Cinderella in New York - Cara Colter - E-Book

Cinderella in New York E-Book

Cara Colter

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Beschreibung

Ausgerechnet New York! Buchhändlerin Jessica ist hin- und hergerissen, als man ihr einen Traumjob in der schillernden Metropole anbietet, denn sie liebt nichts so sehr wie ihr beschauliches Kleinstadtleben. Bis sie bei dem Vorstellungsgespräch den faszinierenden Jamie Gilbert-Cooper kennenlernt. Während ihr möglicher neuer Boss ihr die schönsten Seiten Manhattans zeigt, fühlt sie sich wie verzaubert und genießt seine zärtlichen Küsse. Doch das märchenhafte Glück endet so jäh wie es begann, als sie Jamies Geheimnis entdeckt …

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Seitenzahl: 191

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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2020 by Cara Colter Originaltitel: „Cinderella’s New York Fling“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA, Band 102021 05/2021 Übersetzung: Gudrun Bothe

Abbildungen: Harlequin Books S.A./Daniel_Dash/Shutterstock, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733718756

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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PROLOG

Es ging alles so unglaublich schnell …

Aber das würden wohl die meisten Leute angesichts einer Katastrophe sagen. Es ist ja nicht so, dass man morgens aufsteht und eine Katastrophe plant. Nein, sie springt einen an, wenn man am wenigsten mit ihr rechnet. In meinem fortgeschrittenen Alter von vierundsiebzig Jahren dürften mich Dinge oder Ereignisse, die unerwartet schieflaufen, eigentlich nicht überraschen.

Aber das tun sie trotzdem, auch diesmal.

Ich spazierte durch Faelledparken und freute mich genauso darüber, meinem lästigen Sicherheitschef entronnen zu sein, wie an der Verwandlung des berühmten Kopenhagener Parks anlässlich des Ascot Music Festivals, das jeden Sommer in einem anderen Land stattfand.

Der gesamte Park war zu einer reizvollen bunten Zeltstadt mutiert, in der Essen und Getränke aus aller Welt angeboten wurden sowie Souvenirs und Tand sämtlicher Couleur. Außer der Hauptbühne gab es kleinere Podien für weniger bekannte Sänger und Bands. Überall ringsum tummelten sich Akrobaten, Jongleure, Zauberer.

Das diesjährige Festival trug den Titel Von Carlene zu Celineund alles dazwischen. Ich fand es eingängig und modern, obwohl einer der PR-Leute – die sich inzwischen Marketing Executives schimpfen – es tatsächlich gewagt hatte, die Augen zu verdrehen, als ich es vorschlug.

Dabei hätte mich das nicht wundern dürfen. Denn nachdem ich beschlossen hatte, mein Familienerbe in Richtung Erfolg zu pushen, begriff ich schnell, dass Frauen besser beraten waren, wenn sie klug und vorsichtig auftraten, damit niemand merkte, wie gerissen sie tatsächlich waren. Inzwischen war das Ascot-Logo zum Synonym für Produkte einer enormen Bandbreite avanciert, die von Pharmazeutika bis zu Küchenarmaturen reichte.

Die gefeierte Sängerin Carlene würde in einer Viertelstunde auftreten, und viele Besucher hatten sich bereits auf den Weg in Richtung Bühne gemacht. Zwischen all den bunten Vögeln fiel ich, eine liebenswürdige ältere Dame mit Sonnenbrille, buntem Kopftuch und einem Pullover, der … ähm … vielleicht etwas voluminös wirkte, kaum auf.

Alles um mich herum schien vor einer Energie zu vibrieren, die ebenso an- wie aufregend war. Ich dagegen verspürte zunehmend eine Beklemmung, die mich daran erinnerte, warum ich Menschenmassen für gewöhnlich aus dem Weg ging.

Der Mann dort bräuchte dringend Vitamin C …

Jene Frau würde am Ende des Sommers ein Kind zur Welt bringen …

Gedankenfetzen, die mich ungebeten befielen und meine Wahrnehmung unangenehm steigerten. Ich hatte das Gefühl, von der Menschenmasse zermalmt zu werden. Außerdem war es furchtbar heiß.

Mit dieser Hitze hatte ich nicht gerechnet, als ich an einen Sommerabend in Dänemark gedacht hatte. Und schon gar nicht, als ich Max unter meinen Pullover gestopft hatte.

