Chance Psychotherapie - Romana Wiesinger - E-Book

Chance Psychotherapie E-Book

Romana Wiesinger

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Beschreibung

Chance Psychotherapie ist eindeutig ein Plädoyer für die Therapie und ist entstanden, um einerseits Einblicke in die Arbeit einer Therapeutin zu geben und um andererseits auch die Betroffenen selbst zu Wort kommen zu lassen, die mit ihren Erfahrungsberichten am besten erklären, wie Psychotherapie wirken kann. Das Buch beantwortet Ihnen hoffentlich alle wichtigen Fragen zum Thema und zeigt, warum es sinnvoll und wichtig ist, sich auch mit der Psyche zu befassen. Zudem räumt es mit vielen Vorurteilen auf. Die Autorin schafft damit einen offeneren Zugang zur Therapie und zeigt, dass Körper und Psyche immer als Einheit zu betrachten sind.

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Inhalt

Vorwort

Drei Welten

Die künstliche Welt

Echte Welt

Wünschenswerte Welt

Teil 1

Bitte nehmen Sie am Sessel der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten Platz

Was genau ist Psychotherapie?

Psychiater/-in, Psychologe/-in oder Psychotherapeut/-in?

Wie findet man eine/n Psychotherapeutin/-therapeuten?

Welche Richtung ist für mich die passende?

Wie genau darf ich mir einen psycho­­therapeutischen Prozess vorstellen? Braucht man eine Überweisung?

Wie lange dauert ein therapeutischer Prozess?

Braucht man eine Diagnose?

Darf man auch ohne Diagnose kommen?

Wie grenzen sich Selbsterfahrung, Supervision, Mediation und Coaching von einer Psychotherapie ab?

Psychosomatische Beschwerden – was ist das und was hilft?

Körperübungen können helfen

Psychotherapie hilft bei Entscheidungsprozessen

Vorurteile über die Psychotherapie, die ich gerne ausräume

Vorurteil 1: „Ich muss auf Fragen antworten.“

Vorurteil 2: „Ich komme aus so einem Prozess nicht mehr heraus.“

Vorurteil 3: „Wenn ich einmal anfange zu erzählen, dann kommt so viel, dass ich es nicht verkrafte.“

Vorurteil 4: „Ich muss ganz bestimmt über meine Kindheit erzählen.“

Vorurteil 5: „Wie sollen durch ein Gespräch meine Prüfungsängste, Panikattacken oder Suizidgedanken weniger werden oder sogar verschwinden? Dieses Gespräch könnte ich mit Freundinnen, Geschwistern, Eltern oder meiner Oma auch führen!“

Vorurteil 6: „Heißt es nicht, die Zeit heilt alle Wunden?“

Vorurteil 7: „So ein Prozess dauert Jahre!“

Vorurteil 8: „Ich steh dann sicher in einem Register!“

Vorurteil 9: „Andere finden mich sicher komisch, wenn sie erfahren, dass ich in Psychotherapie bin.“

Vorurteil 10: „So deppert bin ich dann auch wieder nicht!“

Aus einzelnen Tönen entsteht eine Melodie – oder: Aus kleinen Schritten entsteht ein Weg in Richtung Gesundheit

Annehmen statt abwehren

Die wertvolle Arbeit mit dem „Kinder-Ich“

Aus Vernunft wird Gefühl

Aus Vergleich wird Akzeptanz

Aus Zweifel wird Sicherheit

Aus Sorge wird Verständnis

Aus Schwarz-Weiß-Denken wird Vielfalt

Aus dem Kümmern um andere wird ein Kümmern um sich selbst

Aus Selbstkritik entsteht Selbstliebe

Aus Allgemeinem wird Privatsphäre

Aus der Arbeit mit Teilen wird ein gesundes Ganzes

Aus einem Muss wird ein Darf

Aus Fremd- wird Eigenverantwortung

Aus Melancholie wird Empathie

Aus Unruhe entsteht spürbare Ruhe

Aus selbstverletzendem wird wertschätzendes Verhalten

Die Erkrankung ist nur eine Facette des Menschen

Werden Sie Ihr eigenes Original

Teil 2

Bitte nehmen Sie am Sessel der Klientin/des Klienten Platz und machen Sie es sich für folgende Lebensgeschichten bequem

Nachwort

Dank

Literatur

Romana Wiesinger

 

 

Chance

Psychotherapie

Wie sie wirkt und was sie bringt

 

 

 

 

 

 

© Verlagshaus der Ärzte GmbH

Nibelungengasse 13

1010 Wien

Österreich

 

www.aerzteverlagshaus.at

 

1. Auflage 2022

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwendung, vorbehalten.

