Faking Ms. Right - Claire Kingsley - E-Book

Faking Ms. Right E-Book

Claire Kingsley

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Beschreibung

Sorry – als ich dich letzte Nacht geküsst habe, habe ich nicht nur so getan. 

Mein Liebesleben ist eine komplette Katastrophe. Ein schlimmes Date nach dem anderen und kein Traumprinz in Sicht. Dafür läuft es in meinem Job umso besser. Keine Assistentin hat es je so lange bei meinem Boss Shepherd Calloway ausgehalten. Er sieht gut aus und besitzt ein eigenes Firmenimperium, ist aber schrecklich übellaunig. Dann bringt ihn seine geldgierige Ex in Schwierigkeiten, und Shepherd bittet mich um einen Gefallen: Ich soll ein paar Wochen bei ihm einziehen und seine neue Freundin spielen. Wir verbringen ohnehin den ganzen Tag im Büro miteinander, und er weiß, wie professionell ich bin. Klingt nach einem guten Plan, und sein Vorschlag kommt mir gerade recht, denn auch ich möchte Shepherd um einen Gefallen bitten … einen sehr besonderen …

Faking Ms. Right – ein wunderbar amüsanter Roman über das Chaos, das sich Liebe nennt.

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Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Mein Liebesleben ist eine komplette Katastrophe. Ein schlimmes Date nach dem anderen und kein Traumprinz in Sicht. Dafür läuft es in meinem Job umso besser. Keine Assistentin hat es je so lange wie ich bei meinem Boss Shepherd Calloway ausgehalten. Er ist sieht gut aus und besitzt ein eigenes Firmenimperium, ist aber schrecklich übellaunig. Dann bringt ihn seine Ex-Freundin in Schwierigkeiten und Sheperd bittet mich um einen Gefallen: Ich soll ein paar Wochen bei ihm einziehen und seine neue Freundin spielen. Wir verbringen eh den ganzen Tag im Büro miteinander und er weiß, wie professionell ich bin.

Klingt nach einem guten Plan und sein Vorschlag kommt mir gerade recht, denn auch ich möchte Sheperd um einen Gefallen bitten …

Über Claire Kingsley

Claire Kingsley schreibt Liebesgeschichten mit starken, eigensinnigen Frauen, sexy Helden und großen Gefühlen.

Sie kann sich ein Leben ohne Kaffee, ihren E-Reader und all den Geschichten, die ihrer Fantasie entspringen, nicht mehr vorstellen. Sie lebt im pazifischen Nordwesten der USA mit ihrem Mann und ihren drei Kindern.

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Claire Kingsley

Faking Ms. Right

Übersetzt von Juna-Rose Hassel aus dem amerikanischen Englisch

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Informationen zum Buch

Newsletter

Widmung

1: EVERLY

2: EVERLY

3: SHEPHERD

4: EVERLY

5: SHEPHERD

6: EVERLY

7: SHEPHERD

8: EVERLY

9: EVERLY

10: SHEPHERD

11: EVERLY

12: SHEPHERD

13: EVERLY

14: SHEPHERD

15: EVERLY

16: SHEPHERD

17: EVERLY

18: SHEPHERD

19: EVERLY

20: SHEPHERD

21: EVERLY

22: SHEPHERD

23: EVERLY

24: EVERLY

25: SHEPHERD

26: SHEPHERD

27: EVERLY

28: SHEPHERD

29: SHEPHERD

30: EVERLY

31: SHEPHERD

32: EVERLY

33: SHEPHERD

34: EVERLY

35: EVERLY

EPILOG — EVERLY

NACHWORT

DANKSAGUNG

Impressum

Lust auf more?

Für meine engsten Freundinnen

1

EVERLY

Das mag vielleicht seltsam klingen, aber ich hasste den Montagmorgen nicht. Jeder Montag war ein Neuanfang. Eine Chance, die vergangene Woche abzuschütteln – beziehungsweise in meinem Fall die katastrophalen Ereignisse des Wochenendes – und einfach weiterzumachen.

Ich will gar nicht daran denken, an wie vielen Montagen ich in den letzten paar Monaten das Bedürfnis verspürt hatte, ein schlimmes erstes Date hinter mir zu lassen. Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um über mein schreckliches Dating-Pech zu grübeln, auch wenn es echt übel war. Ich würde es heute Abend mit meinen Freundinnen durchhecheln. Bei Martinis, natürlich.

Aber nun musste ich arbeiten. Und hier, in diesem Büro, war ich nicht Everly Dalton, die notorische Dating-Katastrophe. Ich war Everly Dalton, Assistentin der Geschäftsleitung. Und ich war verdammt gut in meinem Job.

»Guten Morgen, Everly.«

Ich lächelte Nina, die Rezeptionistin, an. »Guten Morgen. Deine Haare sehen heute toll aus.«

Über mein Kompliment war sie sichtlich erfreut. »Danke.«

Dann ging ich den Flur entlang und begrüßte meine Kollegen. Alle sagten Hi und erwiderten mein Lächeln. Selbst Leslie – die die Morgenstunden mehr hasste als jeder, den ich kenne – musste ein wenig über ihrem Kaffee grinsen.

»Guten Morgen, Sonnenschein«, sagte Steve. Wie üblich trug er ein kariertes Hemd und eine braune Strickjacke. Er war gar nicht so viel älter als ich – vielleicht fünf oder sechs Jahre, aber durch seine Kleidung wirkte er wie ein Opa aus den Fünfzigern. Nach der Arbeit trug er bestimmt eine Wolljacke mit Reißverschluss und dazu wahrscheinlich braune Pantoffeln. Aber er war supernett.

»Guten Morgen, Steve«, sagte ich. Ihm gefiel der Gedanke, er hätte mir den Spitznamen »Sonnenschein« verpasst, doch er war schätzungsweise schon der Zehnte, der mich im Laufe meines Lebens so genannt hatte. Vielleicht lag es daran, dass ich so viel Gelb trug – meine Lieblingsfarbe –, oder aber daran, dass ich so viel lächelte. Sein Schreibtisch stand in der Nähe von meinem, gleich über dem Gang, deshalb plauderten wir recht oft. »Wie geht es Millie?«

»Ich glaube, ich muss ihre Kost wieder ändern. Vielleicht lasse ich mal den Fisch weg, um zu sehen, ob sich ihre Laune dadurch bessert.«

Millie war Steves Katze, und er optimierte andauernd ihre Ernährung, in der Hoffnung, dass sie dann weniger fies wäre. Ich brachte es nie übers Herz, ihm zu sagen, dass Millie einfach nur eine alte, übellaunige Katze war und dass kein Futter der Welt sie dazu bringen würde, nett zu sein. Doch er wäre am Boden zerstört, wenn er erführe, dass seine Katze ihn hasste und ihm wahrscheinlich am liebsten die Augen ausgekratzt hätte.

»Klingt nach einem guten Plan. Halt mich auf dem Laufenden.«

»Auf jeden Fall«, sagte er und ging an seinen Schreibtisch zurück.

Wollte ich tatsächlich alles über Millies Ernährungsweise hören? Eigentlich nicht. Aber Steve freute sich, wenn ihm jemand zuhörte, deshalb ließ ich das bisschen Cat-Talk hin und wieder über mich ergehen. Wenn alle sich bemühen würden, freundlich zu sein, wäre die Welt wohl eine sehr viel bessere.

Tatsächlich gefiel es mir, Menschen glücklich zu machen. Das hatte auf mich dieselbe Wirkung wie Katzenminze auf Katzen. Jemand Griesgrämiges zum Lächeln bringen? Das war ein echtes Highlight für mich. Wie zum Beispiel Leslie, Miss I-Hate-Mornings. Sie war eine ganze Zeit lang immun gegen meine Guten-Morgen-Attacken gewesen. Aber letzten Endes hatte ich sie in die Knie gezwungen. Ihr ab und zu Muffins und starken Espresso zum Frühstück mitzubringen hatte vollauf gereicht.

Jeder hatte irgendwo eine Schwachstelle, die ich suchen und so herausfinden konnte, was ihn glücklich machte. Selbst die Übellaunigsten waren Everly Daltons Sonnenschein nicht gewachsen.

Abgesehen von einem Mann.

Wie eine Wolke, die sich vor die Sonne schob und einen dunklen Schatten warf, breitete sich das Gefühl von eisiger Kälte im Büro aus. Ich schaute auf die Uhr. 8:27 Uhr. Pünktlich auf die Minute.

