Christentum - Wegweiser aus den Wertekrisen - Klaus Peter Fuglsang-Petersen - E-Book

Christentum - Wegweiser aus den Wertekrisen E-Book

Klaus Peter Fuglsang-Petersen

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Beschreibung

Nach den bitteren Erfahrungen mit zwei Diktaturen in Deutschland werden heute wieder Wertekrisen im staatlichen und im gesellschaftlichen Bereich beklagt. Meinungs-, Glaubens- und Versammlungsfreiheit werden von politischen und religiösen Fanatikern missbraucht. Nationalistische Parteien in Europa mit fremdenfeindlichen Parolen lassen Sorge um die Stabilität der rechtsstaatlichen Demokratie aufkommen. Toleranz und Dialog zwischen den Weltreligionen sind unverzichtbar. Kann der Werteverfall in Staat und Gesellschaft durch Rückbesinnung auf das christliche Ethos überwunden werden? Der Autor behandelt die Grundzüge des Christentums in einem kurzen Vergleich mit den anderen Weltreligionen, geht der Frage nach, wie sich das christliche Ethos auf unsere Rechtsordnung ausgewirkt hat und analysiert einige Bereiche in Politik und Wirtschaft, wo das christliche Ethos heute besonders fehlt. Am Beispiel der Perversion des demokratischen Verfassungsstaates im Dritten Reich und in der DDR werden die Aufgaben der Kirchen und der Eliten für die Wahrung von Menschenwürde und Gerechtigkeit in einer Welt sich überkreuzender Kulturen in leicht verständlicher Sprache dargestellt. Das Buch wendet sich an alle verantwortungsbewussten Staatsbürger, die eine überschaubare Antwort auf Wertekrisen im demokratischen Rechtsstaat suchen und vermittelt einen ersten Einblick in die Zusammenhänge von christlicher Ethik, Gerechtigkeit und Recht. Ein Verzeichnis über ausgewählte Literatur zur Vertiefung der behandelten Themen schließt die Darstellung ab.

