoffes und anziehende Darstellung ist auch der »Précis du siècle de Louis XV« (1768). Als Dichter zeichnete sich V. vor allem im Epigramm aus; sonst hat er weder in der Lyrik (am allerwenigsten in der Ode) noch in der Epik Großes geleistet. Die »Henriade« ist eine in wohllautenden Alexandrinern und mit glänzenden Deklamationen und Sentenzen reich ausgestattete, kalte historische Darstellung, die alles epischen Geistes ermangelt, und die »Pucelle« ein in sittlicher Beziehung höchst verwerfliches, auch in poetischer Hinsicht nicht bedeutendes Gedicht. Dagegen sind seine kleinen, meist satirisch gehaltenen Romane und Erzählungen (»Zadig«, »Micromégas«, »Candide«, »Jeannot et Colin«, »L'ingénu«, »La princesse de Babylone« etc.) ausgezeichnete Leistungen, eine wunderbare Mischung von Ernst und Scherz, bezaubernder Leichtigkeit und Anschaulichkeit. Trotz des großen Fleißes, den V. auf seine Tragödien verwandte, und trotz seiner Produktivität hat er doch die großen klassischen Muster, Corneille und Raeine, nicht erreicht. Im Lustspiel hat er den größten Erfolg mit dem »Enfant prodigue« davongetragen. – Von den zahlreichen Ausgaben seiner Werke, von denen einen beträchtlichen Teil sein ausgedehnter, bis ins höchste Alter fortgeführter Briefwechsel ausmacht, erwähnen wir nur die von Beaumarchais, Condorcet und Decroix (Kehl 1785–89, 70 Bde.), die vortreffliche von Beuchot, dem Bibliographen Voltaires (das. 1829–1841, 72 Bde.), ferner die von Furne (1835–38, 13 Bde.), Barré (1856–59, 20 Bde.), Hachette (1859 bis 1862, 40 Bde.; neue Aufl. 1900 ff.), Didot (1859, 13 Bde.), Moland (1877–85, 52 Bde.). Die deutschen Übersetzungen von Mylius u. a. (Berl. 1783 bis 1791, 29 Bde.), Gleich, Hell u. a. (Leipz. 1825–1830, 30 Bde.) sind unvollständig und nicht besonders gelungen; eine Auswahl in 5 Bänden besorgte Ellissen (das. 1854). Voltaires Briefwechsel ist am vollständigsten in Molands Ausgabe, Bd. 33–49, herausgegeben (10,439 Briefe).
Vgl. Bungener, V. et son temps (2. Aufl., Par. 1851, 2 Bde.); Maynard, V., sa vie et ses œuvres (das. 1867, 2 Bde.); Strauß, Voltaire (sechs Vorträge, 8.Aufl., Bonn 1896; Volksausg., Leipz. 1908; mit Einleitung von Sakmann, Frankf. 1906); Rosenkranz im »Neuen Plutarch« (Bd. 1, Leipz. 1874); Campardon, V., documents inédits (Par. 1880); J. Parton, Life of V. (Lond. 1881, 2 Bde.); Kreiten, V., ein Charakterbild (u. Aufl., Freiburg 1884); Mahrenholtz, Voltaires Leben und Werke (Oppeln 1885, 2 Bde.) und V. im Urteil seiner Zeitgenossen (das. 1883); Fa guet, Voltaire (Par. 1894); Käthe Schirmacher, V., eine Biographie (Leipz. 1898) und V., seine Persönlichkeit in seinen Werken (Stuttg. 1906); Crouslé, La vie et les œuvres de V. (Par. 1899, 2 Bde.); Tallentyre (Miß Hale), Life of V. (3. Aufl., Lond. 1905); Lanson, Voltaire (Par. 1906); Lord Brougham, V. et Rousseau (das. 1845); Horn, V. und die Markgräfin von Baireuth (Berl. 1865); Venedey, Friedrich d. Gr. und V. (Leipz.1859); Desnoiresterres, V. et la société française du XVIII. siècle (2. Aufl., Par. 1887, 8 Bde.); Lucien Perey (Luce Herpin) und Maugras.La vie intime de V. aux Délices et à Ferney(das. 1885); E. Hertz, V. und die französische Strafrechtspflege im 18. Jahrhundert (Stuttg.1887); Masmonteil, La législation criminelle dans l'œuvre de V. (Par. 1901); Vernier, Étude sur V. grammairien (das. 1888); Nourrisson, V. et le Voltairianisme (das. 1896); H. Lion, Les tragédies et les théories dramatiques de V. (das. 1896); Champion, V., études critiques (2. Aufl., das. 1897); Olivier, V. et les comédiens (das. 1900); Mangold, Voltairiana inedita (Berl. 1901); Calmettes, Choiseul et V. (Par. 1902); L. Robert, V. et l'intolérance (das. 1905); Bengesco, V.; bibliographie de ses œuvres (das. 1882–90, 4 Bde.).
Wie Kandid in einem schönen Schlosse erzogen wurde und wie man ihn von dannen jagte.
