Cheeky Room Mate - Claire Kingsley - E-Book

Cheeky Room Mate E-Book

Claire Kingsley

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Beschreibung

Diese Wohngemeinschaft war die schlechteste Idee, die ich je hatte!

Kendra ist unordentlich, ungeschminkt und trägt Zuhause dauernd Pyjamahosen und hat zerzauste Haare. Und dann hat sie auch noch versucht sich mit meinem One-Night-Stand anzufreunden und sie überredet zum Frühstück zu bleiben. Aber so etwas gibt es bei mir nicht. Ich date nicht. Ich benutze keine Worte wie "Freundin" oder ich schreibe ihnen später schnulzige SMS. Beziehungen und Gefühle sind nichts für mich. Mich gibt es für eine Nacht und danach bin ich weg. Ich halte die Leute auf Distanz und ich habe meine Gründe dafür. Und damit lebe ich ganz wunderbar.

Aber als mir plötzlich mein ganzes Leben um die Ohren fliegt, gibt es nur eine Person, die für mich da ist: Kendra ...

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Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Diese Wohngemeinschaft war die schlechteste Idee, die ich je hatte …

Kendra ist unordentlich, ungeschminkt und trägt Zuhause dauernd Pyjamahosen und hat zerzauste Haare. Und dann hat sie auch noch versucht sich mit meinem One-Night-Stand anzufreunden und sie überredet zum Frühstück zu bleiben. Aber so etwas gibt es bei mir nicht.

Ich date nicht. Ich benutze keine Worte wie »Freundin« oder ich schreibe ihnen später schnulzige SMS. Beziehungen und Gefühle sind nichts für mich. Mich gibt es für eine Nacht und danach bin ich weg. Ich halte die Leute auf Distanz und ich habe meine Gründe dafür. Und damit lebe ich ganz wunderbar.

Aber als mir plötzlich mein ganzes Leben um die Ohren fliegt, gibt es nur eine Person, die für mich da ist: Kendra …

Über Claire Kingsley

Claire Kingsley schreibt Liebesgeschichten mit starken, eigensinnigen Frauen, sexy Helden und großen Gefühlen.

Sie kann sich ein Leben ohne Kaffee, ihren Kindle und all den Geschichten, die ihrer Fantasie entspringen, nicht mehr vorstellen. Sie lebt im pazifischen Nordwesten der USA mit ihrem Mann und ihren drei Kindern.

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Claire Kingsley

Cheeky Room Mate

Weston und Kendra

Aus dem Englischen übersetzt von Kerstin Fricke

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

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1: Kendra

2: Weston

3: Kendra

4: Weston

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26: Weston

27: Kendra

28: Weston

29: Kendra

30: Weston

31: Kendra

32: Kendra

33: Epilog: Weston

Impressum

1: Kendra

Die frühe Morgensonne glitzert auf der Motorhaube meines Wagens, und ich richte meine Sonnenbrille. Es ist ein wunderschöner Tag für eine Spazierfahrt, und das ist gut, denn ich habe eine lange Fahrt vor mir. Ich habe ein tolles Wochenende hinter mir, das ich mir eigentlich gar nicht leisten konnte. Aber ich konnte es mir auch nicht leisten, nicht zu fahren. Schließlich versuche ich ja gerade, meinen eigenen Weg zu gehen.

Mein Handy teilt mir mit einem Ping mit, dass ich eine Nachricht bekommen habe, und ich wische über das Display. Sie ist von Mia, der Verlobten meines Bruders Alex.

Mia: K-Law! Bist du schon zu Hause?

Ich muss grinsen, als ich den Spitznamen lese, den sie mir gegeben hat. Mein Nachname lautet Lawson, und Mia hat sich ganze fünf Minuten lang kaputtgelacht, als ihr der Spitzname eingefallen ist. Wahrscheinlich hat sie auch beim Schreiben der Nachricht gelacht. Seitdem sie mit meinem Bruder zusammen ist, gehört Mia zu meinen engsten Freunden. Sie wirkt ein bisschen unbeholfen, aber wenn man sie erst einmal besser kennengelernt hat, merkt man, wie großartig und toll sie ist. Alex hat eine gute Wahl getroffen.

Ich tippe auf das Display, um sie zurückzurufen. Sie telefoniert nicht gern, aber ich kann schließlich nicht gleichzeitig fahren und schreiben. Außerdem langweile ich mich und werde noch mindestens eine Stunde unterwegs sein. Daher sollte sie besser rangehen.

Es klingelt einmal. Zweimal. Komm schon, Mia. Das Telefon wird dich schon nicht beißen. Dreimal.

»Warum rufst du mich an, Kendra? Du weißt doch, dass ich mein Handy dafür nicht benutze.«

Ich lache auf. »Ich sitze am Steuer und kann nicht zurückschreiben, Mi.«

»Ist ja schon gut.« Sie stöhnt kurz auf. »Wie war dein Wochenende?«

»Gut«, antworte ich. »Ich habe ein paar tolle neue Kontakte geknüpft.«

»Das ist ja super«, erwidert sie. »Wie sieht es mit neuen Klienten aus?«

»Da gibt es noch keine festen Zusagen«, sage ich. »Aber ich habe viele neue Namen und Kontaktdaten. Außerdem ist es sehr hilfreich, dass ich Lexi Logans Lektorin bin.«

»Ja, das kann ich mir vorstellen.«

Alex schreibt insgeheim unter dem Pseudonym Lexi Logan Liebesromane. Ich habe ihm dabei geholfen, seine Bücher bekannt zu machen, und war von Anfang an seine Lektorin. Eine Zeitlang war ich die Einzige, die über sein Doppelleben Bescheid wusste. Heute besteht Team Lexi aus mir, Mia und unserem Bruder Caleb. Die meisten Leute denken, Alex wäre Berater und würde von zu Hause arbeiten.

Ich habe am College Englisch studiert und arbeite seit meinem Abschluss als Lektorin. In meinem letzten Job habe ich hauptsächlich Sachbücher für einen kleinen Verlag lektoriert. Doch dann stellte ich fest, dass mir die immer gleich klingenden Ratgeber zum Hals raushingen, und habe gekündigt.

Diese Entscheidung fiel mir nicht leicht, und ich habe sie lange vor mir hergeschoben. Aber mein Chef war ein Idiot, und mal ganz im Ernst, wer hat dafür schon Nerven? Ich werde nicht jünger, und ich hatte beschlossen, dass es Zeit war, die Kontrolle über mein Leben zu übernehmen.

Meine Brüder haben mir beide ganz schön den Kopf gewaschen, als ich ihnen davon erzählte. Alex wollte wissen, wie viel Geld ich gespart hatte (nicht viel). Caleb fragte, ob ich einen Businessplan hätte (eigentlich nicht). Ich weiß nur, dass ich gern Romane lektoriere und dass ich das Risiko eingehen und das tun muss, was ich liebe.