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Für meine Enkelkinder

Inhalt

Einleitung

Die Frage nach Gott

1.1. Die anderen Weltreligionen

1.1.1. Das Judentum - Der Abraham - Bund

1.1.2. Der Islam - Die politische Religion

1.1.3. Der Hinduismus - Die Lehre von der Wiedergeburt

1.1.4. Der Buddhismus - Die Weisheitslehre

1.1.5. Der Daoismus - Die kosmologische Harmonielehre

1.1.6. Die Bahai-Religion - Die Lehre von der Einheit der Religionen

1.2. Der Standort des Christentums

Der christliche Trinitätsglaube

2.1. Gott ist der Schöpfer

2.2. Gott ist Jesus Christus

2.3. Gott ist der Heilige Geist

Der Glaube und die Wahrheit

3.1. Die Bibel - Eine Einzige Geschichte

3.2. Allegorien und Metaphern

3.3. Die Wunder Jesu

Die Quellen des Neuen Testaments

4.1. Übersetzungsfehler nicht ausgeschlossen

4.2. Wer waren die Mörder Jesu?

Die christlichen Lebensregeln

5.1. Die Zehn Gebote - Gesetze Gottes

5.2. Die Bergpredigt - Das biblische Ethos

5.2.1. Die Seligpreisungen

5.2.2. Die Aufforderungen zur Nächstenliebe

5.2.3. Lebensweisheiten

5.2.4. Fehldeutungen

5.3. Die christlichen Tugenden - Neues Gedankengut

Christentum und Rechtsordnung

6.1. Der Übergang von Ethik und Moral zu Recht

6.2. Der Einfluss des christlichen Ethos auf das Recht

6.2.1. Ein langer Lernprozess

6.2.2. Das alte nordeuropäische Recht wird verdrängt

6.2.3. Die Gegenbewegung - Wurzeln des christlichen Naturrechts

6.2.4. Die katholische Naturrechtslehre

6.2.5. Das christliche Naturrecht wird verdrängt

6.2.6. Das Naturrecht nach 1945

6.2.7. Christliches Ethos in der pluralistischen Staatsrechtsordnung

Lehren aus der jüngsten deutschen Geschichte

7.1. Entstehung des Antisemitismus

7.2. Auswirkungen der Panbewegungen

7.3. Folgen des Ersten Weltkrieges

7.4. Beseitigung des Rechtsstaates

7.5. Totale NS-Herrschaft

7.6. DDR

7.7. Bundesrepublik

7.8. Erkenntnisse der Staatslehre

7.9. Gegenwartsaufgaben

Die Bedeutung der Kirche

8.1. Die erste Verkündung der christlichen Lehre

8.2. Die Trennung von Staat und Kirche

8.3. Die Kirchen im Dritten Reich

8.4. Die Kirchen in der DDR

Wo das christliche Ethos heute besonders fehlt

9.1. Der Machtmissbrauch der politischen Klasse

9.1.1. Überbetonung des Eigeninteresses

9.1.2. Vorrang des Machtkampfes

9.1.3. Ämterpatronage

9.2. Das Auseinanderklaffen von arm und reich

9.2.1. Der Egoismus der Manager

9.2.2. Massenarbeitslosigkeit - ein moralisches Problem

Christliche Ethik ist unverzichtbar

10.1. Der Gesetzgeber ist überfordert

10.2. Vorbilder sind notwendig

10.3. Notwendiger Dialog der Religionen

Literatur zur Vertiefung

Einleitung

Wenn wir heute nach der Befindlichkeit unserer Gesellschaft fragen, hören und lesen wir nicht nur Positives. Sehr deutlich vernehmbar ist Kritik an den gesellschaftlichen und politischen Zuständen. Das Ausleben der schier unbegrenzten individuellen Freiheit stößt auf Grenzen. Meinungs-, Glaubens- und Versammlungsfreiheit werden von politischen und religiösen Fanatikern missbraucht. Nationalistische Parteien in Europa mit fremdenfeindlichen Parolen lassen Sorge um die Stabilität der rechtsstaatlichen Demokratie aufkommen. Mehr Solidarität und mehr Ehrlichkeit werden gefordert. Sogar von einer allgemeinen Vertrauenskrise und Orientierungslosigkeit der Menschen ist die Rede. Der für das Funktionieren der Demokratie erforderliche Wertekonsens scheint teilweise verlorengegangen zu sein. Die Frage nach einer besseren, einer guten Gesellschaft wird lauter. Was aber ist gut? Eine oft zu hörende Antwort wird in der Wiederentdeckung der Tugenden gesehen. Mehr Moral in Gesellschaft und Politik wird gefordert. Was aber sind Tugenden und Moral? Sind es mehr Pflicht, Gehorsam und Autorität? Bei diesen Begriffen kommen ängstliche Erinnerungen an das Dritte Reich und die kommunistische Diktatur in der DDR auf. Sind es mehr Freiheit, Individualität, Bindungslosigkeit oder antiautoritäre Erziehung? Dann werden Erfahrungen wach, die für die heute beklagten Missstände in Staat und Gesellschaft mit verantwortlich gemacht werden.

Was überhaupt ist unter all diesen Wertbegriffen konkret zu verstehen? Sind sie nicht vielleicht zu abstrakt, um als Richtlinie für ein wertvolles Leben dienen zu können? An welchen Vorbildern und Beispielen können wir uns orientieren, ohne wieder falschen Heilsverkündern zum Opfer zu fallen? Auf diese und weitere Fragen versucht die vorliegende Abhandlung auf Grundlage der christlichen Ethik eine Antwort zu geben. Die Schrift führt ein in die Bedeutung der Religion für das sittliche Zusammenleben der Menschen, insbesondere in das Christentum, erläutert seine geschichtlichen Einflüsse auf die Entwicklung unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung und behandelt die in Deutschland nach zwei Diktaturen erforderlichen Konsequenzen. Durch eine Rückbesinnung auf das christliche Ethos und seine Bedeutung für unsere heutige Soziokultur werden Zusammenhänge von Moral und Recht erklärt und Denkanstöße für die Überwindung der heutigen Wertekrise gegeben. Die gewonnenen Erkenntnisse belegen die Aktualität des Christentums für die Lösung unserer gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Grundprobleme.

Die Bibel ist eine unerschöpfliche Quelle, wenn man sich über den Sinn des Lebens informieren will. Jesus ist Vorbild. Er verkörpert das, was die Bibel den Heiligen Geist nennt, die Idee des Guten, der Nächstenliebe, der Gerechtigkeit. Heute nennen wir die geistige Durchdringung des Menschen von diesen für richtig erkannten Ideen und Werten mit anderen Worten auch Brüderlichkeit, Solidarität, Gemeinsinn und Verantwortlichkeit für die Gesellschaft. Durch Rückbesinnung auf die Entstehungsgeschichte unserer religiösen Kultur, die mit der Beschreibung der Geschichte Israels im Alten Testament beginnt, können wir die vielfach beklagte Bindungs- und Orientierungslosigkeit unserer Gesellschaft überwinden und Halt für ein sinnvolles, soziales Leben finden, das nicht nur darin besteht, sein eigenes Glück zu suchen. Jeder von uns trägt Verantwortung auch für andere. Daraus ergeben sich Pflichten, die nicht alle im Gesetz stehen und schon gar nicht alle vom Staat überwacht werden können, sondern als Tugenden gelebt werden müssen. Wenn uns das christliche Ethos stärker als bisher von der Elite vorgelebt und bewusst gemacht wird, können wir den teilweise verlorengegangenen Wertekonsens zurückgewinnen.