Wenn er das Stockwerk betrat, war es, als würde ein Stein in stilles Wasser geworfen. Eine Wellenbewegung ging von ihm aus, wodurch alle vorgewarnt waren. Der einzige Mensch, den ich je kennengelernt hatte, der völlig unempfänglich war für meine Versuche, ihn glücklich zu machen. Mein Boss, Shepherd Calloway.

Steve sah mich an und zuckte zusammen. Ich tat, als hätte ich es nicht gesehen. Ich wusste, dass ich ihm leidtat. Für Mr. Calloway zu arbeiten war nicht leicht. Er war kühl, schroff und anstrengend. Weder bedankte er sich für etwas noch lobte er einen auf irgendeine Weise. Die ersten paar Monate, in denen ich seine Assistentin war, lebte ich in Angst und Schrecken. Ich war mir sicher, dass er mich bald feuern würde. Er wirkte immer so verärgert.

Doch nach einer Weile merkte ich, dass er einfach so war und nichts gegen mich persönlich hatte. Er war nicht wütend auf mich. Tatsächlich bemerkte er mich kaum. Manchmal fragte ich mich, ob er mich überhaupt erkennen würde, wenn er mich bei einer polizeilichen Gegenüberstellung identifizieren müsste. Er schaute mir so selten ins Gesicht, dass ich nicht überrascht gewesen wäre, wenn er gar nicht wüsste, wie ich aussehe.

Ich war mir ziemlich sicher, dass er wusste, wie ich hieß, obwohl er mich nie Everly nannte. Eigentlich nannte er mich bei gar keinem Namen. Er sagte einfach, was er zu sagen hatte, ohne mich direkt anzusprechen. Keine Begrüßung. Keine Verabschiedung. Bloß: Was steht heute in meinem Terminkalender? Oder: Schicken Sie mir vor dem Meeting die Dateien.

Die Wellenbewegung wurde stärker, seine Schritte hallten durch die plötzliche Stille auf unserem Stockwerk. Ich stand auf, schnappte mir einen Stoß Papiere und seinen Kaffee – schwarz wie seine Seele – und wartete.

Als er durch den Flur auf sein Büro zuging, sah er niemanden an. Kein Blick, kein Nicken in Richtung seiner Mitarbeiter. Nur sein gleichmäßiger Gang – ein Mann in maßgeschneidertem Anzug, der auf sein Büro zustrebte. Sein dunkles Haar war perfekt gestylt, sein Bart akkurat rasiert.

Ohne auch nur einen Blick in meine Richtung zu werfen, ging er an meinem Schreibtisch vorbei. Ich trabte hinter ihm her, während die Uhr auf 8:28 Uhr tickte.

Ich folgte ihm in sein Büro und stellte ihm den Kaffee auf den Schreibtisch, fünfzehn Zentimeter vom Rand entfernt und etwas außerhalb der Mitte, damit er ihn nicht umstieß, wenn er sein Jackett auszog oder seinen Laptop abstellte. Dann nahm ich eine Fernbedienung und öffnete die Jalousien, stoppte aber, bevor sie zu viel Licht einließen. Er zog sein Jackett aus, und ich war da, um es ihm abzunehmen und an den Garderobenständer neben der Tür zu hängen.

»Guten Morgen, Mr. Calloway«, sagte ich fröhlich.

Er antwortete nicht. Das tat er nie. Nicht ein einziges Mal hat er mit Guten Morgen geantwortet. Doch ich sagte es weiterhin. Jeden einzelnen Tag. Das war Teil meiner Routine geworden, deshalb hätte es sich seltsam angefühlt, es nicht mehr zu sagen.

Er setzte sich und klappte seinen Laptop auf. Ohne hinzuschauen, griff er nach seinem Kaffee und nahm einen Schluck.

»Hat der Anwalt von Duggan und Nolan geschickt, worum ich gebeten hatte?« Seine Stimme war ruhig und glatt, ohne einen Hauch von Emotionen. Alles, was er sagte, wurde im gleichen Tonfall vorgetragen. Die Leute hatten Angst vor Shepherd Calloway, aber nicht etwa, weil er herumbrüllte. Weder wurde er laut noch schimpfte er mit Leuten, wenn sie Fehler machten. Er ließ sie erfrieren. Seine eisblauen Augen und seine leise Stimme waren abschreckender, als es jede Tirade gewesen wäre. Er war ein Mann, der mit einem einzigen Blick Herzen zum Stillstand bringen konnte.

»Ja, da gab es keine Probleme.« Ich legte einen dicken braunen Umschlag auf seinen Schreibtisch.

Er berührte ihn mit zwei Fingern und schob ihn zwei Zentimeter von sich weg.

»Ich habe auch etwas von Mark aus der Buchhaltung für Sie.« Ich legte einen Ordner direkt auf den Umschlag und achtete darauf, dass die Kanten ganz genau aufeinanderlagen.

»Warum hat er mir das nicht selbst gegeben?«, fragte er.

Weil alle Angst vor Ihnen haben. Aus diesem Grund kommen sie gleich morgens zu mir und tun so, als wäre ihnen gar nicht bewusst, dass Sie so früh noch nicht in Ihrem Büro wären. »Ich nehme an, weil Sie noch nicht da waren.«

Er erwiderte nichts.

»Sie haben Meetings um zehn, um zwölf und um drei.« Rasch wischte ich auf meinem Handy durch seinen Kalender, der mit meinem synchronisiert war. »Der Zwölf-Uhr-Termin ist bei McCormick and Schmick’s, und ich habe bereits für Sie bestellt. Ihren Zahnarzttermin habe ich auf nächste Woche verschoben, weil er zu nah an Ihrem Drei-Uhr-Meeting gewesen wäre. Ich wollte nicht, dass Sie hetzen müssen. Aber bitte halten Sie mit mir Rücksprache, bevor Sie für nächsten Dienstagnachmittag etwas vereinbaren, denn wir sollten das nicht noch mal verschieben. Mundgesundheit ist wichtig.«

Ich hielt inne, obwohl ich wusste, dass er nicht antworten würde. Und das tat er auch nicht.

»Ich habe mit Leslie über diese Berichte gesprochen, die Sie brauchen, sie bringt sie Ihnen heute Nachmittag. Das Gemälde, das Sie letztes Wochenende auf der Hope Gala gekauft haben, wird später zu Ihnen nach Hause geliefert, deshalb flitze ich kurz hinüber und unterschreibe dafür. Das bedeutet, dass ich dann ungefähr eine Stunde nicht im Büro sein werde.«

»Ich brauche für morgen Abend eine Reservierung fürs Abendessen«, sagte er und blickte dabei immer noch nicht auf. »Für zwei Personen. Tulio oder Assiaggo sind ausreichend. Canlis nicht. Und buchen Sie ein Zimmer auf Maui für zehn Tage, ab Samstag. Eines von den üblichen Resorts, egal welches.«

Wahrscheinlich hätte ich dem süffisanten Lächeln nachgeben können, das ich versuchte zu unterdrücken. Er sah mich ja ohnehin nicht an. Aber ich biss mir trotzdem auf die Lippen, um mich zu beherrschen. Dinner für zwei bei Tulio oder Assiaggo, aber nicht Canlis, sowie ein Last-Minute-Trip nach Maui bedeuteten, dass er mit Swetlana, der derzeitigen geldgeilen Tussi, mit der er zusammen war, Schluss machte.

»Soll ich alle anfallenden Termine stornieren?«, fragte ich, obwohl ich wusste, dass er mir gleich sagen würde, dass er nicht selbst hinflog. Er würde Swetlana auf die Reise schicken, um sie wegen der Trennung zu besänftigen. Doch ich musste so tun, als wüsste ich das nicht, und dennoch fragen.

»Nein, ich fliege nicht selbst hin.«

»Okay.« Ich gab dem süffisanten Lächeln nach. Ich hasste Swetlana. Sie war ein absolut umwerfendes bulgarisches Model – groß, schlank, tolle Oberweite. Eine so herzlose Frau hätte niemals mit so phänomenaler Schönheit ausgestattet werden dürfen. Aber ich hasste sie nicht wegen der Tatsache, dass sie einfach hinreißend war. Ich konnte sie nicht ausstehen, weil ich wusste, dass sie nur hinter Mr. Calloways Geld her war.

