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Der sexy Fremde hat in dem Apartmentgebäude, das sie betreut, nichts zu suchen! Erbost stellt die hübsche Concierge Ettie ihn zur Rede. Zu spät erfährt sie, dass er der berühmt-berüchtigte Leon Kariakis ist. Ihr neuer Boss, denn er hat den exklusiven Block in Mayfair gekauft. Feuert er sie jetzt? Aber nein: Ihr heißblütiges Temperament scheint dem mächtigen Griechen zu gefallen. Warum sonst lockt er sie wie Cinderella in seine glamouröse Welt und verführt sie sinnlich in seinem Penthouse - mit Folgen, die Etties Leben auf den Kopf stellen?
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Seitenzahl: 206
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2019 by Natalie Anderson Originaltitel: „Pregnant by the Commanding Greek“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 182019 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Julia Lambrecht
Abbildungen: [email protected] / Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 08/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733712426
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Was meinst du damit, er will, dass wir ‚das Biest loswerden‘?“ Antoinette Roberts hob den kleinen, grauen Terrier hoch und legte schützend den Arm um ihn. „Toby ist ein unschuldiges Lebewesen.“ Sie starrte ihren Kollegen Joel böse an.
„Ich glaube, das sieht dieser Typ anders, Ettie“, sagte Joel mit gedämpfter Stimme. „Er ist gerade hier hereingestürmt, hat sich den Schlüssel zu Harolds Apartment geben lassen und hat begonnen es auszuräumen.“
„Machst du Witze?“
Cavendish House, eine exklusive Apartmentwohnanlage im Herzen von Mayfair, London, bot seinen Bewohnern erstklassigen Concierge-Service. Als Empfangschefin war Ettie es gewöhnt, die Wünsche ihrer Kunden zu erfüllen, von alltäglichen Besorgungen hin zu besonders extravaganten Bitten.
Sie nahm Pakete entgegen, tätigte Reservierungen und überzeugte auch schon einmal einen Spitzenkoch davon, für einen ihrer Klienten in dessen Wohnung zu kochen. Und sie war stolz auf ihre harte Arbeit. Dass sie einen Auftrag nicht erfüllen konnte, war noch nie vorgekommen.
Aber ein gesundes, wohlerzogenes Haustier einzuschläfern, weil ein Wildfremder das so wollte, war schlichtweg zu viel.
„Hat George ihn reingelassen?“, fragte sie.
Joel nickte.
Das passte. George, der Gebäudemanager, war ihr direkter Vorgesetzter. Er achtete kleinlich auf die Einhaltung unwichtiger Regeln, ließ grobe Verstöße aber oft durchgehen. Dem Personal gegenüber führte er sich herrisch auf. Gefühlt die Hälfte ihrer Zeit verbrachte Ettie damit, seine Fehltritte auszubaden.
Es war ihre Schuld, dass es so weit gekommen war. Zum ersten Mal seit Jahren war sie zu spät gekommen, weil sie am Abend zuvor so lange mit Ophelia telefoniert hatte. Ihre kleine Schwester hatte Angst gehabt, sie hätte ihre letzte Physikarbeit verhauen. Nicht, dass Ophelia so etwas je passierte; sie war eine Musterschülerin. Dank ihrer guten Noten hatte sie sogar ein Teilstipendium für ihr Internat bekommen. Den Rest bezahlte Ettie. Ophelia arbeitete ehrgeizig auf ihr Ziel hin, einen Platz an einer Eliteuniversität zu bekommen. Dafür brauchte sie aber ein weiteres Stipendium. Manchmal befürchtete Ettie, ihrer Schwester würde der Stress zu viel werden. Aber sie würde nicht zulassen, dass Ophelia ihren Traum aufgab. Dafür hatte Ettie zu viel geopfert. Also hatte sie gestern Abend versucht, Ophelia zu beruhigen, und hinterher wach gelegen und überlegt, welche Möglichkeiten es gab, Ophelia das Studium zu finanzieren. Seit dem Tod ihrer Mutter vor zwei Jahren lastete die Verantwortung dafür auf Etties Schultern.