Die Leute fällen immer so schnell ein Urteil. Bestimmt hätten die meisten von ihnen mir gesagt, dass es nur Ärger geben würde, wenn ich einen Dackel an so einen überfüllten Ort mitnehme.

Aber Max litt unter notorischer Trennungsangst, die der Jetlag und ein fremdes Hotelzimmer noch verschlimmert hatten. Der einzige Ort, der ihm ein gewisses Maß an Sicherheit verlieh, war das Innere meines Pullovers. Ich fühlte mich ein bisschen wie ein Mutterkänguru … ein schönes Gefühl, da ich selbst nie Kinder hatte.

Diese wundervolle Empfindung hielt so lange an, bis einer der Straßenmusiker exakt in dem Moment, als ich an ihm vorbeilief, auf eine übergroße Pauke haute.

Max stieß einen unartikulierten Laut aus, kraxelte in Richtung Pulloverausschnitt an mir hoch, wobei er rote Striemen auf meiner Haut hinterließ. Er zögerte nur einen Sekundenbruchteil, bevor er über meine Schulter hechtete. Ich wirbelte schnell genug herum, um ihn in seinem entzückenden Seemanns-Outfit auf dem Boden landen zu sehen. Blitzschnell rappelte er sich auf und peste los. Nur sein kleiner Hut blieb zurück.

„Max!“

Man sollte annehmen, dass die Verzweiflung in meiner Stimme den kleinen Rabauken gestoppt hätte – aber nein, der Blick, den er mir über die Schulter hinweg gönnte, war eher animiert als verängstigt. Und in der nächsten Sekunde war er auch schon im Meer der Beine abgetaucht.

Bei dem Versuch, ihm zu folgen, riskierte ich mein Leben. Ich kann die Panik nicht beschreiben, als ich sein zerknautschtes Hütchen an meine Brust drückte. Dieser kleine Hund war meine ganze Welt. In dieser Sekunde erkannte ich, dass ich mein gesamtes, nicht unbeträchtliches Vermögen gegen ihn eintauschen würde.

Ihn weiter zu verfolgen, war sinnlos. Es war wie in einem Albtraum, in dem man versucht zu laufen und nicht von der Stelle kommt.

Meine Unbeholfenheit war erschreckend. Ich erntete immer wieder verärgerte Blicke. Viele schienen zu glauben, ich hätte zu viel getrunken. Und um dieses Vorurteil noch zu bestätigen, stolperte ich plötzlich und spürte, wie sich mein Knöchel verdrehte. Ich erlaube mir nur selten einen schwachen Moment, aber der Schmerz war höllisch.

Und dann erschien sie … mein sprichwörtlich rettender Engel.

Inmitten der Menschenmassen, die zur Konzertbühne strömten, blieb sie stehen und sah mich an. Wir waren wie zwei Felsen in einem wild strömenden Fluss.

Auf den ersten Blick wusste ich, dass sie ein guter Mensch war. Ihre Augen waren riesig und goldbraun, ihr Blick sanft und mitfühlend.

„Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“ Sie sprach Englisch, allerdings ohne Akzent, weshalb ich sie für eine Nordamerikanerin hielt. Instinktiv klammerte ich mich an ihr fest. Und anstatt die durchgeknallte Alte abzuschütteln, legte sie einen Arm um meine Schulter und stützte mich. Sie war sehr schlank, groß und hatte enorme Kraft.

„Mein Hund!“, schluchzte ich. „Er ist weggelaufen … da lang.“

Weil ich mich meiner Schwäche und Hysterie schämte, wollte ich mich von ihr lösen, doch der sengende Schmerz in meinem Knöchel ließ mich zusammenzucken. Eine Sekunde später realisierte ich, dass ein Mann zu meiner Retterin gehörte. Einer dieser attraktiven, selbstverliebten Typen, die ernsthaft glaubten, der Frau, die sich ihrer Aufmerksamkeit erfreuen durfte, damit einen Gefallen zu tun.

Obwohl sie meine Retterin war, hatte ich das Gefühl, sie beschützen zu müssen.