Aus diesem Grund auch die Wochenendreise. Ich war auf einer Autorenkonferenz in Portland, etwa vier Stunden von zu Hause entfernt. Das war nicht billig, vor allem, weil ich drei Hotelübernachtungen bezahlen musste. Aber dadurch bekam ich die Gelegenheit, sehr viele Autoren kennenzulernen und meinen Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Denn ich brauche dringend mehr Klienten, und zwar schnell. Mein Ruf als Lexis Lektorin ist zwar sehr hilfreich, aber davon kann ich noch lange nicht meine Miete bezahlen.

»Was ist aus deinem Mitbewohnergesuch geworden?«, erkundigt sich Mia. »Hatte sich darauf nicht jemand gemeldet?«

Eine Mitbewohnerin zu suchen steht ganz oben auf meiner Liste der Dinge, die mir helfen können, über die Runden zu kommen.

»Wen meinst du?«, will ich wissen. »Die Wahrsagerin, die ihre Dienste von meinem Wohnzimmer aus anbieten wollte? Oder die Collegestudentin, die fragte, ob es okay wäre, wenn ich freitagsabends immer das Haus verlasse, damit sie Partys schmeißen kann? Oder die Kettenraucherin?«

»Das ist die Auswahl?«, fragt sie.

»Sieht ganz danach aus. Zum Glück gibt es da noch jemanden.«

»Ach ja? Wen denn?«

»Eigentlich weiß ich noch nicht viel über sie«, gebe ich zu. »Es hat sich erst kürzlich ergeben, aber sie ist eine Bekannte von Caleb. Ich kenne noch keine Details. Er hat mich Freitag angerufen, als ich gerade das erste Panel bei der Konferenz besuchen wollte. Er meinte, jemand aus dem Kollegenkreis würde vorübergehend eine Unterkunft suchen. Wahrscheinlich nur für ein paar Monate, müsse aber sofort umziehen. Und wenn Caleb sie empfiehlt, muss sie doch eigentlich ganz in Ordnung sein, oder nicht?«

»Da hast du recht«, stimmt mir Mia zu. »Klingt doch super.«

»Ja, das finde ich auch«, erwidere ich. »Ein bisschen überstürzt, aber was soll schon passieren? Es ist nicht für lange, und so bekomme ich die Gelegenheit, jemanden zu finden, der längerfristig bei mir wohnen will. Oder meine Freiberuflerkarriere kommt richtig in Fahrt und ich brauche keine Mitbewohnerin mehr.«

»Das wäre ja noch viel besser«, meint Mia. »Wo wir gerade dabei sind, ich habe allen Autoren, die ich kenne, von dir erzählt. Möglicherweise brauchen ja ein paar von denen eine neue Lektorin.«

»Danke, Mia, das weiß ich wirklich zu schätzen«, sage ich. Mia ist eine bekannte Liebesroman-Bloggerin und hat sehr viele Kontakte.

»Ist doch selbstverständlich«, meint sie. »Und, wann zieht deine neue Mitbewohnerin ein?«

»Ich glaube, sie ist schon eingezogen«, antworte ich.

»Wow«, murmelt Mia. »Du bist viel mutiger als ich. Ich könnte nie jemanden bei mir einziehen lassen, den ich noch nie gesehen habe.«

»Ach, wenn Caleb sie kennt, wird sie schon in Ordnung sein«, erkläre ich. »Wer weiß, vielleicht steht Caleb sogar auf sie. Das wäre doch witzig, oder nicht?«

»Oh, ich wäre vor Glück außer mir«, gibt sie zu. »Caleb braucht wirklich jemanden an seiner Seite. Solange sie gut für ihn ist.«

»Na, so bekomme ich die Gelegenheit, es herauszufinden«, sage ich. »Das ist doch perfekt.«

»Absolut«, stimmt sie mir zu. »Du musst mir alles über sie erzählen.«

»Wird gemacht«, verspreche ich. »Ich bin noch etwa eine Stunde unterwegs und haue mich vermutlich erst mal aufs Ohr, wenn ich nach Hause komme. Ich bin um fünf aufgestanden, um möglichst früh loszufahren.«

»Puh«, meint sie. »Okay, aber halt mich auf dem Laufenden.«

»Das mache ich.«

Ich lege auf und drehe die Musik lauter. Allmählich werde ich ein bisschen müde, aber ich möchte nicht anhalten, sondern direkt nach Hause fahren. Ich bin die letzte Nacht extra noch geblieben, um am Get- together an der Hotelbar teilzunehmen, aber deswegen musste ich heute sehr früh aufstehen. Es ist Montag, und ich muss morgen ein Manuskript abgeben. Es geht an einen meiner neuen Klienten, und ich will den Termin auf jeden Fall einhalten.

Eine Stunde später parke ich vor meinem Zuhause. Ich wohne in einem kleinen Haus mit drei Zimmern im Cottage-Stil in der Nähe von Sand Point. Es ist nicht besonders groß, aber ich brauche auch nicht viel Platz. Da es 1910 gebaut wurde, ist es voller entzückender Details wie kleinen Schränken, schönem Stuck und den original Parkettböden. Allerdings knarrt es hier und da ein wenig, und die Liste der Reparaturen wird immer länger. Doch ich liebe mein kleines Heim.

In der Auffahrt steht ein schicker schwarzer Mercedes. Wow. Ich interessiere mich nicht für Autos, gehe aber davon aus, dass das hier nicht billig war. Caleb ist Chirurg; vielleicht ist meine neue Mitbewohnerin ja auch Ärztin. Das würde den Wagen erklären. Eigentlich ist mir auch egal, was für einen Wagen sie fährt. Wenn sie schöne Dinge mag, ist sie vielleicht auch ein ordentlicher Mensch.

Ich nehme meine Reisetasche vom Rücksitz und gehe hinein, wobei ich darauf achte, nicht so viel Lärm zu machen, schließlich ist es noch sehr früh. Ich habe keine Ahnung, was sie für Arbeitszeiten hat. Wenn es bei ihr so ist wie bei Caleb, dann muss sie zu ungewöhnlichen Zeiten los, und ich will sie nicht wecken, falls sie noch schläft.

Nachdem ich meine Tasche abgestellt und mich auf den Weg in die Küche gemacht habe, bin ich mir schon nicht mehr sicher, ob das mit dem Nickerchen eine gute Idee ist. Was ich wirklich brauche, ist Kaffee, um genug Energie für den restlichen Tag zu bekommen. Dafür gehe ich dann heute Abend früher ins Bett.