Das Schlimmste war, dass sie nicht einmal versuchte, dies zu verbergen. Sie stolzierte hier herum, als würde ihr die halbe Firma gehören – und man merkte ihr an, dass sie das für eine ausgemachte Sache hielt. Als würde er sie heiraten. Würg. Allein bei dem Gedanken bekam ich eine Gänsehaut.

Zugegebenermaßen war sie nicht die erste seiner Freundinnen, die ihn nur ausnehmen wollten. Er zog solche Frauen regelrecht an. Die meisten von ihnen ähnelten sich: irrsinnig schön, nicht allzu intelligent und vorrangig interessiert an dem extravaganten Lifestyle, der ihnen geboten würde, wenn Shepherd Calloway sie datete – oder gar heiratete.

Ein unsanftes Erwachen war vorprogrammiert, wenn sie herausfanden, dass Mr. Calloway nicht die Art von steinreichem Geschäftsmann war, der seine Freundinnen mit luxuriösen Geschenken überhäufte. Schicke Abendessen, vielleicht. Und sie konnten an seinem Arm an exklusiven Events der Elite von Seattle teilnehmen. Gesehen wurde man mit ihm ganz bestimmt.

Doch nach allem, was ich mitbekam, war er seinen Freundinnen gegenüber genauso kalt und emotionslos wie gegenüber seinen Mitarbeitern. Und er gab nie viel Geld für sie aus. Zweifellos hatten sie darauf gehofft, in Limousinen zu romantischen Abendessen zu fahren, hübschen Schmuck zu bekommen und schicke Urlaubsreisen zu unternehmen. Was sie stattdessen bekamen, war ein Mann, der sie fast genauso ignorierte wie mich und der ihnen keine Geschenke kaufte – wahrscheinlich, weil er einfach nie auf diese Idee kam.

Swetlana hatte sich nicht lange gehalten, doch das war keine Überraschung. Er war ein paar Monate mit ihr zusammen gewesen – nicht, dass ich das wirklich verfolgen würde –, und wie es aussah, war sie ihm bereits öfter auf die Nerven gefallen, als er ertragen konnte, ganz egal, wie sie aussah. Junge, Junge, war ich froh darüber.

Eigentlich ging mich das nichts an. Mr. Calloway und ich waren nicht befreundet. Deshalb hätte es für mich keine Rolle spielen sollen, ob irgendeine Frau des Geldes wegen an ihm klebte. Tat es aber. Ich mochte ihn nämlich, auch wenn das albern war. Ich konnte nicht anders. So war ich eben, auch wenn ich versuchte, es zu ignorieren.

In Momenten wie diesen konnte ich allerdings auch insgeheim schadenfroh sein.

»Das ist dann alles«, sagte er.

»Wunderbar, Mr. Calloway. Ich bin an meinem Schreibtisch, falls Sie noch etwas brauchen.«

Auch das sagte ich jeden Tag zu ihm. Und auch darauf erwiderte er nie etwas. Doch es war Teil unserer Routine geworden, daher sagte ich es trotzdem.

Wieder an meinem Schreibtisch bedachte mich Steve mit einem aufmunternden Lächeln. »Du bist wirklich tougher als du aussiehst.«

Ich zuckte mit den Schultern und grinste ein wenig selbstzufrieden. So fühlte ich mich immer, wenn Leute meine Arbeit kommentierten. Ich war schon länger hier als jede andere Assistentin, die Shepherd Calloway je gehabt hatte. Und diese Auszeichnung erfüllte mich mit enormem Stolz.

Nur zwei Menschentypen überdauerten in dieser Firma: solche, die nah genug an ihm dran waren, um als ebenbürtig durchzugehen, so dass sie sich nicht von ihm eingeschüchtert fühlten, und solche, die nichts mit ihm zu tun haben mussten.

Alle anderen blieben normalerweise sechs Monate – vielleicht auch ein Jahr, wenn sie ein dickeres Fell hatten als der Durchschnitt.

Ich arbeitete bereits drei Jahre für ihn – ein Firmenrekord. Vor mir hatte er die Assistentinnen so oft gewechselt wie manche Frauen ihre Handtaschen. In einer Saison in, in der nächsten schon wieder out. Aber ich? Miss Everly Dalton? Ich war die einzige Assistentin, die je mit ihm klargekommen war.

Tatsächlich gab mir das einen Kick. Es gefiel mir, Zugang zu dem Mann zu haben, vor dem sich alle fürchteten. Dem Mann, der hier die Macht hatte. Mir gefiel der Respekt, den mir meine Position verschafft hatte. Außerhalb dieser Mauern hielten mich die Leute für eine zuckersüße, aber auch langweilige Blondine mit einem Dauergrinsen im Gesicht.

Doch meine Kollegen sahen in mir etwas ganz anderes. Sie betrachteten mich mit Ehrfurcht und fragten sich, wie ich bloß mit dem großen bösen Wolf zurechtkam. Ohne je von ihm gebissen zu werden.

Das war gar nicht so schwer, wie alle glaubten. Als ich ihn erst einmal kennengelernt hatte – so gut das eben ging mit jemandem, der eigentlich kaum mit mir redete –, war es leicht, mit ihm auszukommen. Ich musste einfach nur seine Routine kennenlernen. Dafür sorgen, dass alles, was in meiner Macht stand, pünktlich erledigt wurde. Und ihm aus dem Weg gehen.

Das klappte tatsächlich. Ich wirbelte keinen Staub auf. Ich erwartete nichts von ihm, von dem ich wusste, dass er es mir nicht geben würde. Er würde nicht freundlich sein. Er würde nicht fragen, wie mein Tag war, oder sich bei mir bedanken, wenn er zufrieden mit meiner Arbeit war. Das war in Ordnung. Ich wusste, dass ich meinen Job gut machte, und meine Bezahlung spiegelte das wieder.

Für mich funktionierte diese Situation so, und ob er das nun eingestehen würde oder nicht, wusste ich, dass sie es auch für Mr. Calloway tat.

Ich zwinkerte Steve zu und schnappte mir das Telefon. Ich hatte zu tun.

2

EVERLY

Meine Schuhe trommelten in gleichmäßigem Takt auf das Pflaster, und ich versuchte, mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Laufen war nicht meine Lieblingsaktivität – ich war nie das, was man eine Athletin nennen würde –, aber wenn man dreißig wurde, passierte etwas. Man regenerierte nicht mehr so wie früher.

Zumindest meine Freundinnen und ich nicht. Nicht von den Dingen, die wir ohne mit der Wimper zu zucken taten – und von denen wir das eine oder andere Kilo zunahmen. Montags Martinis. Dienstags Donuts. Mittwochs Manhattans. Donnerstags Drinks. Freitags Fastfood (ich will keine Kommentare hören). Von Pizza- und Schokoeis-Orgien, da eine von uns eine krasse Trennung hinter sich hatte, ganz abgesehen. Und seien wir mal ehrlich: Beste Freundinnen können sich nicht vor ihren Pflichten in Bezug auf Junkfood-Exzesse und Saufgelage drücken, nur weil wir bei besagter Trennung schon über neunundzwanzig waren.

»Sind wir jetzt fertig?«, fragte Nora. Sie joggte perfekt geschminkt neben mir her und sah wie immer fabelhaft aus. Ihre festen dunklen Locken waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, der bei jeder Bewegung hin und her wippte.

Hazel schaute auf ihre High-Tech-Armbanduhr. »Fast. Wir sind bei viereinhalb Kilometern. Wir laufen heute fünf.«

»Uh«, sagte Nora. Sie gab sich entrüstet, dabei klang sie nicht einmal außer Atem.

»Nora …« Atmen. »Du machst das super.« Atmen. »Du keuchst ja nicht mal.«

»Ihre Stoffwechselrate hat sich verbessert«, sagte Hazel und schob ihre Brille nach oben.

Schon seit Ewigkeiten waren Nora und Hazel meine besten Freundinnen. Wir wohnten inzwischen im selben Apartmentgebäude, aber wir kannten uns bereits seit der Mittelschule und könnten als die unwahrscheinlichsten besten Freundinnen ever durchgehen.

Wir waren alle so unterschiedlich. Nora war außerordentlich hübsch – und beliebt. Die Männer standen total auf sie, und die Frauen wollten wie sie sein. Hazel war auf ihre eigene Art umwerfend, aber sie neigte dazu, es herunterzuspielen. Außerdem war sie superintelligent – fast schon ein Genie.