„Ralph … diese arme Frau hat ihren Hund verloren. Kannst du ihn für sie finden?“

Ralph starrte sie an, als hätte sie den Verstand verloren, dann blickte er mit gerunzelter Stirn auf seine protzige Armbanduhr. Keine Frage, er wollte auf keinen Fall zu spät zum Konzert kommen. Wahrscheinlich hatte er eine Menge Geld für Plätze in der ersten Reihe ausgegeben.

Seine Begleiterin ließ ihn nicht aus den Augen, und ich bemerkte, dass sie ihn plötzlich in einem völlig anderen Licht sah. Auch ihm schien dieser Wandel nicht entgangen zu sein, denn nach einem kaum merklichen Zögern wandte er sich mir widerwillig zu.

„Welche Rasse?“

„Ein Dackel … im Matrosenanzug.“

Er hob maliziös eine dunkle Braue, und ich entschied, dass ich diesen Ralph nicht ausstehen konnte. Stellvertretend für sie hasste ich ihn sogar.

Endlich machte er sich offensichtlich widerwillig auf den Weg.

„Er heißt Max!“, rief ich ihm hinterher, wohl wissend, dass ein Typ wie er niemals inmitten all dieser Menschen nach einem entlaufenen Hund grölen würde. Plötzlich begann ich unkontrolliert zu zittern, teils weil mein Knöchel pochte, teils weil ich Max vor meinem inneren Auge sah … völlig verloren im Menschenmeer.

„Sind Sie verletzt?“, fragte mein Engel besorgt.

„Anscheinend habe ich mir den Knöchel verstaucht.“

Sofort schob sie ihren Arm unter meine Achsel und trug mich praktisch aus dem Gewimmel in Richtung eines improvisierten Cafés. Unter einem weißgelb gestreiften Sonnenschutz warteten nicht zusammenpassende Plastiktische und Stühle auf Gäste.

Eine junge Frau stand gerade von einem der Tische auf. Sie umklammerte ihr Carlene-Konzert-Ticket so fest, als hätte sie ihr Leben lang auf diesen Moment gewartet. Als sie sah, dass ich weinte, schaute zu meiner Begleiterin und zögerte. Dann traf sie eine Entscheidung.

„Ist alles in Ordnung? Oder kann ich helfen?“

Sie hatte kurzes dunkles Haar, war sehr zierlich und hätte ohne Weiteres als Tinker Bell in Peter Pan besetzt werden können. Über ihrer Schulter hing ein Instrumentenkoffer – vielleicht eine Geige oder Ukulele –, was mich vermuten ließ, dass sie nicht nur zu dem Carlene-Konzert gehen wollte, sondern vielleicht selbst eine weniger bekannte Musikerin war. Genau wie ich war sie Engländerin, was mich irgendwie irritierte.

„Nicht wirklich, meine Freundin hat ihren Hund verloren“, klärte mein Engel sie auf. „Außerdem hat sie sich am Knöchel verletzt.“

Ihre Freundin … nicht eine verrückte Alte, die sie von ihrem Konzertbesuch abhielt.

„Ach, Sie Ärmste!“

Plötzlich hatte ich zwei hilfreiche Engel, einen auf jeder Seite, die mich zu einem freien Tisch führten.

„Brauchen Sie einen Arzt?“, fragte das englische Mädchen.

„Nein, ich brauche meinen Hund!“ Peinlicherweise schwankte meine Stimme.

1. KAPITEL

Jessica Winton verließ den Zoll- und Einwanderungstrakt und trat in den brodelnden Ankunftsbereich des John F. Kennedy International Airport. Sie schluckte einmal und umfasste den Griff ihres Rollkoffers noch eine Spur fester.

Seit dem besonderen Musikfestival in Kopenhagen hatte sie keine derart große Menschenansammlung mehr erlebt, und das war inzwischen … etwa zwei Jahre her? Tatsächlich! Sie blinzelte überrascht. Sogar fast auf den Tag genau.

Und was war bei dem hoffnungsvollen Ausbruch aus ihrer Normalität damals herausgekommen? Ihre virtuelle Romanze hatte dem schonungslosen Licht der Realität nicht standgehalten und war als naive Jungmädchenseifenblase zerplatzt.

Etwas Ähnliches könnte ihr auch diesmal passieren.