Die Bodendielen hinter mir knarren, und ich drehe mich erschrocken um.

»Entschuldigung«, sage ich. »Du hast mich erschreckt.«

Eine Frau mit wasserstoffblonden Haaren und riesigen Brüsten starrt mich mit offenem Mund an. Offensichtlich habe ich sie ebenfalls erschreckt.

»Hey.« Ich schenke ihr ein Lächeln. »Ich bin Kendra. Freut mich, dich kennenzulernen.«

»Ich bin Lana«, stellt sie sich vor und zieht die Augenbrauen zusammen, als wäre sie verwirrt.

»Das ist ein hübscher Name«, erwidere ich. »Ich war mir nicht sicher, ob Caleb mir deinen Namen genannt hat, was sich jetzt komisch anhören wird, aber ich konnte zu dem Zeitpunkt nicht länger mit ihm telefonieren. Diese ganze Mitbewohnergeschichte ging so schnell.«

»Oh«, murmelt sie, und ihre Miene hellt sich auf. »Mitbewohner.«

»Genau.« Ich sehe mich um, weil ich mir nicht sicher bin, was sie damit meint. Wer soll ich denn sonst sein? »Ich koche mir gerade einen Kaffee, weil ich so früh aufgestanden bin und sonst heute nichts auf die Reihe kriegen werde. Möchtest du auch einen?«

»Gern«, antwortet sie. »Klingt super. Ich habe letzte Nacht auch nicht viel Schlaf bekommen.«

»Das ist aber schade.« Ich gebe etwas Kaffeepulver in die Maschine. »Das Haus knarrt an manchen Stellen, aber daran wirst du dich schon gewöhnen. Inzwischen bemerke ich es nicht mal mehr.«

»Hmm.« Sie setzt sich an meinen kleinen Küchentisch.

Ich hole zwei Tassen aus dem Schrank und lehne mich an die Arbeitsplatte, während der Kaffee durchläuft. Dabei versuche ich, möglichst cool zu wirken, während ich sie gründlich in Augenschein nehme. Ihre langen, manikürten Fingernägel sind pink lackiert. Sie trägt ein bauchfreies weißes Oberteil, auf das glänzende rote Lippen gedruckt sind, und eine Skinny-Jeans mit hoher Taille. Ich werfe einen Blick auf ihre Füße: knallrote Stilettos. Das ist ein merkwürdiges Outfit für diese Uhrzeit. Es wirkt eher wie etwas, das man zum Ausgehen anzieht, vielleicht steht sie nicht so auf bequeme Klamotten.

Der Kaffee ist durchgelaufen, und ich schenke uns beiden eine Tasse ein. »Milch und Zucker?«

»Ja, von beidem sehr viel«, antwortet sie.

Ich gebe Zucker und Milch in ihre Tasse und reiche sie ihr, um mich dann ihr gegenüber an den Tisch zu setzen.

Irgendwie fällt es mir schwer, sie mir an Calebs Seite vorzustellen. Selbst, wenn sie noch kein Paar sind, würde er sie attraktiv finden? Ihr Make-up ist etwas verschmiert und sieht aus, als hätte sie damit geschlafen, und sie ist stark geschminkt. Ihr blondes Haar wurde noch heller gebleicht, was man an den Haarwurzeln erkennen kann. Sie fährt mit einem manikürten Fingernagel über ihr Handydisplay, hat die Beine übereinandergeschlagen und wippt mit einem Fuß, als würde sie Musik hören. Auf mich macht sie nicht den Eindruck, als wäre sie Calebs Typ.

Nicht dass ich wirklich wüsste, was Calebs Typ eigentlich ist. Mein Bruder hat sehr jung, noch während seines Medizinstudiums geheiratet, aber seine Frau ist tragischerweise wenige Monate nach der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter Charlotte bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Das war vor fünf Jahren, und vor Kurzem ist mein Bruder mit meiner Nichte von Houston zurück nach Seattle gezogen, um näher bei der Familie zu sein.

Möglicherweise steht Caleb auch gar nicht auf diese Frau, denn er achtet genau darauf, wen er Charlotte vorstellt. Und diese Lana scheint keine Frau zu sein, mit der man bei seiner Tochter punkten kann.

Aber was weiß ich denn schon? Ich muss mir eingestehen, dass ich gerade entsetzlich voreingenommen bin. Doch ich kann es nicht ändern, dass sie auf mich den Eindruck eines Flittchens macht. Natürlich könnte sie auch unglaublich klug sein und nur einen seltsamen Modegeschmack haben. Da Caleb aber von jemandem aus dem Kollegenkreis sprach, muss sie im Krankenhaus arbeiten.

»Was machst du beruflich, Lana?«, erkundige ich mich.

»Ich arbeite bei Cowgirls Inc.«, antwortet sie. »Das ist eine Bar in der Innenstadt.«

Ich starre sie irritiert an. »Ja, von der habe ich schon gehört.« Das ist merkwürdig. Wie kann jemand, der in einer Bar arbeitet, Calebs Kollegin sein? »Bist du Barkeeperin?«

»Nein, Tänzerin«, erwidert sie.

Jetzt fehlen mir wirklich die Worte. Meint sie damit Stripperin? Aber ich habe Cowgirls Inc. nicht als Stripclub in Erinnerung. »Ach ja? Und, wie ist das so?«

»Oh, es macht Spaß«, erläutert sie. »Ich tanze meist auf der Bar, und das ist gut, weil ich viel Trinkgeld kriege, sie mich aber nicht anfassen dürfen. Außerdem muss ich mich so nicht ganz ausziehen. Das ist viel stilvoller.«

Sie scheint sehr zufrieden mit sich zu sein. Das ist eine der seltsamsten Unterhaltungen, die ich seit langer Zeit geführt habe. Wo hat Caleb sie kennengelernt? Ich kann mir schlichtweg nicht vorstellen, dass er überhaupt in Bars geht. Es fällt ihm schon schwer genug, ein gutes Kindermädchen zu finden, dass während seiner Arbeitszeit auf Charlotte aufpasst. Ich habe keine Ahnung, wie er da noch ausgehen sollte.

Ich klappe den Mund auf, um sie zu fragen, woher sie meinen Bruder kennt, als die Tür des hinteren Schlafzimmers geöffnet wird und jemand den Flur entlangkommt. Mein Herz setzt einen Schlag aus, und ich merke, dass ich mein Gegenüber (Verwirrend? Gegenüber ist die Frau am Küchentisch, s. O.) anstarre – aber ich kann einfach nicht anders.