Und dann gab es da noch mich. Ich wurde eher als süß denn als hübsch bezeichnet. Blond, und zugegebenermaßen ein wenig quirlig zu sein, verstärkte diesen Faktor noch. Ich hatte den Ruf, Optimistin zu sein, und das stimmte. Ich tendierte dazu, das Gute in allem zu sehen – auch wenn mich das hin und wieder in Schwierigkeiten brachte.

Okay, vielleicht nicht nur hin und wieder. Vielleicht brachte es mich oft in Schwierigkeiten.

»Euch ist schon klar, dass ich das nur mache, um die Massen an Wodka zu kompensieren, die ich diese Woche noch trinken will, nicht wahr?«, fragte Nora.

»Nora, wir haben die Vorteile regelmäßigen Trainings bereits besprochen«, sagte Hazel. »Erstens …«

»Stopp«, wandten Nora und ich gleichzeitig ein. Wir hatten Hazel beide lieb, aber wenn sie sich erst mal auf ein Thema eingeschossen hatte, war sie bloß schwer zu bremsen.

»Wir haben deinen mit Statistik verbrämten Vortrag schon mindestens ein Dutzend Mal gehört«, sagte Nora.

»Er ist wirklich gut«, erklärte ich zwischen zwei Atemzügen. »Sehr informativ, meine ich.«

»Ich will damit nur sagen, dass die Fakten alle gut belegt sind«, verteidigte Hazel sich.

Der Park, in dem wir losgelaufen waren, kam in Sicht, deshalb verlangsamten wir auf Schritttempo, um abzukühlen. Straßenlaternen erwachten über uns zum Leben. Für gewöhnlich gingen wir abends laufen, die Sonne würde schon bald untergehen. Ich stemmte die Hände in die Hüften und atmete tief durch. Hazel presste die Finger seitlich an ihren Hals, um ihren Puls zu fühlen. Das tat sie immer vor und nach dem Laufen. Nora zog ihr Handy aus ihrem Sport-BH und checkte ihre Nachrichten.

»Gut gemacht, Ladys«, sagte ich. »Das war ein großartiger Lauf.«

»Allerdings«, stimmte Hazel mir zu. »Aber ich glaube, wir stabilisieren uns allmählich. Wir könnten anfangen, Fartleks einzubauen.«

»Wie bitte?«, fragte Nora. »Fart, was?«

»Fartleks«, sagte Hazel. »Das kommt aus dem Schwedischen und bedeutet Spielen mit verschiedenen Geschwindigkeiten. Dabei wird Ausdauertraining mit Intervallen gemischt – Phasen, in denen schnell gerannt wird, die unterbrochen werden von Erholungsphasen in langsamerem Tempo.«

Nora lachte. »Ich verstehe nicht, wie Laufen – egal in welchem Tempo – als Erholungsphase betrachtet werden kann. Es wird immer noch gelaufen.«

»Ich weiß nicht, für mich klingt das ganz gut«, sagte ich. »Hazel kann ja das Programm entwerfen und uns dann sagen, was wir tun müssen.«

Wir erreichten den Parkplatz und standen hinter Hazels Auto, um uns vollends abzukühlen und uns zu dehnen. Sobald wir alle damit fertig waren, gingen wir über die Straße in Brody’s Brewhouse.

Vielleicht fingen wir immer genau hier mit dem Laufen an, weil das Brody’s direkt gegenüberlag. Die Bar war eine der besten in ganz Seattle, und den Barkeepern machte es nichts aus, wenn wir völlig verschwitzt dort ankamen. Tatsächlich war es Jake, einer der fest angestellten Barkeeper, der uns unseren Spitznamen verpasst hatte – the Dirty Martini Running Club.

Jake arbeitete heute Abend und nickte uns zu, als wir eintraten. Wir entschieden uns für einen hohen Tisch im Barbereich, um den Hocker mit hohen Lehnen standen. Das Brody’s hatte eine angenehm lässige Atmosphäre mit Holztäfelung und bequemen Sitzgelegenheiten. Das Essen war auch erstklassig, vor allem die hausgemachten Kartoffelchips. Nicht dass wir die besonders oft bestellten.

»Mineralwasser für den Anfang?«, fragte Jake.

»Sie wissen Bescheid, Süßer«, sagte Nora und verzog ihre Schmolllippen zu einem Lächeln. Sie zwinkerte ihm zu.

Er zwinkerte unverhohlen zurück, doch Jake flirtete nur. Das wusste Nora auch. Er sah verdammt gut aus, doch sein Ehering rief einem ständig ins Gedächtnis, dass Jake bereits vergeben war.

Nora meinte es sowieso nie ernst mit Männern. Aber sie liebte es zu flirten. Das war vermutlich ihr liebstes Hobby, neben Laufen und Trinken. Und laufen tat sie bloß, weil wir sie dazu gezwungen hatten.

Jake brachte jeder von uns ein Mineralwasser mit Zitrone, dann nahm er unsere Bestellung auf. Wir nahmen alle Salat und Dirty Martinis, wie immer. Die Salate waren ein weiteres Zugeständnis, das wir alle an die Realität des Lebens über dreißig machen mussten.

Allerdings waren wir nicht gewillt, die Martinis aufzugeben.

Unsere Bestellung kam rasch – ein weiterer Grund, weshalb wir dieses Lokal liebten –, und wir fingen an zu essen.

»Wie war euer Wochenende?«, fragte Hazel. »Irgendetwas Aufregendes erlebt?«

Nora zuckte mit den Schultern. »Ich bin wieder mit Max ausgegangen, aber ich glaube, damit ist für mich jetzt Schluss.«

»Aber ihr zwei seid doch erst seit einem Monat oder so zusammen«, sagte ich. »Ich dachte, du magst ihn wirklich.«

»Er ist gar nicht so übel«, entgegnete sie. »Aber wenn ich weiterhin mit ihm ausgehe, wird er anhänglich werden. Ich will nicht, dass das passiert.«

»Wäre es denn so schlimm, eine richtige Beziehung zu haben?«, wollte ich wissen.

»Ich bin eben einfach nicht daran interessiert«, sagte sie. »Mir gefällt mein Leben so, wie es ist. Ein Mann würde die Sache nur verkomplizieren.«

Ich bohrte nicht weiter nach. Nora sagte immer solche Dinge, wenn einer ihrer vorübergehenden Lover den Anschein erweckte, es ernst zu meinen. Sobald sie glaubte, dass ein Kerl Gefühle für sie entwickelte, haute sie schnell ab.

»Was ist mit dir, Hazel?«, fragte ich.

Hazel rückte ihre Brille zurecht. »Nun, ein gewisser Jemand hat einen weiteren Artikel veröffentlicht. Ich verstehe nicht, weshalb ihn die Wissenschaftsgemeinde nicht aus der Stadt jagt, metaphorisch gesprochen. Er ist eine Bedrohung.«

Hazel war nicht nur wahnsinnig klug, sondern auch Forscherin im Bereich Psychologie an der University of Washington hier in Seattle. Sie war in etwas verwickelt, was sich seit Monaten zu einer bösartigen Rivalität mit einem anderen Psychologen auswuchs. Sie konnte von nichts anderem mehr reden.

»Hast du seinen Artikel gelesen?«, fragte ich.

»Natürlich. Jedes einzelne unfundierte Wort davon. Er hat kein Recht darauf, sich Wissenschaftler zu nennen.«

Nora und ich wechselten einen Blick. Genie hin oder her – Hazel tendierte dazu, sehr eingleisig zu denken. Hin und wieder benutzten wir das Wort obsessiv, doch das stritt sie ab. Aber sie war definitiv besessen von diesem Typen und seiner angeblich schlechten Recherche.

»Ich weiß, was du tun solltest.« Nora grinste hinter ihrem Getränk.

Hazel schürzte die Lippen und zog die Augenbrauen nach oben. »Ich schlafe nicht mit Corban Nash.«

»Da stimme ich Hazel vollkommen zu«, sagte ich. »Das ist eine schreckliche Idee.«

»Ich habe nie etwas von schlafen gesagt«, verteidigte Nora sich. »Ich dachte eher an so etwas wie: ihn ein paarmal um Sinn und Verstand vögeln und damit total umhauen.«

Meine Wangen glühten, ich wandte den Blick ab und räusperte mich.

