China-Protokolle - Alexandra Cavelius - E-Book

China-Protokolle E-Book

Alexandra Cavelius

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Beschreibung

Seit 2014 errichtete die chinesische Regierung in Xinjiang ein riesiges Netz von Straflagern für ethnische Minderheiten, vorwiegend muslimische Uiguren und Kasachen. Hier müssen die Insassen – schätzungsweise drei Millionen Menschen – Zwangsarbeit leisten, werden gefoltert, vergewaltigt, für medizinische Versuche missbraucht und einer Gehirnwäsche unterzogen. Sie sollen ihre Identität aufgeben und zu willigen chinesischen Staatsdienern werden. Nach dem großen Erfolg der "Kronzeugin" konzentriert sich Cavelius in diesem Buch auf die Interviews von fünf Zeuginnen, die in diesen Lagern gefangen gehalten wurden und die einen erschütternden Einblick in die Machenschaften des weltweit größten Überwachungsstaats geben. Sauytbay widmet sich der Analyse einzelner thematischer Schwerpunkte. Als langjähriges KPCh-Mitglied kennt sie das Denken der Kader genau, und als Gefangene des Systems hat sie die Auswirkungen dieser Politik am eigenen Leib erfahren. Gemeinsam zeigen die Autorinnen, wie die Volksrepublik China versucht, ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss mit allen Mitteln bis nach Afrika und Europa auszudehnen – eine starke Bedrohung für die westlichen Demokratien.

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ALEXANDRA CAVELIUSSAYRAGUL SAUYTBAY

CHINA

PROTOKOLLE

Vernichtungsstrategien der KPChim größten Überwachungsstaat der Welt

1. eBook-Ausgabe 2021Hinweis: Die mit * gekennzeichneten Angaben im Text wurden zumSchutz der Zeuginnen und Zeugen von der Redaktion verändert.© 2021 Europa Verlag in der Europa Verlage GmbH, MünchenUmschlaggestaltung und Motiv:Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, ZürichBildnachweis: WikimediaCommons/ Panel - Guaranteeing theRights of Minority Women.jpg S. 353; alle anderen: privatRedaktion: Franz LeipoldLayout & Satz: Robert Gigler, MünchenGesetzt aus der Bembo

Konvertierung: BookwireePub-ISBN: 978-3-95890-431-6

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Alle Rechte vorbehalten.

www.europa-verlag.com

Vielen Dank an alle Helfer!Besonders an Umit Hamit sowie anSultan Karakaya für die Übersetzungvon Sayragul Sauytbays Analysen

INHALT

VORWORT (Alexandra Cavelius)

EINFÜHRUNG (Sayragul Sauytbay)

Todesangst

Ostturkestan – ein reiches Land und Tor zum Westen

Warum ist das ferne Ostturkestan wichtig für den Rest der Welt?

Die Welt wachrütteln, der KPCh die Maske vom Gesicht nehmen

Leben im größten Überwachungsstaat und Freiluftgefängnis der Welt

Eine mörderische Politik

Potenzielle Mörder und gesicherte Küchenmesser

Totale Überwachung

72 fabrizierte Vorwände für eine Inhaftierung

ZUMRET DAWUT – ZEUGIN ZWANGSSTERILISATION

Vom Überleben im Schlachthaus

Analyse

RAHIMA MUHAMMAD NURI – ZEUGIN FÜR GEBURTENKONTROLLE

Leben retten um jeden Preis: Nachts auf dem Friedhof ein Kindergrab ausheben

Analyse

DINA NURDYBAY – HAUPTZEUGIN FÜR KINDERLAGER UND ZWANGSARBEIT

Analyse

SAYRAGUL SAUYTBAY – ZEUGIN FÜR DIE SITUATION DER KINDER

TUMARIS YALQUN – ZEUGIN FÜR DIE SITUATION DER KINDER

Analyse

OMAR BEKALI – HAUPTZEUGE FÜR FOLTER

Analyse

ENVER TOHTI: ZEUGE ORGANRAUB

Interview mit Prof Dr. Huige Li

Ethan Gutman: Die nächsten Opfer von »Organraub« sind vielleicht Hongkonger oder andere Demokratiebefürworter

Analyse

AKADEMIKER (ANONYM): ZEUGE MORD

Analyse

EHEFRAU DES AKADEMIKERS (ANONYM) – ZEUGIN FÜR VERGEWALTIGUNG

Analyse

REBIYA KADEER – SITUATION DER ZEUGEN UND DISSIDENTEN IM AUSLAND

Interview mit Rebiya Kadeer

BILDTEIL

ABDUWELI AYUP – ZEUGE FÜR DIE SITUATION DER DISSIDENTEN IM AUSLAND

Analyse

LÖSUNGSVERSUCHE: WIE LASSEN SICH EINFLUSS UND BEDROHUNG DER CHINESISCHEN REGIERUNG BEGRENZEN?

SCHLUSSWORT

»A lie doesn’t become truth,Wrong doesn’t become right,and evil doesn’t become good,just because it’s accepted by a majority.«

Booker T. Washington,US-Bürgerrechtler

»Der effektivste Weg, Menschen zu zerstören,besteht darin, ihr eigenes Verständnis ihrer Geschichtezu leugnen und auszulöschen.«

George Orwell, Autor

»Das ist eine Form des Bösen,die wir noch nie auf der Welt gesehen haben.«

David Matas,Menschenrechtsanwalt

VORWORT

Die Geschehnisse in Ostturkestan gleichen einem neuen Horrorfilm mit immer grausameren Staffeln, den die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) in den letzten fünf Jahren produziert. Durchgestochene Geheimdokumente belegen dort heute eine der größten Menschenrechtsverletzungen unserer Zeit.

Vor einem Jahr ist unser Bestseller Die Kronzeugin erschienen. Vor einem Jahr glaubten manche Journalisten noch nicht an die darin beschriebenen Welteroberungspläne Pekings, so unfassbar schien ihnen das. Viele Politiker wagten noch nicht, in Ostturkestan von einem Genozid zu sprechen. Ein Vergleich zum Holocaust war einigen Menschenrechtlern zu gewagt, bis jüdische Verbände ihn selbst gezogen haben.

Die Beweislage für die Gräueltaten ist erdrückend. Und die Stimmung gegen Peking hat sich weltweit gedreht. Das liegt auch an der brutalen Niederschlagung der Demokratiebewegung in Hongkong, dem harschen Auftreten im Südchinesischen Meer, den Drohgebärden gegenüber Taiwan, dem Patentklau, der Industriespionage im Ausland, dem Abschotten der eigenen Märkte … Die Reihe ließe sich noch lange fortsetzen. Mittlerweile spricht die EU-Kommission beim chinesischen Handelspartner vom »systemischen Rivalen«.

Lange hat Peking die Existenz der Lager in Ostturkestan geleugnet, dann aufgrund der zahlreichen Beweise schöngefärbt als »Berufsbildungszentren« bezeichnet. In »freiwilligen Bildungsmaßnahmen« werde darin »extremistisches Gedankengut bekämpft«. Menschenrechtsverletzungen gäbe es dort keine, betonen die Parteifunktionäre seither einmütig, und die meisten Lager seien ohnehin seit 2017 längst geschlossen.

Seit 2017 hat Peking jedoch 380 neue Internierungslager errichtet oder bestehende erheblich erweitert, belegt eine Studie des Thinktanks »Australian Strategic Policy Institute« (ASPI) anhand von Satellitenbildern, Zeugenaussagen und Bauausschreibungen. Einige Lager bestehen nur aus einem Gebäude, andere aus riesigen Komplexen. Es sind Schulen, Kasernen, Fabriken … Viele sind in den Bergen versteckt, manche offenbar laut Zeugenaussagen auch unterirdisch angelegt, sodass sie nicht durch Satelliten lokalisiert werden können. Jedes Lager ist anders.

Als »Lügen« oder »China-Bashing« weisen die Kader alle Berichte über Misshandlungen in den Lagern zurück. Stattdessen vermelden sie aktuell, dass sich Ostturkestan (chin. Xinjiang) »in seiner besten Entwicklungsphase seit jeher« befinde und die Bevölkerung »sich aller Rechte und Pflichten erfreue«.

Die Frage ist, warum Chinesen und Einheimische bewiesenermaßen unterschiedliche Rechte und Pflichten haben. Warum muss das Turkvolk seine Kultur, Religion und Identität in der eigenen Heimat aufgeben und den Chinesen als Sklaven dienen? Warum haben Uiguren, Kasachen und die anderen dort lebenden Ethnien keine Menschenrechte?

Wegen Pekings intransparenter Politik kennt niemand genaue Zahlen der Inhaftierten in Ostturkestan. Viele Menschenrechtsorganisationen sprechen von ein bis drei Millionen, viele Überlebende dagegen von bis zu acht Millionen. Ganze Straßenzüge sind leer.

Im 21. Jahrhundert hat die chinesische Regierung die Nordwest-Region nachweislich mit einem Netz an hochmodernen Konzentrationslagern überzogen. Es handelt sich um die größten Internierungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Gleichzeitig hat die KPCh einen weltweit einzigartigen Überwachungsstaat errichtet und das Leben unschuldiger Uiguren, Kasachen und anderer Ethnien darin in eine »dystopische Höllenlandschaft« verwandelt, wie Amnesty International es ausdrückt.