Ein großer Mann mit einem ausgesprochen ansehnlichen Körper betritt die Küche in nichts als dunkelblauen Boxershorts. Er blinzelt mehrmals schläfrig und gähnt. Ich kann nicht aufhören zu starren: kräftiges, markantes Kinn, volle Lippen, durchdringende graue Augen. Mein Blick wandert über seine breite Brust und seine sich deutlich abzeichnenden Bauchmuskeln, die auf ein Zeitschriftencover gehören würden, bis hin zu der Wölbung in seiner Unterhose.

Dann wende ich den Blick ab und zwinge mich, ihm ins Gesicht zu sehen, während ich spüre, wie mir das Blut in die Wangen schießt. Ich habe gerade seinen Penis angestarrt, und seine Miene gibt mir zu verstehen, dass ihm das nicht entgangen ist.

Verdammt, ich gaffe den Freund meiner brandneuen Mitbewohnerin an.

»Oh, tut mir leid«, stoße ich hervor. »Mir war nicht bewusst, dass du Besuch hast. Das ist natürlich in Ordnung, ich hätte nur nicht damit gerechnet …«.

Ich rede nicht weiter, weil mir nichts einfällt, was ich noch sagen könnte, während ich diesen scharfen Kerl anstarre, der in meinem Haus steht. Verdammt, wieso muss meine Mitbewohnerin einen so heißen Freund haben? Das könnte echt peinlich werden.

Der Unbekannte und ich machen gleichzeitig den Mund auf und klappen ihn wieder zu. In diesem Augenblick klingelt mein Handy. »Entschuldigt, lasst mich kurz nachsehen, wer das ist.« Ich schnappe mein Handy und sehe aufs Display. Es ist Caleb. »Das ist mein Bruder. Bin gleich wieder da.« Hoffentlich kann Caleb mir helfen, diese seltsame Situation besser zu verstehen.

2: Weston

Der Duft von Kaffee weckt mich.

Ich recke mich und und werfe einen Blick über die Schulter auf die andere Bettseite. Sie ist leer. Das ist gut. Denn das hätte mir gerade noch gefehlt, dass Laura sich heute Morgen noch mit mir unterhalten will. Möglicherweise hätte ich zum Abschied noch ein weiteres Mal mit ihr geschlafen, aber eigentlich stehe ich nicht so auf Sex am Morgen. Was vor allem daran liegt, dass ich so gut wie nie eine Frau bei mir übernachten lasse. Letzte Nacht bin ich in der Hinsicht zu faul gewesen. Nach dem zweiten Ritt bin ich eingeschlafen, ohne ihr vorher zu sagen, dass sie sich verziehen soll. Als sie dann neben mir schlief, habe ich sie nicht geweckt, auch wenn mich die leise Stimme in meinem Hinterkopf gewarnt hat, dass ich es heute Morgen bereuen würde.

Bereue ich es? Das wird sich zeigen und hängt davon ab, wie lange es dauert, sie loszuwerden.

Aber warum in aller Welt riecht es nach Kaffee?

Ich werde langsam wach und strecke mich noch einmal. Sie steht doch nicht in der Küche und kocht Kaffee, oder? Ich werde mich auf gar keinen Fall mit einer Tasse Kaffee mit Linda zum Plaudern hinsetzen. Oder hieß sie Lena? Verdammt, ich kann mich nicht erinnern, und eigentlich ist es mir auch egal.

Die Bodendielen im Nebenraum knarren, als würde jemand herumgehen. Dieses Haus ist nicht ganz so, wie Caleb es mir beschrieben hat. Als er sagte, dass seine Schwester Kendra einen Mitbewohner sucht, meinte er, sie würde in einem charmanten alten Haus in Sand Point wohnen. Offenbar ist meine Definition von charmant anders als seine, denn diese Bude fällt praktisch auseinander. Die Bodendielen knarren, es zieht wie Hechtsuppe, und nachts wird es eiskalt. Kendra wird hier einiges investieren müssen.

Aber ich gehe ohnehin nicht davon aus, dass ich hier lange wohnen werde. Das ist nur eine vorübergehende Lösung, während mein Haus umgebaut wird. Die Arbeiten daran werden immer umfangreicher und verzögern sich ständig. Ich habe die letzten Wochen in Hotels gelebt, und habe jetzt einfach keine Lust mehr darauf. Als ich mich bei Caleb darüber beschwerte, dass es so nicht weitergehen kann, erwähnte er seine Schwester. Anscheinend sucht sie ein Mitbewohner, doch bis jetzt haben sich nur seltsame Gestalten bei ihr gemeldet. Er hat sie sofort angerufen, und sie meinte, ich könnte gleich am nächsten Tag einziehen. Das schien mir die perfekte Lösung zu sein.

Caleb hat sich Samstagmorgen hier mit mir getroffen, um mir beim Einzug zu helfen, aber Kendra war nicht da, übers Wochenende nicht in der Stadt oder etwas in der Art. Das Haus ist klein, und es gibt nur ein Badezimmer. Aber ich habe mich ganz gut eingerichtet, und es war nett, alles eine Weile für mich allein zu haben. So hatte ich die Gelegenheit, hier anzukommen, ohne auf eine Frau Rücksicht nehmen zu müssen.

Stimmen dringen durch den Flur zu mir herüber. Unterhält sich Lisa mit jemandem? Oder heißt sie Lana? Wie zum Henker ihr Name auch lauten mag, entweder spricht sie mit jemandem oder sie hat den Fernseher eingeschaltet. Ich höre eindeutig eine zweite Frauenstimme.

Oh, verdammt. Ist das meine Mitbewohnerin?

Ich stehe auf und ziehe mir Boxershorts über. Hoffentlich sitzt Lauren nicht auf der Couch und bildet sich ein, sie könnte den ganzen Tag hierbleiben.

Während ich mir den Schlaf aus den Augen blinzele und mir mit einer Hand durchs Haar fahre, laufe ich durch den Flur und bleibe wie erstarrt stehen.

Zwei Frauen sitzen an dem schäbigen Küchentisch. Eine ist die von letzter Nacht. Glücklicherweise hat sie was an, aber sie hat die Beine übergeschlagen und eine Tasse Kaffee in der Hand.

Bei der anderen Frau muss es sich um Kendra handeln. Sie sieht aus wie Caleb. Braune Augen, leicht mandelförmig. Ich kann nicht erkennen, wie groß sie ist, aber sie ist schlank – möglicherweise sogar dünn. Aber ihr Haar … Sie hat es zu einem lässigen Dutt hochgesteckt, aus dem überall Haare herausstehen. Gab es dort, wo sie heute Morgen aufgewacht ist, keinen Spiegel? Großer Gott!