Nora lachte, ein glockenhelles Geräusch. »Everly, du bist die Allersüßeste. Ich liebe es, dich zum Erröten zu bringen. Es ist so einfach.«

»Nein, ist es nicht«, widersprach ich. Doch sie hatte vollkommen recht. Es war sehr leicht, mich zum Erröten zu bringen.

»Komm schon, Hazel«, sagte Nora. »Du hast zu viel unterdrückte sexuelle Energie. All diese schöne Weiblichkeit muss irgendwo raus.«

»Dem stimme ich nicht zu«, entgegnete Hazel. »Ich habe beschlossen, nicht mehr zu daten. Oder Sex zu haben. Oder mich in einen wie auch immer gearteten beziehungsmäßigen Austausch mit Männern zu begeben.«

»Warum solltest du so etwas Albernes tun?«, fragte Nora.

Hazel schob ihre Brille nach oben. »Ich bin ein gebranntes Kind. Ich habe zwanglos gedatet. Ich war in einer langfristigen Beziehung. Keines von beiden hat für mich funktioniert, und im Moment gibt es andere Dinge in meinem Leben, die meiner vollen Konzentration bedürfen.«

»Wenn du das für das Beste hältst«, sagte ich.

Nora rümpfte die Nase. »Keine Männer? Gar keine?«

»Ich brauche keinen Mann, um in meinem Leben Befriedigung zu finden«, sagte Hazel.

»Natürlich brauchst du keine Männer«, sagte Nora. »Aber es ist ganz nett, wenn man sie um sich hat. Sie können Sachen reparieren und schwere Dinge heben. Und was Sex angeht, muss ich zugeben, dass es eine ganze Menge Methoden gibt, mit denen man sich befriedigen kann – aber mal ganz ehrlich: Der allmächtige Schwanz ist einfach unschlagbar.«

Ich legte den Finger auf die Lippen. »Nora, nicht so laut.«

»Apropos«, sagte Nora und wandte sich mir zu, »was mir gerade einfällt – du hattest am Samstag dein Date mit Gunnar. Wie war’s?«

Ich seufzte. »Nicht gut.«

»O nein. Willst du darüber reden?«, fragte Nora. »Ich meine, du musst natürlich nicht; ich wollte nur höflich sein.«

Nach einer ganzen Reihe mieser erster Dates war ich schon bereit gewesen, mich auf Hazels Seite zu schlagen und das Ganze zu vergessen. Oder zumindest eine schöne lange Pause einzulegen. Doch Nora hatte angeboten, mein nächstes Date auszusuchen. Ihre Theorie war, dass wir mein Dating-Pech überlisten konnten, indem jemand anderes entschied, mit wem ich ausging.

Auf einer Dating-App war sie auf Gunnar gestoßen, einen Typen, den sie für würdig befunden hatte, mich zu daten. In der Hoffnung, dass ihre Theorie richtig war, hatte ich ihm geschrieben.

Ihre Theorie war falsch gewesen. Sehr, sehr falsch.

»Erstens hatte ich gedacht, wir würden zusammen zu Mittag essen gehen, aber er hat mich auf eine Hochzeit geschleift.«

»Bei eurem ersten Date?«, fragte Hazel.

»Ja, und er war auch noch einer der Trauzeugen«, bestätigte ich. »Er hat es mir erst gesagt, als wir schon im Auto unterwegs dorthin waren. Seine Ausrede war, dass er gedacht hatte, die Hochzeit sei erst nächstes Wochenende, und unser Date nicht deshalb hatte platzen lassen wollen. Genau da hätte ich nach Hause gehen sollen. Aber ich redete mir ein, vielleicht wäre ein unkonventionelles erstes Date ja ein gutes Zeichen.«

»Klingt logisch«, sagte Hazel.

»Könnte man meinen. Das Ganze fand zwei Stunden entfernt statt, auf einem Weingut in den Bergen. Die Hochzeit an sich war gar nicht schlimm, aber beim anschließenden Empfang fingen plötzlich alle an, Tequila in sich hineinzukippen, als wären sie auf Spring Break in einem Club in Mexiko. Ich endete auf der Tanzfläche in einer Gruppe twerkender Betrunkener. Eine Brautjungfer rieb ihre Möpse an mir wie eine Stripperin bei einem Lapdance im Stehen, und dann brach auch noch eine Tortenschlacht aus. Ich schaffte es gerade so, lebend da rauszukommen. Und das war noch nicht mal der schlimmste Teil.«

»Was könnte denn noch schlimmer sein als all das?«, fragte Hazel.

Ich schauderte, die Erinnerung an meinen schrecklichen Samstag brannte sich in mein Gehirn ein. »O mein Gott, ich weiß nicht, ob ich euch das sagen will.«

»Komm schon, Süße«, sagte Nora. »Wir sind deine engsten Freundinnen.« Nora ergriff mit der einen Hand Hazels und reichte mir die andere, während Hazel dasselbe tat.

Ich nahm ihre Hände, um unseren Kreis des Vertrauens zu bilden. »Okay. Ich ging nach draußen, um mir zu überlegen, was ich jetzt mache, und Gunnar kam mit einer der betrunkenen Brautjungfern nach. Sie hing auf ihm drauf und rammelte praktisch an seinem Bein.«

»O Gott«, sagte Nora.

»Dann lud er mich ins Hotel nebenan zu einem Dreier ein. Er sagte, er hätte genug für uns beide, und sie machte dann einige sehr anschauliche Kommentare darüber, was sie mit mir anstellen würde, wenn ich bereit wäre, dasselbe mit ihr zu machen.«

»Sie sagte, dass sie dich ausschleckt, wenn du sie ausschleckst, oder?«, fragte Nora total ungezwungen.

Ich verdrehte die Augen. »Ja, aber musstest du das jetzt unbedingt laut aussprechen?«

»Ich wollte es nur klarstellen.«

»Natürlich habe ich Nein gesagt. Ich habe ein Foto von ihm und der betrunkenen Brautjungfer geschossen und es ihm geschickt, damit er es sehen kann, wenn er wieder nüchtern ist. Dazu habe ich geschrieben, dass dies der Grund ist, weshalb ich seine Nummer blockiere.«

»Gut gemacht«, sagte Hazel.

Nora ließ meine Hand los und streckte ihre aus. »Ich muss das sehen.«

Also holte ich mein Handy heraus und zeigte ihr das Foto. Zwar war die Belichtung nicht gerade toll, aber es zeigte einen zerzausten, kuchenbeschmierten Gunnar mit einer Frau in einem hässlichen pfirsichfarbenen Brautjungfernkleid, die ihn auf der Eingangsterrasse des Weinguts begrapschte.

»Wow«, sagte Nora und hielt das Handy mit spitzen Fingern, als könnte das Foto sie irgendwie beschmutzen, »das ist ekelhaft.«

»Es war genauso schlimm, wie es klingt. Nicht einmal ich kann das noch schönreden. Ich steckte zwei Stunden von zu Hause entfernt auf der Hochzeit einer Fremden fest, auf der praktisch alle betrunken waren. Mein Date hatte mich sitzen lassen, weil ich nicht auf einen Dreier in ein Hotel mitkommen wollte. Und ich bekam nicht mal Kuchen, weil sie ihn bei der Tortenschlacht ruiniert hatten.«

»Du Arme, das tut mir so leid.« Nora legte mein Handy weg und drückte meine Hand. »Das ist alles meine Schuld.«

»Nein, ist es nicht. Ich weiß, dass du ihn ausgesucht hast, aber er war bloß irgendein Kerl auf einer Dating-App. Das konntest du ja nicht wissen.«

»Wie bist du nach Hause gekommen?«, fragte Hazel.

»Na ja, eigentlich war das der beste Teil von allem. Ich habe die Familie kennengelernt, der das Weingut gehört. Sie ist total nett. Sie boten mir für die Nacht ein Gäste-Cottage an, und am Ende habe ich mit ihnen zu Abend gegessen. Ich hätte eine von euch anrufen können, um mich abzuholen, aber sie haben darauf bestanden, mich nach Hause zu fahren. Und bevor ihr jetzt ausflippt, weil ich sie gerade erst kennengelernt habe: Sie sind alle erwachsen und verheiratet, und die meisten von ihnen haben Kinder. Gestern bin ich mit zwei der Paare zurückgefahren. Ehrlich gesagt waren sie alle so toll, dass mir der Abschied richtig schwergefallen ist.«

»Wenigstens das«, sagte Hazel.