Aber Unmögliches möglich zu machen, war Etties Spezialität. Sie hatte lange und hart an sich gearbeitet. Mit langen Listen und Tricks, damit sie nicht dauernd etwas vergaß oder sich ablenken ließ. Heute hatte sie einen Rückfall in ihre natürliche Schusseligkeit erlitten: Sie hatte verschlafen, in der Eile erst ihr Frühstück verpasst und dann den Zug.
Und bei ihrer Ankunft in Cavendish House hatte sie die Nachricht erreicht, dass Harold Clarke, ein langjähriger Mieter, mitten in der Nacht ins Krankenhaus gekommen und dort verstorben war. Wenige Stunden später war seine Familie – die Familie, die sich in den letzten Jahren kein einziges Mal bei ihm hatte blicken lassen – bereits in seiner Wohnung, um seinen Nachlass zu plündern. Und Toby, Harolds kleinen Terrier, hatten sie Joel übergeben, mit dem Auftrag, ihn „gleich einschläfern“ zu lassen.
Schock, Trauer und schiere Wut gewannen die Oberhand über ihre mühsam erarbeitete Zurückhaltung und Gelassenheit. Ettie hielt den kleinen Hund fester und ging zum Fahrstuhl hinüber. Diesen Leuten, vor allem dem unsympathischen Neffen, würde sie ihre Meinung sagen.
„Ettie, noch etwas …“, rief Joel ihr hinterher.
Aber was es auch war, es hatte Zeit.
Als die Tür des Fahrstuhls aufging, sah sie gleich, dass die Tür zu Harolds Wohnung offen stand. Man hörte Stimmen. Sie ging den Korridor entlang und streichelte dabei Tobys weiches Fell. Bei einem schnellen Blick ins Zimmer sah sie George neben einem älteren Paar stehen. Er wirkte ein wenig nervös. Ihnen gegenüber stand ein hochgewachsener Mann. Ettie sah nur seinen Rücken, aber den Gesichtern der anderen nach zu urteilen, war er derjenige, der hier den Ton angab. Sein tadelloses Erscheinungsbild ärgerte sie nur noch mehr. Der schicke Anzug, der seine breiten Schultern und seine Größe betonte, war maßgeschneidert – Ware von der Stange saß nie so perfekt.
Warum hatte ein Mann, der offensichtlich wohlhabend und gesund war, es nötig, sich Harolds Besitz unter den Nagel zu reißen? Und warum war er so grausam?
„Was tun Sie hier?“ Ettie ging geradewegs in den Raum. „Sie können hier nicht einfach hereinstürmen, sich Harolds Sachen nehmen und verlangen, seinen Hund einschläfern zu lassen!“ Sie holte nur kurz Atem, bevor sie weitersprach. „Sie wollen Toby loswerden?“ Ihre Stimme zitterte. Aber sie blieb gerade stehen, kämpferisch. Und weigerte sich zuzugeben, dass ihr die Knie weich wurden.
Denn der Mann, der sich gerade zu ihr umgedreht hatte, raubte ihr den Atem. Er war viel größer als sie und jünger als erwartet. Nicht älter als dreißig. Aber sein Gesicht war es, das sie gefangen nahm – er hatte das schönste Gesicht, das sie je gesehen hatte. Hohe Wangenknochen, eine gerade Nase, einen vollen Mund, ein Grübchen im Kinn und einen kräftigen, markanten Kiefer … und als wäre das nicht schlimm genug, tiefe braune Augen.
Braune Augen wirkten doch meistens warm, oder? Seine nicht. Ettie hatte noch nie so viel Schönheit und gleichzeitig so eine Eiseskälte auf einmal gesehen. Der Mann war schrecklich einschüchternd.
Allerdings schien es ihm zunächst einmal die Sprache verschlagen zu haben. Gut. Es kam vermutlich nicht oft vor, dass ihm jemand die Meinung sagte. Ettie holte erneut zum Angriff aus.