1. Die Frage nach Gott

Seitdem es auf der Welt Menschen gibt, die sich gegenüber anderen Lebewesen durch ihre Fähigkeit zum logischen Denken, zur Willensbildung und zum selbstverantwortlichen Handeln auszeichnen, fragen sie nach der Entstehung des Universums und dem Sinn ihres Lebens auf Erden. Mit dieser Frage eng verknüpft ist die Frage nach der Richtschnur für unser Leben zwischen Himmel und Hölle, zwischen Gut und Böse. Trotz aller Fortschritte der Kosmologie, deren modernste Variante die Theorie einer Urwolke entwickelt hat, aus der die kosmischen Objekte und schließlich das Leben entstanden sein sollen, wissen die Menschen nicht, woher sie letztendlich kommen und wohin ihr Geist und ihre Seelen nach dem Tode gehen. Wahrscheinlich werden wir diese Fragen nie beantworten können. Denn je weiter wir die Kausalzusammenhänge zur Entstehung der Welt zurückverfolgen, umso mehr tun sich neue, unbekannte Ursachen auf, deren Existenz wir nicht erklären können. Woher kommt die Urwolke, wer hat sie geschaffen? Warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts? Was hat den Evolutionsprozess in Gang gesetzt? Wozu das Ganze? Dieses Unvermögen des Menschen zur Erklärung der Welt hat in allen Kulturkreisen der Erde seit jeher die Frage nach Gott und dem Anfang, dem Sinn und dem Ende des Lebens aufgeworfen. Die Religionen der Welt beantworten die Frage auf sehr verschiedene Weise. Grundwissen der Erkenntnistheorie ist heute, dass weder die Existenz noch die Nichtexistenz eines persönlichen, allmächtigen Gottes als Schöpfer der Welt wissenschaftlich bewiesen werden können (Hoerster, passim). Damit verbindet sich der Gedanke des Friedens zwischen den Religionen und Weltanschauungen, die dem Menschen freistellen sollten, wie er seine Demut vor dem Unendlichen und seine Ehrfurcht vor dem Leben begreifen will. Denn der Glaube an die Liebe Gottes kann für ihn Glück, Hilfe und Geborgenheit bedeuten. Durch den Glauben an eine transzendente Macht kann der Mensch das Dilemma seiner Erklärungsnot der kosmischen Rätsel überwinden. Mit Gott wird man über Sprachlosigkeit sprachfähig (Sander).

Als Quelle des Seins, die Körper und Weltraum zusammenhält, das menschliche Bewusstsein ermöglicht und uns zu zielgerichtetem Handeln befähigt, lassen sich Kraftfelder, insbesondere die Gravitation und elektromagnetische Schwingungen nachweisen. Diese als Gott zu bezeichnen (so z. Bsp. Stein), fällt dem herkömmlichen Sprachgebrauch schwer. Kraftfelder können die Entstehung der Welt und das Verhalten der Menschen (die Merkmale der Schöpfung) und damit einen Teil des Gottesbegriffs wissenschaftlich erklären, nicht aber die von den meisten Religionen einem Gott (oder mehreren Göttern) zugeschriebenen Eigenschaften als Maßstab und Garant der Moral und Gerechtigkeit. Um konkrete Inhalte von Moral und Gerechtigkeit geht es aber, wenn eine Wegweisung aus Wertekrisen der Gesellschaft gefunden werden soll.

