Chlorofilija - Andrej Rubanov - E-Book

Chlorofilija E-Book

Andrej Rubanov

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Beschreibung

Glückliche Pflanzenfresser

Russland im 22. Jahrhundert: Weite Teile des Landes wurden von China aufgekauft, und Moskau ist zu einer gigantischen Megalopolis angeschwollen, in der fast alle Russen leben. Hedonismus ist das oberste Gebot, und am besten erreicht man den absoluten Glückszustand durch das nahrhafte und berauschende Fruchtfleisch bestimmter Halme, die jeden Zentimeter der Stadt überwuchern. Hier lebt auch der Journalist Saweli Herz, der eines Tages im Zusammenhang mit den Halmen auf ein Geheimnis stößt, das die Menschheit für immer verändern könnte ...

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Seitenzahl: 468

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Das Buch

Moskau im 22. Jahrhundert: Die Megacity gilt als eine der reichsten Städte der Welt. Seit ein Drittel der Erde infolge der Erderwärmung überschwemmt und unbewohnbar ist, verpachtet Russland Sibirien an China und erhält dafür Jahr für Jahr immense Gelder – so viel, dass jedem Russen von Geburt an eine lebenslange Rente zusteht. Einzig jene unbekannte Riesenpflanze, die seit vierzig Jahren auf jedem freien Fleck der Metropole bis zu 300 Meter hohe Halme austreibt und die Stadt überwuchert, trübt das Glück der Moskauer, denn das gigantische, unzerstörbare Gras nimmt ihnen das Licht. Das Fruchtfleisch vom Halm versorgt die Moskauer aber auch mit einer unschädlichen Droge. Ihr Konsum, der ein intensives Freudengefühl beschert, gilt zwar in gehobenen Kreisen als Tabu, aber es gibt kaum einen, der sie nicht regelmäßig nimmt. Als Star-Reporter Saweli Herz zum Chefredakteur befördert wird, wähnt er sich auf dem Weg zu mehr Prestige, Einfluss und einer Wohnung in den höheren, sonnigeren Etagen. Doch die neue Position beschert ihm schon bald besorgniserregende Einblicke: Wird Russland in Wirklichkeit von einer mafiösen Parallelwelt gelenkt? Und ist der Wohlfahrtsstaat etwa weit mehr an der totalen Überwachung, Ablenkung und Ruhigstellung seiner Bürger interessiert als an deren persönlicher Entwicklung? Hat der Konsum der Halm-Droge doch Nebenwirkungen? Warum sonst werden auf einmal grüne Kindern geboren, von deren Existenz aber nur wenige Eingeweihte wissen? Als Saweli erfährt, dass die Chinesen ihren Rückzug aus Sibirien vorbereiten und damit auch die Zahlungen einstellen, beginnt ein Kampf um die Zukunft, der nicht nur Saweli zwingt, alle seine Kräfte zu mobilisieren …

Der Autor

Andrej Rubanov wurde 1969 geboren. Nach einem Journalismus-Studium in Moskau arbeitete er Taxifahrer, Bodyguard und freiberuflicher Redakteur für verschiedene Moskauer Zeitungen, bevor er sich mit einem eigenen Unternehmen selbstständig machte. 1996 wurde er zu einer Haftstrafe wegen Betrugs verurteilt, drei Jahre später jedoch wieder freigesprochen. Seine Erfahrungen im Gefängnis verarbeitete er in dem semi-autobiographischen Roman Do Time, Get Time, der ihm in Russland den Durchbruch als Schriftsteller bescherte. Chlorofilija wurde 2011 für den Internationalen Arkadi-und-Boris-Strugatzki-Literaturpreis nominiert und erregte auch außerhalb Russlands Aufsehen. Andrej Rubanov lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Moskau.

Mehr über Andrej Rubanov und seine Romane erfahren Sie auf:

Andrej Rubanov

Chlorofilija

Roman

Deutsche Erstausgabe

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Titel der russischen Originalausgabe

Хлорофилия

Deutsche Übersetzung von Anja Freckmann

Die Übersetzung der ersten beiden Verse aus dem Gedicht »Der Gefangene« von Alexander Puschkin stammt von Michael Engelhard (Frankfurt 1999, Insel Verlag), die Übersetzung der ersten Verszeile aus dem Poem »Ruslan und Ljudmila« von Alexander Puschkin stammt von Johannes von Guenther (München 1933).

Deutsche Erstausgabe 12/2014

Redaktion: Elisabeth Bösl

Copyright © 2009 by Andrej Rubanov

Copyright © 2014 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Published with the support of the Institutefor Literary Translation (Russia)

Umschlaggestaltung: Animagic, Bielefeld

Satz: Fotosatz Amann, Memmingen

ISBN 978-3-641-14442-5

www.diezukunft.de

ERSTER TEIL

1

»Ich brauche dringend was zu trinken«, sagte Saweli.