„Toby ist ein süßer kleiner Hund. Nicht, dass Sie das wüssten, denn Sie haben ihn oder Harold nie besucht.“ Ihre Stimme zitterte, als sie an den stillen, einsamen alten Mann dachte, der immer so freundlich gewesen war. „Und jetzt, kaum ein paar Stunden nach Harolds Tod, wollen Sie Toby einschläfern lassen? Sie sind ein Unmensch!“
George räusperte sich. „Ettie …“
„Damit werden Sie nicht durchkommen“, fuhr sie fort, zu wütend, um sich von George und seinem Mangel an Rückgrat aufhalten zu lassen. „Ich werde das nicht zulassen.“
Sie bemerkte, dass Joel angekommen war und neben ihr stand, außer Atem und mit einem leicht entsetzten Gesichtsausdruck. Das ältere Paar, das mit im Raum war, blickte nicht Ettie an, sondern den hochgewachsenen Fremden – voll schweigender Missbilligung. Sie konnte es ihnen nachfühlen.
Durchdringend sah der Mann Ettie an. „Wer sind Sie?“
Sie würde sich nicht einschüchtern lassen. „Ich glaube, diese Frage sollten zunächst einmal Sie beantworten. Sie sind hier unberechtigt eingedrungen!“
„Das glaube ich nicht“, sagte er leise. Seine kalte, schneidende Stimme hatte einen schwach ausgeprägten Akzent, den sie nicht auf Anhieb einordnen konnte.
Währenddessen vollführte George eine Art panischen Ausdruckstanz hinter seinem Rücken. Aber Ettie zollte ihm keine Beachtung – sie war zu verärgert. Jemand musste diesem Menschen Manieren beibringen. „Sie haben diese Wohnung noch nie betreten.“
„Nein.“ Eine leise, scharfe Silbe.
George atmete hörbar ein.
„Sie sind verachtenswert“, sagte Ettie.
„Verachtenswert?“ Er schaute hinter sich und erwischte George dabei, wie er gerade so tat, als würde er sich selbst strangulieren. „Ich glaube, was Ihr Kollege Ihnen mitteilen möchte, ist, dass Sie einem Irrtum unterliegen.“ Seine Lippen kräuselten sich ganz leicht, als ob ihm dieser Moment insgeheim ein böses Vergnügen bereitete.
Ettie runzelte die Stirn. Sie verstand nicht.
„Ich bin nicht Mr. Clarkes Neffe“, sagte er mit brutaler Deutlichkeit. „Tatsächlich bin ich überhaupt nicht mit ihm verwandt.“
Verdutzt blinzelte Ettie. Und musterte ihn noch einmal von Kopf bis Fuß. Er sah Harold tatsächlich kein bisschen ähnlich. Seine Augen waren braun, nicht blau, sein Haar war dunkel und seine Bräune natürlich. Eine Welle der Erleichterung durchflutete sie. Er war also kein gewissenloser Tiermörder?
Dann spürte sie etwas anderes als Erleichterung. Etwas, das aus ihrem tiefsten Inneren aufstieg, so heiß und intensiv, dass sie es gar nicht beim Namen nennen wollte. Weil es sie schockierte.
„Was machen Sie dann hier?“, fuhr sie ihn an. Warum sahen ihn alle so an, als sei er schrecklich wichtig? Warum wurde George immer blasser?
„Sie haben einen Fehler gemacht.“ Sein Blick glitt beinahe abschätzig über ihre Uniform. „Und dabei habe ich gehört, Sie seien hier der Star. Als Empfangschefin von Cavendish House.“
Auf einmal hatte Ettie das Gefühl, dass sich ein schwarzes Loch vor ihr auftat und sie bereits den letzten, fatalen Schritt getan hatte. Es war zu spät – sie konnte nicht mehr zurück und würde gleich in den Abgrund stürzen.