Im Zeitalter der Globalisierung, in dem wir einer Welt sich überkreuzender Kulturen angehören, kann die Frage nach der Aktualität des Christentums und seiner Bedeutung für unsere Werteordnung nicht beantwortet werden, ohne wenigstens einen kurzen Blick auf die wichtigsten anderen Weltreligionen geworfen und sich den eigenen Standort bewusst gemacht zu haben. Obwohl wir heute mehr denn je gezwungen sind, global zu denken, verleiten uns doch unsere kulturellen Traditionen oft dazu, religiösen Grundsatzfragen hauptsächlich in Kategorien der eigenen Weltanschauung und Gewohnheit nachzugehen. Ein Blick über den eigenen Tellerrand bewahrt uns davor, unsere Sicht der Dinge zu verabsolutieren, und macht uns offen für einen vorurteilsfreien Gedankenaustausch zwischen den Weltanschauungen und Religionen, der zur Erhaltung des Friedens in der Welt immer dringender wird. Gleichzeitig gibt uns eine vergleichende Betrachtung auch Hinweise zur Erklärung des Phänomens, dass es keiner anderen großen Religion so erfolgreich wie dem Christentum gelungen ist, ihren Geltungsanspruch insbesondere in den demokratisch organisierten Staaten bis heute zu behaupten. In der wissenschaftlichen Diskussion besteht trotz unterschiedlicher Gewichtung im Einzelnen weitgehend Einigkeit darüber, dass vom Christentum wesentliche geistige und institutionelle Impulse für die Herausbildung der politischen Ordnung des demokratischen Verfassungsstaates ausgegangen sind. In Neuengland waren der christliche Puritanismus und die Religionsfreiheit als historischer Kernbereich der Menschenrechte sogar eine Hauptquelle der frühen Demokratie.

1.1. Die anderen Weltreligionen

Den Überlegungen zur Bedeutung des Christentums in unserer Zeit wird zunächst eine kurze Einführung in wesentliche Glaubensinhalte der sechs anderen großen Religionen der Welt vorangestellt Dazu gehören neben den ebenfalls monotheistischen Religionen Judentum und Islam, der Hinduismus, Buddhismus und der Daoismus, sowie die neue monotheistische Bahai-Religion. Die Weltreligionen verbinden den Glauben an einen allmächtigen Gott oder transzendente Mächte mit dem Glauben an eine sittliche Ordnung der Welt. Dieser Glaube findet in der Vorstellung von einer sittlichen Verantwortung für das Handeln, von einer gerechten Vergeltung allen Tuns und von der Möglichkeit eines Fortschritts zur höchsten Vollkommenheit seinen Ausdruck. Nicht Dogmenstreit, Religionsgeschichte und die unterschiedlichen gottesdienstlichen Handlungen und Rituale, die häufig den Blick auf den Kernbereich des Glaubens versperren, sondern die spirituellen und ethischen Wesensgehalte der Religionen werden Schwerpunkt der nachfolgenden Überlegungen sein. Dabei ist den Verhaltensregeln besondere Aufmerksamkeit zu widmen, die für das menschliche Zusammenleben von elementarer Bedeutung sind. Was antworten die Weltreligionen auf Fragen nach der Freiheit und Gleichheit der Menschen, nach Krieg und Frieden oder Gewaltverzicht, nach Herrschaft, Politik und Staat, nach Ehe und Familie, nach einem menschenwürdigen Leben unter gerechten Lebensbedingungen und nach der Angemessenheit von Strafen? Die Kenntnis der grundlegenden sittlichen Ordnungsvorstellungen der Religionen über das richtige Verhalten der Menschen ist für die Standortbestimmung des Christentums im gegenwärtig zu beobachtenden Kulturkonflikt zwischen Islam und westlicher Welt und für den erforderlichen Dialog zwischen den Kulturen entscheidend. Es gilt, Wege aufzuzeigen zum friedlichen und gedeihlichen Zusammenleben in einer pluralen, multikulturellen und weltanschaulich differenzierten Gesellschaft.

1.1.1. Das Judentum - Der Abraham-Bund

Das Judentum ist die älteste monotheistische Religion und zugleich Mutterreligion des Christentums und des Islams. Im Unterschied zur Religion des Alten Israel spricht man frühestens seit Rückkehr der Israeliten aus dem babylonischen Exil (538 v. Chr.) vom Judentum. Die jüdische Tradition erhebt den Anspruch, dass Gott, der Schöpfer der Welt, Abraham und dessen Nachkommenschaft, die Juden, dazu erwählt hat, den Glauben an den einen Gott in der Welt zu bekennen und den offenbarten Willen Gottes beispielhaft zu verwirklichen. Zeichen dieses „Abraham-Bundes“ ist die Beschneidung der Jungen am achten Tag nach der Geburt. Der Gotteswille ist nach jüdischer Religion den Nachkommen Abrahams am Sinai durch Mose in der Tora, der hebräischen Bibel, die weitgehend dem Alten Testament der christlichen Bibel entspricht, offenbart worden. Die Offenbarung verpflichtet das Volk Israel als auserwähltes Gottesvolk, den offenbarten Gotteswillen als Gesetzgebung zu verwirklichen. Jesus von Nazareth, der Jude war und von den Römern wegen seiner revolutionären Glaubenslehre nicht ohne Zutun der mit ihnen verbundenen aristokratischen Sadduzäer gekreuzigt wurde, wird zwar als Prophet, nicht aber als Gott anerkannt. Im Mittelpunkt der jüdischen Religiosität steht weniger das persönliche Heil als der Beitrag des einzelnen zur Erfüllung des Erwählungsauftrages und zur Verwirklichung der Gottesherrschaft. Dieser Anspruch, der ein starkes Solidaritätsbewusstsein forderte und zu heftigen Auseinandersetzungen um die richtige Auslegung und Anwendung der Tora führte, wurde seitens der Juden durch eine entschlossene religiöse und soziale Abgrenzung von der Umwelt aufrecht erhalten. Gehorsam und Ungehorsam des einzelnen gegenüber der Tora mit den zahlreichen Vorschriften und Bräuchen und streng geregelter Lebensweise werden im Zusammenhang mit dem Lauf der Volks- und Weltgeschichte gesehen. Das Judentum hat deshalb seine Geschichte meist im Licht erfolgter oder versäumter Erfüllung der Tora gedeutet und Katastrophen als Strafe für Sünden und als Anlass zur Buße verstanden.