»Hier, nimm.« Warwara reichte ihm eine Flasche Wasser, das mit Vitamin A angereichert war. »Lösch deinen Lebensdurst. Wie gefalle ich dir heute?«

»Toll«, antwortete Saweli ohne Begeisterung. Er konnte interaktives Make-up nicht leiden.

»Findest du mich nicht sexy?«

»Doch. Reg dich nicht auf.«

Er beschleunigte und wechselte die Spur.

Bei Kilometer dreißig wuchs ein Halm direkt neben der Fahrbahn aus dem Boden – mächtig und dunkelgrün verschwand er hoch über ihnen im Himmel. Warwara legte den Kopf in den Nacken und zog anmutig die Schultern hoch.

»Aus der Nähe sehen sie einfach scheußlich aus. All diese Schuppen. Als ob der Schwanz einer Riesenschlange aus der Erde ragt.«

»Sieh besser nicht hin«, sagte Saweli. »Und vor allem geh niemals nahe ran. Sonst hält man dich für eine Grasfresserin.«

Warwara war beleidigt, stolz drückte sie die Brust heraus.

»Soll das heißen, ich sehe aus wie eine Grasfresserin?«

»Nein. Trotzdem.«

»Angeblich wird es jedes Jahr höher, das Gras.«

»Ja«, entgegnete Saweli. »Das Gras wird höher, der Schatten dichter, die Blassen werden immer mehr. Und bald geht die Welt unter. Dann wird es noch die Halme geben und Menschen, die ab der hundertsten Etage aufwärts wohnen. Die Chinesen und ihre Handlanger.«

Warwara, Sawelis Verlobte, hatte kein bisschen Ähnlichkeit mit einer Grasfresserin. Alle Grasfresser – Männer wie Frauen – sahen immer unnatürlich munter aus, insbesondere wenn sie der blassen Bevölkerungsschicht angehörten. Sie machten Witze und tänzelten die ganze Zeit herum, sie kleideten sich nachlässig und konnten an keinem billigen Straßen-Solarium vorbeigehen, ohne sich in die Schlange zu stellen. Warwara dagegen war, wie es sich für eine Frau aus dem fünfundsiebzigsten Stock gehörte, lasziv und dabei fast ein wenig lethargisch. Diese spezielle Mattheit, die gekünstelten Bewegungen, diese Art, leise und nachlässig zu sprechen, galt bei der Jugend der oberen Etagen als besonders schick. Vervollständigt wurde das Ideal durch schöne, kräftige Schultern und ungewöhnlich hohe Brüste, fest wie Tennisbälle.

Warum halte ich nicht an und mach mit ihr, wozu die Natur sie vorgesehen hat?, überlegte Saweli. Ein hübsches Mädchen, alles dran, in der Redaktion beneiden sie mich …

Auf der Auffahrt zur südwestlichen Hochschnellstraße kam wie immer, wie gestern und vorgestern und wie schon vor zehn Jahren, ein riesiges Hologramm in Sicht. Es verdeckte den halben Himmel (unmöglich, den Blick abzuwenden) und war dabei mit seinen ruhigen Braun- und Grüntönen überraschend unaufdringlich; es zeigte eine gut gebaute Frau mit angenehmem Gesicht, die ununterbrochen die gleiche weiche Handbewegung machte; über ihr, unter ihr, durch sie hindurch, um sie herum zeichnete sich wie ein Destillat der allgegenwärtigen Lebensweise die grundlegende Losung ab, die Moskaus Bürger nun schon viele Jahre verband:

DU

BIST

NIEMANDEM

ETWAS

SCHULDIG

Und wie immer, wie gestern und vorgestern und wie vor zehn Jahren, musste Saweli lächeln und spürte eine Leichtigkeit: Alles ganz einfach – schreib mit smaragdfarbenen Buchstaben fünf Worte in den Himmel, und das Volk ist glücklich.

Hier lieben dich alle, und keiner erwartet etwas dafür. Hier bist du niemandem etwas schuldig.

Keiner ist irgendwem etwas schuldig. Keiner ist zu irgendwas verpflichtet. Keiner stöhnt unter der Last des Broterwerbs.

Auf der Kreuzung Petrosjan und Dubowizka blieben sie im Stau stecken. Ein halbnackter Dealer näherte sich im Laufschritt ihrem Autofenster, das an diesem warmen Septembertag offen stand. Der Mann war sehr blass und sehr fröhlich, ein typischer Grasfresser, seit mindestens fünf Jahren. Brust, Rücken und Schultern waren über und über bedeckt mit dreidimensionalen Tätowierungen, wie sie schon seit Längerem aus der Mode waren.

»Vierte Sublimation«, murmelte er und lächelte.

»Verschwinde«, sagte Saweli.