„Mein Name ist Leon Kariakis. Und seit Geschäftsschluss gestern Abend gehört mir dieses Gebäude.“
Leon Kariakis? Der Leon Kariakis?
Ettie starrte ihn mit offenem Mund an. Ja, das war ein Ausrutscher, der sich nicht wiedergutmachen ließ. „Ihnen gehört …?“ Sie holte Atem und versuchte es noch einmal. „Und Sie sind nicht …“
„… mit Mr. Clarke verwandt. Dieser Herr hinter mir ist Mr. Clarkes Neffe, und ich habe bereits mit ihm und seiner Frau über Mr. Clarkes Eigentum gesprochen. Kein einziger Gegenstand wird dieses Haus verlassen, bis der Nachlassverwalter hier war und alles katalogisiert hat.“
Der andere Mann öffnete entrüstet den Mund, aber Leon Kariakis wandte sich um und brachte ihn mit einem einzigen Blick zum Schweigen. „Stimmt es, dass Sie das Personal angewiesen haben, den Hund einzuschläfern?“
Der Neffe antwortete nicht.
„Stimmt es?“ Leon Kariakis ließ nicht locker.
„Ich habe nur …“
Das reichte Leon Kariakis offenbar aus. „Sie werden jetzt augenblicklich dieses Haus verlassen.“
„Sie können mich nicht hinauswerfen.“
„Sie werden feststellen, dass ich es kann.“ Die ohnehin schon frostige Atmosphäre kühlte weiter ab. Obwohl Kariakis sich keinen Zentimeter bewegte, war die Botschaft deutlich: Wenn er beschloss, diesen Mann persönlich aus dem Apartment zu werfen, würde ihm das gelingen. Und Harolds schrecklichem Neffen war das auch klar.
Etties Herz raste. Seit wann stand Cavendish House überhaupt zum Verkauf? Und warum hatte gerade Leon Kariakis es gekauft? Sie hatte von ihm gehört. Der Sohn der griechischen Familiendynastie Kariakis, publicityscheu und dabei steinreich. Seinen Eltern gehörte eine Reihe Luxushotels auf dem Kontinent, aber Leon war in den Finanzmarkt eingestiegen und hatte in kürzester Zeit ein Vermögen gemacht. Und anscheinend war es nun sein neues Hobby, exklusive Apartmentwohnanlagen zu kaufen.
„Das lasse ich mir nicht gefallen, Kariakis“, empörte sich Harolds Neffe. „Sie hören von meinem Anwalt!“
„Ich freue mich darauf.“ Es klang sarkastisch. „Ich vermute, er wird eine angenehmere Persönlichkeit sein als Sie.“
Ettie biss sich auf die Lippen, um ein Lächeln zu unterdrücken, während der Neffe und seine Frau, die Häupter hoch erhoben, das Apartment verließen. Ihr und dem kleinen Hund, den sie immer noch auf dem Arm hatte, schenkten sie keine Beachtung. Das hieß aber nicht, dass sie und Toby aus dem Schneider waren. Dem mächtigen, reichen, noch immer die Stirn runzelnden Leon Kariakis hatte es bestimmt nicht gefallen, dass sie ihn in aller Öffentlichkeit angeschrien hatte.
„Alle anderen gehen bitte auch.“ Er fixierte Ettie mit seinem kalten Blick. „Außer Ihnen.“
Na toll. Sie hatte gerade ihren Job verloren.
George ergriff das Wort. „Mr. Kariakis, dieses Missverständnis tut mir schrecklich leid. Ettie ist immer …“
„Ich unterhalte mich später mit Ihnen.“ Leon Kariakis’ brüske Abfuhr ließ keinen Widerspruch zu.
George warf Ettie einen irritierten Blick zu, den sie ignorierte. Er hätte sie ohnehin nur den Wölfen – oder vielmehr diesem einen Wolf – zum Fraß vorgeworfen. Sie würde schon klarkommen.
Aber als Joel ebenfalls ging, war ihr doch etwas mulmig zumute.