»Kann ich das Foto haben?«, fragte Nora.

»Warum?«

»Weil ich es überall in den sozialen Medien posten will.«

Ich schnappte mir mein Handy vom Tisch. »Nein.«

»Komm schon, Everly. Ich hasse ihn für das, was er mit dir gemacht hat, und es ist meine Schuld, weil ich ihn ausgesucht habe. Ich weiß immer noch nicht, wie mich meine Instinkte so trügen konnten.«

»Ich denke nicht, dass es an dir liegt, sondern an mir«, sagte ich. »Wir haben versucht, mein Pech auszutricksen, und es hat nicht funktioniert. Auf mir liegt ein Fluch.«

»Eigentlich gibt es so etwas wie Pech oder Glück gar nicht«, widersprach mir Hazel. »Flüche auch nicht.«

»Einspruch«, sagte Nora. Sie kippte den Rest ihres Getränks hinunter und winkte Jake mit dem Glas zu, um ein neues zu bestellen, wobei sie sich mit der anderen Hand an meinem bediente. »Everly hat wirklich entsetzliches Pech mit Männern.«

»Glück und Pech haben in der Realität keine Basis«, legte Hazel dar. »Man kann ihre Existenz nicht vorhersagen oder beweisen.«

»Beweisstück A: Gunnar«, sagte Nora. »Ich brauche wohl erst gar nicht zu erklären, inwiefern er mein Argument beweist.«

»Zugegeben, das war schlimm«, bestätigte Hazel.

»Beweisstück B: Der Kerl, der das Verhör mit ihr gemacht hat, einschließlich Fragen über ihre medizinische Vorgeschichte, um festzustellen, ob sie gesunde Babys zur Welt bringen kann. Und seine Mom ist aufgetaucht, um seine Notizen zu überprüfen.«

Ich zuckte zusammen. »Jerry. Ja, das war ziemlich schlimm.«

»Beweisstück C: Der schwule Typ, der gerade eine Trennung hinter sich hatte und versuchte, aus seinem Trott herauszukommen, indem er ein Date mit einer Frau vereinbart.«

»Um fair zu sein, muss man dazusagen, dass das die Idee eines Freundes war«, sagte ich. »Und obwohl wir nicht kompatibel waren, hatten wir eine schöne Zeit.«

»Ich glaube kaum, dass es noch mehr Beweise braucht, auch wenn ich jetzt immer weitermachen könnte.« Nora sah mich an. »Erinnerst du dich noch an Nick von vor ein paar Jahren?«

Ich stöhnte.

»Sie war ein paar Monate mit ihm zusammen, bis sie herausfand, dass er mit gestohlenen verschreibungspflichtigen Betäubungsmitteln handelte«, rief uns Nora ins Gedächtnis.

Jake brachte eine neue Runde Getränke, und ich nahm einen großen Schluck aus meinem Glas. »Diese Polizeirazzia war so stressig.«

»Siehst du? Pech«, sagte Nora. »Entsetzliches Pech sogar. Es ist nicht so, dass irgendetwas davon vorhersehbar gewesen wäre. Wir alle kennen diese Dinge, bei denen wir bei Männern auf der Hut sind, aber niemand hat seinen Radar auf die Art von Männern justiert, die du anzulocken scheinst.«

»Irgendetwas stimmt nicht mit mir«, sagte ich. »Habe ich ein Schild auf dem Rücken, auf dem verzweifelt steht?«

»Natürlich nicht«, antwortete Nora. »Genau das meine ich mit Pech. Es ist nicht deine Schuld.«

»Wahrscheinlich nicht«, stimmte ich ihr zu. »Aber sieh mich mal an. Ich bin dreißig und immer noch Single. Ich kann mir genauso gut eine Katze kaufen.«

»Ich habe eine Katze«, sagte Hazel. »Was ist verkehrt an Katzen?«

»Gar nichts. Katzen sind in Ordnung. Ich will damit nur sagen, dass ich bestimmt für immer Single sein werde. Dann kann ich mich ebenso gut gleich daran gewöhnen.«

»Singles haben viele Vorteile«, sagte Nora. »Aber ich weiß, dass du auf der Suche nach dem Richtigen bist. Er ist da draußen, Süße. Und eines Tages wird er dir in deine großen blauen Augen schauen und dieses strahlende Lächeln sehen und sich unsterblich in dich verlieben. Tatsächlich wird er sich fragen, wie er jemals ohne dich hat leben können. Und dann wirst du mich zwingen, auf deiner Hochzeit ein hässliches Kleid zu tragen, und ich werde als Wiedergutmachung einen dieser heißen, unverheirateten Trauzeugen vögeln.«

»Ich sehe keine Verbindung zwischen jemandem, der sich in Everly verliebt, und einem hässlichen Kleid«, sagte Hazel. »Nicht alle Brautjungfernkleider sind unansehnlich. Everly hat einen guten Geschmack. Sie könnte etwas …«

»Das war doch nicht ernst gemeint, Hazel«, sagte Nora mit einem Lächeln. »Ich habe nur einen Scherz gemacht.«

Hazels verwirrtes Gesicht wurde wieder weicher. »Oh, verstehe. In diesem Fall hoffe ich auch, dass du den Richtigen findest und es zu Brautjungfernkleidern kommt und … was auch immer.«

»Danke«, sagte ich. »Aber ich glaube, ich lege ebenfalls eine Dating-Pause ein. Vielleicht wird der Fluch ja gebrochen, wenn ich mich eine Weile von Männern fernhalte.«

»Es schmerzt mich, dir zuzustimmen«, sagte Nora. »Aber vermutlich hast du recht. Hast du mal in Erwägung gezogen, dass du lesbisch sein könntest? Sollten wir es mit einer Frau probieren?«

»Ich habe mal meine Schwester danach gefragt.« Meine Schwester Annie war glücklich mit einer Frau – Miranda – verheiratet. »Sie hat beschrieben, wie es sich anfühlt, und ich konnte mich mit nichts davon identifizieren. Ich bin nicht lesbisch. Ich mag Männer. Ich date nur immer die falschen.«

Nora drückte mir wieder die Hand. »Ehrlich, Everly, ich bin ratlos. Du bist buchstäblich der netteste Mensch, den ich kenne. Du bist klug, hübsch und erfolgreich. Ich sage dir, er ist da draußen. Eines schönen Tages wirst du einen Mann kennenlernen, der den Rest seines Lebens mit dir verbringen und sich in deinem Sonnenschein aalen will.«

Ich lächelte und drückte auch ihre Hand. »Danke.«

»Nora hat vollkommen recht«, sagte Hazel.

»Ich hab euch lieb, Mädels.«

»Ich möchte einen Toast aussprechen.« Nora hob ihr Glas. Hazel und ich taten es ihr nach. »Auf Everly. Möge dieses Single-Dasein so lange oder so kurz währen, wie sie es sich wünscht. Und möge der nächste Mann in ihrem Leben derjenige sein, der sie umhaut, und möge er einen großen Schwanz haben.«

»Darauf werde ich trinken.« Ich hob mein Glas und stieß mit ihnen an, dann nahmen wir alle einen Schluck.

Umhauen. Das wird wohl nicht so bald passieren. Aber wenn ich etwas war, dann eine ewige Optimistin, und Träume durfte man ja wohl schließlich noch haben.

3

SHEPHERD

Meine Assistentin kam zu mir ins Büro. Sie klopfte nicht, aber sie war der einzige Mensch, der damit ungestraft davonkam. Wahrscheinlich, weil sie mich nie unterbrach, wenn ich telefonierte oder in einem vertraulichen Meeting war. Sie nahm mein Jackett vom Haken und legte es sich über den Arm.

»Sie sollten los, sonst kommen Sie zu spät zu Ihrer Reservierung«, sagte sie.

Ich schaute auf die Uhr. Ich musste wirklich los. Unpünktlichkeit war etwas, das ich nicht ausstehen konnte. Das erlaubte ich mir selbst genauso wenig wie anderen. Doch ich war abgelenkt gewesen, gefesselt von einem Angebot.

Ich klappte meinen Laptop zu und steckte ihn in meine Aktentasche, dann stand ich auf, in Gedanken bereits bei dem unangenehmen Abendessen, das mir bevorstand. Es hatte das Potenzial, sehr schlecht zu enden. Mit Swetlana in der Öffentlichkeit Schluss zu machen stellte ein Risiko dar. Ich war nicht lange mit ihr zusammen gewesen, aber sie hatte einen Hang zum Drama. Hoffentlich war es die richtige Entscheidung gewesen, sie in einem Restaurant zu treffen.