Wir haben uns bemüht, alle Rechte bezüglich der verwendeten Texte zu klären. In einigen Fällen ist es uns trotz intensiver Recherche nicht gelungen, mögliche Rechteinhaber zu finden. Bei etwaigen Rechtsansprüchen wenden Sie sich bitte an uns.

 

ISBN 978-3-99052-273-8

 

Umschlag und Satz: Grafikbüro Lisa Hahsler, 2232 Deutsch-Wagram

Umschlagfoto und Elemente im Buch: iStock (cienpies)

Projektbetreuung: Hagen Schaub

 

Sämtliche Angaben in diesem Buch erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung und Kontrolle ohne Gewähr und müssen vom jeweiligen Anwender/von der jeweiligen Anwenderin im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Eine Haftung der Autorin oder des Verlags aus dem Inhalt dieses Werkes ist ausgeschlossen.

 

VORWORT

Ich habe einen Wunsch.

Ich wünsche mir, dass mehr Menschen Körper und Psyche als Einheit sehen.

Aus Erfahrung und langjähriger Beobachtung weiß ich allerdings, dass viele Menschen mit Schmerzen oder Beschwerden problemlos eine Ärztin bzw. einen Arzt aufsuchen – ganz ohne Skrupel, ohne Zweifel, ohne große Überlegungen, vielleicht mit ein bisschen Angst beziehungsweise Aufregung, je nach Fachrichtung. Selbstverständlich haben wir auch jede Menge Übung darin, da uns medizinische Untersuchungen von Beginn unseres Lebens an begleiten. Schon Neugeborene werden vermessen, gewogen, auf ihre körperlichen Funktionen hin überprüft, später geimpft und auch regelmäßig zu ärztlichen Kontrollen bestellt. So können wir auch Vertrauen zu den jeweiligen Ärztinnen und Ärzten aufbauen und entwickeln mit der Zeit eine gewisse Routine, wenn es um medizinische Untersuchungen geht.

Wenn es hingegen um eine Psychotherapie geht, schaut die Sache ganz anders aus. Da wird meist wochen- oder sogar monatelang überlegt, es werden nahe Bezugspersonen oder Freunde bzw. Freundinnen befragt und Für und Wider abgewogen. Schon mehrmals ist es mir sogar passiert, dass sich Menschen für ein Erstgespräch anmeldeten, die meine Visitenkarte bereits ein ganzes Jahr lang in ihrer Tasche getragen haben, sich aber so lange nicht überwinden konnten, einen Termin auszumachen. Daran erkennen wir, wie groß die Hürde sein muss, sich in eine Psychotherapie zu begeben. Da man über Psychotherapie landläufig nur wenig weiß, verstehe ich diese Zweifel auch. Vielleicht kann dieses Buch ein bisschen dazu beitragen, sich ein solides Bild von einer Psychotherapie zu machen und so die Hürde, eine solche in Anspruch zu nehmen, ein wenig abzubauen.

Wenn es uns gelingt, in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit derselben Selbstverständlichkeit beide Disziplinen nicht nur nebeneinander, sondern als Einheit zu betrachten, wird mein Wunsch vielleicht doch noch Wirklichkeit.

Wenn ich die verschiedenen Generationen näher betrachte, weiß ich, dass die Richtung, in die wir uns derzeit bewegen, bereits die richtige ist. Die Generation meiner Eltern – also jetzt 70 plus – wäre eher nicht in Psychotherapie gegangen, ganz vereinzelt passiert es zwar jetzt schon, dass sich Personen aus dieser Altersgruppe melden, doch es ist eben eher die Ausnahme. Wenn ich an meine eigene Generation – also 50-Jährige plus minus zehn Jahre – einschließlich meiner Freundinnen und Freunde denke, so gibt es bereits einige, die einer Psychotherapie schon ganz aufgeschlossen gegenüberstehen und auch in Therapie waren oder sind, doch es bleiben noch viele, die niemals in Therapie gehen würden. Außerdem wird es eher geheim gehalten, wenn man diesen Schritt vollzogen hat. Wenn ich mir hingegen die ganz junge Generation, also Menschen zwischen 14 und etwa 30 Jahren anschaue, so bemerke ich, dass die schon wesentlich leichter einen entsprechenden Anruf tätigen, in eine Therapie kommen und auch mit Freunden bzw. Freundinnen darüber sprechen. Es hat hier eine gewisse Selbstverständlichkeit Einzug gehalten, die ich großartig finde.