Sie drehte sich um und stellte zu ihrem Unbehagen fest, dass Leon Kariakis sie noch immer musterte. Ohne zu lächeln. Verärgert hob sie das Kinn. Sie hatte nur ihren Job gemacht und würde sich nicht dafür entschuldigen.
Das Schweigen hielt an. Sie streichelte Toby, obwohl er sich gar nicht groß rührte.
„Sie sind Antoinette Roberts“, sagte er. „Ich habe viel von Ihren Fähigkeiten gehört, aber …“
Aber? Sie hatte ihn enttäuscht?
Obwohl sie schon wusste, dass er sie gleich feuern würde, war sie trotzdem ein bisschen stolz, dass er ihren Namen kannte. Sie vorhin als Star bezeichnet hatte. Allerdings gebührte das Lob nicht ihr allein. Joel und die anderen sprangen immer für sie in die Bresche. „Ich habe ein gutes Team“, sagte sie.
Er schaute sie weiterhin reglos an.
Sie sollte sich wahrscheinlich für ihren Fehler entschuldigen, aber auf einmal fehlten ihr die Worte. Sein durchdringender Blick ließ sie erschauern. Was für ein Wahnsinn! Ettie Roberts entbrannte doch nicht einfach in Begierde für einen völlig fremden Mann. Dafür war sie viel zu vernünftig.
Aber Leon Kariakis sah unfassbar gut aus, und sie war erleichtert, dass er kein skrupelloser Tiermörder war. Nur das war es, was ihn so attraktiv wirken ließ. Er war nicht der Typ Mann, den sie anziehend fand, und mit Sicherheit hatte er an einer Frau wie ihr kein Interesse.
Der Gedanke ließ sie unnötig defensiv reagieren. „Wenn Sie mich feuern wollen, dann bringen Sie es hinter sich.“
Ein weiterer langer Moment des Schweigens. Ettie wusste nicht, was überwog, Verlegenheit, Nervosität oder Groll. Warum war er so ruhig und beherrscht? Selbst als sie ihn angeschrien hatte, war er eiskalt geblieben.
„Sie mögen keine Ungewissheiten?“
„Ich mag es nicht, wenn man mich warten lässt.“
Er hob die Augenbrauen. „Ich denke nach.“
„Dauert das bei Ihnen immer so lange?“ Sie wollte nicht unhöflich sein, aber es überraschte sie. Bestimmt war er nicht so erfolgreich geworden, indem er sich über etwas so Unwichtiges wie eine Personalentscheidung auf unterer Ebene den Kopf zerbrach.
Oder war sie unfair? Immerhin hatte er schon vor ihrer Ankunft mit Harolds schrecklichen Verwandten diskutiert und nicht gezögert, sie hinauszuwerfen. Ettie wollte gerade den Mund aufmachen, um eine verspätete Entschuldigung hervorzubringen, als er endlich etwas sagte.
„Ein Problem von allen Seiten zu betrachten, statt überhastete Entscheidungen zu treffen, lässt mich nachts besser schlafen.“ Ein Hauch von Sarkasmus, ein minimales Zucken seiner Lippen, meilenweit von einem echten Lächeln entfernt.
Auf diese Weise rügte er Ettie dafür, dass sie überhastet gehandelt hatte. Aber sein Tadel beunruhigte sie weniger als dieses verbotene Gefühl, bei dem sich ihr die Nackenhärchen aufstellten. Sie wollte nicht darüber nachdenken, wie er aussah, wenn er richtig lächelte. Schon so war er attraktiv genug.
Sein Blick wanderte von ihrem Gesicht zu dem Tier in ihren Armen. „Der Hund ist alt“, sagte er.
„Heißt das, wir sollen ihn doch einschläfern lassen?“, fragte sie. Ihr Zorn war erneut geweckt. Sie würde um Toby kämpfen.