Sie starrt mich unter hochgezogenen Augenbrauen an und bildet mit den Lippen ein kleines „o“. Ihr Blick wandert von meinem Gesicht zu meiner Brust. Und weiter nach unten. Als er im Schritt ankommt, sieht sie mir plötzlich wieder ins Gesicht und hat die Augen leicht aufgerissen. Ich blicke an mir herunter. Vielleicht hätte ich mir doch etwas anziehen sollen. Aber ich bin noch gar nicht richtig wach und begreife nicht, warum die Mitbewohnerin mit meiner Zufallsbekanntschaft von letzter Nacht in der Küche sitzt und Kaffee trinkt. Was zum Teufel ist hier los?

»Oh, tut mir leid«, sagt sie. »Mir war nicht bewusst, dass du Besuch hast. Das ist natürlich in Ordnung, ich hätte noch nicht damit gerechnet …«.

Was soll das bedeuten, ihr wäre nicht bewusst, dass ich Besuch habe? Was glaubt sie denn, wer da bei ihr am Tisch sitzt? Soweit ich weiß, lebt hier doch keine dritte Person.

Und falls dem doch so ist und es sich dabei zufälligerweise um die Kleine handelt, mit der ich letzte Nacht geschlafen habe, dann ziehe ich sofort wieder aus.

Kendra und ich fangen gleichzeitig an zu reden, aber bevor wir uns einig werden können, wer zuerst reden sollte, klingelt ihr Handy.

»Entschuldigt, lasst mich kurz nachsehen, wer das ist.« Sie greift nach ihrem Handy und sieht aufs Display. »Das ist mein Bruder. Bin gleich wieder da.«

Ich lehne mich neben die Küchentür an die Wand und warte.

»Hey. Ja, ich bin zu Hause. Entschuldige, ich unterhielt mich gerade mit … Was? Nein, ich habe sie schon kennengelernt. Ja, sie.« Kendra kniff die Augen zusammen und sieht mich wieder an, dann steht sie auf und geht ein Stück weit ins Wohnzimmer. Nicht dass es einen Unterschied machen würde, denn ich kann sie immer noch hören. »Was? Augenblick mal! Weston? Ich dachte … Caleb, warum hast du denn nicht … Oh.« Sie lacht auf und wirft mir abermals einen Blick zu. »Mann, echt witzig. Nein, seine Freundin ist hier, und ich dachte tatsächlich, sie wäre … Ja, ganz genau.«

Beim Wort Freundin zieht sich mir der Magen zusammen. Bring die Kleine bloß nicht auf irgendwelche Ideen.

»Selbstverständlich hat er eine Freundin; sie ist auch hier. Ja, hat er. Ich habe mich die letzten Minuten mit ihr unterhalten. Lana. Ja, seine Freundin. Großer Gott, Caleb, hörst du mir überhaupt zu? Ja, es ist alles okay, ist nur eine witzige Situation. Aber eigentlich ist es cool, denn so lerne ich sie gleich beide kennen; sie wird doch bestimmt häufiger hier sein.«

Ich räuspere mich, denn mein Hals ist auf einmal trocken und wie zugeschnürt. Das ist doch lächerlich. Sie wird häufig hier sein? Nein, ganz bestimmt nicht. Lola lächelt mich an und fährt sich mit der Zunge über die Lippen. Ganz offensichtlich kommt sie gerade auf völlig falsche Ideen. Es ist mir völlig egal, wie heiß sie ist, das Wort Freundin kommt in meinem Wortschatz nicht vor. Ebenso wenig wie verabreden oder Ich melde mich später. Mit all dem kann ich nichts anfangen.

Kendra redet noch immer – hört sie überhaupt nicht mehr auf? Und die Kleine, deren Namen ich vergessen habe, steht auf und kommt auf mich zu.

»Ich sollte besser gehen«, sagt sie und zwirbelt eine platinblonde Haarsträhne um einen Finger. »Melde dich, dann können wir das wiederholen.«

Ich werfe der Mitbewohnerin einen kurzen Blick zu. Sie hat endlich aufgelegt. »Wie du meinst, Lisa. Soll ich dir ein Taxi rufen?«

»Ich heiße Lana«, korrigiert sie mich und verschränkt die Arme vor der Brust.

Ich zucke mit den Achseln und gehe an ihr vorbei in die Küche. So langsam bekomme ich Kopfschmerzen. Ich brauche jetzt dringend einen Kaffee.

»Ist das jetzt dein Ernst?«, fragt Lana.

Ich öffne wahllos Schranktüren und finde im dritten Anlauf eine Tasse. Dann schenke ich mir Kaffee ein und werfe einen Blick über die Schulter. »Ja. Wir sind hier fertig. Falls du erwartet hast, dass ich dir Frühstück mache, bist du letzte Nacht mit dem falschen Kerl nach Hause gegangen.« Wo zum Teufel bewahrt Kendra den Zucker auf? Ich sehe im nächsten Schrank nach und entdecke eine kleine weiße Zuckerdose.

Lana schnauft wütend und stampft über den knarrenden Boden.

»Ich kann dir ein Taxi rufen, wenn du möchtest«, schlägt Kendra vor.

»Nein, ich rufe mir ein Uber«, erwidert Lana. Sie bleibt an der Haustür stehen. »Arschloch.«

»Es war schön, dich …« Die Tür fällt lautstark ins Schloss. »… kennenzulernen?«

Ich nehme die Milch aus dem Kühlschrank und gebe einen Schuss in meinen Kaffee.

»Wow, das war … interessant«, sagt Kendra.

Nach einem Schluck Kaffee drehe ich mich zu ihr um. »Was?«

»Du hast sie praktisch rausgeschmissen«, stellt sie fest. »Behandelst du deine Freundin immer so?«

»Nein, weil ich keine Freundin habe.«

»Oh«, murmelt Kendra und starrt mich anklagend an.

Ach, um Himmels willen. Ich lasse mir doch von dieser Vogelscheuche mit zerzaustem Haar keine Vorschriften machen. »Pass mal auf, es ist ein langes Wochenende, und heute ist mein freier Tag. Ich habe letzte Nacht nicht gerade viel geschlafen und euer kleines freundschaftliches Geplauder hat mich geweckt.«

»Da ist aber jemand ein Morgenmuffel«, stellt sie fest.

Ich massiere mir kopfschüttelnd die Nasenwurzel. »Ja, der bin ich, wenn ich eigentlich ausschlafen wollte und mir von meiner verdammt unhöflichen Mitbewohnerin irgendwelchen Blödsinn anhören muss.«

»Vielleicht würde dir deine verdammt unhöfliche Mitbewohnerin keinen Blödsinn erzählen, wenn du dich nicht wie ein Arsch benehmen würdest.«

Hat sie das gerade wirklich zu mir gesagt? Sie verschränkt die Arme vor den flachen Brüsten, mit denen sie vermutlich nicht einmal einen Sport-BH ausfüllen würde, und sieht mich trotzig an, während sie den Kopf schräg legt und eine Augenbraue hochzieht.