Romana Wiesinger

 

DREI WELTEN

Wenn sich Menschen mit der Frage beschäftigen, ob sie eine Psychotherapie benötigen, liegt dem zumeist ein auslösendes Problem zugrunde. Welcher Art auch immer. Am Beispiel des in unserer Zeit noch immer sehr verbreiteten Schönheitswahns soll hier einführend skizziert werden, wie dabei drei Welten zusammenspielen.

Die künstliche Welt

Die ganze Welt – zumindest die westliche – strebt danach, möglichst schöner, gescheiter, fitter, aber vor allem eines zu werden: älter. Ich könnte es auch anders formulieren: Wie kann es uns gelingen, älter zu werden und gleichzeitig jünger auszusehen? Dieser Gedanke beschäftigt wohl viele Menschen, und zwar Frauen wie Männer, neuerdings auch sehr junge Menschen. Vielleicht nicht alle Menschen, aber doch die Mehrheit möchte sehr alt werden und gleichzeitig sehr jung aussehen. Weshalb ist das so? Und die wahrscheinlich bessere Frage wird lauten: Und wie gelingt das?

Wenn Sie jetzt mit einem Buch über effizienteres Fitnesstraining oder die klügere Ernährung rechnen, muss ich Sie enttäuschen, das wird es nicht. Auch wenn ich weiß, dass beides, also Bewegung und Ernährung, sehr wichtig ist und zu einem guten körperlichen wie geistigen Gesamtzustand enorm viel beiträgt. So wichtig diese Komponenten für unsere Gesundheit auch sind, sie werden nicht Inhalt dieses Buches sein.

Und auch Schönheitsoperationen oder ein künstliches Verjüngen liegen mir nicht am Herzen. Ganz im Gegenteil, die tiefe Überzeugung, zu sich zu stehen und sich zu mögen, ist letztlich das, was uns alle wirklich weiterbringen wird.

Anstoß zu diesem Buch war vor über einem Jahr eine Sendung über den Eingriff in das Gesicht eines Reporters, die mich wirklich erschüttert hat. Obwohl ich genügend Bilder über Schönheitsoperationen kenne und selbstverständlich Menschen sehe, die sich straffen, operieren oder sonst wie verändern lassen oder ließen, war dieser Eingriff nochmals ein ganz anderer – ein viel skurrilerer.

Ausgangspunkt bzw. Idee war nämlich, die eine Hälfte des Gesichts durch verschiedenste Arten von Kosmetikbehandlungen – also Cremes, Peelings und Ähnliches –, die andere Hälfte durch alle möglichen, auch chirurgischen Eingriffe – von Botox bis hin zu einer langwierigen dreistündigen Operation unter Vollnarkose – „verschönern“, also „verjüngen“ zu lassen. Die Folgen waren und sind gravierend, um nicht zu sagen entsetzlich. Auch wenn sich dieser Reporter – ein eigentlich gutaussehender Mann – die zweite Gesichtshälfte nach einer gewissen Zeit einigermaßen angleichen ließ, so erwiesen sich die Eingriffe als fatal und machten aus dem Gesicht eines 54-jährigen Mannes eines, das einer schätzungsweise 45-jährigen Person zugeordnet werden könnte – zumindest die eine Hälfte des Gesichts. Die Gesamterscheinung des Gesichts passte aber nicht mehr zusammen und der Rest des Körpers schon gar nicht mehr dazu. Denn Hals, Hände und der gesamte restliche Körper sahen weiterhin so aus wie vor der Gesichtsveränderung. Und das passt oftmals einfach nicht zusammen.