Was hat mich nur geritten, mich auf dieses Wagnis einzulassen? Dabei hatte es sich auf den ersten Blick so gut angefühlt. Inzwischen hingegen glaubte Jessica, es wäre klüger gewesen, die E-Mail, die sie hergebracht hatte, einfach zu löschen. Denn vermutlich war sie nicht mehr als eine typische Lockvogel-Masche wie „verwaiste nigerianische Prinzessin findet ihr Glück in New York City“.

Damals war es der Traummann gewesen, dieses Mal der Traumjob. Ob es mir bestimmt ist, immer wieder auf Traumgelegenheiten hereinzufallen?

Jessica warf einen unglücklichen Blick zurück auf die Türen, die sich hinter ihr geschlossen hatten, und auf das Schild, das besagte, eine Rückkehr in den Zollbereich sei strengstens untersagt. Sie musste sich wohl oder übel hier in New York City einem Vorstellungsgespräch stellen. Und dass, obwohl sie jetzt schon wusste, dass sie den Traumjob ohnehin nicht bekommen würde.

Trotzdem war sie hergekommen, wie von unsichtbaren Fäden gezogen, nachdem sie der Marketingfirma Jensen, Henry & Ascot mitgeteilt hatte, dass sie nicht in der Lage sei, den Job anzunehmen. Doch das Unternehmen hatte sich hartnäckig gezeigt und ihr vorgeschlagen, wenigstens zu einem ersten Gespräch nach New York City zu kommen und sich bei dieser Gelegenheit auch gleich ein wenig in der Stadt umzusehen. Kurz darauf traf ein Flugticket und eine Reservierungsbestätigung für drei Tage in einem noblen Hotel in Manhattan ein. Als wäre alles besprochen und erledigt.

Dazu hätte wohl niemand Nein gesagt.

Und jetzt? Erschöpft vom Flug, der länger gedauert hatte als angenommen, irritiert von der fremden Umgebung und unsicher, wie es weitergehen sollte, bedauerte Jessica ihre Impulsivität zutiefst. Andere mochten daraus sogar Vorteile ziehen können, zu ihr schien das einfach nicht zu passen.

Sie hätte auf ihr Gefühl hören sollen und nicht auf Aubreys munteren australischen Jargon. Die Freundin hatte versucht, sie via Handy zu motivieren und zu dem Abenteuer zu überreden. Daisy hatte sich angesichts der Chance, vielleicht in New York City Karriere machen zu können, einfach nur für sie gefreut. Aber auch geunkt, dass sich auf einen neuen Job einzulassen sei, wie in eine Tierhandlung zu gehen und Welpen zu besichtigen. Innerlich wäre man schon so gut wie entschlossen, einen mit nach Hause zu nehmen.

Was, wenn es tatsächlich so anders käme?

Wenn ihre ersten Minuten auf dem Kennedy Airport ein Indiz waren, wäre es ihr ein Leichtes, alles zu canceln. Die Zollabfertigung verlief quälend langsam, der Beamte hatte sich extrem unfreundlich gezeigt, und jetzt, während sie von Menschenmassen erdrückt zu werden drohte, knurrte ihr der Magen.

Soweit sie sehen konnte, war außerdem niemand hier, um sie zu begrüßen.

Tablet und Handtasche waren diebstahlgesichert am Griff ihres Koffers befestigt. Jessica fischte ein gefaltetes Blatt Papier aus einer kleinen Seitentasche und studierte es mit gerunzelter Stirn. In dem Brief wurde ihr mitgeteilt, dass Mr. James Gilbert-Cooper, Chief Operating Officer von Jensen, Henry & Ascot, einer Marketingfirma mit einem Ressort, das ausschließlich Buchhandlungen betraf, sie am Flughafen abholen würde. Der Mann könnte ihr neuer Chef werden!

Aber nicht, wenn dies seine Vorstellung von einem guten ersten Eindruck war: sie einfach hängen zu lassen. Obwohl zwei Minuten ja noch nicht die Welt waren …

Jessica seufzte und beschloss, besser spät als gar nicht auf den Rat ihrer vor Lebensfreude berstenden australischen Freundin zu hören. Aubrey hatte sie dazu ermutigt, das Ganze als aufregendes Spiel zu betrachten und so gut wie möglich zu genießen.

Okay. Mr. James Gilbert-Cooper … wie könnte jemand mit so einem Namen aussehen? Alt vermutlich und seriös, im Anzug mit Fliege und Brille, rundes Gestell.