»Ich bin also ein Arsch? Nett.«

Sie lässt seufzend die Arme sinken. »Anscheinend haben wir einander auf dem falschen Fuß erwischt. Können wir noch mal von vorn anfangen?« Sie kommt auf mich zu und streckt eine Hand aus. »Hi, ich bin Kendra.«

Ich wechsle die Kaffeetasse in die andere Hand und schüttele ihre. »Weston.«

»So«, meint sie lächelnd. »Das war schon besser.«

»Was immer dich glücklich macht, Süße.« Ich gehe durch den Flur zurück zu meinem Zimmer. »Keine Sorge, ich werde nicht lange hier sein, und ich gehe dir nicht auf den Geist, wenn du mich auch in Ruhe lässt.«

Sie erwidert zum Glück nichts, und ich schließe meine Zimmertür hinter mir.

Was habe ich mir nur dabei gedacht? Das wird nie im Leben funktionieren. Es war ein Fehler, überhaupt hier einzuziehen.

3: Kendra

Das Tropfen der Kaffeemaschine und der Regen, der ans Fenster schlägt, sind die einzigen Geräusche in der Stille. So langsam werde ich müde, aber ich muss noch arbeiten. Darum der Kaffee, auch wenn es schon spät ist und ich weiß, dass ich danach nicht einschlafen kann.

Allerdings trinke ich ihn genau aus diesem Grund.

Es ist jetzt eine Woche her, seit Weston eingezogen ist, und ich habe noch nicht viel von ihm gesehen. Was mir ganz recht ist. Der Kerl ist wirklich ein Arsch. Glücklicherweise hatte er seitdem keinen Damenbesuch mehr. Als das Wochenende nahte, befürchtete ich schon, erneut eine wasserstoffblonde Tussi an meinem Küchentisch vorzufinden. Er war nicht oft zu Hause, aber ich weiß, dass er hier geschlafen hat – allein.

Ich habe keine Ahnung, was er macht, wenn er nicht hier ist. Es ist ja nicht so, als würde er von seinem Tag erzählen – oder überhaupt über irgendetwas reden. Er geht früh aus dem Haus, meist schon, bevor ich aufgestanden bin. Einen festen Feierabend scheint er nicht zu haben, denn er kommt irgendwann zwischen 16 und 22 Uhr nach Hause. Wenn er hier ist, geht er meist sofort direkt in sein Zimmer. An einem Abend, als er schon nachmittags zu Hause war, saß er tatsächlich für eine Weile mit seinem Tablet auf der Couch. Doch er hatte Kopfhörer auf und hat kaum ein Wort zu mir gesagt.

In vielerlei Hinsicht ist er gar kein schlechter Mitbewohner. Er macht keinen Lärm und lässt nur manchmal sein schmutziges Geschirr im Spülbecken stehen, isst aber nicht so oft hier, als dass ich deswegen etwas sagen müsste.

Aber es wäre schon nett, mit jemandem zusammen zu wohnen, der wenigstens ein bisschen nett ist. Aber nett ist Weston Reid ganz und gar nicht.

Ich atme laut aus und zwinge mich, wieder auf den Bildschirm zu sehen. Dieses Manuskript ist deutlich arbeitsintensiver als erwartet. Mein Kunde schreibt noch nicht lange, und das Grundgerüst seiner Geschichte ist gut, doch das Drumherum gleicht einer Katastrophe. Ich habe völlig unterschätzt, wie lange ich dafür brauchen würde.

Die Haustür geht auf, und Weston kommt herein. Er wirft seinen Schlüsselbund auf den kleinen Tisch neben der Tür und geht vorbei, ohne mich eines längeren Blickes zu würdigen.

Ich schüttele den Kopf und richte mein zu einem einfachen Knoten hochgestecktes Haar. Da ich das Haus heute nicht verlassen habe, sieht meine Frisur auch dementsprechend aus. Außerdem trage ich noch immer meine Schlafanzughose. Es ist ja nicht so, als müsste ich hier irgendjemanden beeindrucken.

Weston kommt einige Minuten später nur mit Unterwäsche bekleidet wieder zurück. Auch das ist nichts Neues. Der Kerl läuft ständig nur in Boxershorts herum. Ich bin hin- und hergerissen, ob ich ihn darum bitten soll, damit aufzuhören, oder ob es besser wäre, den Anblick einfach zu genießen. Arschloch oder nicht, er ist wirklich ein Hingucker. Wahrscheinlich steht er so früh auf, weil er noch ins Fitnessstudio geht, denn er ist verdammt gut in Form. Schultern, Brust und Rücken sind durchtrainiert, die Arme muskulös, und erst seine Bauchmuskeln! Hat der Mann Bauchmuskeln. Er ist schlank und kräftig, und vielleicht, nur vielleicht sage ich deswegen nichts wegen der Unterwäsche. Schließlich wird er für ein paar Monate hier wohnen, und es wäre mir unangenehm, wenn er denkt, er könnte es sich hier nicht bequem machen.

Sein Blick begegnet meinem, und ich sehe rasch wieder auf den Bildschirm. Verdammt, er hat mich dabei erwischt, wie ich ihn anstarre. Wieder einmal. Ich muss damit aufhören. Das hätte mir gerade noch gefehlt, dass ich seinem ohnehin schon aufgeblähten Ego noch mehr Auftrieb gebe.

Er öffnet die Kühlschranktür und kommt dann mit seinem Tablet und einer Wasserflasche ins Wohnzimmer. Nach einem schnellen Blick zu mir – ich sitze mit lang gestreckten Beinen auf der Couch –, nimmt er am anderen Ende Platz. Ich ziehe schnell die Füße ein, damit er sich nicht darauf setzt.

Bittet er mich, ihm Platz zu machen? Bedankt er sich, dass ich es tue? Nein, natürlich nicht. Er sagt gar nichts, tippt nur auf dem Display seines Tablets herum und hat die Kopfhörer um den Hals hängen.

Vielleicht wäre er netter, wenn wir einander etwas besser kennen würden. »Hey. Wie war dein Tag?«

Er sieht mich kurz an. »Es war halt ein Tag.«

»So schlimm?«

»Das habe ich nicht gesagt.«

»Okay …« Vielleicht sollte ich es auf anderem Weg probieren. »Wir haben uns nie richtig vorgestellt. Woher kennst du meinen Bruder?«

»Vom College«, antwortet er.