„Er wird sein Herrchen vermissen“, sagte Kariakis, überraschend verständnisvoll. „Und ruhelos sein.“
„Dann finden wir jemanden, der auf ihn aufpassen kann.“
Er trat einen Schritt auf sie zu und tätschelte Tobys Köpfchen. Ettie erstarrte, verwirrt von seiner plötzlichen Nähe. Dem Verlangen.
„Wir geben ihn nicht ins Tierheim“, sagte sie.
Unwillkürlich starrte sie Leon Kariakis an. Sie hatte noch nie einen so attraktiven Mann gesehen, oder einen so ernsten. Auf einmal war er gefährlicher als zuvor, als sie gedacht hatte, er würde sie feuern. Ihre Reaktion auf ihn und seine männliche Präsenz war erschreckend.
Aber sie würde ihm widerstehen. Sie wollte ihn nicht mögen.
„Würden Sie ihn nehmen?“
„Das würde ich“, antwortete sie, ohne zu zögern. „Allerdings arbeite ich den ganzen Tag, und er wäre einsam. Und in meinem Haus sind keine Haustiere erlaubt.“
„In diesen Wohnungen sind auch keine Haustiere erlaubt. Wenn ich mich recht entsinne, hat das der vorherige Eigentümer so festgelegt.“
„An Toby hat sich nie jemand gestört. Er ist ein liebes Tier und war schon hier, bevor diese alberne Regel erlassen wurde.“ Sie schaute auf den Hund herab. Den vorigen Eigentümer hatte sie nicht gemocht. Er hatte vor allem Geld verdienen wollen und George eingestellt, um die neuen Maßnahmen durchzusetzen – überwiegend sinnlose Schikanen. Und natürlich hatte er die Löhne gekürzt.
„Sie haben Mr. Clarke dabei geholfen, Tobys Existenz geheim zu halten, ist es nicht so?“
Das hatten sie alle. Aber Ettie würde niemanden anschwärzen. „Feuern Sie mich dafür?“
Er sagte nichts. Aber er dachte nach. Und fällte sein Urteil. „Das kommt darauf an. Welche Regeln brechen Sie sonst noch?“
„Nur die albernen.“
Anscheinend wartete er darauf, dass sie das näher ausführte, aber das würde sie nicht tun, sie würde das unbehagliche Schweigen nicht brechen. Und sein gutes Aussehen würde sie ignorieren. Sie war wegen Toby hier.
„Er braucht eine vertraute Umgebung“, sagte sie. „Solange er niemanden stört, sollte er in Cavendish House bleiben dürfen, denken Sie nicht?“ Sie ließ es herausfordernd klingen.
Aber in ihr brodelte mehr als Ärger.
Sie wandte den Blick ab und schaute sich in Harolds Apartment um. Der alte Mann hatte von allen Mietern am längsten hier gewohnt. Er war meistens für sich geblieben, aber er war sehr freundlich gewesen, und sein Hund hatte ihm alles bedeutet. „Wir schulden es Harold, uns um Toby zu kümmern.“
„Wir?“
„Ja.“ Sie hob ihr Kinn und sah ihn an. „Warum können Sie ihn nicht nehmen?“
Einen Moment lang herrschte Schweigen, aber während sie Leon Kariakis in die Augen sah, schien dort ein bernsteinfarbener Funke aufzuglühen. „Ich wüsste nicht, was dagegenspräche.“
Sie blinzelte. „Wie bitte?“
„Toby wird in mein Penthouse ziehen. Sie gehen mit ihm Gassi.“
Ihr wurde kurz schwindelig. Er wollte, dass sie sein Penthouse betrat? „Und er soll bei Ihnen schlafen?“
„Nur übergangsweise. Unter der Bedingung, dass Sie mit ihm spazieren gehen. Und ihn füttern.“
Sie war die Einzige, die dieses Kribbeln spürte, oder? Dass er so gut aussah war kein Grund, sich wie eine Idiotin aufzuführen. „Sie wollen, dass ich …“
„Morgens und abends. Ja.“ Sein kühler Blick forderte sie förmlich auf, ihm zu widersprechen. Und es zu bereuen.