Wichtigste Quelle der jüdischen Ethik sind die Zehn Gebote (Dekalog), die Mose beim Auszug (Exodus) der Israeliten aus der ägyptischen Gefangenschaft am Sinai-Gebirge durch Gott offenbart wurden. Wann die Befreiung vom Frondienst für die ägyptischen Pharaonen stattfand, ist nicht sicher belegt. Genannt werden das 13. Jahrhundert v. Chr. (Ramses II.) und das 15. Jahrhundert v. Chr. (Thutmosis III.). Das Zweite Buch Mosis (Exodus) stellt diesen von Gott gelenkten und von Mose geführten Auszug aus der Knechtschaft und die Sinai-Offenbarung, die Zehn Gebote (2. Mose 20), ins Zentrum der Schilderung. Im Fünften Buch Mosis wird das Geschehen wiederholt und einschließlich der sich daraus ergebenden Verpflichtungen für Israel in seiner Gesamtheit erläutert. Als Teil des Alten Testaments gehören die Zehn Gebote auch zur Ethik des Christentums und werden daher unten ausführlicher behandelt. Neben der schriftlichen Lehre (Tora) ist in etwa 7 Jahrhunderten die aktualisierende und erläuternde mündliche Lehre entstanden. Im Talmud sind zwischen 200 v. Chr. und 500 n. Chr. die Diskussionen der rabbinischen Gelehrten über die Interpretation und praktische Anwendung von Gottes Wort unter sich verändernden gesellschaftlichen Verhältnissen aufgeschrieben worden. Ein Traktat des Talmuds stellen die „Sprüche der Väter“ dar, die auf der Sinai-Offenbarung beruhen und das Weisheitsgut späterer Gesetzeslehrer beinhalten. Die wichtigsten Regeln dieser Sprüche lauten: Seid vorsichtig im Urteil; auf drei Dingen beruht die Welt: auf der Lehre, auf dem Gottesdienst und auf den Liebeserweisungen; liebe den Frieden, strebe dem Frieden nach; liebe die Geschöpfe; wer den Ruhm vergrößern will, verliert ihn; wer nicht zufügt, der nimmt ab; wer nicht lernt, ist des Todes schuldig; wer die Krone ausnützt, geht zugrunde; gib deinem Studium einen festen Rahmen, sprich wenig, tu viel, empfange alle Menschen freundlich (Wehr, Judentum).