Mittlerweile reagieren immer mehr Staaten auf Pekings Verbrechen gegen die Menschlichkeit, aber das reicht noch lange nicht als wirksame Maßnahme aus, solange dort weiterhin systematisch Kinder, Frauen, Männer, Greise gequält werden – und zwar mittels hochmoderner Technik sowie Folterinstrumenten wie aus dem Mittelalter.

Zugleich bewirbt die Diktatur selbst diesen Überwachungsstaat als Erfolgsmodell für rasante Modernisierung, Sicherheit und Wohlstand. Unumkehrbar sei der Aufstieg Chinas zur Weltmacht, glaubt Xi Jinping. Eine Welt, in der die KPCh die Führung übernähme, bedeutete jedoch ein Leben im Totalitarismus.

Die Geschichten Überlebender und Zeugen in diesem Buch sind zutiefst verstörend und albtraumhaft. Es ist wichtig, dass wir ihnen bis zum Ende zuhören. Es ist sogar überlebenswichtig.

Wer wüsste besser als wir Deutschen, was es heißt, in einem faschistischen System zu leben? Wer wüsste besser als wir, dass bereits ein Funke aus so einer Region ausreicht, um einen weltweiten Flächenbrand auszulösen?

Es handelt sich um eine noch nie da gewesene, industrialisierte Form des Massenmordes, der aus mehreren Bausteinen besteht, wie Zwangsarbeit oder Organhandel. Es ist Pekings äußerst profitables Geschäft mit der Zerstörung einer anderen Kultur. Und es ist ein Tauziehen im Westen zwischen der Wichtigkeit unserer Werte und der Gier nach Geld.

Es ist unsere Verantwortung, unseren Blick nach Ostturkestan zu wenden und den Menschen zu helfen. Es ist unsere Verantwortung, deren Kinder genauso wie unsere Nachkommen vor dieser menschenverachtenden Politik zu schützen. Es ist unsere Verantwortung, unsere Freiheit zu bewahren und diesen Völkermord zu beenden.

Die Zeugen in diesem Buch sind alle schwer gezeichnet von Trauma und Krankheit. Sie haben die finstersten Seiten der Unmenschlichkeit durchlebt, aber durch diese Dunkelheit hindurch strahlen ihre Kraft, ihre Würde und ihr Wille, die Welt zu einem besseren Ort zu gestalten. Helfen Sie mit, die Entscheidungsträger weltweit wachzurütteln, indem Sie das Wissen unserer Zeugen weitergeben, denn das Ausmaß des Grauens in Ostturkestan ist noch weit größer als gedacht …

Als ehemalige KPCh-Beamtin, Ärztin, Schuldirektorin, Mutter und Lehrerin in einem Konzentrationslager analysiert Sayragul Sauytbay die einzelnen Verbrechen der KPCh in Ostturkestan, die ich mit Informationen ergänzt habe.

Alexandra Cavelius

EINFÜHRUNG

Todesangst

Mein Name ist Sayragul Sauytbay. Meine ethnische Zugehörigkeit ist Kasachisch. Ich bin 1976 im »Kasachisch autonomen Bezirk Ili Xinjiang« als Tochter eines Lehrers und eines von neun Kindern am Fuße des Tian-Shan-Gebirges geboren worden. Damals gab es dort noch keine Chinesen.

In der südlichen Region leben vorwiegend Uiguren – mit zehn bis zwölf Millionen die größte ethnische Gruppe –, gefolgt von den Kasachen als zweitgrößte Gruppe mit etwa dreieinhalb bis fünf Millionen Menschen. Insgesamt finden sich in Ostturkestan etwa 13 unterschiedliche Ethnien, darunter Kirgisen, Tataren und Dunganen. Niemand kennt genaue Zahlen, da die chinesische Regierung Statistiken nach Belieben anfertigt.

Nach Abschluss meines Medizinstudiums habe ich zunächst als Ärztin in einem Krankenhaus gearbeitet, anschließend auf Lehramt umgeschult, um dann in Aksu als Direktorin von fünf großen Kindergärten des Ministeriums zu arbeiten. Als Beamtin hat mich der Staat genötigt, Parteimitglied zu werden. Nur Leute mit den besten Leistungen werden für dieses komplizierte Aufnahmeverfahren zugelassen. Oft dauert es Jahre, bis man ein vollwertiges Mitglied ist.

Wegen der zunehmenden Unterdrückung wollte ich mit meinen zwei Kindern und meinem Mann nach Kasachstan ziehen, aber muslimischen Staatsbeamten wie mir hatte die chinesische Regierung den Pass abgenommen. Daraufhin schickte ich meine Familie alleine fort, damit wenigstens sie in Freiheit leben konnten. »Ich komme bald nach«, sagte ich und klammerte mich fest an diese Hoffnung.

Ende 2016 setzte die chinesische Regierung in unserer Provinz Chen Quanguo als neuen Gouverneur ein, der zuvor Tibet in einen Friedhof verwandelt hatte. Seither führt Peking einen offenen Vernichtungsfeldzug gegen die einheimische Bevölkerung in Ostturkestan. Mehrfach holten mich in der Folge die Kader zu Verhören ab. »Überrede deine Familie, aus Kasachstan hierher zurückzukommen!«, verlangten sie unter Druck und Schlägen.

Kasachstan ist genauso wie der Rest der Welt für die KPCh Ausland. Und Ausland ist für die Kader ein Symbol für Andersartigkeit. Und alles, was anders ist, verkörpert den Feind. Niemals aber soll jemand jenseits der Grenzen erfahren, was in Ostturkestan wirklich vor sich geht. Ein offengelegter Genozid würde sonst die bestens laufenden Geschäftsbeziehungen Pekings mit dem Ausland gefährden.

Da ich den Kadern meine Familie nicht ans Messer geliefert hatte, zwangen sie mich im November 2017, als Lehrerin in einem Lager einheimische Häftlinge auf Chinesisch zu unterrichten. Etwa vier Monate später entließen sie mich und kündigten an, mich demnächst wieder einzusperren. Diesmal als Gefangene. Um dem zu entkommen, kletterte ich nachts aus dem Fenster und floh unter Lebensgefahr nach Kasachstan.

Schnell haben mich die Agenten Chinas dort aufgespürt, entführt und versucht, mich abzuschieben. Nur durch große Proteste und die Unterstützung der Bevölkerung Kasachstans sowie dank des Drucks internationaler Organisationen und Journalisten habe ich diese Tortur überlebt. In einer Phase, als meine Familie zum zweiten Mal unter Todesangst litt und uns die Auslieferung nach China drohte, nahm die schwedische Regierung uns auf, sodass wir im Juni 2019 fortgezogen sind.

Da ich es als erste Zeugin aus Ostturkestan gewagt hatte, in der Öffentlichkeit die Grausamkeiten in den Lagern und unserer Heimat zu schildern, hat mich die US-Regierung 2020 mit dem »International Brave Woman Award« ausgezeichnet. Die USA stehen auf der Liste der Staatsfeinde Chinas auf Platz eins, während Deutschland Rang drei oder vier einnimmt. Am 28. Februar 2021 habe ich den Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis erhalten. Seither bin ich noch heftigeren Angriffen der KPCh ausgesetzt. »Halte endlich deinen Mund!« Aber ich höre nicht auf, mich für die Freiheit der Menschen in Ostturkestan einzusetzen und dazu beizutragen, dass die Menschen auf der Welt erfahren, was in meiner Heimat vor sich geht.

Ostturkestan – ein reiches Land und Tor zum Westen

Warum wendet Peking solche enormen Anstrengungen auf, um unser Volk mit seinen unterschiedlichen Ethnien auszulöschen? Als Tor zum Westen ist Ostturkestan für die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) strategisch sehr bedeutsam, denn hier laufen im weltweit größten Infrastrukturprojekt »Belt and Road Project« (Neue Seidenstraße) die neuen Handelswege und Investitionsströme zusammen.

Unser Land ist viermal so groß wie Deutschland, landschaftlich sehr vielfältig mit Wüsten, Bergen, Grasprärien und sehr reich an vielen Bodenschätzen wie Gold oder Erz; außerdem weist es die größten Öl- und Gasvorkommen in ganz China auf.

Seit jeher leben verschiedene ethnische Völker in dieser Region, die schon zu Zeiten der »Alten Seidenstraße« eines der bedeutsamsten Handelszentren der Welt bildete und eine wichtige Rolle beim Austausch mit der westlichen Kultur spielte. Im Laufe der Jahrtausende entwickelte unser turkstämmiges Volk eine einzigartige Identität, Kultur und Geschichte.

Wenn von Ostturkestan die Rede ist, sehen viele Leute dieses Land als Teil Chinas an. Tatsächlich stimmt das aber nicht. Die Chinesen kamen als Fremde in unser Land. Sie sahen anders aus, sprachen eine andere Sprache und hatten eine andere Kultur. Nach dem Fall der Qing-Dynastie im Jahr 1911 kämpften die Menschen in Ostturkestan viele Jahre und gründeten 1933 und 1944 zweimal eine unabhängige Republik. Zuletzt gelang es der Volksbefreiungsarmee dank Unterstützung der Sowjetunion, sich unsere Region 1949 gewaltsam einzuverleiben.