Im Schlosse des Freiherrn v. Thundertentronckh in Westfalen lebte um die Mitte des 18. Jahrhunderts ein junger Bursche, der von Natur die Sanftmuth selbst war. Seine Gesichtszüge waren der Spiegel seiner Seele. Er besaß eine ziemlich richtige Urtheilskraft und ein Gemüth ohne Arg und Falsch; aus diesem Grunde vermuthlich nannte man ihn Kandid. Die ältern Bedienten des Hauses hatten ihn in starkem Verdacht, der Sohn einer Schwester des Freiherrn und eines braven, ehrenwerthen Edelmannes aus der Nachbarschaft zu sein, zur Vermählung mit welchem sich das Fräulein nicht hatte entschließen können, weil er nun einundsiebenzig Ahnen aufzuweisen vermochte, und die Wurzel seines Stammbaums durch den zerstörenden Zahn der Zeit verloren gegangen war.
Der Freiherr war einer der ansehnlichsten Landedelleute Westfalens, denn sein Schloß war mit Thorweg und Fenstern versehen, ja den großen Saal zierte sogar eine Tapete. Alle Hunde seines Viehhofes machten im Nothfall eine Meute aus; die Stallknechte waren seine Bereiter, der Dorfpastor war sein Großalmosenier; sie nannten ihn alle »Gnädiger Herr« und lachten, wenn er Anekdoten erzählte.
Die gnädige Frau, die etwa 350 Pfund wog, hatte sich dadurch in hohes Ansehen gesetzt und machte bei Gelegenheit die gnädige Wirthin mit einer Würde, wodurch sie noch größere Ehrfurcht einflößte. Ihre siebenzehnjährige Tochter Kunigunde war ein frisches, üppiges, rothwangiges, reizendes Kind. Der Sohn des Freiherrn schien in allen Stücken seines Papas würdig. Der Hauslehrer Pangloß war das Orakel des Hauses, und der kleine Kandid hörte auf seinen Unterricht mit der treuherzigen Leichtgläubigkeit, die sein Alter und seine Gemüthsart mit sich brachte.
Pangloßlehrte die Metaphysikotheologokosmonarrologie. Er bewies auf unübertreffliche Weise, daß es keine Wirkung ohne Ursache gebe, und daß in dieser besten aller möglichen Welten das Schloß des gnädigen Herrn das beste aller möglichen Schlösser und die gnädige Frau die beste aller möglichen gnädigen Freifrauen sei.
»Es ist erwiesen,« sagte er, »daß die Dinge nicht anders sein können: denn da Alles zu einem Zweck geschaffen worden, ist Alles nothwendigerweise zum denkbar besten Zweck in der Welt. Bemerken Sie wohl, daß die Nasen geschaffen wurden, um den Brillen als Unterlage zu dienen, und so tragen wir denn auch Brillen. Die Beine sind augenscheinlich so eingerichtet, daß man Strümpfe darüber ziehen kann, und richtig tragen wir Strümpfe. Die Steine wurden gebildet, um behauen zu werden und Schlösser daraus zu bauen, und so hat denn auch der gnädige Herr ein prachtvolles Schloß; der größte Freiherr im ganzen westfälischen Kreise mußte natürlich am besten wohnen, und da die Schweine geschaffen wurden, um gegessen zu werden, essen wir Schweinefleisch Jahr aus, Jahr ein. Folglich sagen die, welche bloß zugeben, daß Alles gut sei, eine Dummheit: sie mußten sagen, daß nichts in der Welt besser sein kann, als es dermalen ist.«
Kandidhörte aufmerksam zu und glaubte in seiner Unschuld Alles; denn er fand Fräulein Kunigunden äußerst reizend, obgleich er sich nie erdreistete, es ihr zu sagen. Er hielt es nächst dem Glücke, als Freiherr von Thundertentronckh geboren zu sein, für die zweite Stufe der Glückseligkeit, Fräulein Kunigunde zu sein, für die dritte, sie alle Tage zu sehen, und für die vierte, der Weisheit des Magister Pangloß lauschen zu dürfen, des größten Philosophen Westfalens und folglich der ganzen Erde.
Eines Tages lustwandelte Kunigunde in einem kleinen Gehölz in der Nähe des Schlosses, das man den Park nannte, da erblickte sie im Gebüsch den Doctor Pangloß, als er gerade der Kammerjungfer ihrer Mutter, einer kleinen sehr hübschen und gelehrigen Brünette, Privatunterricht in der Experimental-Physik ertheilte. Da Fräulein Kunigunde sehr wißbegierig war, beobachtete sie mit angehaltenem Athem die wiederholten Experimente, die vor ihren Augen vorgenommen wurden. Sie sah deutlich die ratio sufficiens des Doctors, die Wirkungen und die Ursachen. Auf dem Heimwege war sie höchst aufgeregt, tiefsinnig und voll des Verlangens, ihre Kenntnisse zu bereichern, wobei sie sich dachte, daß sie wohl die ratio sufficiens des jungen Kandid und er die ihrige vorstellen könnte.