„Warum können nicht Sie mit ihm Gassi gehen?“
Die Kälte wurde noch eisiger. „In ein paar Tagen werden wir eine permanente Lösung finden. Achten Sie in der Zwischenzeit bitte darauf, dass die übrigen Mieter nicht gestört werden.“
„Und ich soll wirklich …?“
„Muss ich mich wiederholen?“
„Nein. Natürlich nicht.“ Seine Überheblichkeit ging ihr auf die Nerven. Er konnte den Hund nicht allein füttern und mit ihm rausgehen? Ehrlich?
Aber immerhin durfte Toby bleiben.
Wie, zum Teufel, war er nur auf eine so dumme Idee gekommen? Leon biss die Zähne zusammen. Er wollte mit dem Hund nichts zu tun haben. Wahrscheinlich war er inkontinent und kläffte die ganze Zeit. Wenn nur diese traurigen Augen nicht wären. Unwillkürlich streckte er erneut die Hand aus und tätschelte den kleinen, struppigen Kopf. Als er die Hand zurückzog, stieß er versehentlich gegen Antoinettes Arm. Er sah ihr ins Gesicht, und meergrüne Augen funkelten ihn an.
Warum sah sie schon wieder so wütend aus?
Er war doch derjenige, der wütend sein sollte. Und aus irgendeinem Grund machte es ihm ernstlich zu schaffen, dass sie ihm zugetraut hatte, einem unschuldigen Geschöpf etwas anzutun. Er wollte, dass sie für ihre ungerechtfertigten Anschuldigungen bezahlte.
Und er wusste auch schon genau, wie. In ihren grünen Augen wollte er Gefühle lesen – aber keinen Ärger und keine Verachtung. Sondern Hunger und Verlangen.
Ein primitiver Instinkt regte sich in ihm. Und in ihr auch. Als sie begriffen hatte, welchen Fehler sie begangen hatte, hatte sie ihn angesehen und auf der gleichen Ebene auf ihn reagiert wie er auf sie. Er hatte es daran erkannt, wie sich ihre Augen geweitet hatten. Wie sie errötet war.
Leon wollte sie.
Das war vollkommen unangemessen. Und falsch. Er war nur hier, um die Abläufe in Cavendish House kennenzulernen. Auf keinen Fall durfte er mit einer Angestellten flirten.
Das stand nicht zur Diskussion, und er gehörte nicht zu den Männern, die in einer solchen Situation der Versuchung erlagen.
„Bringen Sie den Hund und alles, was er braucht, nach oben.“ Er schaute auf die Uhr.
„Ja, natürlich.“ Sie hob ihr Kinn.
Dadurch wirkte sie auch nicht größer. Sie war etwas weniger als durchschnittlich groß für eine Frau und schlank. Das dunkelblonde Haar war zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden, und in ihren großen grünen Augen spiegelte sich jede Gefühlsregung.
Nicht gerade die professionelle, eiskalte Geschäftsfrau, die er sich vorgestellt hatte. Sie trug kaum Make-up, höchstens ein bisschen Lipgloss. Aber ihre Haut war glatt und makellos. Die schwarze Hose – Dienstkleidung – verriet wenig mehr, als dass sie schlank und sportlich war. Insgesamt erweckte sie den Eindruck von geschmeidiger, frischer Weiblichkeit. Einer der älteren Mieter hatte ihn heute Morgen schon gleich abgefangen, um ihm zu sagen, Antoinette Roberts sei der einzige Grund, weshalb er noch in Cavendish House wohne.
Ein Blick auf sie, und Leon verstand, warum.
Dabei war sie nicht einmal sein Typ. Und er war es nicht gewöhnt, dass man ihm unverblümt die Meinung sagte. Brutal ehrlich, ohne zu zögern. Sie trug ihr Herz nicht auf der Zunge, sondern als Aushängeschild vor sich her.