Mao Zedong benannte Ostturkestan in das »Uigurische autonome Gebiet Xinjiang« (chin. »Neue Grenze«) um. Zwar garantiert dieser Vertrag unserem Volk Selbstständigkeit in den wichtigsten Bereichen wie Sprache, Tradition, Kultur, Politik oder Wirtschaft, aber in Wahrheit hat uns die KPCh alle Rechte geraubt. Die Grausamkeiten der chinesischen Regierung gegenüber unserem Volk führten seither unter den Einheimischen immer wieder zu Protesten und Aufständen.

Von Anbeginn an arbeiteten die Kader auf das Ziel hin, alle Autonomiebestrebungen im Keim zu ersticken und sich die Schätze unseres Landes alleine zu sichern. Ostturkestan grenzt an Russland, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Pakistan, die Mongolei, Indien und Afghanistan. In Afghanistan hat Peking 2021 sofort die politische Lücke genutzt, die die USA und ihre Verbündeten mit dem Abzug ihrer Truppen gerissen hatten. Seither arbeitet die chinesische Regierung mit den radikalen islamistischen Taliban zusammen, um dort im Rahmen der »Neuen Seidenstraße« Rohstoffe im Wert von mehreren Billionen Dollar zu bergen, während sie zeitgleich vorgibt, in Ostturkestan radikale Islamisten zu vernichten. China ist vermutlich das einzige Land, das den Dalai-Lama als Terroristen betrachtet und Masood Azhar als spirituellen Führer.

Immer gnadenloser verfolgen die Kader auch in den Nachbarländern alle geflohenen Landsleute aus Ostturkestan, weit über seine mit Kameras, Grenzzäunen und Patrouillen abgeriegelten Landesgrenzen hinaus. Peking drängt auf deren Auslieferung, was oft ihr Todesurteil bedeutet. Allein in Tadschikistan soll die Zahl von 3000 Flüchtlingen im Jahr 2016 bis zum Jahr 2018 auf rund 100 zurückgegangen sein.

Warum ist das ferne Ostturkestan wichtig für den Rest der Welt?

Von klein an bin ich mit der Propaganda der KPCh aufgewachsen. Die Kader trichterten uns ein, dass die KPCh das Herz des Volkes sei. Und dass ihr Ziel darin bestehe, die Lebensbedingungen unseres Volkes vollständig zu verbessern, damit wir uns weiterentwickelten, aber die Realität ist das genaue Gegenteil davon.

Das kommunistische System zensiert alle Informationen, kontrolliert und unterdrückt brutal das Volk. Die KPCh saugt das Blut des Volkes wie ein Vampir aus und zwingt uns in die Fesseln einer Schreckensherrschaft. In den letzten Jahrzehnten hat die chinesische Regierung viele Massaker gegen ihr eigenes Volk begangen, wie im Juni 1989 das auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Mittels geschickter Täuschungsmanöver fabrizieren die Kader vor den Augen der internationalen Gemeinschaft jedoch eine andere Wirklichkeit oder verbieten, überhaupt darüber zu sprechen. Fünf Jahre Haft ist heute zum Beispiel die Höchststrafe für all jene, die wie in den letzten Jahrzehnten in Hongkong an einer Gedenkfeier dazu teilnehmen.

Bei ihrem vorgeschobenen Kampf gegen die sogenannten drei Übel: Separatismus, Terrorismus und Extremismus in Ostturkestan schont die chinesische Regierung niemanden, egal ob Mann, Frau, Greisin oder Säugling. Seit 2016 zerstört die KPCh das Leben Millionen Einheimischer, indem sie Unschuldige in Gefängnisse und moderne Konzentrationslager einpfercht, Kinder von ihren Eltern trennt, Familien auseinanderreißt und Menschen zu Opfern von Organhandel und Zwangsarbeit macht. Mittlerweile haben bereits viele Länder die Gräueltaten in diesem faschistischen System als Völkermord anerkannt.

Je größer der Druck der Außenwelt wird, desto eher zwingt man Peking zur Reaktion, dieses unmenschliche Verbrechen zu erklären und sofort zu beenden.

Die Welt wachrütteln, der KPCh die Maske vom Gesicht nehmen

Die chinesische Regierung ist sehr gut darin, Nebelkerzen zu werfen, um die Sicht anderer Menschen zu trüben. Noch kann sie keine Toten auferwecken, aber zu allem anderen scheint sie bereits in der Lage zu sein. Sie hat sogar die Geschichte Ostturkestans neu erfunden. Egal, welches Buch oder welche Unterlagen Sie aufschlagen, Sie werden überall die Propagandatexte finden, dass Xinjiang schon seit dem Altertum ein fester Bestandteil Chinas gewesen sei, obwohl es erst seit 1949 »Neue Grenzen« heißt.

Die Länder auf der ganzen Welt haben bislang nur das maskierte Gesicht der KPCh gesehen. Es ist an der Zeit, dass die Welt der chinesischen Regierung diese Maske abnimmt und ihr wahres Gesicht betrachtet. Die gnadenlose Politik der größten politischen Organisation der Welt beschränkt sich nicht auf die Unterdrückung der Menschen in Ostturkestan, Tibet, der Inneren Mongolei oder Hongkong. Alle anderen Länder müssen verstehen, dass die chinesische Regierung eine Bedrohung für die ganze Welt darstellt. »Der Osten steigt auf, der Westen geht unter«, so lautet Pekings Devise.

Das Bild von Mao Zedong in China ist seit fast einem halben Jahrhundert zu einem Bild der politischen Anbetung geworden. Über die blutige Geschichte hat die KPCh einen Mantel des Schweigens gebreitet. Heute folgt der Parteivorsitzende Xi Jinping den Spuren dieses Tyrannen, der ihm den Weg zu unserem Völkermord geebnet hat, und entwickelt dessen Ideen in der Gegenwart neu, um sein Ziel einer weltweiten Diktatur der KPCh für immer zu verwirklichen. Manche chinesischen Patrioten schwärmen infolge der staatlichen Regulierungswut gegen mächtige Tech-Riesen, Gaming-Industrie, Bildungssektor, kulturelles sowie privates Leben bereits von einer bevorstehenden »Neuen Kulturrevolution«. Laut KPCh handele es sich um Eingriffe, die der »geistigen Hygiene« dienen und die junge Generation auf einen Weg führen sollen, der in Zukunft frei von negativen westlichen Einflüssen sei.

Das Ausgangsland von Covid-19 scheint zudem das einzige Land zu sein, dem die Pandemie nicht geschadet hat. Chinesische Investoren nutzen die wirtschaftliche Not anderer Länder aus, um dort günstig weltweit Infrastruktur und in Bedrängnis geratene Schlüsselindustrien zu erstehen.

Sobald Peking nicht mehr auf chinafreundliche Unternehmen im Ausland angewiesen ist, wird es sie abschütteln wie ein lästiges Anhängsel, denn die KPCh will sich unabhängig machen vom globalen Finanzsystem, möchte den Dollar durch eine eigene Währung ablösen und die USA vom Thron stoßen. Landsleute werden aufgerufen, vor allem chinesische Produkte zu kaufen. Noch aber braucht Peking den Zugang zu ausländischen Technologien und anderen Märkten.

Während die USA und China im Handelsstreit liegen und auf beiden Seiten von »Abkopplung« die Rede ist, sorgen sich andere Staaten um die Auswirkungen auf ihre Geschäfte. Obwohl China zum Beispiel seit 2015 Deutschlands größter Handelspartner ist, sei gesamtwirtschaftlich betrachtet ein dadurch entstehender Schaden nicht übermäßig groß, meinen manche Wirtschaftsexperten.

Zwar ist die Abhängigkeit mancher Länder von China hoch, aber der Preis, den man zahlt, wenn man mit einer Diktatur zusammenarbeitet, ist auf Dauer höher. Wichtiger als ständiges Wachstum und Besitz ist die Freiheit. Reichtum ohne Freiheit hat keinen Wert. Und selbst wenn wir weniger haben sollten als vorher, dafür aber frei sind, bleiben wir immer noch reich.

In meinem 40-jährigen Leben in Ostturkestan habe ich mit eigenen Augen die Brutalität der KPCh gesehen. Nur wenige Menschen verstehen das Denken dieser politischen Organisation so gut wie wir Zeugen. Deshalb ist es so wichtig, dass Sie uns zuhören – auch um sich selbst zu schützen.

Sich auf die KPCh zu verlassen ist, als würde man sich selbst in Brand setzen.

Leben im größten Überwachungsstaat und Freiluftgefängnis der Welt

Wer in einer Diktatur Gerechtigkeit fordert, stellt eine Gefahr für das System dar. Deshalb betrachtet die chinesische Regierung Menschenrechte als die größte Bedrohung ihrer Macht. Um die Kontrolle zu behalten, hat Peking das ganze Land mit umfassender Überwachungstechnik ausgestattet. Wer dort auffällt oder sich dem Regelwerk der Partei nicht fügt, wird sofort aufgespürt und bestraft.

Aus der Ferne sieht es so aus, als säßen zahlreiche Vögel auf einer Stromleitung. Bei näherer Betrachtung aber sind es unzählige KI-gestützte Gesichtserkennungskameras, die auf die Köpfe der Menschen unter ihnen gerichtet sind. Die Software unterscheidet nach »Rassen« und erkennt, ob beispielsweise ein Uigure oder ein Chinese den Supermarkt betritt. Da »Uigure« und »Terrorist« in diesem System dieselbe Bedeutung haben, reicht schon das unrasierte Gesicht eines Muslims, um in der Polizeistation einen Alarm auszulösen und möglicherweise verhaftet zu werden.