Die modernen Erklärungen von der Gleichheit und Gleichberechtigung aller Menschen haben ihren Ursprung in der jüdischen Bibel. Auch hinsichtlich der Freiheit der Meinungsäußerung kann das Judentum auf eine sehr lange Tradition zurückblicken. Die Idee der Gerechtigkeit hat in der jüdischen Bibel und Literatur nicht nur einen ethischen oder sozialen, sondern immer zugleich einen religiösen Inhalt. Der Begriff weist auf Gott hin als den Ursprung der Einheit von rechtem Urteil und rechtem Handeln. Das Thema „Krieg und Frieden“ spielt eine herausragende Rolle. Es gibt eine Pflicht, Gewalt zu gebrauchen, um einen anderen in Gefahr zu schützen, und den Verteidigungskrieg gegen einen angreifenden Feind. Die Pflicht zur Friedenssuche vor Kriegsbeginn ist unabdingbar und fester Bestandteil des jüdischen Rechts. Die Familie ist im jüdischen Leben der selbstverständliche Ort, an dem die Überlieferung des Judentums an die Kinder und Kindeskinder weitergegeben wird. Die Ehe ist religiöse Pflicht. Interreligiöse Ehen stellen daher ein Problem dar. Auf die Ehrung der Frau, die dem Mann gegenüber als gleichgestellt angesehen wird, legt das Judentum höchsten Wert. Zu den jüdischen Grundlagen der Wirtschaft gehören nicht nur die Verantwortung für die Umwelt, sondern vor allem die Solidarität, die aus dem Gebot der Nächstenliebe folgt. Das aus biblischer Zeit stammende Talionsprinzip im Strafrecht „Leben für Leben, Auge für Auge, Zahn für Zahn usw.“ ist bereits in der Zeit nach dem jüdisch-römischen Krieg von 67 - 73 n. Chr. aufgegeben und durch das christliche Menschenbild „versöhnen statt strafen“ ersetzt worden. An die Stelle der Vergeltung für erlittenes Unrecht trat der Grundsatz der Kompensation durch Schadensersatz, Schmerzensgeld und Übernahme der Heilungskosten. Unverkennbar ist auch die Tendenz der Rabbinen, die Todesstrafe abzuschaffen.

1.1.2. Der Islam - Die politische Religion

Die vom Propheten Mohammed (ca. 570 - 632) Anfang des 7. Jahrhunderts in Mekka gestiftete Religion, die sich als höchste und endgültige Form der seit Adams Zeiten bestehenden Urreligion versteht, fordert die unbedingte Ergebung in den Willen Allahs, des Allmächtigen, der als der einzige Gott und Schöpfer aller Dinge sowie Herrscher über die Welt verehrt wird. Allah ist kein Eigenname und sollte daher mit „der Eine Gott“ übersetzt werden. Jesus Christus wird von Mohammed innerhalb der Reihe der Propheten eine Ausnahmestellung eingeräumt und als einer seiner Vorgänger gewürdigt. Der Mensch kann sich durch Reue und Umkehr von seinen Sünden reinigen und so Gnade bei Gott finden. Durch den Tod wird die Seele vom Körper geschieden, anschließend wird sie einem göttlichen Zwischengericht zugeführt. Nach islamischer Überzeugung gibt es am Ende der Zeiten ein göttliches Endgericht, das über das geistige Weiterleben entscheidet. Das Jenseits wird in einen Zustand der Gottferne (Hölle) und einen Zustand der Gottnähe (Paradies) eingeteilt. Wer für die Ausbreitung des Islams stirbt, kommt unmittelbar in das Paradies. Zu den religiösen Pflichten gehören das Glaubensbekenntnis an den Einen Gott, das grundsätzlich fünf Mal am Tage vorgeschriebene Gebet, das Fasten im Monat Ramadan, die aus dem Gebot der Nächstenliebe entwickelte Entrichtung einer obligatorischen Armensteuer sowie das freiwillige Almosen, die möglichst einmal im Leben durchzuführende Pilgerfahrt nach Mekka und der Dschihad, der von den meisten islamischen Rechtsgelehrten mit der Verteidigung der Muslime gegen Angriffe von außen und die Verbreitung des Islams notfalls auch mit Waffengewalt beschrieben wird.

Der Islam ist wesentlich Gesetzesreligion, die den Männern eine überlegene Stellung gegenüber den Frauen zuweist und im Strafrecht vom Vergeltungsprinzip beherrscht wird. Niedergelegt sind die Grundsätze der Glaubens- und Verhaltensregeln im heiligen Buch der Muslime, dem Koran, der nach muslimischer Überzeugung dem Propheten Mohammed von Gott durch die Vermittlung des Engels Gabriel über einen Zeitraum von gut zwanzig Jahren offenbart wurde. Sein Inhalt ist in vielen Bereichen auslegungsbedürftig und strittig. Nach dem Glauben der Muslime sind diese Offenbarungen die Wiedergabe einer im Himmel befindlichen Urschrift, der auch die Tora der Juden und die Evangelien der Christen entstammen, was einige Gemeinsamkeiten dieser drei monotheistischen Religionen erklärt. Jedoch wird die christliche Vorstellung der Dreifaltigkeit Gottes nicht symbolhaft, sondern wörtlich verstanden und daher unzutreffend als polytheistisch abgelehnt. Die Personifizierung oder gar bildliche Darstellung Gottes ist verboten. Dem rechten Glauben wird vom Islam eine außerordentliche Bedeutung beigemessen. Nur das Gebiet des Islam gilt als Rechtsgebiet, alle anderen Länder bilden das Gebiet des Krieges. Folglich werden auch die Menschenrechte durch das islamische Recht relativiert. Mit den Bewohnern anderer Länder können Verträge abgeschlossen werden, längerfristig sind sie jedoch so lange zu bekriegen, bis sie sich unterwerfen. Mit den Heiden soll so lange gekämpft werden, bis sie den Islam angenommen haben. Juden und Christen dürfen, wenn sie sich unterworfen haben, ihre Religion weiter ausüben, wenn sie eine Kopfsteuer bezahlen. Der kämpferische Charakter des Islam zeigt sich vor allem im Gebot des Heiligen Krieges, der dazu dienen soll, die Religion des Propheten Mohammed zu verbreiten. In dieser im Einzelnen strittigen Lehre wird deutlich, dass der Islam nicht nur als eine religiöse, sondern nach wie vor insbesondere als eine politische Erscheinung zu werten ist, die das ganze private und öffentliche Leben umfasst. Mohammed hatte mit der Stiftung seiner Religion nicht nur eine Glaubensbewegung, sondern aus rivalisierenden Stämmen zugleich auch ein arabisches Staatswesen und eine Kultur geschaffen, die heute neben der abendländischen, indischen und chinesischen Kultur steht.