Das war für ihn etwas Neues. Man hatte Leon schon früh abgewöhnt, Emotionen zu zeigen. Und ihn bestraft, wenn er es tat. Seine Eltern hatten ihm beigebracht, dass es von Schwäche und mangelnder Selbstkontrolle zeugte, sich seine Gefühle anmerken zu lassen.
Aber Antoinettes Unverblümtheit war ein Bonus. Er wusste gern, woran er war. Und ihre Entschlossenheit faszinierte ihn. Wie eine Löwin, die ihr Junges beschützte, hatte sie Position bezogen und keinen Zentimeter nachgegeben, egal, was es sie kostete. Sie hatte damit gerechnet, dass er sie feuerte.
Stattdessen würde er ihr die Chance geben, ihren Fehler wiedergutzumachen.
„Seien Sie pünktlich. Ich mag es nicht, gestört zu werden“, sagte er brüsk.
„Ich kann sehr diskret sein.“
Als ob sie sich ungesehen und ungehört in sein Apartment schleichen konnte. Sie würde niemals etwas anderes sein als auffällig.
Leon empfand einen Hauch von böser Belustigung, als sie plötzlich erstarrte, als ob ihr jetzt erst aufging, dass ihre Worte auch anders aufgefasst werden konnten. Zweideutig. Diskretion war ja auch in anderen Situationen vonnöten. Eine tiefe Röte färbte ihre helle Haut – ihre Wangen und ihren Hals.
Der Drang, diesen zierlichen Wirbelsturm an sich zu ziehen und zu küssen, war beinahe überwältigend. Sie würde ihn lassen, das sah er in ihren Augen. Frauen fanden ihn attraktiv, und Sex war eine angenehme Abwechslung. Aber Sex mit Antoinette Roberts, der geballten Kompetenz von Cavendish House, würde nicht angenehm sein. Eher schon spektakulär. Wenn ihre lodernde Wut ein Anzeichen dafür war, wie intensiv sie ihre Gefühle auslebte, dann würde sie im Bett wild und zügellos sein.
Das war die beste Art von Sex. Die unwiderstehliche Art.
Und sie spürte die Funken, die zwischen ihnen sprühten, auch. Deshalb war sie errötet. Deshalb sah sie ihn so rebellisch an. Weil sie es nicht wollte.
Und ihre Zurückweisung war der Grund, weshalb er etwas tat, was er garantiert bereuen würde.
„Ich will Sie in meinem Apartment sehen. In einer Stunde.“
„Warum hast du mir das nicht gesagt?“ Noch während sie es sagte, wurde Ettie klar, dass Joel es ja versucht hatte.
„Ich hatte keine Zeit …“
„Ja, ich weiß. Sorry.“
„Ist er nicht der helle Wahnsinn?“ Jess, eins der Hausmädchen, beugte sich über den Schreibtisch. „Chloe hat gestern Abend eine Frau aus seinem Penthouse kommen sehen. Ein Model, so sah sie zumindest aus.“
„Keinen Tratsch“, gab Ettie im Flüsterton zurück, lächelte aber entschuldigend, um dem Tadel die Schärfe zu nehmen.
Es überraschte sie nicht. Natürlich schlief er mit Models. Er hätte ja selbst eins sein können, so gut sah er aus. Selbst Ettie konnte sich seiner Anziehungskraft nicht entziehen. Allerdings gab er sich auch extrem zugeknöpft. Er sah sie an, als könnte er ihre Gedanken lesen, verriet ihr dabei aber nichts über seine eigenen.
Jess lachte nur. „Na ja, jedenfalls finde ich ihn sexy. Ich würde mit ihm ins Bett gehen.“
„Ich mag ihn nicht“, knurrte Joel. „Er ist ein arroganter Mistkerl, der sich für was Besonderes hält.“
Das war er allerdings auch. Er hatte alles, gutes Aussehen, Geld, Frauen … Erfolg.
„Er war zu streng zu dir, Ettie“, sagte Joel. „Und was George angeht …“