Kein Mensch, der im größten Überwachungsstaat der Welt lebt, kann sich jemals sicher oder frei fühlen. Ununterbrochen werden all seine Daten an die zuständigen Behörden weitergeleitet und ausgewertet. Telefon, Computer, WeChat, Auto, Haus, persönliches Bankkonto und der monatliche Stromverbrauch …

Selbst auf Spaziergängen oder kurzen Fahrten ins Nachbardorf werden wir andauernd von Polizisten mit Maschinenpistolen angehalten, aus dem Auto geholt und zu allerlei Kontrollen gezwungen. Obwohl wir nichts Illegales getan haben und völlig unschuldig sind, beschleunigt sich unser Herzschlag. »Habe ich vielleicht doch etwas falsch gemacht und es nicht gemerkt?« Bei solchen Kontrollen haben wir sogar Angst, tief durchzuatmen oder unsere Stimme in falscher Tonlage zu erheben. Unser Körper ist von kaltem Schweiß bedeckt.

Die Uniformierten kontrollieren Angehörige unterschiedlicher Ethnien auf akribische Weise und demütigen uns dabei tief. Sie behandeln uns wie Schwerstkriminelle, die jeden Moment die Flucht ergreifen könnten. Wir müssen den Kopf vor diesen Polizisten beugen und alles tun, was sie anordnen, denn jeder anständige Bürger leistet bedingungslosen Gehorsam. Falls eine Muslimin sich weigert, beispielswese ihren Rock zu heben, wird der Polizist sofort seinen Chef anrufen und dort ihren Namen melden.

Dieser Anruf jedoch bedeutet den Untergang dieser Frau, weil sie sich als Kriminelle entlarvt hat. Eine, die dem Staat Widerstand leistet.

Eine mörderische Politik

Die KPCh zerstört den Zusammenhalt unseres Volkes. Zu dem Zweck sperren sie einen Teil der Menschen in Konzentrationslager und Gefängnisse, verpflichten den zweiten Teil zur Zwangsarbeit in der eigenen Heimat und verschicken den dritten Teil dafür ins Innere Chinas. Der vierte Teil ist im größten Freiluftgefängnis der Welt eingesperrt. Das bedeutet ein Leben unter ständigen Qualen, nicht tot und nicht lebendig zu sein.

Natürlich lassen die chinesischen Beamten auch dort die anderen Ethnien nicht zur Ruhe kommen. Nachdem diese tagsüber sehr hart gearbeitet haben, müssen sie sich abends in der Verwaltung eines jeden Bezirks versammeln und sich in langen Sitzungen einer Gehirnwäsche aussetzen, in denen sie auf Chinesisch über Zivilisation und Politik unterrichtet werden. Als zivilisiert gelten alle Chinesen, als primitiv, abartig und ungebildet dagegen alle anderen Völker.

Seit Jahrzehnten schlucken wir Einheimischen jede Ungerechtigkeit der Besatzer, da wir nur mit dem eigenen Existenzkampf befasst sind: »Wie überlebe ich heute?« Wenn wir morgens in diesem Überwachungsstaat aufwachen, kneifen wir uns als Erstes ins Gesicht, um zu spüren, ob wir noch am Leben sind. Jeder denkt nur daran, den Tag zu überstehen, denn niemand weiß, was der nächste Morgen mit sich bringt. Vielleicht wird man verhaftet? Nie wieder freigelassen? Vielleicht morgen schon als Leiche verbrannt? Die Zukunft ist düster. In den Augen der KPCh steht jeder Einheimische unter dem Verdacht, ein Extremist zu sein.

In so einem Überwachungsstaat dürfen wir nicht einmal die einfachsten Dinge selbst entscheiden. Unseren Körper, unser Gehirn und unser Handeln – über all das bestimmen wir nicht selbst. Menschen in so einem System ähneln Schafen, die von der Regierung in Ställe gesteckt werden. Jederzeit darf die KPCh die Schafe, die an Gewicht zugenommen haben, schlachten oder verkaufen und damit Geld verdienen. Die Partei bestimmt, wo ein Muslim arbeitet und wie er sein Leben verbringt.

Die Partei bestimmt alles. Die Partei kann tun, was sie will und wann immer sie es will.

Potenzielle Mörder und gesicherte Küchenmesser

Da alle Muslime in Ostturkestan als potenziell verdächtige Mörder gelten, darf jede Familie nur eine Schaufel, ein Messer und eine Axt besitzen. Um Angriffen mit solchen tödlichen Waffen vorzubeugen, haben die chinesischen Unternehmen diese mit ID-Nummern und Chips versehen, sodass der Einsatz solcher Geräte 24 Stunden lang überwacht werden kann. Jeder Kontrolleur weiß also, wann und wie lange beispielsweise eine Mutter in der Küche Gemüse schneidet oder der Vater den Garten mit der Schaufel umgräbt.

Wird das Messer für andere Zwecke benutzt oder nach der Arbeit nicht an seinen üblichen Platz in der Küche zurückgelegt, erhält das Überwachungssystem eine Meldung. Tritt so ein Alarm ein, droht insbesondere dem Besitzer des Hauses Inhaftierung, dessen ID-Nummer auf dem Küchenmesser eingetragen wurde. Genauso können aber auch alle anderen Bewohner als verdächtige Personen ins Lager gesteckt werden.

Als Direktorin musste ich dafür sorgen, dass wir in der Küche des Kindergartens nur noch zwei Gemüsemesser besaßen. Diese Messer waren nicht nur mit einer Überwachungsnummer versehen, sondern zusätzlich mit Ketten am Fuß des Esstisches in der Küche befestigt. Der Griff konnte nicht von der Kette entfernt werden. Wer diesen Anweisungen nicht folgte, setzte alle Beschäftigten der Gefahr aus, eingesperrt zu werden.

Totale Überwachung

Mit enormer Anstrengung unterdrückt die KPCh seit ihrem Entstehen vor 100 Jahren jede abweichende, kritische Stimme. Insbesondere seit Xi Jinpings Machtübernahme im Jahr 2012 ist ihr oberstes Ziel die totale Kontrolle aller Menschen. Dazu nutzt die KPCh heute die modernsten Technologien, nimmt uns sogar Blut, DNA und Stimmproben ab.

Jedes Handy, alle Fernseher, Router und Strommasten haben die Kader mit Spionagegeräten ausgestattet. Selbst die Kasachen in den entlegensten Gebieten erreichen sie auf diese Weise. Anfangs haben die Beamten die Oberhäupter in solchen Bergdörfern mit kostenloser Technik gelockt, um dann bei Bauern und Hirten diese Antennen- und Signalempfangsanlagen zu installieren. Erst später haben wir Einwohner erfahren, dass diese Geräte mit speziellen Spionageprogrammen versehen sind, um jeden unserer Schritte zu überwachen. Alle Informationen laufen über die »Integrierte gemeinsame Operationsplattform« zusammen. Das Big-Data-Programm wird für eine »vorausschauende Polizeiarbeit« genutzt. Das heißt, dass Unschuldige vorbeugend eingesperrt werden.

Die KPCh benutzt aber nicht nur die Technik, sondern auch andere Menschen zur gegenseitigen Beschattung. Eine wichtige Rolle spielen dabei alle Lehrer. Durch gezieltes Abfragen der Schulkinder müssen sie für die Kader bestimmte Informationen ermitteln: »Worüber sprechen deine Eltern? Womit beschäftigen sie sich? Welche Pläne haben sie? Wen laden sie als Gäste ein? Und, und, und …« Die Kinder sind gezwungen, dem Lehrer jeden Tag solche privaten Informationen zu melden. Dadurch sind die Behörden immer auf dem Laufenden, was jede Familie jeden Tag zu Hause macht.

Zusätzlich heuert die KPCh andere Zivilpersonen an, um Menschen auszuspionieren. Das können beispielsweise der Nachbar in einem Wohnblock, ein Verwandter in einer großen Familie, ein Kollege in der Firma oder Leute sein, die in derselben Straße leben. An jedem Standort sind 24-Stunden-Hotlines installiert und Briefkästen vorbereitet, damit jedermann jederzeit einen Verdacht bei den Behörden melden kann.

Die Kader machen den Leuten klar, dass sie ihr Leben nur durch Verrat an anderen retten können. Infolgedessen beginnen die Eltern, ihren eigenen Kindern und Verwandten zu misstrauen. Die Menschen werden immer argwöhnischer und haben Angst voreinander. Sie breiten über alle Telefone, Fernseher und Internetmodems im Haus dicke Bettdecken und nehmen nur noch zögerlich mit anderen Kontakt auf. Vielleicht werden die Kontaktierten sie morgen schon verleumden?

Nach außen hin verkauft Peking dieses größte menschliche Versuchslabor der Welt als hypermodernes und komfortables Leben sowie als Zukunftsmodell für andere Länder. Für den Einzelnen aber gleicht das Leben dort einem Balanceakt auf dünnem Seil über einem tiefen Abgrund.

72 fabrizierte Vorwände für eine Inhaftierung

Wie wäre das? Wenn Ihnen nachts plötzlich ein Sack über den Kopf gezogen wird, weil Sie WhatsApp auf Ihrem Handy installiert haben? Wenn Sie mit Stromschlägen gefoltert werden, da Sie mit Freunden im Ausland telefoniert haben?