»Zum Sonderpreis.« Der blasse Freudenlieferant ließ nicht locker. »Gegen Cash oder von Freund zu Freund.«

Saweli schloss das Fenster. Wer braucht deine Freundschaft, du Penner? Ich bin Saweli Herz, Sonderkorrespondent des Magazins Ultimativ. Tausende von Menschen hoffen auf meine Gunst.

»Ich spreche überhaupt nie mit Blassen«, bemerkte Warwara.

»Meinst du, sie sind keine Menschen?«

Ungerührt von der Abfuhr lenkte der Dealer seine Schritte in seinem Clownsgang auf den nächsten Wagen zu. Dabei rückte er den Störsender zurecht, der an seinem Gürtel baumelte.

Vierte Sublimation, wie scheußlich, dachte Saweli. Die Moskauer Bohème nahm schon seit mindestens einem Jahr die siebte. Und demnächst sollte die achte kommen. In den Neunziger-Etagen, im Reich der Superreichen, war sogar schon die neunte im Umlauf. Diese neunte war angeblich ein absoluter Traum. Die Tabletten tarnten sich als Vitamin-A-Kapseln. Eine reichte aus für zwei Tage, und das Beste daran war: Man sah kein bisschen aus wie ein Grasfresser, hüpfte nicht hyperenergetisch durch die Gegend, riss keine scharfsinnigen Witze, lächelte nicht ständig, fuchtelte nicht mit den Händen und nahm wie jeder brave Bürger drei Mahlzeiten am Tag zu sich. Aber im Innersten – dort, wo die Seele wohnte, in der Tiefe des Ichs, im Kopf, im Herzen – ging es einem so gut wie nie zuvor im Leben.

Man erzählte sich, dass Sawelis und Warwaras Chef, der Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift Ultimativ, der mächtige und widerwärtige Puschkow-Rylzew, der erbarmungslose Vernichter fremder Karrieren, der alteingesessene Bewohner der einundneunzigsten Etage, der von drei Schichten echter, schokobrauner Sonnenbräune überzogen war, dass dieser hundertjährige brillante Kopf schon seit einem halben Jahr die neunte Sublimation schluckte.

Aber das waren Gerüchte, die seine Neider verbreiteten. Saweli wusste ganz sicher, dass der Alte sauber war.

Endlich ging es weiter. Im Rückspiegel konnte Saweli noch sehen, wie der Dealer mit einem Sprung auf den Bürgersteig zurückwich und in der Menge untertauchte.

Der Korrespondent der Zeitschrift Ultimativ, Saweli Herz, fuhr nun schon einige Jahre regelmäßig über diese Kreuzung. Morgens und abends verkaufte hier ein und derselbe Mann Fruchtfleisch vom Halm – erst in zweiter Sublimation, dann in dritter, jetzt hatte er die vierte im Angebot, und in einem Jahr würde er ziemlich sicher mit der fünften dealen.

Warum wurde der Mann nicht festgenommen? Warum, fragte sich Saweli, war er als professioneller Journalist und damit als besonders informierte Person nicht in der Lage, die geheimen Vertriebsmechanismen des wichtigsten Grünzeugs der letzten dreißig Jahre zu durchschauen? Lebten sie nicht in einem Zeitalter der totalen Kontrolle? Videokameras von fünfundzwanzig konkurrierenden Polizeidiensten scannten jeden Meter Raum in der Stadt, jeder Sterbliche trug von Geburt an Mikrochips unter der Haut, die Teilnehmer des Projekts Nachbarn stellten geradezu genüsslich das eigene Leben in allen Einzelheiten zur Schau. Wie war es möglich, dass in solchen Zeiten an jeder Ecke arme blasse Menschlein Halmfleisch in beliebiger Menge feilboten, ohne sich vor irgendwem zu fürchten? Obwohl laut Gesetz zehn Jahre Gefängnis auf den Besitz einer einzigen Dosis der Droge standen?

Näher zum Zentrum der Stadt hin wuchs das Gras dichter. Im Schatten empfand Saweli körperliches Unbehagen und beschleunigte.

Auf jedem freien Fleckchen Erde ragte ein Halm in den Himmel. Schwarz-grüne, geschuppte Monster, etwa fünfundzwanzig Meter dick und dreihundert Meter hoch.

Die Halme standen dicht an dicht. Schirmten alles Sonnenlicht ab, die Wipfel schaukelten triumphierend im Wind. Bewirkten, das die Leute sich wie Ameisen fühlten. Saweli beschloss, den Schalter umzulegen und an etwas Angenehmeres zu denken.

»Wie geht es deiner Mascha?«, fragte er.

»Grauenvoll«, antwortete Warwara, die den Vorabend mit einer guten Bekannten verbracht hatte. »Ich war erst nach Mitternacht wieder zu Hause. Und hab schrecklich gestunken, nach Martini und nach Shisha-Rauch mit Fruchtaroma.« (Saweli registrierte erfreut, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte.) »Diese Hochstaplerin hat einen fünfstelligen Vorschuss kassiert, für ein Buch mit dem Titel: ›Wie heirate ich einen sibirischen Chinesen?‹ Ein Albtraum, oder?«

»Was ist daran ein Albtraum?«

Warwara lachte.