Man kann vier Deliktsgruppen unterscheiden, zu denen der Koran sich direkt äußert und die er grundsätzlich unter Strafe stellt: Abfall des Muslim vom Islam, Tötung eines Menschen, Unzucht und Diebstahl. Die Apostasie eines Muslims wird mit der Hinrichtung bestraft. Über die Behandlung von Frauen, die der Apostasie überführt wurden, sind die Meinungen der islamischen Rechtsschulen geteilt. Einige machen keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen, andere sind der Meinung, dass Frauen durch Schläge oder Gefangenschaft zur Rückkehr zum Islam bewegt werden sollen. Bei Tötung kann der Täter den Angehörigen des Opfers zur Vergeltung übergeben werden. Sie sind jedoch nicht verpflichtet, den Täter hinzurichten, sie können stattdessen ein Blutgeld verlangen. Die Blutrache reißt bis heute ganze Familien in den Abgrund. Raubmörder werden hingerichtet. Wenn jemand raubt, ohne zu morden, werden ihm Hand und Fuß amputiert. Nachgewiesene Unzucht zwischen Personen, die nicht rechtsgültig miteinander verheiratet sind, wird mit hundert Peitschenhieben für jeden der Beteiligten bestraft. Frauen werden für bewiesenen Ehebruch gesteinigt, bei Männern gibt es keine entsprechenden Regelungen. Schwerer Diebstahl wird nach dem Koran mit der Amputation der Hand des Täters bestraft, im Wiederholungsfall mit der Abtrennung des linken Fußes. In den zivilrechtlichen Bereich gehören die erbrechtlichen Regelungen des Korans, wonach weibliche Erben schlechter gestellt sind als männliche. Auch die Ehe ist durch den Vorrang des Mannes gekennzeichnet. Beim Vertragsschluss ist die Braut nur bedingt rechtsfähig. Der Koran gestatte dem Mann, mit bis zu vier Frauen gleichzeitig verheiratet zu sein, wenn er sie alle gleich behandelt. Das Familienleben wird durch ein Kontrollsystem geprägt, in dem das Wort der Väter Gesetz ist und die Söhne die Rolle der Wächter über Frauen und Kinder spielen.

Im Verhältnis von Staat und Religion sind gegenwärtig im Islam vier Richtungen zu erkennen. Fundamentalisten wie die Kämpfer für einen islamischen Gottesstaat fordern die unlösbare Einheit von Religion, Staat und Gesellschaft auf Grundlage der islamischen Rechtsordnung (Scharia) und lehnen die demokratischen Verfassungen und freiheitlichen Lebensformen der westlichen Welt entschieden ab. Viele der traditionell gläubigen Muslime gehen davon aus, dass der Koran und die Prophetentraditionen sowie deren strenge Interpretation durch heutige Rechtsgelehrte Gesetzeskraft haben und gegenüber den von Menschen gemachten Gesetzen eine überlegene Wahrheit darstellen. Als gottgegebenes Gesetz kollidiert die Schari`a nach dieser Auffassung mit säkularen Rechtsnormen, insbesondere mit dem Grundrecht der Religionsfreiheit, dem Gleichheitsgebot und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Im Gegensatz dazu treten die Säkularisten für eine laizistische Rechtsordnung mit einer klaren Trennung von Staat und Religion ein. Zwischen beiden Richtungen stehen die Traditionalisten, die zwar die Schari`a im öffentlichen Leben ihres Landes durchsetzen wollen, sich aber außenpolitisch nicht gegen die freiheitlichen Rechtsordnungen des Westens wenden. Die Liberalen, die gegenwärtig in den islamischen Staaten und als Exilanten im Westen eine Minderheit von Intellektuellen, Schriftstellern und Politikern bilden, wollen den Islam ohne islamische Staatsform praktiziert sehen. Ohne Fortentwicklung der konservativen Rechtstheorie der Schari`a in Richtung der Trennung von Staat und Religion, Anerkennung von Freiheit und Gleichheit der Religionen und der Geschlechter sowie Aufgabe des Prinzips der Vergeltung, das körperliche Schmerzen für bestimmte Vergehen verlangt, werden die Bemühungen um Verständigung zwischen dem Westen und dem Islam auf Schwierigkeiten stoßen. Es sind die institutionell abgesicherte religiöse Dominanz und die teilweise menschenunwürdigen Traditionen des Islam, die einem freien und selbstverantwortlichen Leben von aufgeklärten Menschen im Wege stehen.