Um den Völkermord in Ostturkestan zu begehen, hat die KPCh die Gerichte mit unbegrenzten Rechten ausgestattet. Wie man das Gesetz auslegt, bestimmt alleine die Partei. Eigentlich garantiert Chinas Verfassung Religionsfreiheit. Unter Xi Jinping, der zu Beginn ausgerufen hatte, für eine »Herrschaft des Rechts« zu kämpfen, werden aber auch immer mehr chinesische Anwälte in Hongkong weggesperrt, die gegen willkürliche Inhaftierungen Einspruch erheben. Tatbestand: »Störung der öffentlichen Ordnung«.

Folgende fabrizierte Vorwände reichen aus, um Uiguren, Kasachen und andere Ethnien in Ostturkestan zu inhaftieren. Ohne jeden Prozess. Alle Punkte, die auf Kasachstan bezogen sind, gelten genauso für die in Ostturkestan lebenden Ethnien wie Kirgisen, Tadschiken, Usbeken, Mongolen, Tataren …

Folter, Gehirnwäsche und schlimmstenfalls Mord erwartet alle Personen, die

1.… einen ausländischen Pass besitzen.

2.… ins Ausland gegangen sind.

3.… Kontakte ins Ausland haben.

4.… Verwandte im Ausland haben.

5.… eine Website anklicken, die Links zu unerwünschten ausländischen Websites enthält.

6.… eine Kasachstan-Greencard besitzen.

7.… eine blaue Flagge Kasachstans an den Rückspiegel ihres Autos hängen.

8.… sich positiv über Kasachstan äußern und damit Propaganda für ein anderes System machen.

9.… kasachische oder andere ausländische Lieder hören und verbreiten.

10.… Nachrichten und Bilder, die innerhalb des chinesischen Staates veröffentlicht wurden, an Menschen senden, die im Ausland leben.

11.… offen angeben, welche Nationalität sie haben.

12.… nach Spuren ihrer gefangenen Verwandten suchen.

13.… die Regierung kritisieren oder sich über sie beschweren.

14.… es ablehnen, Chinesisch zu lernen.

15.… nicht an der Feier der chinesischen Nationalfeiertage teilnehmen möchten.

16.… nicht vollständig die sogenannte Familien-Kampagne (»Pair Up and Become Family«-Politik, uigurisch: qoshmaq tuqqan siyasiti) befolgen.

17.… viel Strom verbrauchen.

18.… WhatsApp auf ihrem Handy haben.

19.…zu viele Kinder haben.

20.… die App »Zapya« installiert haben, um größere Dateien zu verschicken.

Verleumdung und Verbrechen im Zusammenhang mit der Religion: Das betrifft Menschen, die

1.… sich Bärte wachsen lassen.

2.… Hijabs tragen.

3.… eine einfache Kopfbedeckung wie eine Doppa tragen.

4.… lange Hemden tragen.

5.… Namaz beten.

6.… Namaz beten lernen.

7.… darauf achten, ob ihre Speisen »halal« oder »haram« sind.

8.… ihre Kinder zum Namaz-Beten motivieren.

9.… ihre Nachbarn, Verwandten und andere zum Namaz-Beten ermutigen.

10.… die Waren des türkischen Staates verwenden, zum Beispiel normale Teppiche im Haushalt.

11.… gegen die Richtlinien für geplante Geburten verstoßen.

12.… religiöse Nachrichten auf ihrem Telefon haben und senden, zum Beispiel »einen gesegneten Freitag« wünschen (uigurisch: Jüme mubarek bolsun!).

13.… sich dagegen widersetzen, dass ihre Kinder mit Chinesen zwangsverheiratet werden.

14.… für die Moschee spenden.

15.… Mullahs sind.

16.… Imame sind.

17.… beim Bau der Masjid geholfen haben.

18.… den Koran zu Hause haben.

19.… zu Hause einen Gebetsteppich haben.

20.… andere ermutigen, für die Moschee zu spenden.

21.… aufhören, Alkohol zu trinken und zu rauchen.

22.… religiöse Inhalte auf ihren Computern und Mobiltelefonen haben.

23.… Kinder und andere im Ramadan zum Fasten ermutigen.

24.… Kinder ermutigen zu beten.

25.… islamische Hochzeitszeremonie durchführen.

26.… religiöse Orte schaffen/bauen.

27.… religiöse Aktivitäten organisieren.

28.… religiöse Websites besucht haben oder Bücher sowie andere Dokumente mit religiösem Inhalt verbreiten.

29.… als Angestellte unter 24-Stunden-Überwachung arbeiten und gegen Vorschriften verstoßen.

30.… Partys wie »meshrep« und »chay« organisieren.

31.… ohne staatliche Erlaubnis heiraten wollen.

32.… verstorbene Angehörige nach religiösen Regeln begraben.

33.… vor und nach dem Essen »Bismillah« sagen und die Hände über das Gesicht streichen.

34.… sich mit Esselamu Eleyküm (arabische Schreibweise: As-salamu alaykum) begrüßen.

35.… Familienmitglieder haben, die von der chinesischen Regierung als Sicherheitsrisiko oder »mittlere Sicherheitsrisikofamilie« eingeordnet wurden.

36.… im Ramadan Menschen zum Fastenbrechen zu sich einladen.

37.… religiöse und nationale Kleidungen tragen.

38.… ihre Häuser mit nationalen Bräuchen und Stilen schmücken und ablehnen, die Dekorationen zu entfernen, wenn Beamte sie bei Kontrollbesuchen dazu auffordern.

39.… Halbmond- und Sternsymbole auf den Grabsteinen ihrer Verwandten haben und die Schriften nicht entfernen.

40.… Kontakt zu Häftlingen haben, die aus der Haft entlassen wurden.

41.… Bücher aus Ländern wie Kasachstan oder der Türkei gelesen und zu Hause behalten haben.

42.… nationale Musikinstrumente aus Kasachstan oder der Türkei zu Hause haben.

43.… eine Pilgerreise planen.

44.… Gedichte und Lieder über Kasachstan schreiben.

45.… Umsiedlung von Kasachen nach Kasachstan fördern.

46.… Schriftsteller sind und Artikel oder Essays über Geschichte, Sitten oder Bräuche ihres Volkes schreiben.

40.… nationale ethnische Kunsthandwerke herstellen.

48.… das Wort »Halal« nicht rechtzeitig am Fenster des Restaurants entfernt haben.

49.… die eine staatliche Anordnung nicht rechtzeitig ausführen.

50.… dreimal nicht an der Flaggen-Zeremonie teilgenommen haben.

51.… am Freitags- oder Eid-Gebet teilnehmen.

52.… predigen und religiöse Informationen geben und andere durch ihren Glauben ermutigen.

Diese Gründe habe ich aus dem Gedächtnis heraus notiert, aber es gibt noch mehr. Eine Zeit lang schickte die chinesische Regierung beispielsweise Uiguren und Kasachen gezielt zum Religionsstudium, um auf diese Weise gefügige Imame zu erziehen. Obwohl diese Männer, mit Förderung der KPCh, danach in die Moscheen zurückkehrten, um dort ihre Arbeit aufzunehmen, wurden sie ab 2016 für ihre »Religiosität« lange Jahre inhaftiert.

Immer wieder werden heimlich aus Ostturkestan staatliche Dokumente wie die China Cables oder die sogenannte Karakax-Liste durchgestochen. Daraus geht deutlich das ungeheuerliche Ausmaß der Überwachung unserer Landsleute hervor und aus welch lächerlichen Gründen sie hinter Gitter gesperrt werden.

Dass es sich dabei nicht um freiwillige Aufenthalte handelt, wie Peking behauptet, belegen wenige Sätze aus den China Cables, wie »Es dürfen auf keinen Fall Ausbrüche vorkommen« oder wenn sich die Insassen nicht an die Regeln hielten, sei »das Ausmaß von Züchtigungen und Strafe … zu erhöhen«.

Diese »Leaks« beweisen, dass die chinesische Regierung den Kampf gegen Extremismus nur vorschiebt, um Kultur und Religion eines ganzen Volkes auszuradieren. Für eine Verhaftung reicht es aus, als Uigure oder Kasache geboren zu sein. Zwar bezeichnet Peking weiter fast automatisiert alle Vorwürfe als Lügen und Schmähkampagnen, doch die eigenen staatlichen Dokumente widersprechen ihnen und zeigen die Wahrheit auf.