Nervös schaute sie sich um, konnte aber niemanden entdecken, der auch nur annähernd dieser Beschreibung entsprach. Was, wenn er überhaupt nicht auftauchte? Wie lange sollte sie warten? Oder lieber gleich die Büronummer wählen … obwohl, das war um diese Zeit sicher nicht mehr besetzt. Vielleicht sollte sie sich einfach ein Taxi zum Hotel nehmen. Aber wurden junge Touristinnen nicht regelmäßig von rüden Taxifahrern übers Ohr gehauen? Was, wenn ich in diesem höllischen Verkehr ums Leben komme? Oder der Taxifahrer mich an einen Ort entführt, der …

Hör sofort auf damit! wies Jessica sich streng zurecht.

Sie wollte lieber an Daisy und Aubrey denken und an ihre wundervolle Freundschaft, die sie seit Kopenhagen verband. Schon lustig, welch enge Beziehung sich zwischen ihnen entwickelt hatte, trotz ihres unterschiedlichen Lebensstils. Jessica vertraute den beiden Sachen an, über die sie mit Menschen, die sie schon ihr Leben lang kannte, nie reden würde.

Du musst diese Chance ergreifen, hatte Aubrey geradezu verlangt, als sie von der faszinierenden E-Mail erfuhr, die weder ein Scherz noch ein Werbegag war. Erst jetzt erinnerte sich Jessica daran, dass ein nahezu gleichlautender Rat anderer wohlmeinender Freunde sie nach Kopenhagen und in die Katastrophe mit Ralph getrieben hatte.

Jessica holte tief Luft und versuchte, eine ungute Vorahnung abzuschütteln. Egal, wohin sie schaute, niemand entsprach ihrer Vorstellung von James Gilbert-Cooper, und niemand schien besonders an ihr interessiert zu sein.

Ich werde eine rote Jacke tragen …

Wenn sie jetzt darüber nachdachte, hätte sie sich wohl präziser ausdrücken sollen. Das fragliche Kleidungsstück ging nämlich deutlich eher in Richtung Burgunder – als würde das Sonnenlicht durch eine Flasche Merlot gefiltert werden.

Warum hatten sie sich nicht einfach auf ein Namensschild geeinigt, das er hochhielt? Jetzt war es zu spät.

Und dann sah sie ihn.

Es fühlte sich an, als wäre das stürmische Menschenmeer um sie herum zur Ruhe gekommen, hätte sich geteilt und damit die Sicht auf ihn freigegeben. Er stand einfach nur da. An eine Säule gelehnt, die langen Beine lässig an den Knöcheln gekreuzt, wirkte er … nein, nicht gleichgültig, aber unberührt von der Hetze um sich herum.

Er trug einen Anzug in hellem Anthrazit. Die Jacke stand offen, der Schnitt brachte seine breiten Schultern perfekt zur Geltung. Das Hemd war schneeweiß, eine blassrosa Krawatte etwas nachlässig unterhalb der Kehle geknotet.

Kein Mann in Timber Falls hätte es gewagt, zu einem derartigen Farbton für eine Krawatte zu greifen. Die Lässigkeit und das herausfordernde Selbstvertrauen dieses Prachtexemplars von einem Mann wurde durch die ungewöhnliche Farbe seiner Haare noch unterstrichen.

Grau. Fifty Shades wären übertrieben, aber etwa ein Dutzend verschiedene Töne. Angefangen von verblüffenden Silbervariationen über weiße Strähnen bis hin zu fast schwarzen Reflexen. Anstatt ihn älter zu machen, ließen der hervorragende Schnitt und die arrogante Kopfhaltung ihn nur noch lässiger erscheinen.

Er scrollte in seinem Handy, und Jessica ertappte sich dabei, dass sie zu gern gewusst hätte, was er sich gerade anschaute. Fotos? Von seinen Kindern … nein, das schien nicht zu passen. Eine Ehefrau? Kein Ring am Finger. Freundin? Freudinnen?

Plötzlich sah er in ihre Richtung, als hätte er den forschenden Blick gespürt. Jessica fiel sofort auf, dass seine Augen noch dunkler waren als ihre. Mocca im Vergleich zu Milchschokolade, der Blick war intensiv und fordernd.