»Dass sie keinen Schimmer hat, wie man einen sibirischen Chinesen heiratet«, sagte sie. »Deshalb hat sie eine flüchtige Bekannte angerufen, die mit einem chinesischen Millionär verheiratet ist, dem Direktor einer waschechten chinesischen Kolchose. Der Mann hat eine Orangenplantage in Magadan. Mascha wollte sie ausfragen. Rat mal, was die gesagt hat: ›Dumme Gans, wer verrät denn so was?‹ Außerdem soll Mascha nicht mehr bei ihr anrufen. Sie sei jetzt nicht mehr Nataschka Gawrilowa, hat sie gesagt, sondern Jing Shu, was ›stille Birke‹ oder so ähnlich heißt …«

»Na, dann muss Mascha den Vorschuss eben zurückzahlen.«

»Von wegen, der ist doch längst ausgegeben. Und das Buch ist schon angekündigt.«

»Wenn das so ist, soll unsere tolle Schriftstellerin eben ein paar Reiseführer lesen, dazu die Biographie von Mao Zedong, außerdem noch ›Konfuzius für Dummies‹. Und am Ende erzählt sie alles mit ihren eigenen Worten nach und dichtet noch was dazu.«

Warwara schwieg eine Weile.

»Aber ein paar echte Ratschläge sind doch wohl nötig«, wandte sie ein. »Wenigsten zwei, drei Tipps.«

»Wozu?«, sagte Saweli. »Um einen Chinesen zu heiraten, muss man Chinesisch lernen. Das bedeutet mindestens vier Jahre harte Arbeit. Zu harter Arbeit sind die dummen Gänse, die einen Chinesen heiraten wollen, aber nicht fähig. Denn sie wollen ja einen Chinesen heiraten, um nichts tun zu müssen. Ein Teufelskreis! Deine Mascha riskiert nichts. Ihre Leserinnen sind so oder so nicht in der Lage, ihre Tipps zu befolgen.«

»Oh«, sagte Warwara. »Du bist ein Genie. Ich ruf sie sofort an.«

»Aber Achtung, ich will einen Anteil vom Honorar.«

»Daraus wird nichts. Unsere Romanschreiberin ist ein mörderischer Geizhals.«

»Dann soll sie auch selbst denken«, sagte Saweli trocken. »Wenn sie einen fünfstelligen Vorschuss einstreichen kann, ist es höchste Zeit, dass sie lernt, ihren Kopf zu gebrauchen. Ich habe das Gefühl, in letzter Zeit gibt es reichlich viele Schriftstellerinnen. Die schießen wie Pilze aus dem Boden.«

Warwara blickte ihn an.

»Warum bist du denn auf einmal so sauer?«, fragte sie.

»Das kann ich dir sagen«, antwortete Saweli traurig. »Erinnerst du dich an Harry Godunow? Der ist vom sechzigsten Stock in den fünften umgezogen, um einen Roman zu schreiben. In die wildeste Gegend, in den Sumpf. Zu den hoffnungslosen Grasfressern. Und jetzt ist er spurlos verschwunden.«

»Kein Wunder, es gehört nicht besonders viel dazu, unter hoffnungslosen Grasfressern spurlos zu verschwinden.«

Saweli lächelte ironisch. Er wollte nicht streiten, er mochte Streit nicht. Schon gar nicht mit seiner Verlobten. Irgendwer hatte einmal behauptet, die Wahrheit werde im Streit geboren. Wie viele Menschen waren schon auf diese perfide Behauptung reingefallen und hatten unzählige Stunden mit sinnlosem Diskutieren verbracht?

Er bog von der Schnellstraße ab. Vor ihm zwischen den grünen Halmen tauchte jetzt ihr Ziel auf, Sawelis und Warwaras Arbeitsplatz – das »Tschkalow«-Gebäude, eine gewaltige ultramoderne Pyramide, die Büros und Wohnungen beherbergte.

Saweli seufzte und schaltete das Radio ein.

»… unterstrich der Premierminister, der Index des ökonomischen Wohlstands sei um vier Prozentpunkte angestiegen. Er betonte, dass beim Wohlstandswachstum in absehbarer Zeit keine Drosselung des Tempos zu erwarten ist, und erklärte, dass die Kontrolle über die Einnahmen aus der Ostsibirischen Freien Wirtschaftszone verstärkt wird. ›Die Ideologie des absoluten Wohlstands sieht eine fortlaufende Anpassung der lebenslangen Bürger-Rente unter Berücksichtigung der Inflation und der Preise für grundlegende Verbrauchsgüter vor. Die Chinesen werden arbeiten und zahlen, und wir werden ausgeben und genießen.‹ Mit diesen Worten beendete der Premier seine Rede. Sein Auftritt wurde mehrmals von Ovationen unterbrochen.