ZUMRET DAWUT – ZEUGIN ZWANGSSTERILISATION

Vom Überleben im Schlachthaus

Wenige Tage vor dem Interview musste sich Zumret Dawut einer Operation an der Gebärmutter unterziehen, bestand aber trotz ihrer Schmerzen auf den vereinbarten Termin. »Egal, wie schlecht es mir geht, ich muss meinen Landsleuten eine Stimme geben, denn es gibt so viele Uiguren in den Lagern, die keine Möglichkeit haben zu sprechen …«

Seit ihrer Flucht aus Ostturkestan lebt die 39-Jährige mit ihrer Familie in Virginia. In ihrer Heimat hatte die chinesische Regierung die ehemalige Geschäftsfrau zunächst interniert und danach einer Zwangssterilisation unterzogen. In den USA habe die Gynäkologin nach ihrer Untersuchung wütend auf den Tisch gehauen und geschimpft: »Jetzt weiß ich, was die chinesische Regierung mit den uigurischen Frauen macht. Das sieht schlimm aus!«

Zumret blättert sogleich in einer dicken Mappe mit Unterlagen, um deren Attest herauszusuchen. »Die Ärztin meinte, dass die zahlreichen Wucherungen und Zysten in meiner Gebärmutter auch auf die Zwangseinnahme von Medikamenten zurückzuführen sind. Und dass ich in letzter Minute zu ihr gekommen sei.«

Immer wieder wird Zumret während unserer Gespräche ihre Aussagen mit Fotos, Videoaufnahmen, Artikeln oder Dokumenten aus Ostturkestan stützen. Keiner Zeugin ist es wie ihr bislang gelungen, so viele Beweismittel in den Westen zu schmuggeln. »All diese Belege habe ich gesammelt, als ob ich gespürt hätte, dass ich sie eines Tages brauchen könnte …«

Zumret Dawut ist Mutter dreier Kinder und eine der wichtigsten Zeuginnen für Zwangssterilisation. Gleichzeitig berichtet sie über das Leben im größten Überwachungsstaat der Welt, Zwangsabtreibungen, die sogenannte Verwandtschaftlichungs-Kampagne, Folter und Medikamentenzwang in den Lagern.

Zumret Dawut

Amerika

Zwar lebe ich heute in den USA in Freiheit, aber trotzdem ist die Angst mein ständiger Begleiter geblieben. Wenn ich nach draußen gehe, glaube ich, verfolgt zu werden. Ich habe sogar Angst, aus dem Fenster zu schauen, weil ich fürchte, dass mich ein Spitzel Chinas von Weitem erschießen könnte.

Fühle ich mich heute aufgrund meiner Erlebnisse schlecht und werde mit einem Mal aggressiv, wünsche ich mir, wieder dieses Pulver wie im Lager zu schlucken, nichts mehr zu spüren und in einen Dämmerzustand zu versinken. Bis heute fühle ich mich davon wie eine Drogenabhängige, süchtig und benebelt.

Momentan bin ich arbeitsunfähig und statt zu arbeiten, spreche ich zur Öffentlichkeit. Kurz bevor ich am 23. September 2020 für eine Zeugenaussage nach New York reiste, versuchten meine Brüder aus Xinjiang, mich mit einer Sprachnachricht von meinem Auftritt abzuhalten: »Die Polizei hat gerade unseren Vater abgeholt. Fahre nicht dahin!«

Das war ein entsetzliches Dilemma für mich. Tausend Fragen drängten sich zugleich in meinen Kopf. Was wird aus meinem Vater? Was aus meinen Kindern? Zuletzt atmete ich tief ein und reckte das Kinn. »Ich darf mich nicht durch diese Drohungen einschüchtern lassen.«

Am 12. Oktober schickte mir ein früherer chinesischer Mitbewohner, bei dem ich unten in unserem Wohnblock immer Gemüse und Obst gekauft hatte, eine Sprachnachricht. »Dein Vater starb deinetwegen, weil du diese Zeugenaussage gemacht hast. Du hättest ihn retten können.«

Als wäre dieser Schock nicht gewaltig genug, zitierte tags darauf das chinesische Parteiorgan Global Times einen meiner Brüder. Ich sei nie im »Berufs- und Ausbildungszentrum« gewesen und nie sterilisiert worden. Auch die Rede des US-Außenministers Mike Pompeo im Vatikan bezeichnete er als eine »glatte Lüge«, weil er meinen Fall als Beispiel für religiöse Verfolgung in China erwähnt hatte. Woher hatte mein Bruder in Xinjiang bloß von der Rede Pompeos erfahren? In China wird jede Kritik aus dem Ausland sofort im Netz gelöscht.

Diese Form des Terrors gehört zu den üblichen Methoden, wie Peking versucht, die Wahrheit zu unterdrücken – indem sie unsere Väter ermorden oder Brüder zu Verleumdungen über ihre eigene Schwester zwingen.

Durch mein Schweigen könnte ich zwar meine Familie in den USA schützen, aber gleichzeitig litten darunter Millionen unschuldiger Menschen in meiner Heimat.

Darum erzähle ich meine Geschichte.

Bis 2016: Als das Leben schwer, aber noch lebenswert war

Meine Eltern haben mir viel über unsere jahrhundertealte Kultur und die gewaltsame Besetzung unseres Landes durch China erzählt. Ich bin in einer gebildeten und wohlhabenden Familie in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang (XUAR) in Urumqi aufgewachsen. Mein Vater war Imam, ich selbst eine begeisterte Tanzstudentin.

Durch meine Hochzeit mit dem Geschäftsmann Imran Muhammad, der aus Pakistan kommt, habe ich mein Wissen über den Islam noch vertieft. Erst nach unserer Hochzeit im Jahr 2005 fing ich an, fünfmal am Tag zu beten. Für mich ist Religion eine Anleitung, ein guter Mensch zu sein.

Zu Chinesen pflegten wir keine engen Kontakte, weil sie uns Uiguren wie minderwertige Menschen betrachten. Gemeinsam mit meinem Mann baute ich unser kleines, aber erfolgreiches Import-Export-Unternehmen in unserer Landeshauptstadt aus. Wir lieferten unter anderem Lebensmittel aus Pakistan wie Pinienkerne ins östliche China.

Unser Glück vergrößerte sich mit der Geburt unseres Sohnes Danish im Mai 2006, dem im April 2008 unsere Tochter Nuzut folgte. Uns Uiguren waren laut Gesetz zwei Kinder in der Stadt und drei auf dem Land erlaubt.

Am 5. Juli 2009 kam es in Urumqi zu einem Aufstand von Uiguren gegen die permanente Unterdrückung der Regierung. Peking ließ Panzer und schwere Geschütze auffahren. Unter den Toten waren weit mehr Uiguren als Chinesen.

Ab da schürte die Regierung im chinesischen Volk die Rachegefühle und schlug die Propaganda-Trommel: »Der Terrorismus muss bekämpft werden.« Unter diesem Vorwand sollten in der Folge alle Uiguren bestraft werden. Jeder Muslim, der internationale Geschäfte tätigte, galt der Regierung seither als besonders verdächtig.

Das unerlaubte dritte Kind

In unserer Kultur betrachten wir große Familien als einen Segen. Die chinesische Regierung aber hatte muslimische Mütter ab dem zweiten Kind seit vielen Jahren dazu verpflichtet, sich eine Spirale einsetzen zu lassen.

Da ich wie viele andere Frauen nach Einsetzen der Spirale unter starken Bauch- und Rückenschmerzen sowie ständiger Übelkeit gelitten habe, ließ ich sie heimlich von einer uigurischen Ärztin entfernen. So war ich 2013 bald mit meinem dritten Kind schwanger. Das löste große Freude in mir aus, aber auch Panik vor einer drohenden Zwangsabtreibung.

Vielleicht waren es Stress und Angst, die bei meiner dritten Schwangerschaft zu Komplikationen geführt haben. Als mir die Ärzte bescheinigten, dass ich keine Abtreibung vornehmen lassen dürfe: »Sonst wird die Mutter wahrscheinlich daran sterben«, fielen mir mehrere Steine vom Herzen. Trotzdem kamen die Leiterinnen von der Familienplanung zu mir nach Hause und verlangten eine Zwangsabtreibung.

Mein Mann stellte sich schützend vor mich und machte diesen Beamtinnen unmissverständlich klar, dass er als Ausländer über mehr Rechte als andere muslimische Einheimische verfügte: »Meine Frau wird das Kind in meiner Heimat als pakistanischen Bürger zur Welt bringen.« Damit sind wir der chinesischen Geburtenstatistik entkommen.

Die nachfolgende Geldstrafe schreckte uns nicht. Zu der Zeit kostete ein drittes Kind die Eltern eine einmalige Strafe von etwa 2000 Yuan. Für das vierte zahlte man das Doppelte, für das fünfte das Dreifache usw.

Um unsere jüngste Tochter Iffat nach der Geburt auch bei unseren Behörden in Urumqi anzumelden, mussten wir in einem Militärkrankenhaus des Bingtuan (Xinjiang Produktionsund Aufbau-Korps) einen DNA-Test von ihr machen lassen, der zusätzlich 6000 Yuan gekostet hat. Danach sollten wir zehn Nachbarn nachweisen, die belegten, dass dieses Baby wirklich zu uns gehörte. Erst danach erhielten wir die amtliche Anerkennung für Iffat. Was sollten wir uns weiter ärgern? Wir waren wohlhabend und hatten drei gesunde Kinder.

Zwangsabtreibungen

Zwangsabtreibungen kamen in Xinjiang schon vor meiner Geburt vor. In jedem Ort gibt es ein Familienkomitee, das für die Familienplanung zuständig ist; in der Regel besteht es aus zwei Frauen. Früher war eine davon meine Mutter.

Ihre Kollegin war sehr herzlos und grausam, aber meine Mutter war sehr freundlich und hat versucht, den Schwangeren zu helfen. »Verstecke dich zu Hause und zeige nicht, dass du ein Kind bekommst«, hat sie ihnen geraten. Heimlich hat Mutter auf diesem Weg vielen Schwangeren geholfen, ihr Kind zur Welt zu bringen. Später haben diese Frauen ihren Sprösslingen voller Ehrfurcht von ihr erzählt: »Ohne diese alte Tante wärst du heute tot …sie hat viele Leben gerettet.«

Am Ende ist meine Mutter infolge einer Zwangsabtreibung gestorben. Nicht weil sie selbst das Opfer dieser Handlung gewesen war, sondern weil sie Zeugin eines solchen Verbrechens wurde. Das hat ihr das Herz gebrochen.