Verlegen, weil sie einen Fremden derart angestarrt hatte, senkte sie rasch die Lider und suchte in der Menge nach dem weitaus gewöhnlicheren Gilbert-Cooper ihrer Vorstellung. Da sie auch diesmal kein Glück hatte, blickte sie noch einmal sehnsüchtig über die Schulter zurück zu dem verschlossenen Zollbereich.

Doch dann konnte sie nicht widerstehen und wandte sich wieder dem interessanten Fremden zu, der sich jetzt offenkundig suchend umsah und gereizt die Stirn runzelte. Endlich schien er gefunden zu haben, wonach er suchte, und steuerte direkt auf sie zu. Jessica hielt den Atem an und stieß ihn enttäuscht wieder aus, da er eine Frau hinter ihr ins Visier nahm.

„Jessica Winton?“

Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie den Kopf wandte und die Fremde in der roten Jacke sah, zu der sie einen scheußlichen Blumenrock und viel zu viel Make-up trug.

Was für eine Beleidigung! So stellte dieser arrogante Kerl sich also eine Kleinstadt-Buchhändlerin vor? Egal. Fakt blieb, dies war James Gilbert-Cooper, und damit ihr potenzieller Boss!

„Honey …“, gurrte die Lady in Jessicas Rücken und verschlang ihn nahezu mit ihren überschminkten Augen. „Ich werde sein, wer und was dir gefällt.“

Jessica wusste, dass sie einschreiten sollte, doch ein kleines Teufelchen in ihr genoss es, ihn den Preis für sein Fehlurteil zahlen zu lassen.

„Ich dachte, das stünde bereits fest“, gab er nach einer Pause zurück. „Sie sind also Miss Winton?“

Die Frau streckte die Hand aus. „Und wie lautet Ihr werter Name, Sir?“

Überrascht riss Jessica die Augen auf. Besaß die Fremde tatsächlich die Frechheit, sich für sie auszugeben? Spätestens jetzt hätte sie intervenieren müssen, doch als sie sah, wie sich ihre Rivalin an die ausgestreckte Männerhand klammerte, biss sie sich auf die Zunge.

„Jamie Gilbert-Cooper.“ Nur mit Mühe gelang es ihm, seine Finger aus dem fordernden Griff zu lösen.

Jamie.

Hätte er das auch in seinem Brief geschrieben, wäre Jessica besser auf ihn vorbereitet gewesen. Trotzdem durfte sie den Spaß nicht zu weit treiben und musste ihn endlich aufklären.

„Ich sehe keinen Ehering, Jamie …“

Sein Unbehagen war nicht zu übersehen, und Jessica gönnte sich noch ein paar Sekunden, um seine Antwort nicht zu verpassen.

„Und dabei soll es auch bleiben.“

„Na, Mr. Gilbert-Cooper, wenn dich das nicht zu meinem absoluten …“

„Haben Sie gerade Gilbert-Cooper gesagt?“, mischte sich Jessica nun doch mit zuckersüßer Stimme ein. „Auf Sie habe ich gewartet.“ Ihre Unschuldsmiene gab nichts von dem Vergnügen preis, das sie innerlich empfand.

Ihre Rivalin musterte Jessica wie einen ungebetenen Partygast, bevor sie sich erneut Jamie Gilbert-Cooper zuwandte. „Honey, du bist ein echter Lottogewinn und wirst einer Vollblutfrau doch nicht vorwerfen, dass sie es wenigstens versucht hat, oder?“

Ganz offensichtlich wartete sie auf eine Antwort, und zum ersten Mal war Mr. Gilbert-Cooper so etwas wie echtes Unbehagen anzusehen.

„Genießen Sie Ihren Aufenthalt in New York …“, murmelte er mit einem anklagenden Blick in Jessicas Richtung.

„Ganz bestimmt! Und sollte dir auch danach sein, Honey, du findest mich auf der Gidgets Widgets Convention, hier um die Ecke.“ Damit stöckelte sie davon.

„Dann sind Sie die echte Jessica Winton?“, vergewisserte sich Mr. Gilbert-Cooper, sobald sie allein waren.

Jessica schnitt eine reuige Grimasse. „Schuldig.“

„Warum habe ich das Gefühl, Sie hätten sich früher zu erkennen geben können?“

„Hmm …“

„Sie haben es genossen.“ Das war eine Feststellung.