Weitere Meldungen: Heute Morgen fand vor dem Gebäude des Wirtschaftsministeriums eine friedliche Demonstration der Anhänger der Erschließung der Randgebiete statt. An die zwanzig Demonstranten forderten die Zuteilung von Mitteln und die Aufstellung von Expeditionstrupps zur Erkundung der Regionen Twer und Iwanowo. Der Populist Iwan Jewropow, der zu der Demonstration aufgerufen hatte, erklärte, es sei absurd, dass die gesamte Bevölkerung Russlands – des Landes mit dem größten Territorium der Welt – sich ausschließlich in Moskau konzentriere. Die Kundgebung von Jewropows Anhängern dauerte etwa eine Stunde und endete spontan mit einem feierlichen Bankett.

Kultur: Beim Projekt Nachbarn dauert der beispiellose Quotenzuwachs zu Gunsten der Familie Waljaew an. Seit Anastasja Waljaewa gleichzeitig fünf Heiratsanträge von verschiedenen Männern angenommen hat – zwei der Heiratskandidaten sind Vater und Sohn Grischko –, nimmt auch die Zuschauerquote bei Übertragungen aus der Wohnung der Familie Grischko massiv zu. Bekanntermaßen führt die Familie Blochowatow nach wie vor die Top Ten an. In der Wohnung der Familie kam es gestern zu schweren Tumulten bei der Verteilung von Sponsorengeldern. 25,7 Millionen Menschen verfolgten die Übertragung der Auseinandersetzungen.

Kriminalbericht: In einem südöstlichen Moskauer Bezirk hat gestern Abend eine Gruppe Verbrecher versucht, vier wild wachsende Halme illegal zu fällen. Die Sicherheitskräfte nahmen über Hundert Mittäter fest. Es wurden siebzig Tonnen der unter dem Namen ›Fruchtfleisch‹ bekannten Substanz beschlagnahmt und vernichtet …«

Saweli ertappte sich dabei, wie er sarkastisch die Lippen verzog. Firlefanz ist das, dachte er, keine Nachrichten. In unserer Zeit gedeiht alles prächtig, nur der Journalismus geht vor die Hunde. Und worüber auch schreiben? Über diesen Clown Jewropow und seine Eskapaden? Wenn ihn diese Region Iwanowa so interessiert, diese ganze verdammte Peripherie, dann soll er selbst in den Urwald reisen und die menschenleeren Gegenden und verlassenen Städte erforschen, wo sich seit einem halben Jahrhundert nur noch Bären und Wölfe tummeln.

Im Übrigen flaute der gerechte Zorn des Journalisten Herz schnell wieder ab. Er hatte keine Lust, sich an diesem angenehmen Tag zu ärgern.

Manchmal, dachte Saweli, steht meine Arbeit buchstäblich im Widerspruch zu meinem Leben. Ich liebe meine Arbeit, aber ich hasse Nachrichten.

Den Parkplatz im zweiundzwanzigsten Stock des Gebäudekomplexes »Tschkalow« durften nur Leute benutzen, die hier arbeiteten. Um diese Zeit war er fast leer. In Moskau arbeitete kein Mensch vor Mittag. Nur die Chinesen. Aber die hatten ihre eigenen Parkplätze.

Ebenso ihre eigenen Fahrstühle, Restaurants, Unterhaltungslokale, Wäschereien und Zahnarztpraxen. Nur die reichsten Sprösslinge der Ostsibirischen Freien Wirtschaftszone konnten es sich leisten, in Moskau zu wohnen. Diese Milliardäre führten ein gänzlich abgeschottetes Dasein und wohnten höher als alle anderen, in den Hunderter-Stockwerken, in Penthäusern mit eignen Golfplätzen und Hubschrauberlandeplätzen. Fast alle Hochhäuser der Megacity waren von chinesischen Bauunternehmen errichtet worden, mit chinesischem Stahlbeton und für chinesisches Geld. Und selbst der glühendste Lokalpatriot musste sich damit abfinden, dass die kleine chinesische Diaspora die besten Plätze der Stadt für sich beanspruchte.

Saweli hielt sich nicht für einen glühenden Patrioten. Er mochte andere nicht beneiden, er mochte nicht gehässig über sie reden, und es war ihm egal, wo und wie die reichen Chinesen lebten. Er schloss das Auto ab, zwinkerte der Videokamera in der Ecke zu, fasste Warwara unter dem Arm und ging mit ihr zum Fahrstuhl.