Mutters Leiden begann damit, dass mein ältester Bruder 1991 bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. Laut Gesetz muss in China der Verursacher eines Verkehrsunfalls für den Verletzten bis ans Lebensende finanziell sorgen. Falls aber das Opfer den Unfall nicht überlebt, muss er lediglich eine einmalige Strafe bezahlen.

Ein chinesischer Lkw-Fahrer hatte meinen ältesten Bruder auf der Straße überfahren und ihm dabei beide Beine zerquetscht. Als der Fahrer bemerkte, dass mein Bruder noch lebte und versuchte, auf dem Bauch wegzurobben, setzte er mit dem Lkw zurück und fuhr so lange über seinen Körper, bis sich nichts mehr in ihm regte. Um ihn zu beerdigen, mussten wir seine fleischlichen Reste mit Schaufeln vom Boden kratzen, die übrigen Körperteile aufsammeln und danach die Straße reinigen.

In der Firma war der Bruder des Lkw-Fahrers der Chef. Als Entschädigung hat er unserer Familie 2000 Yuan angeboten. Mutter wollte das nicht annehmen und verlangte, dass der Fahrer vor Gericht gestellt werde. »Nein, so ein Gesetz gibt es für Muslime nicht«, stutzte dieser Chef meine Mutter zurecht, »entweder ihr nehmt dieses Geld oder ihr bekommt gar nichts.«

Der grausame Tod meines Bruders zog eine weitere Tragödie nach sich. Mein Bruder hatte eine kleine Tochter und eine Frau zurückgelassen, die kurz vor der Entbindung mit ihrem zweiten Kind stand. Während die hochschwangere Witwe um ihren Mann trauerte, erließ die Regierung die Anweisung, dass zwischen zwei Kindern mindestens drei Jahre Abstand liegen müssten. Das war bei meiner Schwägerin nicht der Fall, deswegen musste ihr Kind zwangsabgetrieben werden. Es blieben jedoch nur noch wenige Tage bis zur Geburt. Obwohl Mutter bei der Stadtverwaltung händeringend darum gebeten hatte: »Lasst mir wenigstens sein Kind …!«, da sie gerade erst ihren Sohn verloren hatte, haben sich die chinesischen Mitarbeiter nicht erweichen lassen.

Im Krankenhaus sahen Mutter und ich dabei zu, wie der Arzt eine Spritze in die Mitte des Bauches der Schwangeren setzte, sodass er den Kopf des Kindes darunter getroffen hat. Dann leiteten sie die Geburt ein. Auf einmal entdeckte Mutter, dass sich der Säugling bewegte. Es war ein kleiner Junge. Wir haben uns sehr gefreut und der Schwester zugerufen: »Ach, das Kind lebt noch!« Mutter nahm den Säugling sehr behutsam in die Arme und wiegte ihn, aber Arzt und Schwestern haben nur traurig die Köpfe geschüttelt. »Das Kind wird nicht lange überleben. Es wird entweder schwerbehindert bleiben oder halb gelähmt sein …« Doch Mutter wollte das Kind nicht mehr hergeben. »Mir ist das egal. Ich nehme das auf mich. Ich werde auf den Kleinen aufpassen.« Eine halbe Stunde später hat sein kleiner Körper plötzlich begonnen zu zittern und zu krampfen, und das Baby hat den Kopf hin und her gedreht. So hatte der Kleine nur wenige Atemzüge bis zu seinem Tod getan.

Kurz darauf musste die Frau meines anderen Bruders, die im achten Monat schwanger war, ebenfalls eine Zwangsabtreibung vornehmen lassen. Mutter hatte den tragischen Tod ihres Sohnes akzeptiert, aber dass danach zwei Enkelkinder vorsätzlich getötet wurden und eines davon mit blutigem Köpfchen in ihren eigenen Händen verstorben war – das hat sie nie verkraftet. »Warum haben sie diese kleinen Kinder getötet?« Dieser Gedanke verfolgte sie wie ein dunkler Geist. Seither vermochte sie kaum noch zu essen und zu schlafen, ließ sich von uns nicht beruhigen und von Ärzten nicht behandeln, bis sie 1997 ihre letzte Kraft verloren hatte.

1997 haben wir meine Mutter auf unserem muslimischen Friedhof begraben. 2016 hat die chinesische Regierung alle Muslime aufgefordert, ihre Angehörigen wieder auszugraben und die Überreste mit nach Hause zu nehmen. Der gesamte Friedhof werde demnächst einplaniert. »Aber wo sollen wir unsere Toten dann begraben?«, haben wir ratlos gefragt. Die Regierungsmitarbeiter haben nur abgewunken: »Das erfahrt ihr später.« Am Friedhof teilten die chinesischen Mitarbeiter weiße Säcke für die Leichenteile aus. Bald knieten überall Menschen am Boden, um die Skelette zu bergen und in diese Müllsäcke zu stecken. Die Knochen waren sehr groß. Ein starker Wind wehte und erzeugte dabei ein lautes Geräusch, sodass überall um uns herum das Klappern der Knochen erklang. Es war sehr schmerzhaft und unmenschlich, so etwas zu erleben.

Einige Familien haben die Säcke mit den Halbverwesten im Keller aufbewahrt, andere im Bad. Nach 15 Tagen hatten die Behörden ein Massengrab für alle Säcke vorbereitet. Nicht einmal vor unseren Toten hatte die chinesische Regierung Respekt.

Umzug, Fahnenweihe und Drehtüren

Ab 2016 wurde das Leben für alle Uiguren unerträglich, und zwar in allen Bereichen. Unser Haus mit Garten, in der Nähe vom Flughafen, hatte einer Straße weichen müssen. Uiguren durften ab sofort nicht mehr ziehen, wohin sie wollten. »Euren Wunsch können wir nicht erfüllen«, begründeten die Beamten ihre Ablehnung, »in dem Viertel wohnen bereits genug uigurische Familien.« Sie wollten den Zusammenhalt unter den Uiguren lösen und schickten uns in einen Bezirk, in dem viele Chinesen lebten. So zogen wir in einen sechsstöckigen Wohnblock in der Stadt, den uns die Behörden zugeteilt hatten. Wir gaben uns damit zufrieden. Die Wohnung hatte drei Schlafzimmer, Küche, Bad und ein großes Wohnzimmer.

Jeden Montagvormittag stand »Flaggenparade« auf dem Programm. Egal, ob im Winter bei minus 40 °C oder im Sommer bei plus 40 °C, immer versammelten wir uns um die Ecke, sahen zwei Stunden lang dabei zu, wie die rote Fahne gehisst wurde, und sangen die chinesische Nationalhymne. Einige Han-chinesische Einwohner, die anders als wir nicht zur Teilnahme daran gezwungen waren, haben uns deswegen verspottet: »Ach, jetzt ist wieder eure Zeit gekommen. Ihr müsst jetzt wieder eure Liebe für euer Land zu zeigen.« Abschließend nahmen wir unter der chinesischen Flagge den Wochenplan der Regierung mit unseren neuen Aufträgen entgegen. Zum Beispiel: »Dienstag: Blutspende, Donnerstag: Familienplanungskomitee …« Wer sich nicht genau daran hielt, den holte die Polizei ab.

Regelmäßig mussten sich alle muslimischen Ehefrauen zur Kontrolle beim Familienplanungskomitee einfinden. Die extra angereisten Frauenärztinnen hatten dort bereits ihre Gerätschaften aufgebaut. Zuerst untersuchten sie unseren Urin, dann mit Ultraschall Unterbauch und Gebärmutter. In erster Linie ging es darum, Schwangerschaften zu erkennen und zu verhüten.

Ein neues Gesetz verbot, die Spiralen trotz Beschwerden entfernen zu lassen. Nur wer es schaffte, bei fünf Behörden die Genehmigung für einen Eingriff einzuholen, durfte operiert werden.

Diese Verordnung genau wie die Blutspende traf nur muslimische Frauen. Chinesische Frauen lehnten Spiralen meist grundsätzlich ab, weil sie bekanntlich nicht gut verträglich waren und auf Dauer als gesundheitsschädlich galten. Meine Tante und eine ihrer Freundinnen starben, weil ihre Spiralen nach zehn Jahren ins Gewebe eingewachsen waren und es angefangen hatte zu eitern. Das hatte eine tödliche Infektion ausgelöst.

Unangekündigter Besuch ist verboten

Mittlerweile waren an jedem Hauseingang elektronische Drehtüren mit Kameras und Gesichtsscannern installiert. Dort war auch ein Chip angebracht, den die Mitarbeiter des Familienkomitees an der Eingangstür regelmäßig mit einem iPad abgelesen haben. Unangekündigter Besuch zu Hause war verboten. Die Polizei nahm bei der Anmeldung die Daten der Gäste auf und bestimmte, ob und von wann bis wann beispielsweise die Eltern zum Teetrinken bleiben dürften. Anfangs mussten Chinesen und Uiguren noch gemeinsam durch solche vollautomatisch gesteuerten Türen treten, wo auch immer sie hingegangen sind. Später aber haben die chinesischen Einwohner gegen diesen Umstand protestiert. Seither galt die Regelung nur noch für uns Muslime.