»Ich habe die Reservierung im Tulio bestätigt«, sagte meine Assistentin und reichte mir das Jackett. »Soll ich Ihnen die Speisekarte schicken?«

»Nein.« Ich zog mein Jackett an und steckte mein Handy ein. Ich hatte das Angebot nicht zu Ende gelesen. Morgen wäre ich mit Meetings beschäftigt, deshalb würde ich es heute Abend noch durchgehen müssen. Je schneller ich dieses Abendessen über die Bühne brachte, umso besser. Vielleicht würde ich gar nichts essen. Rein, raus. Weitermachen.

Ich zupfte das Revers meines Jacketts zurecht und nahm die Aktentasche vom Schreibtisch.

»Einen schönen Abend, Mr. Calloway«, sagte sie, als ich zur Tür hinausging und mich auf den Weg Richtung Tiefgarage machte.

Diese Swetlana-Sache brachte mich aus dem Konzept. Wahrscheinlich hätte ich sie loswerden können, ohne sie noch einmal persönlich zu treffen, doch sie kam mir wie die Sorte Frau vor, die dann versuchen würde, Ärger zu machen. Wenn es etwas Schlimmeres gab als eine schmutzige Trennung, dann eine schmutzige Trennung, die es in die Presse schaffte. Sie wusste, wie zurückgezogen ich lebte – wie sehr ich mein Privatleben schützte. Wenn ich sie wütend machte, würde sie es bestimmt so öffentlich machen, wie sie nur konnte. Das Beste wäre, sie mit Geld zu beschwichtigen.

Keine direkte Bestechung. Ich würde sie nicht beleidigen, indem ich sie wie eine Prostituierte behandelte. Aber ich kannte die Währung, die das Potenzial hatte, eine Frau wie Swetlana zu besänftigen. Immerhin war sie genau aus diesem Grund in erster Linie mit mir zusammen gewesen.

Ich hätte es von Anfang an merken sollen, doch die schauspielerischen Fähigkeiten dieser Frau waren oscarverdächtig. Sie hatte mich auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung angesprochen, und ihr Lächeln hatte mich fasziniert. Wenn man sie ansah, könnte man denken, es wäre ihr Körper gewesen – ihr Körper war ehrlich gesagt der Wahnsinn –, aber es war ihr Lächeln gewesen. Sie hatte mich angelächelt, breit und strahlend, und ich wusste sofort, dass ich sie mit nach Hause nehmen würde.

Doch obwohl ich schon sechsunddreißig war, war ich offenbar immer noch beschissen darin zu erkennen, ob jemand authentisch ist, denn ihr Lächeln war so künstlich wie ihre Haarfarbe.

Abgesehen von diesem unglaublich heißen Äußeren war Swetlana ein Alptraum. Sie war besitzergreifend, anstrengend und quengelig. Sie wollte einen Milliardär als Sugar Daddy – eine Rolle, an der ich kein Interesse hatte – und hatte mich deshalb anvisiert.

Genau wie Brielle. Und Sasha. Und Marissa vor ihr.

Ich hatte eindeutig ein Problem.

Allmählich glaubte ich, dass ein Fluch auf mir lag. Ich war nicht dumm. Ich wusste, dass es für einen Mann wie mich normal war, einen bestimmten Frauentyp anzulocken. Als ich jünger war, hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich der Fülle an umwerfenden Frauen, die mir die Tür einrannten, je überdrüssig werden würde. Doch sie waren alle gleich. Ein hübsches Gesicht und ein heißer Körper, mehr nicht. Nicht dass ich nach etwas Ernstem Ausschau hielt. In meinem Leben gab es kaum Platz für eine lockere Beziehung, ganz zu schweigen von etwas Langfristigem. Aber Zeit mit einer Frau zu verbringen, die keine falsche Schlange in Gestalt eines Kätzchens war, wäre eine nette Abwechslung.

Mein schwarzer Mercedes stand in der Nähe des Aufzugs. Mit einem Gefühl der Resignation stieg ich ein. Ich würde es ihr so schonend wie möglich beibringen, dass ich mich von ihr trennte, was die negativen Konsequenzen hoffentlich minimieren würde. Und wenn sie Schwierigkeiten machte, würde ich damit fertigwerden. Wie bei einem geschäftlichen Deal – es gab immer alternative Lösungen. Methoden, um Herausforderungen und unvorhergesehene Probleme zu meistern.

Das Tulio war ein schickes italienisches Restaurant. Klein. Nette Atmosphäre. Gutes Essen. Swetlana war noch nicht da, daher wartete ich vorne.

Ich brauchte nicht von meinem Handy aufzusehen, um mitzubekommen, dass sie ein paar Minuten später eintraf. Das Aufsehen, das sie erregte, wo immer sie auftauchte, kündigte ihre Ankunft an.

Swetlana war in jeder Hinsicht schön – äußerlich zumindest –, und die Leute wurden auf sie aufmerksam. Fast alles an ihr war wirklich vom Feinsten, und den Rest hatte sie gekauft. Perfekt symmetrisches Gesicht. Große Augen. Glatte Nase. Volle Lippen. Umwerfende Kurven. Von ihrem bulgarischen Akzent war gerade genug übrig, um angenehm exotisch zu klingen.

Sie lächelte mich an, doch ich lächelte nicht zurück. Ich nickte lediglich der Empfangsdame zu, um ihr zu signalisieren, dass wir unsere Plätze einnehmen konnten. Wir folgten ihr zu einem Tisch ganz hinten. Swetlana blieb stehen, während ich ihr den Stuhl vorzog, aber ich küsste oder berührte sie nicht.

Sie schob die Unterlippe nach vorne, während sie sich setzte. »Du bist heute Abend ja besonders kühl.«

Das war keine Frage, deshalb gab ich ihr auch keine Antwort. Ich zog nur mein Jackett aus und nahm gegenüber von ihr Platz.

»Ich habe keine Ahnung, was ich hier bestellen soll«, sagte sie, als sie einen Blick auf die Karte warf. »Alles enthält Kohlenhydrate.«

»Hm«, sagte ich und ignorierte ihren schlecht getarnten Vorwurf hinsichtlich meiner Restaurantwahl.

Die Kellnerin kam und fragte, ob wir etwas zu trinken wollten.

»Sollen wir eine Flasche Wein bestellen?«, fragte sie.

»Für mich nichts.«

Sie machte ein finsteres Gesicht und schnappte sich die Getränkekarte vom Tisch. »Dann einen Granatapfel-Martini für mich.«

»Kommt sofort«, sagte die Kellnerin. »Dann nehme ich auch Ihre Bestellung auf.«

Ich beschloss, nichts zu essen zu bestellen. Ich hatte zu viel Arbeit.

»Swetlana, ich habe einen zehntägigen Urlaub für zwei in einem All-inclusive-Resort auf Hawaii gebucht.« Ich griff in meine Tasche und zog einen Umschlag mit den Informationen heraus, die sie brauchen würde. »Es ist für alles gesorgt. Flüge. Mahlzeiten. Getränke. Sogar Unterhaltung.«

Sie riss die Augen auf. »O Shepherd, ist das dein Ernst?«

»Ja, aber ich komme nicht mit.« Ich legte das Kuvert vor sie. »Du kannst mitnehmen, wen immer du willst. Wende dich an meine Assistentin, um die letzten Details zu klären. Ich habe deine Gesellschaft in den letzten Monaten sehr genossen, aber wir werden uns nicht mehr sehen.«

Ihr blieb der Mund offen stehen, und sie starrte mich an. »Du verlässt mich?«

Verlässt mich. Sie hatte diese Formulierung nicht deshalb verwendet, weil Englisch ihre zweite Sprache war. Dadurch klang es so, als würde ich mich scheiden lassen und nicht nur eine flüchtige Affäre beenden.

»Unsere Beziehung ist beendet«, sagte ich.