In dieser Dokumentation konnte ich einerseits die vielen eingesetzten Spritzen, Nadeln und Fäden, ja die ganzen Eingriffe kaum noch ertragen, während sich andererseits die eine Frage immer lauter aufdrängte: Warum tut man so etwas? Für diesen Reporter war die Sache klar, er verfolgte eine wenn auch eigentümliche Idee: „Was geht? Also wie jung kann ich werden – beziehungsweise aussehen?“ Er sah die ganze Prozedur als Experiment an, eine wahrlich mutige, besser verrückte Idee.

Dieses Experiment trug dem tieferliegenden Wunsch vieler Menschen, „jünger“aussehen zu wollen, auf äußerst makabere Weise Rechnung.

Ziemlich zeitgleich hat mich im Zuge eines Interviews die Frage beschäftigt, weshalb sich bereits Jugendliche einer Schönheitsoperation unterziehen. Dieser Trend ist wohl kaum zu übersehen und derzeit auch nicht aufzuhalten, auch junge Menschen denken ernsthaft darüber nach, an ihrem Gesicht oder Körper etwas verändern zu lassen. Wenn ich „junge“ Menschen schreibe, dann meine ich tatsächlich junge – und zwar 14- bis 18-Jährige, deren Körper in ihrer Entwicklung noch gar nicht fertig sind.

Doch es gibt noch einen Trend, der bei ganz jungen Menschen hoch im Kurs liegt, wenn es etwa darum geht, sich über Snapchat zu verändern. Dann wollen sich diese oft erst 10- bis 14-Jährigen interessanterweise älter machen, als sie es tatsächlich sind. Dabei schaffen sie es leicht, sich mittels Verwendung einiger Filter als bereits 20-Jährige zu präsentieren. Weshalb möchte man als 12-Jährige schon wie 20 aussehen? Um irgendwem zu gefallen, Aufmerksamkeit zu erregen, den Eindruck zu erwecken, dass man bereits hochoffiziell rauchen und trinken darf? Ich weiß es nicht. Vermutlich muss man da immer nach individuellen Gründen suchen.

Dass wir in unserer westlichen Gesellschaft einem „Schön“heitsideal nachjagen, das wohl sehr ungesund ist, ist keine neue Erkenntnis. Alle, zumindest aber viele wollen ein „perfektes“ Gesicht und einen „perfekten“ Körper. Bleibt nur noch die Frage, wie so ein perfektes Gesicht beziehungsweise ein perfekter Körper überhaupt aussieht? Wer gibt die Normen dafür vor?

Die Antwort auf diese Fragen ist unglaublich einfach: Es gibt sie nicht, weder für perfekte Gesichter noch für perfekte Körper! Und doch glauben vermehrt Jugendliche und junge Menschen an die Existenz einer solchen Norm. Früher waren es „nur“ Plakate, Medien und Hochglanzmagazine, die uns eine makellose Welt der Schönheit vorgegaukelt haben. Danach kamen TV-Sendungen wie Germany´s oder Austria´s Topmodel (seit 2007) und außerdem – mittlerweile nicht mehr wegzudenken – sind es inzwischen vermehrt Portale wie Facebook, Instagram, Snapchat und Tik Tok, die manche von uns in die Irre führen, wenn es um „wahre“ (oder vielleicht die Ware?) Schönheit geht.

Selbstverständlich sind es nicht nur junge Menschen, die Spritzenbehandlungen oder auch Operationen über sich ergehen lassen, um besser auszusehen, wir alle kennen genug Bilder von Damen und Herren mittleren Alters, die sich Gesichter liften, Falten mit Botox wegspritzen oder auch Haare implantieren lassen. Wer diese Eingriffe scheut, zeigt zumindest ein jüngeres Gesicht mithilfe eines Filters am Handy – auch so gelingt es, aus einem 50-jährigen Gesicht ein 30-jähriges zu machen. Einziger Nachteil: Dieses Gesicht hat mit dem echten wenig zu tun, man erkennt die Fälschung ziemlich leicht. Und es hat Auswirkungen auf die Persönlichkeit, da man sich vor allem selbst belügt.

Gerade ist es in Mode – und ich bleibe dabei beim Gesicht –, sich die Nase zu verkleinern, die Wangen zu vergrößern oder auch die Lippen aufspritzen zu lassen. Bei Erwachsenen denke ich, dass sie für sich selbst verantwortlich sind, bei Jugendlichen würde ich Ärtzte­ bzw. Ärztin­nen mehr in die Pflicht nehmen. Denn die Folgen sind fatal. Das Gesicht wird total verändert und künstlich – abgesehen davon auch vereinheitlicht.