In der Schule durften meine Kinder nicht mehr in ihrer Muttersprache reden. Um ihr Sprachniveau in Chinesisch zu verbessern, mussten sie jeden Tag zusammen mit Han-chinesischen Schülern pauken. Während die Han-chinesischen Schüler danach Freizeit hatten und nach Hause gehen durften, mussten die uigurischen Schüler dableiben, um ihr Chinesisch zu verbessern.

Schon lange hat sich keiner mehr getraut, Befehlen der chinesischen Regierung offen zu widersprechen. Waffen hatten wir keine. Und falls jemand gewagt hätte, mit Worten Widerstand zu leisten, hätten die Sicherheitsbehörden nicht nur diese Person, sondern auch ihre Geschwister und Eltern bestraft. Daher traute sich kein Muslim mehr, seine Wut zu zeigen.

Überwachungsmaßnahmen: Menschen verschicken, Pässe sammeln, Blutproben nehmen

Ab Juni 2016 haben die Behörden alle muslimischen Studenten, Geschäftsleute oder Besucher, die nicht in Urumqi gemeldet waren, zurück in ihren Geburtsort geschickt. Danach wirkte die Hauptstadt wie leer gefegt. Viele Geschäfte oder von Uiguren betriebene Restaurants blieben geschlossen.

Mein Vater besaß einige Wohnblöcke, die er vermietete. Daher habe ich mitbekommen, dass viele seiner Mieter ins Lager gesperrt worden sind, nur weil sie trotz dieser Anordnung in Urumqi geblieben waren. Manche Leute hatten auch versucht, aus der Provinz wieder zurück in die Stadt zu flüchten, weil sie erfahren hatten, dass in ihrem Heimatort so viele Menschen hinter Mauern mit Stacheldraht verschwunden waren.

Im September und Oktober 2016 folgte der nächste Schritt, der unser Leben drastisch einschränkte. Alle Uiguren in Urumqi mussten ihre Pässe bei der Polizei »auf den technisch neuesten Stand« bringen lassen. In Hotan oder Kashgar hatten sie damit schon Monate vorher begonnen. Gleichzeitig nahmen die Beamten meine Fingerabdrücke, eine Blut- und Stimmprobe und vermaßen meinen Körper. Anschließend besorgte ich, wie befohlen, ein Ladekabel und lief damit zum Bezirksamt, um dort mein Handy kontrollieren zu lassen. »Wer dort freiwillig hingeht, bekommt danach keine Probleme«, hatten sie uns versprochen, »egal, was wir auf euren Handys für Informationen finden …« Gleichzeitig hatten sie gedroht: »Wer das nicht macht, wird bei der nächsten Kontrolle bestraft.« Alt und Jung standen also in einer langen Reihe vor dem Bezirksamt. Wir hatten an das Versprechen der Behörden geglaubt, aber sie hatten uns angelogen.

Im Innenbereich befanden sich große Geräte, mit denen sie alle Informationen auf den Handys ausgelesen haben. Jede App wurde untersucht. Selbst solche, die man vor langer Zeit gelöscht hatte. Danach waren die Behörden in der Lage, sich jederzeit Zugriff auf unsere Daten zu verschaffen. Sie installierten auch eine App, die bestimmte religiöse Floskeln oder muslimische Worte erkannte. Grüßte man am Telefon beispielsweise mit »Salem Aleikum« oder sagte »Gott schütze dich«, stand unter Umständen fünf Minuten später die Polizei vor der Tür. Binnen kurzer Zeit sind von etwa 100 Personen 40 in unserem Umkreis im Umerziehungslager verschwunden. Die kürzeste Haftzeit betrug in der Regel vier bis fünf Jahre, die längste zwischen 10 und 20 Jahren.

Foto von einer Leiche

Von 100 Gefangenen unter unseren Bekannten sind etwa 20 im Gefängnis gestorben. Nur in größter Eile durften die Verwandten einen Blick auf die Leiche werfen. Das Gesicht frei, der Rest des Körpers verdeckt. Eine religiöse Beerdigung war verboten. Selbst das Weinen hatte man den Trauernden nicht erlaubt. Und wenn ihnen doch die Tränen über das Gesicht liefen, warfen die Beamten ihnen vor: »Du arbeitest gegen den Staat«, und bestraften sie mit dem Aufenthalt im Lager. Den Totenschein mit chinesischen Schriftzeichen mussten die Angehörigen im Lager unterschreiben. Dazu noch viele andere Dokumente, deren Inhalt viele Uiguren nicht kannten, weil sie kein Chinesisch verstanden. Manchmal stand darin, dass der Staat das Recht habe, die Leiche zu behalten, und dass die Familie die Leiche nicht sehen dürfe. Solche Geschichten erzählten Bekannte und Freunde. Tagtäglich.

Ein Foto von einem im Lager verstorbenen Mann habe ich auf meinem Handy. Eine Freundin hatte es mir 2016 geschickt. Racham Dschen war ihr älterer Bruder. Er war 36 Jahre alt, hatte bei meinem Vater zur Miete gewohnt und war wegen der neuen Regierungsverordnung nach Kashgar zurückgekehrt. Zu Hause haben sie Rachman gleich ins Lager gebracht, weil er sich zu lange in Urumqi aufgehalten hatte. Nach dreieinhalb Monaten haben sie seine Leiche freigegeben. Dieser Mann war immer kerngesund und kräftig gewesen. Bei der Sichtung aber musste meine Freundin unterschreiben, dass er wegen einer schweren Erkrankung an der Leber dringend operiert werden musste. Während der Operation sei sein Blutdruck plötzlich abgefallen, was zum Herzstillstand geführt hätte.

Die Uniformierten gaben sich meiner Freundin gegenüber großzügig: »Keine Sorge, du bist ein Waisenkind und hast kein Geld. Daher wird die Regierung diese Operationskosten für dich übernehmen.« Da meine Freundin nur hastig das Gesicht ihres Bruders, aber nicht seinen abgedeckten Körper sehen durfte, vermutet sie, dass Racham Opfer von Organhandel geworden ist.

Ja, warum starben plötzlich Inhaftierte wie die Fliegen? Und warum so viele Junge und Gesunde? Und das in »Berufsbildungslagern«, wie die Regierung das nennt? Manche starben vermutlich an der Folter. Andere an der Angst. Die Behörden sprachen von »Herzfehlern«.

Sogar am Friedhof kontrollierten Polizisten mittlerweile die Besucher Tag und Nacht. Niemand sollte die Gelegenheit haben, eine Leiche heimlich auszugraben, den Körper nach religiöser Tradition zu waschen oder dessen Zustand zu begutachten. Spuren eines Verbrechens und Beweise für einen gewaltsamen Tod haben die Behörden auf diese Weise vernichtet.

Es ist naheliegend, dass besonders die Menschen dem Organhandel zum Opfer fallen, die keine oder nur wenige Angehörige haben. Nach ihnen wird nämlich nie jemand suchen.

Verwandtschaften zwischen Chinesen und Uiguren schaffen

Bald konnten wir uns nicht mal mehr unbeobachtet in unsere eigenen vier Wände zurückziehen. »Wir wollen neue Verwandtschaften zwischen Chinesen und Uiguren schaffen«, verkauften uns die Kader die Kampagne der »Verwandtschaftsverknüpfung« als gute Sache, »ihr seid wie eine Familie, wie Blutsverwandte«.

In Wirklichkeit wollten sie uns vergessen machen, dass wir eine eigene Identität und wie jeder Mensch ein Recht auf Privatsphäre hatten. Sie wollten uns mit allen Mitteln assimilieren und unseren letzten Schlupfwinkel ausspionieren.

Können Sie sich vorstellen, in so einem Wahnsinn zu leben? Jeden Monat zehn Tage lang in Ihrer Wohnung fremde Chinesen zu bekochen, zusammen zu lernen, miteinander zu arbeiten und zusammen zu schlafen? Dabei immer zu lächeln? Egal, wie groß die Demütigungen sind? Alle Uiguren mussten diesem neuen 4-Punkte-Plan der KPCh fortan folgen.

Als ich davon zum ersten Mal hörte, habe ich mir das nicht so schlimm vorgestellt, wie es kommen sollte. Wir waren so viele Übel gewohnt, dass uns nur noch wenig erschreckte. Ich dachte mir: »Gut, die Regierung teilt uns eine chinesische Familie zu, mit der wir Kontakt pflegen werden. Vielleicht rufen wir einander zwischendurch mal an und erkundigen uns nach dem jeweiligen Befinden oder wir wechseln uns hin und wieder mit gegenseitigen Besuchen ab. Dass sie mir aber einen Fremden wie einen Schatten an die Fersen heften, der Teil meiner Familie wird und die Kontrolle über mich übernimmt, das hatte ich nicht vorausgesehen. Dass diese Chinesen nach Lust und Laune zu uns nach Hause kämen, mit Schuhen auf meinem Sofa herumlümmelten und unser Leben derartig einschränkten, hatte ich nicht geahnt.

Meinem Sohn war eine chinesische Lehrerin zugeteilt. Meiner jüngsten Tochter ein Erzieher aus dem Kindergarten. Meiner zehnjährigen Tochter ein 20 Jahre alter Fabrikarbeiter.