„Mir liegt nur daran, mögliche Missverständnisse oder Fehleinschätzungen zu revidieren, was Kleinstadt-Buchhändlerinnen betrifft.“

Reiß dich zusammen, vor dir steht dein potenzieller Boss! ermahnte Jessica sich, obwohl sie längst beschlossen hatte, den Job nicht anzunehmen. Trotzdem sollte sie professionell bleiben.

Mr. Gilbert-Cooper neigte den Kopf und musterte sie eindringlich und lange. Er war viel größer als sie, und aus der Nähe besehen wirkten seine wie gemeißelten Gesichtszüge noch eindrucksvoller. Ein dunkler Bartschatten verlieh ihm eine besonders markante Note, ebenso wie der maskuline, leicht exotische Duft seines Aftershaves. Wirklich alles an ihm vermittelte Potenz und Selbstbewusstsein.

„Es war die rote Jacke und keine vorgefasste Meinung, was Buchhändlerinnen oder Provinzstädte betrifft.“

Seine Stimme war sanft und rauchig, wie der über zwanzig Jahre gereifte Whisky, den ihr Vater einmal im Jahr zu Weihnachten ausschenkte. Jessica schluckte.

Die rote Jacke war ihr einziges Designerstück, allerdings inzwischen zwei Jahre alt und damit möglicherweise nicht so zeitlos elegant, wie sie es sich eingeredet hatte. Ihre Bluse fühlte sich faltig an, die schwarze Hose war zerknittert. Zum ersten Mal in ihrem Leben bereute Jessica es, Slipper angezogen zu haben, nur weil sie bequem und praktisch waren.

Traf man einen Mann wie ihn, wünschte man sich unwillkürlich, High Heels mit mindestens zwölf Zentimeter Absatzhöhe zu tragen, bequem oder nicht.

Sie hatte sich bewusst darauf konzentriert, sachlich und kompetent zu erscheinen, ihr Haar mit einer Spange im Nacken zusammengenommen und nur ein dezentes Make-up aufgetragen.

„Jamie“, stellte sich ihr Gegenüber noch einmal vor. „Gilbert-Cooper.“

„Angenehm.“ Am liebsten hätte sie sich für diese lächerliche Reaktion geohrfeigt. Sein Händedruck war fest und sexy. Grundgütiger! Wie kann ein Händedruck sexy sein?

„Sorry, wie gedankenlos von mir …“, meldete sich völlig unerwartet hinter ihnen die knallrote Jacke zurück. „Ich störe das traute Tête-à-Tête nur ungern, aber ich vergaß, dir meine Visitenkarte zu geben, Honey.“

„Was zum …“ Jessica spürte es, bevor sie sah und begriff, dass jemand sie bedrängte. Sie taumelte gegen Jamie, der instinktiv zurückwich, dann aber sofort zupackte, um sie zu stützen.

Gekleidet wie ein Geschäftsmann, drängte sich der rüde Fremde durch die Menschenmenge, ihren Koffer, an dem Handtasche und Tablet immer noch festgeschnallt waren, in der Hand. Er rannte nicht, sondern bewegte sich nur schnell, wie jemand, der zu spät zu einer Verabredung kam.

„Alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte Jamie und folgte erst dann ihrem Blick.

„Er … der Mann hat meine Sachen gestohlen!“

Ohne zu zögern sprintete er los, und trotz des Schocks kam Jessica nicht umhin, seinen Blitzstart zu bewundern. Sie würde diesen aufregenden Moment auf jeden Fall mit der Romantik-Thriller-Truppe teilen, die sich regelmäßig in ihrem Buchladen traf. Und natürlich mit Aubrey und Daisy. Beide hatten ihr prophezeit, dass ihr neues Leben bestimmt voller unerwarteter Abenteuer sein würde. Hier war bereits das erste: Sie war noch keine volle Stunde in New York, und schon eilte ein atemberaubender Held zu ihrer Rettung!

Nicht, dass man auf diese Art über den potenziellen Chef nachdenken sollte!

Erst verspätet realisierte sie, dass auch Honey plötzlich wie vom Erdboden verschluckt war. Seltsam, wie konnte sich jemand, der so bunt und exaltiert war, plötzlich in Luft auflösen?