Die Reicheren unter uns lassen solche Eingriffe hier in Europa durchführen. Wenn allerdings das Geld nicht ausreicht, gibt es auch die billigere Variante: Man fliegt beispielsweise nach Istanbul, um sich dort die Nase an eine wie aus dem Prospekt angleichen zu lassen.

Doch wo bleibt die Individualität? Nasen werden zu „Einheitsnasen“, die alle gleich aussehen, Lippen werden künstlich vergrößert und Falten müssen weg! Durch diesen Trend fehlt die Vielfalt der Gesichter, aber auch der Körper.

Weshalb sind so viele Menschen so unzufrieden mit sich und ihrem Erscheinungsbild? Das muss wohl einerseits mit unserer Einstellung, andererseits mit dem ständigen ungesunden Vergleichen zu tun haben. Dieser Frage werde ich in diesem Buch noch detaillierter nachgehen. Selbstverständlich entsteht diese Unzufriedenheit vermehrt, wenn man diesen Bildern nachzueifern versucht und sich ständig in Portalen mit anderen vergleicht. Anstatt herauszuarbeiten, was man an sich mag, gibt es ausschließlich den Blick auf jene Stellen, die nicht übereinstimmen mit jenen der „perfekten“ Außenwelt. Und hier gehört angesetzt, indem mehr gestärkt wird, und zwar von klein auf, aber auch Diversität ihren festen Platz in unserer Gesellschaft hat.

Echte Welt

In der echten Welt, also auch bei einer Vielzahl meiner Klienten und Klientinnen, erlebe ich genau das.

Eine enorme Unzufriedenheit mit dem eigenen Gesicht oder/und dem eigenen Körper. Ganz bestimmt hat das mit meinem Schwerpunkt in der Psychotherapie, nämlich dem ungesunden Essverhalten und den damit verbundenen Essstörungen, zu tun. Viele Jugendliche, aber auch Erwachsene, die in die Therapie kommen, zeigen genau das: Sie mögen sich selbst nicht. Sie sehen nur Negatives – in Verbindung mit dem eigenen Körper oder Gesicht – und bezeichnen es sogar als „Makel“ oder „Problemzonen“. Das eigentliche Problem ist aber: Ich kann es nicht verstehen und auch nicht sehen – weder Makel noch Problemzonen. Gleichzeitig möchte ich sie ganz ernst nehmen, muss es daher oft auch hinterfragen. Sonst wäre ich wohl nicht wirklich authentisch. Ich sehe meist wunderschöne Menschen mit tollen Proportionen, schlanken Körpern und schönen Gesichtern.

Wo kommen diese Zweifel eigentlich her?

Bei vielen Klientinnen und Klienten sind sie tief verwurzelt, das heißt, sie beschäftigen sich schon lange mit dem Gedanken, dass etwas an ihnen nicht schön ist, nicht passt oder auch zu groß/zu klein oder nicht gut geformt ist. Beziehungsweise, dass sie als ganze Person nicht passen, nicht schlank genug oder auch groß genug sind.

Die andere Gruppe sind jene, die sich zwar als Kind noch wirklich gemocht haben, aber mit der Zeit immer strenger wurden und mit dem Alter der Veränderung in Richtung Jugendliche/r kritische Stimmen in sich hörten. Und diese kritischen Stimmen können ganz schön laut werden und die jungen Menschen ganz schön verunsichern.

Auf meine Frage, was sie an sich mögen, reagieren viele mit meist langem Schweigen. Als Antwort werden dann oft – wenn überhaupt – die Haare oder die Augen beziehungsweise die Augenbrauen angeführt. Manchmal sind es die Hände, mit denen sich Menschen anfreunden können. Viel mehr allerdings nicht. Doch auch in Schulen, bei meiner Präventionsarbeit, habe ich gerne diese Frage gestellt: Was Schülerinnen und Schüler an sich mögen? Oftmals kam die Gegenfrage: „Warum fragst du uns nicht, was wir nicht mögen, das wäre leichter zu beantworten?“ Das zeigt uns ein ausgeprägt kritisches Selbstbild, dem viele Menschen unterliegen.