Als sie zum Schlosse zurückkam, begegnete sie ihm und erröthete; Kandid erröthete gleichfalls, sie begrüßte ihn mit unsichrer Stimme, und Kandid sprach mit ihr, ohne zu wissen, was er sagte. Am folgenden Tage nach dem Mittagessen, als man eben vom Tisch aufstand, trafen Kunigunde und Kandid sich zufällig hinter einer spanischen Wand. Kunigunde ließ ihr Taschentuch fallen; Kandid hob es auf; sie faßte ihn in ihrer Unschuld bei der Hand; der junge Mensch küßte in seiner Unschuld die Hand des jungen Fräuleins mit einer Lebhaftigkeit, einem Feuer der Empfindung, einer Anmuth, die ihm bis dahin fremd war. Ihre Lippen begegneten sich, ihre Augen glühten, ihre Kniee zitterten, ihre Hände verirrten sich. In diesem Augenblick ging der Freiherr von Thundertentronckh an der spanischen Wand vorüber, und da er jene Ursache und jene Wirkung sah, jagte er unsern Kandid mit derben Fußtritten zum Schlosse hinaus. Kunigunde fiel in Ohnmacht; mit Ohrfeigen brachte die gnädige Frau Mama sie wieder zu sich selbst; und allgemeine Bestürzung herrschte in dem schönsten und angenehmsten aller möglichen Schlösser.
Wie es Kandid bei den Bulgaren erging.
Aus dem irdischen Paradiese verjagt, wanderte Kandid eine Zeitlang fort, ohne zu wissen wohin, indem er seine thränenvollen Augen zum Himmel emporrichtete, noch öfter aber sie nach dem schönsten der Schlösser zurückwandte, wo das reizendste Freifräulein weilte. Ohne zu Nacht gespeist zu haben, legte er sich bei heftigem Schneegestöber auf offenem Felde zwischen zwei Furchen nieder.
Ganz erstarrt schleppte er sich den folgenden Tag nach dem benachbarten Flecken Waldberghoftrarbkdickdorf und blieb, da er kein Geld hatte, halb todt vor Hunger und Müdigkeit und höchst niedergeschlagen an der Thür eines Wirthshauses stehen.
Zwei blaugekleidete Männer bemerken ihn.
»Kamerad,« sprach der eine zum andern, »seht doch den hübschen, stattlichen Burschen dort! Er wird die erforderliche Länge haben.«
Sie gingen auf Kandid zu und baten ihn sehr höflich, mit ihnen zu speisen.
»Meine Herren,« erwiderte Kandid mit liebenswürdiger Bescheidenheit, »Sie erzeigen mit viel Ehre, allein ich habe nichts, um meine Zeche zu bezahlen.«
»Ei, lieber Herr,« entgegnete ihm einer der Blauen, »Leute von Ihrem Aeußern und Ihrem Verdienste bezahlen nie etwas. Messen Sie nicht fünf Fuß fünf Zoll rheinisch?«
»Allerdings, meine Herren, das ist genau mein Maß,« sprach Kandid mit einer Verbeugung.
»Vortrefflich, lieber Freund! setzen Sie Sich zu Tisch. Wir werden Sie nicht bloß freihalten, sondern auch nimmer dulden, daß es einem Manne, wie Ihnen, an Gelde fehlt. Die Menschen sind ja dazu in der Welt, sich einander beizustehen.«
»Sie haben Recht,« sprach Kandid, »das hat Doctor Pangloß mir immer gesagt; und ich sehe wohl, daß Alles aufs beste angeordnet ist.«
Man bittet ihn, einige Thaler anzunehmen. Er nimmt sie und will einen Schein darüber ausstellen, allein das giebt man nicht zu. Man setzt sich zu Tisch.
»Lieben Sie nicht zärtlich...?«
»Ach, ja wohl!« erwiderte er, »ich liebe Fräulein Kunigunden zärtlich!«
»Nein!« fällt einer der beiden Herren ihm ins Wort, »wir fragen, ob Sie den König der Bulgaren nicht zärtlich lieben?«
»Durchaus nicht,« entgegnet er, »ich habe ihn in meinem Leben nicht gesehen.«
»Wie! es giebt keinen scharmantern König in der Welt! Wir müssen einmal auf seine Gesundheit trinken!«
»O, mit dem größten Vergnügen, meine Herren;« und er trinkt.
»So! das genügt,« heißt es darauf; »jetzt sind Sie die Stütze, der Stab, der Vertheidiger, der Held der Bulgaren. Ihr Glück ist gemacht, Ihr Ruhm fest begründet.«
Ohne weitere Umstände wird er an Händen und Füßen geschlossen und so zum Regiment transportirt. Hier heißt es: »Schwenkt euch rechts! - schwenkt euch links! - schultert's Gewehr! - Gewehr beim Fuß! - legt an! - Feuer! - Dublirtritt, marsch!!« - und man giebt ihm dreißig Stockprügel. Den andern Tag exercirt er nicht ganz so schlecht und empfängt nur zwanzig Hiebe. Den dritten Tag bekommt er nur zehn und wird von seinen Kameraden wie ein Wunderthier angestaunt.
Ganz betäubt, wie er war, konnte Kandid