Je weiter sie in die Höhe glitten und jenen halbdunklen Graben verließen, wo der ungesunde Geruch nach abgestandenem Wasser und durchgebrannten Kabeln sich in alle Oberflächen gefressen hatte, je weiter nach oben sie kamen, der Sonne und dem Licht entgegen, desto stärker wurden Sawelis Empfindungen. Erst spürte er eine Munterkeit, dann eine unterschwellige Euphorie und schließlich so etwas wie Verzückung. Es war schön, sich mit einem geräuschlosen, schnellen Mechanismus in den Himmel aufzuschwingen, wo das Lasurblau und die Wolken waren. Es war schön, das wechselnde Blinken der Knöpfe zu beobachten, die matt hellblau aufleuchteten. Es war schön, die leise aus den Deckenlautsprechern rieselnde Musik in sich aufzusaugen, die etwas süßlich war, aber im Grunde ganz reizend und lebensbejahend. Und es war absolut wunderbar, den Geruch der gesunden jungen Frau einzuatmen, die neben ihm stand – umso mehr, als diese Frau ihn, Saweli, mit einer direkten fröhlichen Liebe liebte; und angenommen er würde jetzt mit gespieltem Ernst ihren Po umfassen oder sogar (warum denn nicht?) seine Hand hinter den Gürtel aus Pythonleder in ihre Hose schieben und mit den Fingern an den interessantesten Stellen herumspielen, dann würde diese Frau ihn mit einer weichen Bewegung ihrer Hüften, mit halbgeschlossenen Lidern und einem dankbaren Lächeln ermuntern weiterzumachen.

»Im sechzigsten Stock gibt es ein neues Express-Hotel«, sagte er leise. »Bettnischen mit Sprachsteuerung. Lass uns für ein halbes Stündchen vorbeischauen.«

»Eine halbe Stunde reicht uns nicht«, widersprach Warwara, und Saweli verstand, dass sie an das Gleiche dachte wie er.

Es ist großartig, wenn zwei Leute im selben Augenblick den gleichen Gedanken haben, dachte Saweli begeistert.

»Mir reicht es.« Er lächelte.

»Aber mir nicht. Wir verspäten uns womöglich. Der Alte wird poltern.«

»So sind alte Leute eben.«

Warwara seufzte.

»Besser wir verkneifen es uns. Lass uns lieber noch was trinken gehen.«

In der Siebenundsiebzigsten betraten sie ein Café auf dem Halbgeschoss, das bei den Snobs der umliegenden Büros (hauptsächlich Anwaltskanzleien und Firmensitze großer Produzenten) sehr beliebt war. Hier bedienten lebende Kellner, und man hatte einen ziemlich guten Blick über die Stadt: Die Halme, die am Erdboden so mächtig waren und ganz starr vor lauter abgestorbenen Schuppen, schwankten hier oben in einer Höhe von zweihundert Metern im Wind und unter ihrem eigenen Gewicht, schwankten gleichmäßig hin und her, und wenn Saweli den Kopf in den Nacken legte, konnte er ihre glänzenden grellgrünen Spitzen sehen. In den Siebziger-Stockwerken ließ es sich schon ganz gut leben, hier drangen heiße Sonnenstrahlen durch den grünen Pfahlzaun. Vorne am Geländer, direkt am Abgrund, hatten die Stammgäste ihre Plätze, halb im Liegen nippten sie von ihrem Wasser, Baikal Double Premium, und verfolgten insgeheim neugierig, wie am Himmel eine holographische Reklame nach der anderen auftauchte und alle denkbaren und undenkbaren Annehmlichkeiten zu erschwinglichen Preisen anpries. Das fing mit Werbung für das Projekt Nachbarn an und hörte mit dem ungewöhnlichen Angebot auf, zwei chinesische Bentleys zum Preis von einem zu erwerben, aber nur in diesem Monat und nur für Mitglieder der Partei des Absoluten Wohlstands.

Saweli zog für Warwara einen Stuhl zurück, nahm selbst Platz, bestellte einen frischgepressten Saft – Melone mit Orange (und einem besonderen Tonikum nach einem Spezialrezept, dessen Ingredienzien der Barmixer nicht verraten wollte) –, streckte seine Beine aus, damit jeder – und vor allem er selbst – seine neuen Schuhe sehen konnte, die sich so angenehm um den Fuß schmiegten, kniff zufrieden die Augen zusammen – Himmel, Wind, Mittagszeit, das 22. Jahrhundert – und rief aus:

»Warwara!«

»Was?«

»Ich liebe dich.«

»Ich liebe dich auch. Aber rutsch ein bisschen zur Seite. Du nimmst mir die Sonne.«

»Hör mal.« Saweli kam ihrer Aufforderung nach. »Du hast doch deine Diplomarbeit über die russische Literatur des 20. Jahrhunderts geschrieben.«

»Das ist schon lange her.«

»Erinnerst du dich an den Begriff ›lackierte Wirklichkeit‹?«

»Dunkel.«

Saweli schwieg einen Moment, ehe er sich offenbarte.

»Ich sehe ihn.«

»Was?«

»Den Lack.«

»Ich weiß, was du meinst.« Die kluge Warwara nickte.