Die ethischen Regeln des Korans entsprechen zum Teil den christlichen Zehn Geboten, auf die unter 5.1. näher eingegangen wird. Zu den ethischen Forderungen gehören insbesondere Wahrhaftigkeit und Barmherzigkeit. Am Anfang des islamischen Dekalogs steht das Gebot des Monotheismus. Dieses drückt sich in Demut, Dankbarkeit und Ehrfurcht gegenüber Gott aus. Dann wird das richtige Verhältnis des Menschen zu seinen Mitmenschen beschrieben, das man als Prinzip der Gerechtigkeit und der Solidarität verstehen kann. Auch das korrekte Verhalten gegenüber Verwandten, Reisenden und Armen wie der Respekt gegenüber fremdem Eigentum können als Teil der Verpflichtung zur Gerechtigkeit und Brüderlichkeit angesehen werden. Besonders hervorzuheben ist auch, dass der Koran die Muslime auffordert, Böses mit Gutem zu vergelten. Die Aufforderung, Frieden zu stiften und für die Versöhnung von Feinden zu sorgen, hängt mit der Bedeutung der Solidarität zusammen. Das gilt auch für das Verbot, jemanden zu verspotten. Frömmigkeit besteht darin, dass man aus Liebe zu Gott den Verwandten, den Waisen, den Bedürftigen, dem Reisenden und den Bettlern Geld zukommen lässt und es für den Loskauf der Sklaven und Gefangenen ausgibt. Ausführlich nimmt der Koran auch zu Fragen des Sexualverhaltens Stellung. Homosexualität und Prostitution sind verboten. Zölibatäre Lebensformen werden abgelehnt.

1.1.3. Der Hinduismus - Die Lehre von der Wiedergeburt

Der Hinduismus ist eine indische Religion, die aus einer Vielzahl religiöser Traditionen mit unterschiedlichen Schulen und Ansichten besteht, deren Ursprung auf etwa 1200 v. Chr. datiert wird. Der Hinduismus, der seinen universellen Anspruch als Weltreligion erst im 19./20. Jahrhundert umzusetzen begann, kennt keine gemeinsame Gründerperson. Die Bezeichnung leitet sich ab aus der persischen Namensform für den Fluss Indus. Voraussetzung für die Zugehörigkeit zum Hinduismus ist grundsätzlich, dass man einer der durch Geburt vorgegebenen fünf Kasten angehört (Brahmanen, Krieger, Nährstand, vierter Stand und Unberührbare). Jede der vielfältigen Glaubensrichtungen hat eigene, nur für sie verbindliche Schriften. Die verschiedenen Traditionen und Philosophien vertreten unterschiedliche Gottesbilder, die letztlich jedem Einzelnen überlassen sind. Neben verschiedenen Göttern werden auch Naturerscheinungen wie Sonne, Mond oder Wind verehrt. Einige sehr allgemeine Grundlagen sind jedoch fast allen Sekten gemeinsam. Dazu gehört wie beim späteren Buddhismus die Lehre von der Wiedergeburt. Jedes Wesen durchwandert in immer neuen Geburten die Welt in ewigem Kreislauf, in den auch die Götter mit Ausnahme eines von vielen Sekten angenommenen höchsten und ewigen Herrn einbezogen sind. Die guten oder bösen Taten bestimmen, ob ein Wesen als Gott, Mensch, Tier oder in der Hölle wiedergeboren wird. Der endlosen Kette der Wiedergeburten zu entrinnen, ist Ziel der Erlösung.