Immerhin weiß ich jetzt schon doppelt so viel über Weston Reid wie vor zwei Minuten. »Bist du wie er Chirurg?«

Er starrt noch immer auf sein Tablet und tippt auf dem Display herum. »Ja, ich bin auch Chirurg.«

»Arbeitest du im Swedish?«

»Nein. Privatpraxis.«

»Das ist ja interessant.« Okay, er sieht mich zwar noch immer nicht wirklich an, aber dies ist das längste Gespräch, das wir seit dem Lana-Zwischenfall miteinander führen. Und das ist gut. »Was für ein Chirurg bist du denn? Ihr habt doch bestimmt Fachgebiete, oder nicht?«

»Plastische und wiederaufbauende Chirurgie.«

»Ach, wirklich? Dann operierst du Menschen, die einen schlimmen Unfall hatten oder so?«

»Nein, meistens mache ich Brustvergrößerungen.«

Mir fällt für ein paar Sekunden die Kinnlade herunter, bevor ich merke, dass ich ihn anstarre. »Augenblick mal, du machst Brustvergrößerungen?«

Wieder schnellt sein Blick zu mir herüber. »Ja.«

»Was hat dich dazu bewogen, dich darauf zu spezialisieren?«, will ich wissen.

»Ist dir das nicht heldenhaft genug?«, erwiderte er gelangweilt.

»Ich bin bloß neugierig«, gebe ich zu. »Ich höre mir gern die Geschichten anderer Menschen an.«

»Es ist profitabel«, gibt er zu.

Ich weiß nicht, was ich darauf erwidern soll. Weston macht den ganzen Tag Brustvergrößerungen? Wieso überrascht mich das nicht?

»Gefällt dir dein Job?«, will ich wissen.

Er zuckt mit den Achseln. »Schätze schon.«

»Bist du gut darin?« Kaum habe ich die Worte ausgesprochen, zucke ich zusammen. Tolle Frage, Kendra.

»Ich bin der Beste«, erklärt er ohne einen Hauch von Sarkasmus in der Stimme.

Na, dann hätten wir das ja geklärt. Ich überlege kurz, wie ich die Unterhaltung am Laufen halten kann. »Hast du Lana wiedergesehen?«

»Was soll das hier werden?«, fragt er und dreht sich endlich zu mir um.

»Wie meinst du das?«, erwidere ich. »Ich sitze auf der Couch und versuche, mich mit dir zu unterhalten. Das ist nicht gerade einfach.«

»Wieso?«

»Wieso es nicht einfach ist? Weil du …«

»Nein, wieso willst du dich mit mir unterhalten?«

Er runzelt die Stirn – nein, das ist überhaupt nicht sexy –, und ich glaube, er ist wirklich verwirrt.

»Naja, ich dachte, wo wir doch zusammen wohnen …«, sage ich. »Vielleicht fühlen wir uns wohler, wenn wir einander etwas besser kennen.«

»Für mich sieht es so aus, als würdest du dich schon sehr wohlfühlen«, merkt er an und deutet auf meine Schlafanzughose.

Ich blicke auf meine Beine – dunkelblauer Flanell mit kleinen Cartoonschweinen. »Ist doch niedlich.«

Er beäugt mich kritisch. »Da sind Schweine drauf.«

»Wenigstens laufe ich nicht ständig in Unterwäsche rum.«

Das entlockt ihm ein amüsiertes Schnauben. »Ein Glück.«

Ich starre ihn mit offenem Mund an. »Wie bitte?«

»Und was ist das überhaupt für eine Frisur? Machst du das mit Absicht, oder bist du nur zu faul?«

Was hat er gerade zu mir gesagt? Ich kann gar nicht aufhören, ihn entrüstet anzustarren.

Er zuckt mit den Achseln. »Ich will damit ja bloß sagen, dass es dir nicht steht. Wenn du immer so rumläufst, überrascht es mich nicht, dass du die Wochenenden zu Hause rumhockst.«

»Herrgott noch mal.« Ich nehme die Beine von der Couch und stehe auf, wobei ich versuche, meinen Laptop nicht fallen zu lassen. »Was zum Teufel ist dein Problem?«

»Ich habe kein Problem«, antwortet er nonchalant und setzt sich die Kopfhörer auf.

»Du bist wirklich unausstehlich«, erkläre ich, auch wenn ich bezweifle, dass er mich noch hören kann. Ich stürme in mein Zimmer und knalle die Tür hinter mir zu. Dummerweise knallt sie jedoch nicht zu, und ich brauche drei Versuche, bis sie geschlossen bleibt. Blöde Tür. Irgendwas hat sich gelockert, darum geht sie immer wieder auf. So viel zu meinem dramatischen Abgang.

Ich stelle den Laptop aufs Bett und stemme die Hände in die Hüften. Hat er mich gerade aus meinem eigenen Wohnzimmer vertrieben? Dieser Mistkerl. Aber ich werde auf keinen Fall wieder zurückgehen. Wahrscheinlich freut er sich gerade einen Ast ab. Es würde mich nicht wundern, wenn er die ganze Zeit versucht hat, mich zu vertreiben, damit er das Wohnzimmer für sich allein hat.

Dieses Arschloch.

Eigentlich müsste ich noch arbeiten, aber jetzt bin ich sauer und will nur noch hier raus.

Nachdem ich Mia eine kurze Nachricht geschickt und sie gefragt habe, ob sie Zeit hat, ziehe ich mir eine abgewetzte Jeans und ein graues Sweatshirt über. Zwar bin ich versucht, in Schlafanzughose loszuziehen, doch mir ist klar, dass ich das bereuen würde, sobald die Haustür hinter mir ins Schloss gefallen ist. Ich ziehe noch graue Stiefeletten an, schnappe mein Handy und verlasse das Zimmer.

Weston hebt nicht einmal den Kopf, als ich an ihm vorbeistürme, mir Jacke und Handtasche nehme und gehe.

»Arschloch«, murmele ich kaum hörbar.

Mia antwortet, als ich auf dem Weg zum Café bin, und schreibt, dass sie mich dort treffen wird. Ich bestelle einen Latte und suche uns einen Tisch am Fenster.

Wenige Minuten später kommt sie herein und bleibt mit dem Fuß an irgendetwas hängen, wie es typisch für sie ist. Es gelingt ihr, nicht hinzufallen, und sie verdreht die Augen. »Kaffee«, sagt sie und deutet in Richtung Tresen.

Als ihr Kaffee fertig ist, kommt sie mit dem Becher in der Hand an meinen Tisch. Sie geht vorsichtig, verzieht vor Konzentration das Gesicht, und wendet den Blick nicht von der heißen Flüssigkeit in ihrem Becher ab. Sobald sie am Tisch angekommen ist, stellt sie den Kaffee vorsichtig ab und schnauft.