»Ich habe das Gefühl, das alles rundherum schillert.« Saweli verschob sich aus seiner bequemen Sitzposition in eine noch bequemere.

»Du bist einfach ausgeschlafen und erholt.«

»Ja. Sieh mal da hinten, was für ein Geck.«

»Der Junge ist kein Geck, sondern nur modebewusst. Diese Saison tragen alle Orange und Violett.«

»Und was haben sie letzte Saison getragen?«

»Gelb und Weiß.«

»Und in der vorletzten?«

»Lila. Und dreidimensionale Tattoos.«

Augenblicklich erinnerte sich Herz an den schmierigen Dealer, der seit ewigen Zeiten auf der Kreuzung verbotenes Dreckszeug anbot. Er spürte, wie seine psychische Balance in Gefahr geriet.

Ich darf mich nicht mehr so oft da unten aufhalten, dachte er. Wie jeder normale Arbeitnehmer sollte ich die mautpflichtigen Hochstraßen auf Höhe der Zwanzigsten nehmen. Das kostet zwar, aber dafür bleibt mir der Anblick meiner blassen Landsleute erspart, die ewig Fruchtfleisch in sich reinfressen, dreckig sind und vor allem viel zu viele an der Zahl. Deprimierend ist ja nicht unbedingt der Anblick eines Einzelnen an sich, sondern die Tatsache, dass sie so viele sind. Die Blassen werden immer mehr. Das kann jeder aufmerksame Mensch feststellen …

»Ein toller Tag.« Wieder lächelte er Warwara an, wieder stellte er sich darauf ein, ein Gefühl der Befriedigung zu empfinden. »Ich habe eine Eingebung. Wir trinken jetzt jeder ein Glas Champagner. Und dann gehen wir. Wir sollten heute nicht zu spät kommen.«

»Champagner?«, sagte seine Verlobte gedehnt. »Mittags? Am Montag? Nein. Das lässt meine Erziehung nicht zu.«

»Wie du willst.« Saweli stand auf, wobei er sich mit den Handflächen von den Armlehnen abdrückte und dabei auf seine Armmuskeln blickte. Prächtige Armmuskeln, prächtiger Stuhl, prächtiger Tag.

Seine Verlobte hatte sich ihr Leben im Status »ernsthaftes Mädchen aus guter Familie« eingerichtet und verteilte ihre Absagen vorzugsweise mit einem Verweis auf ihre gute Erziehung. Womit Warwara beiläufig-elegant ihre Unabhängigkeit von den Männern zu unterstreichen glaubte. Sie vermittelte gern den Eindruck, als ob hinter ihr jederzeit ihre liebenden und wohlhabenden Eltern bereitstünden, um ihr zu helfen; Eltern mit einer Zwanzigzimmerwohnung, einem Swimmingpool, einem Wintergarten und lebenden Bediensteten. Dabei wusste Saweli aus erster Hand, dass Warwara ihre materiell denkenden Eltern insgeheim wegen ihrer Spießigkeit verachtete und seit ihrem siebzehnten Lebensjahr allein lebte. Sie war zweimal verheiratet gewesen (beide Male ohne Kinder), hatte zunächst vorgehabt, ihr Leben der Jurisprudenz zu widmen, dann dem Kampf für die Ökologie, dann wollte sie Designerin und Bildhauerin werden, ehe sie schließlich in der Redaktion des Monatsmagazins Ultimativ landete, wo aus ihr eine erstklassige Journalistin geworden war. Wenn nötig, warf sie sich in ein gewagtes Kleid, schaltete – wie sie es selbst ausdrückte – auf Lady um und schaffte es auf diese Tour, sogar Leuten ein ungeschminktes Interview abzuluchsen, die regelmäßig in aller Öffentlichkeit beim Leben ihrer Mutter schworen, dass sie niemals irgendwem ein Interview geben würden.

Saweli und seine Verlobte machten sich auf den Weg in die Redaktion. Während sie Unbekannten zuzwinkerten und mit Bekannten scherzhafte Bemerkungen tauschten, bahnten sie sich einen Weg durch die gutgelaunte, schicke Menge, von der nur etwa jeder zehnte an die Arbeit dachte. Selbst im siebenundsiebzigsten Stock arbeiteten nur die fanatischen Idealisten oder solche, die besonders am Geld hingen. Es galt als allgemeine, unumstößliche Gewissheit, dass zu arbeiten das Los der Chinesen war. Im 22. Jahrhundert war kein russischer Bürger irgendwem etwas schuldig.

Auch Saweli Herz wusste, dass er niemandem etwas schuldig war, und auch er liebte es, das Leben zu genießen (kluge und geduldige Pädagogen brachten das schon dem Nachwuchs in den Schulen bei), aber er stammte aus jener eher dünnen Gesellschaftsschicht, die man früher als Intelligenzija bezeichnet hatte. Unter ihren Sprösslingen gehörte es zum guten Ton, etwas zu tun, sich für das gesellschaftliche Wohl einzusetzen, den Fortschritt voranzutreiben. Von Kindesbeinen an hatte man Saweli Verachtung für Müßiggang eingeflößt.