»Und was soll das?«, fragte sie und deutete auf den Umschlag. »Du nimmst mich nie irgendwohin mit, und jetzt willst du mich loswerden, indem du mich allein in den Urlaub schickst?«

»Ich sagte, dass du mitnehmen kannst, wen immer du willst.«

»Ich bin nicht käuflich, Shepherd.«

Ich zog die Augenbrauen nach oben. Wenn ich je eine verdammte Lüge gehört hatte, dann diese. »Gewiss. Ich dachte, es wäre eine angenehme Ablenkung.« Ich nahm das Kuvert vom Tisch. »Aber wenn du glaubst, ich wollte dich damit beleidigen, habe ich mich wohl geirrt. Verzeihung.«

Weil ich wusste, dass sie ihn zurückverlangen würde, machte ich mich umständlich daran, den Umschlag in die Tasche zu stecken.

»Na ja …« Sie unterbrach sich und verdrehte die Augen. »Wenn es schon gebucht ist, kann ich genauso gut hinfliegen.«

Ich legte gerade den Umschlag vor sie, als die Kellnerin mit ihrem Martini kam. Ich sah die Kellnerin an. »Ihr Abendessen geht auf mich. Sie kann bestellen, was immer sie will.«

»Natürlich, Mr. Calloway«, sagte die Kellnerin.

Ich stand auf und nahm mein Jackett.

»Guten Abend.«

Ohne eine Antwort von Swetlana oder der Kellnerin abzuwarten, drehte ich mich um und ging.

Das war weit besser gelaufen als erwartet. In ein paar Tagen wäre Swetlana auf Hawaii. Wenn sie zurückkehrte, würde sie jemand Neues finden, daran zweifelte ich nicht. Eine Frau wie sie blieb nicht lange allein.

Ich hingegen schon. Eine Frau in meinem Leben zu haben war immer nur eine Komplikation gewesen. Eine Ablenkung.

Eine Enttäuschung.

Ich schob den Gedanken an Swetlana – und meine Unzufriedenheit über das Daten im Allgemeinen – beiseite und ging zu meinem Wagen. Heute Abend hatte ich noch viel zu tun.

4

EVERLY

Das kleine Bistro, das meine Schwester und meine Schwägerin fürs Abendessen ausgesucht hatten, war reizend. Es war farbenfroh, mit flippigem Dekor und einer großartigen Speisekarte. Als ich kam, saßen sie bereits an einem Tisch, steckten die Köpfe zusammen und lachten über etwas.

Annie war drei Jahre jünger als ich, schien aber ihr Leben immer auf eine Art und Weise auf die Reihe zu bekommen, wie ich es nicht vermochte. Sie war sehr zielstrebig und ehrgeizig. Sowohl die Highschool als auch das College hatte sie mit den besten Noten abgeschlossen und war jetzt als Wirtschaftsprüferin tätig. Sie war nicht nur sehr intelligent und äußerst erfolgreich, sondern auch total hübsch. Und in der Liebe hatte sie ebenfalls Glück, denn sie war mit Miranda, der coolsten Frau überhaupt, verheiratet. Gerade gestalteten sie zusammen ihr zweites Haus um, weil sie Energie ohne Ende hatten.

Es war ja nicht so, dass ich neidisch war. Neid ist so negativ. Doch ich neigte dazu, mich neben meiner kleinen Schwester ein wenig minderwertig zu fühlen. Ich wohnte immer noch in einer Mietwohnung. Mein Job war großartig, aber Assistentin der Geschäftsleitung klang nicht annähernd so beeindruckend wie Wirtschaftsprüferin. Nicht einmal, wenn ich die Assistentin eines der prominentesten Geschäftsmänner in Seattle war.

»Hey, Schwesterherz.« Annie stand auf und umarmte mich. Sie sah mir sehr ähnlich, außer dass ihr Haar ein wenig dunkler und zu einem glatten Bob geschnitten war. Wie immer war sie top gestylt, sie trug eine Bluse und Slacks.

Miranda stand auf, um mich zu umarmen. Sie hatte eine Brille und trug nie weniger als vier Farben gleichzeitig. Sie war ein lebhafter Künstlertyp, und das zeigte sich in ihrem welligen Haar und ihrem eklektischen Stil. Auch wenn meine Schwester und sie so unterschiedlich wirkten, passten sie hervorragend zusammen.

»Hey, ihr zwei«, sagte ich, als wir alle Platz nahmen. »Wie läuft’s?«

»Gut«, entgegnete Annie. »Und bei dir? Es fühlt sich an, als hätten wir uns seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.«

»Ja, finde ich auch«, sagte ich. »Mir geht es gut. Viel zu tun bei der Arbeit, natürlich.«

»Ist das nicht immer so?«, fragte Annie. »Was ist mit deinem Privatleben? Gibt es irgendjemand Besonderen, von dem du uns erzählen musst?«

Ich schüttelte den Kopf. Annie war großartig, aber sie war nie der Mensch, dem ich mich anvertraute. Von meinen neuesten Dating-Abenteuern wollte ich ihr lieber nicht erzählen. »Nein, ich bin mit niemandem zusammen.«

»Warum nicht?«, hakte sie nach. »Echt jetzt, Everly, ich kann nicht glauben, dass du immer noch Single bist.«

Miranda stieß sie an. »Annie.«

»Tut mir leid. Ich habe es nicht so gemeint. Ich weiß einfach, wie großartig du bist, das ist alles.«

»Danke. Aber das ist schon okay. Ich mache gerade eine kleine Pause vom Daten.«

»Das ist toll«, sagte Miranda. »Ich glaube, es ist klug, sich auf sich selbst zu konzentrieren. Vor ein paar Jahren habe ich das auch gemacht, und das war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe.«

»Du hast ja wohl kaum eine Dating-Pause eingelegt«, warf Annie ein. »Nach ein paar Wochen hast du bereits mich kennengelernt, oder?«

»Genau«, stimmte Miranda ihr zu. »Ich glaube fest daran, dass der richtige Mensch in dein Leben tritt, sobald du aufhörst, nach ihm zu suchen.«

»Hm«, überlegte Annie, »da könnte sie recht haben.«

»Ja, vielleicht«, sagte ich. »Eigentlich ist alles in Butter. Mein Job gefällt mir, und Single zu sein ist gar nicht so schlecht.«

»Natürlich nicht«, sagte Annie.

»Und bei euch so?«, fragte ich. »Was gibt es Neues?«

»Nun ja«, entgegnete Annie und warf Miranda einen Blick zu, »wir haben tatsächlich Neuigkeiten.«

»Ja?«, hakte ich nach. »O Gott, bitte, sagt mir jetzt nicht, dass ihr in einen anderen Bundesstaat zieht oder so.«

»Nein, wir ziehen nicht um«, erwiderte Annie. »Aber wir wollen versuchen, ein Baby zu bekommen.«

»Oooh«, sagte ich und löschte das hässliche kleine Aufflackern von Neid aus, das in meinem Bauch aufloderte. Ich war älter als sie und Single, na und? Annie war glücklich verheiratet und ließ demnächst den Traum unserer Mutter wahr werden, indem sie ihr ein Enkelkind schenkte, na und? Das spielte keine Rolle, und ich würde Annie nicht die Stimmung verderben. »Das ist großartig! Ich freue mich so für euch beide.«

»Danke«, sagte Annie. »Wir haben immer gewusst, dass wir Kinder wollen, und der Zeitpunkt fühlt sich genau richtig an.«

Miranda ergriff ihre Hand und drückte sie. »Genau. Es ist eine große Entscheidung, aber wir sind bereit.«

»Ihr werdet fantastische Eltern sein«, sagte ich. »Wie wollt ihr es anstellen? Wollt ihr adoptieren?«

»Das machen wir, falls wir uns entschließen, dass wir mehr als nur eins wollen«, antwortete Miranda. »Aber Annie möchte eigentlich die Erfahrung einer Schwangerschaft machen.«

Annie nickte. »Ja, das will ich. Ich weiß, dass ich wahrscheinlich Schwangerschaftsstreifen bekommen und mir die Brüste ruinieren werde, doch das ist mir egal. Ich will es trotzdem tun.«

»Es wird deine Brüste nicht ruinieren«, sagte Miranda. »Und ich werde deinen Körper auch mit Schwangerschaftsstreifen lieben.«

Annie strahlte sie an.

»Ich finde das super«, sagte ich.

»Ja?«, fragte Annie.

»Ja, warum? Dachtest du, dass ich mich nicht für euch freue?«

»Nein, ich wusste, du würdest dich freuen«, entgegnete Annie. »Tust du das nicht immer?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Nicht buchstäblich immer. Aber darüber freue ich mich natürlich. Ich werde Tante. Was sollte mir daran nicht gefallen?«