»Puh«, meint sie. »Was geht ab, K-Law?«

»Hast du das gerade wirklich gesagt?«

Sie schiebt ihre Brille mit dem dunklen Rahmen etwas höher. »Das kann man eigentlich nicht laut aussprechen, was?«

»Eigentlich nicht«, erwidere ich lachend.

»Okay, was ist los?«, fragt sie. »Warum dieses Notfalltreffen? Ist alles in Ordnung?«

Ich lehne mich auf meinem Stuhl zurück. »Ja, ich bin bloß frustriert. Mein Mitbewohner …«

»Jetzt erzähl schon.«

»Weston ist so ein Arschloch«, gebe ich zu. »Er nimmt meine Existenz kaum zur Kenntnis, und wenn er es doch tut, gibt er nur irgendwelche bescheuerten Kommentare ab.«

»Was denn zum Beispiel?«

»Er macht sich über meine Klamotten oder meine Frisur lustig«, berichte ich. »Vorhin hat er gesagt, es würde ihn nicht überraschen, dass ich bei meinem Aussehen keine Pläne fürs Wochenende habe.«

Mia reißt die Augen auf. »Er hat … Ich meine … Was zum … Wie konnte er …« Sie hält inne und holt tief Luft. »Das hat er nicht wirklich getan.«

»Doch«, sage ich. »Meine Frisur ist völlig in Ordnung. So was ist gerade in. Wie kann er so was denn nicht wissen?«

Sie zuckt mit den Achseln. »Keine Ahnung. Weil er ein Mann ist?«

Ich betaste meine Haare. »Jedenfalls benimmt er sich wie ein Idiot. Ich musste mal für eine Weile aus dem Haus.«

»Bist du dir sicher, dass Caleb vorgeschlagen hat, er soll bei dir einziehen?«, fragt sie. »Wieso sollte er mit so einem Typen überhaupt befreundet sein?«

»Das geht mir auch nicht in den Kopf«, gebe ich zu. »Vielleicht ist Weston zu anderen netter. Oder er hasst mich aus irgendeinem Grund.«

»Niemand, der noch bei Verstand ist, könnte dich hassen. Du bist im Grunde genommen die am wenigsten hassenswerteste Person der Welt.« Sie hebt ihrem Becher hoch und bekommt ein paar Tropfen auf die Hose. »Au.«

»Ich weiß doch auch nicht, vielleicht ist er wütend oder so«, überlege ich laut. »Es ist ja nicht so, als würde er zornig herumstampfen, aber ich habe den Eindruck, dass es in ihm ziemlich brodelt.«

»Hmmm.« Mia tippt sich ans Kinn und reißt plötzlich die Augen auf. »Oh mein Gott!«

»Was?«

»Ich weiß, was los ist.«

»Ich kann dir nicht folgen.«

Sie setzt ein schiefes Grinsen auf. »Das ist eine ›Aus Hass wird Liebe‹-Geschichte.«

»Wie bitte?« Meine Stimme klingt schneidend.

Mia hebt eine Hand. »Ich weiß, ich weiß. Aber hör mich erst an. Du kennst die ganzen Liebesroman-Klischees ebenso gut wie ich. Zweite Chance, heimliches Baby, verschmähte Braut, verbotene Liebe. Ich denke, sie sind realistischer, als die meisten Leute glauben. Schließlich habe ich es doch selbst erlebt. Das mit Alex und mir war die typische ›Aus Freundschaft wird Liebe‹-Geschichte. Vielleicht mit ein, zwei Verwicklungen. Möglicherweise wird das mit dir und Weston eine ›Aus Hass wird Liebe‹-Geschichte.«

Ich starre sie entrüstet an. »Nein. Auf gar keinen Fall, Mia. Im Leben nicht.«

Sie keucht auf. »Und ihr wohnt auch noch zusammen! Genau das ist es, Kendra.«

»Nein, ist es nicht, Mi. Das hier ist kein Buch.«

»Das ist doch unwichtig«, meint sie und rückt ihre Brille zurecht. »Ich sage voraus, dass es so enden wird. Jetzt magst du ihn hassen, aber warte es nur ab.«

Wieder lehne ich mich auf meinem Stuhl zurück. »Ich hasse ihn nicht. Das ist viel zu heftig. Okay, zugegeben, er ist ein Arschloch, aber ich hasse ihn nicht.«

Mia nickte weise, als hätte sie aus dem Quell der Erkenntnis getrunken. »Weißt du was? Ich wette, es gibt eine Antwort auf diese Frage.«

»Welche Frage?«

»Warum er ein Arschloch ist.«

»Worauf willst du denn jetzt schon wieder hinaus?«

»Es gibt eigentlich nur drei Arten von männlichen Arschlöchern.« Sie reckt einen Finger in die Luft. »Die erste Sorte hat keinen guten Grund dafür. Diese Kerle wurden schon so geboren. Für sie gibt es keine Hoffnung mehr, man sollte ihnen möglichst aus dem Weg gehen.«

»Okay …«

»Die zweite Sorte sind Männer, die es als Waffe benutzen«, erklärt sie. »Tief in ihrem Inneren sind sie eigentlich völlig in Ordnung, aber sie lassen sich nichts anmerken. Sie benehmen sich dreist und egoistisch, um das zu kriegen, was sie haben wollen, dabei sind sie im Grunde genommen richtige Softies.«

Ich mache den Mund auf, weiß aber eigentlich gar nicht, was ich sagen will.

»Und die dritte Sorte«, sie streckt den dritten Finger aus, »sind Männer, die aus gutem Grund Arschlöcher geworden sind. Sie verbergen tief in ihrem Inneren einen Schmerz, den sie dahinter verbergen – ihr Benehmen ist wie eine Rüstung. Ein Schutzmechanismus. Und sie behalten es bei, weil es für sie funktioniert, ähnlich wie bei der zweiten Sorte. Sie bekommen meistens, was sie haben wollen. Aber es gibt einen tieferen Grund, warum sie so sind. Diese Männer … sind die faszinierendsten, wenn du mich fragst.«

»Großer Gott, Mia, Weston ist doch kein Held aus einem Liebesroman«, protestiere ich.

»Bist du dir sicher?«, fragt sie. »Oh, Kendra, du musst die Ursache herausfinden.«

»Was?«

»Den Grund dafür, warum er so ist.« Sie verdreht die Augen, als müsste ich wissen, was sie meint. »Weston gehört eindeutig zur dritten Sorte. Ich bin davon überzeugt, dass es einen guten Grund dafür gibt, warum er so ist. Möglicherweise wurde ihm mal das Herz gebrochen, oder er hatte eine sehr schlimme Kindheit. War er zufälligerweise ein Pflegekind?«

»Ich habe nicht die geringste Ahnung.«