Warwara dagegen hatte oft genug bekannt, dass das gesellschaftliche Wohl ihr vollkommen schnuppe war und dass sie nur arbeitete, weil sie nicht wusste, wohin mit ihrer Energie.

Trotz dieser Unterschiede in Herkunft und Ansichten verstanden Saweli und Warwara sich ausgezeichnet.

Von der Siebenundsiebzigsten aus führten nicht Fahrstühle in die höher gelegenen Etagen, sondern besondere Rolltreppen. Das dauerte länger, dafür war es abwechslungsreicher. Die fröhliche Sorglosigkeit der Siebziger-Etagen wurde von der aufgesetzten Steifheit und den gedeckten Farben der Achtziger abgelöst. Hier war Nichtstuern der Zutritt verwehrt – Bürger, die nicht arbeiteten, konnten sich die Achtziger-Etagen einfach nicht leisten. Hier gingen fast alle einer Beschäftigung nach, oder sie brachten das Vermögen ihrer Eltern durch, aber selbst das geschah umsichtig und mit Verstand. Hier tänzelte keiner durch die Gegend, und die Menschen lungerten nicht stundenlang in irgendwelchen Massagesalons, Boutiquen oder Express-Hotels herum. Hier gab es vereinzelt sogar Leute, die grimmig aussahen. Man hörte gelegentlich, dass einer fluchte oder sich ärgerte. Hier hatten große Handelsunternehmen ihren Firmensitz, die den armen Europäern Wald und Baikalwasser verkauften. In schicken Büros köchelten Agenten ihre Geschäfte aus und verteilten die Geldflüsse, die sie aus China über den russischen Staatshaushalt erreichten. Es gab auch solche, die nicht Geldflüsse, sondern ganze Ströme, ja Meere verteilten, aber die saßen natürlich in den Neunziger-Etagen. Dort oben, über den Spitzen der allerhöchsten Halme, genoss Moskaus Elite die Sonne, die reichsten, die einflussreichsten, die cleversten und die schrecklichsten Leute.

Im dreiundachtzigsten Stock durchquerten Saweli und Warwara eine besondere Halle. Sie war so angelegt, dass jeder, der sie betrat, automatisch von einer noblen Melancholie erfasst wurde: In mehreren Brunnen murmelte leise das Wasser und neben hochtechnologischen, offenen Kaminen, in denen ein echtes Feuer brannte, saßen in tiefen Sesseln braungebrannte Damen und Herrn, die sich nicht mit dem Ausgeben von chinesischen Geldern, sondern mit deren Vermehrung beschäftigten. Sie lächelten sich gegenseitig zu und zeigten dabei ihre Zähne, die nach der neuesten Mode mit grellrotem Lack überzogen waren.

Saweli öffnete eine Tür aus karelischer Birke, hielt sie für Warwara auf und trat dann hinter ihr in die Redaktionsräume von Ultimativ, des meist gehassten, skandalträchtigsten und beliebtesten Moskauer Magazins.

2

Wer die Schwelle zur Redaktion überschritt, erblickte als Erstes eine lokale Sehenswürdigkeit – einen in ganz Moskau berühmten Chippendale-Sessel, der mit glänzendem Leder bezogen war. Dieses Sitzmöbel war mit seiner Höhe von drei Metern über zweieinhalbmal größer als jeder normale Sessel und natürlich eine Auftragsarbeit. Die jeweiligen Titelhelden einer Magazinausgabe wurden entweder auf seiner Sitzfläche oder mit ihm im Hintergrund fotografiert. Es galt als Ehre, so verewigt zu werden, wobei die so abgelichteten Prominenten durch die zyklopischen Sitzkissen und Armlehnen in der Regel eher wie kindliche Rowdys oder streberhafte kleine Mädchen mit zusammengepressten Knien wirkten als wie herausragende Persönlichkeiten. Mittels dieses einzigartigen Sessels wurde ein scharfsinniges Paradox kultiviert: Wir schreiben, dass du der ultimative Star bist, und verewigen dich als Trottel; wenn du damit leben kannst, heißt das, du bist tatsächlich und zu hundert Prozent der ultimative Star.

Saweli und Warwara betraten das große, lichtdurchflutete Gemeinschaftsbüro. In der Redaktion waren Einzelbüros verpönt, jeder arbeitete für alle anderen sichtbar. Auch wer gerade ein besonders wichtiges Telefonat führte, musste damit rechnen, unter Umständen mit Papierkügelchen und Orangenschalen beworfen zu werden. Erstens, damit er sich entspannte, und zweitens, damit er nicht vergaß: Es gibt nichts wirklich Wichtiges – es gibt nur ultimativ, der Rest zählt nicht.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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