Wünschenswerte Welt

Ich wünsche mir eine Welt, in der sich Menschen so mögen, wie sie sind, mit all ihren Facetten. Die Betonung liegt hier auf dem Wort „mögen“! Diese Betonung ist mir deshalb so wichtig, weil die meisten Menschen kritisch genug sind. Es geht also darum, zumindest für eine Zeitspanne – am besten lebenslang – den Fokus auf das Positive zu richten. Wenn Sie jetzt einwenden möchten, dass man mit dieser Sichtweise eingebildet oder abgehoben wird, dann sehe ich das nicht so. Man kann auch das Positive an sich schätzen, ohne überheblich zu sein. Eine realistische Sichtweise beinhaltet Positives wie Negatives.

Wobei wir an Verhaltensweisen oder Charakterzügen arbeiten können, Äußeres – wie beispielsweise Körperbau oder Größe – aber eben nicht verändern können. Damit gilt es, sich liebevoll zu arrangieren. Hier liegt die Betonung auf „liebevoll“. Weshalb? Weil ich Menschen erlebe, die sich wegen 5 cm an fehlender Körpergröße jahrelang wahnsinnig machen, anstatt es zu akzeptieren. Oder auch ob des Körperbaus, breite Schultern sind eben breite Schultern. Diese Dinge sollten bei keinem Menschen eine Krise auslösen, da man weder Körpergröße noch Körperbau ändern kann.

Wünschenswert wären Menschen mit gut ausgeprägtem Selbstwert und Selbstbewusstsein. Damit meine ich keine Überheblichkeit, sondern ein gesundes Maß an Selbsteinschätzung. Ein stabiles Inneres, das uns stärkt und Halt gibt. Im Idealfall kommen wir als Wunschkind auf die Welt und bilden in den ersten Jahren ein komfortables Ich aus, das uns gut durch Kindheit und Jugend, aber auch durch das gesamte Leben trägt. Wenn ein Kind auch noch in einem geschützten und geborgenen Raum um sich in einer Familie oder mit engen Bezugspersonen aufwachsen kann, in der es wertgeschätzt und ernst genommen wird, dann hat es meist einen gut ausgeprägten Selbstwert, der es auch sicher durch die weiteren Jahre bringt. Die Persönlichkeit würde auch durch die sozialen Medien nicht so ins Wanken geraten, wie es oftmals der Fall ist. (Das gilt zumindest in den meisten Fällen, denn es gibt auch in bester Wertschätzung aufgewachsene Menschen, die dennoch psychische Probleme mit sich „herumschleppen“.)

Da dieses Wunschbild aber manchmal auch nicht der Realität entspricht, kann es gut sein, dass Menschen im Rahmen der Psychotherapie „nachgenährt“ werden könnten. Anstatt der Selbstzweifel entwickeln sich dann ein gesundes Selbstvertrauen und eine stabile Persönlichkeit.

 

 

TEIL 1

BITTE NEHMEN SIE AM SESSEL DER PSYCHOTHERAPEUTIN ODER DES PSYCHOTHERAPEUTEN PLATZ

 

Um von der künstlichen in die echte, vielleicht sogar wünschenswerte Welt zu gelangen, kann eine Psychotherapie ein sehr gutes Angebot sein. Doch viele Menschen scheuen davor zurück, nicht selten aus Unkenntnis darüber, was eine Psychotherapie ist und was sie zu leisten vermag. Und viele, die sich vielleicht mit dem Gedanken tragen, einen solchen Weg zu gehen, haben dazu eine ganze Reihe von Fragen. Die wichtigsten, typischsten sollen hier zunächst beantwortet werden.

Aus vielen Fragen werden somit Antworten.

 

Was genau ist Psychotherapie?

Oft sind Menschen bereits über einen längeren Zeitraum mit einem oder auch mehreren psychischen Problemen beschäftigt, die sie vielleicht nicht einmal selbst richtig benennen können. Sie stellen Überlegungen an, haben oft auch Zweifel, wissen nicht wirklich, was los ist, mit ihnen los ist. Sie wissen nur, irgendetwas stimmt nicht oder fühlt sich nicht gut an, doch sie können es nicht einordnen, geschweige denn verändern. Sie denken oft monate-, wenn nicht jahrelang darüber nach, ohne sich jemandem anzuvertrauen.