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Die Wirtschaftsanwältin CeCee Davis übernimmt durch durch Zufall die Vertretung des Rockstars Connor Huntley, dem Übergriffe auf Groupies vorgeworfen werden. Gleich zu Anfang fliegen zwischen der toughen Anwältin und dem abgehobenen Rockstar, der sich für den Nabel der Welt hält, die Fetzen und Connor lässt keine Gelegenheit aus, CeCee zu demütigen. Als gerade noch ein Anschlag auf Connor vereitelt werden kann, werden er und CeCee an einen abgelegenen Ort in Sicherheit gebracht um sich in Ruhe auf den Prozess vorbereiten zu können. Es dauert nicht lang, bis CeCee dem charismatischen Musiker näherkommt und in seinen Bann gezogen wird. Bald schon verschwimmen die Grenzen zwischen Licht und Dunkelheit und CeCee erfährt, wie gefährlich Nähe sein kann ...
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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Epilog
Und? Wie war dein Date gestern?“ CeCee Davis sah von dem Bagelstand auf, an dem sie sich gerade ihr Frühstück für heute, bestehend aus einem Lachs-und-Frischkäse-Bagel und einem Becher Kakao mit Schlagsahne, gekauft hatte, auf und entdeckte ihre beste Freundin Linda. CeCee bezahlte ihr Frühstück, packte den Bagel in ihre Tasche und nahm einen Schluck Kakao. Dass sie trotz ihrer vierunddreißig Jahre immer noch Kakao trank, anstelle von Kaffee, störte sie nicht und in der Kanzlei hatte man diese kleine Schrulle längst akzeptiert. Bei Meetings und Besprechungen wurde extra für sie eine Kanne Kakao bereitgestellt, während alle anderen auf Kaffee zurückgriffen. Selbst ihre Mandanten kannten diesen kleinen Tick und fanden ihn durchaus sympathisch.
„Oh, es war toll“, sagte CeCee, während sie und Linda das kurze Stück zu dem Wolkenkratzer gingen, in dem in den obersten Etagen die Anwaltskanzlei untergebracht war, für die sie arbeiteten. „Wir waren total auf einer Wellenlänge, das Gespräch geriet nie ins Stocken, wir hatten viele Themen, die wir ähnlich sehen und haben uns prima unterhalten. Und … er sieht toll aus. Er ist genauso reizvoll wie in seinem Tinderprofil.“
„Das klingt ja großartig. Und was ist dann passiert? Du wirkst nicht wie jemand, der ein erfolgreiches Date hinter sich hat und im Hintergrund schon die Hochzeitsglocken läuten hört?“, frage Linda.
„Tja, die Stimmung war auch ein bisschen gedrückt, nachdem er mir erst sagte, dass ich so ziemlich seine Traumfrau wäre, bis auf die kleine aber feine Tatsache, dass ich ihm „viel zu fett“ sei. Und, dass er mir angeboten hat, mit ihm ins Bett zu gehen, weil wir uns ja bis auf mein „Übergewicht“ so gut verstehen.“ CeCee versah die Worte „viel zu fett“ und „Übergewicht“ mit Anführungszeichen, die sie mit ihren Fingern machte.
„Was? Das ist nicht dein Ernst, oder?“, fragte Linda.
„Doch. Mein voller Ernst. Ich war so vor den Kopf gestoßen, dass ich gar nicht wusste, was ich sagen sollte. Ich meine, ich weiß, dass ich keine Size-Zero-Elfe bin. Aber mit Größe 38 „fett“ genannt zu werden, ist eine sehr seltsame Weltanschauung.“
„Das tut mir total leid für dich. War das der Typ, mit dem du ewig lang Kontakt hattest?“
„Ja, genau der. Ich glaube langsam, ich bin zu alt für diesen Scheiß“, sagte CeCee und holte nun doch ihren Bagel aus der Tasche, um davon abzubeißen. „Der Typ hat mir die ganze Zeit über von seiner Ex erzählt. Die scheinbar eine totale Psychopathin war und sogar seine eigenen Kinder gemobbt hat. Aber darüber sieht man natürlich weg, die Dame war ja Model und trug offenbar Size Zero. Ehrlich, Linda, nach dieser Ansage wollte ich nur noch nach Hause, die High Heels ausziehen, mich ins Bett werfen und eine Folge Suits ansehen, mit einem Becher Eiscreme und einer Flasche Champagner als Abendessen. Damit ich hoffentlich bald Größe 40 trage.“
„Diese ganzen Onlinedates haben nicht den Effekt, den man sich anfangs erhofft, oder?“, fragte Linda. Die beiden Frauen waren vor den Liften des Bürogebäudes angekommen und Linda drückte den Rufknopf. Die Lifttür zu ihrer Linken öffnete sich und sie stiegen ein und drückten den Knopf für die 65. Etage.
„Nicht wirklich. Ich meine, ich glaube, mit der Zeit bin ich echt schon abgebrüht, aber diesen Oliver … den fand ich echt gut. Der wirkte seriös und authentisch, wir hatten echt eine gute Zeit zusammen – online. Und dann stellt sich raus, dass er auch nur ein oberflächlicher Idiot ist. Ich weiß noch, als Will und ich uns damals getrennt haben, da war ich so voller Tatendrang und Eifer. Und glaubte wirklich, über diese ganzen Apps würde ich nun endlich jemanden kennenlernen, immerhin gibt es ja echt tolle Kerle da drin. Aber … mittlerweile sind diese Apps völlig verkommen. Nur noch Fake und Lügen und irgendwelche schrägen Typen, die auf zwanzig verschiedenen Hochzeiten tanzen. Außerdem … dieses ganze Dating ist doch nur mehr ein Krampf. Das ist nicht mehr so wie früher, wo die Leute wirklich versucht haben, jemanden kennenzulernen. Das ist ganz anders. Niemand ist mehr bereit, sich auf einen Menschen als solches einzulassen, weil sie alle immer fürchten, jemand noch Besseren, Tolleren, Schöneren zu verpassen. Alle sind nur noch auf der Suche, aber keiner will sich mehr festlegen. Echt, ich weiß einen gemütlichen Abend zuhause – und allein – mittlerweile viel mehr zu schätzen als ein Date mit einem selbsternannten Adonis, der versucht, etwas zu sein, was er nicht ist und mit den Gedanken schon bei seinen achtundvierzigtausend anderen Matches ist, die er so nach rechts wischt.“
„Wow. Du bist mit dem Ding so ziemlich durch, was?“, fragte Linda.
„So ziemlich“, bestätigte CeCee, biss noch einmal von ihrem Bagel ab und ließ ihn dann wieder in ihrer Tasche verschwinden. Die Lifttüren öffneten sich, und noch, bevor sie richtig aus dem Lift heraustreten konnte, lief ihr ihre Assistentin Amanda in die Arme.
„Gottseidank, CeCee, da bist du ja“, sagte Amanda und sah aufgeregt aus.
„Was ist denn um Himmels Willen los?“, fragte CeCee und überlegte, ob sie einen Termin oder gar eine Frist übersehen hatte.
„Kenneth White sucht schon den ganzen Morgen nach dir“, sagte Amanda. „Es handelt sich offenbar um einen Notfall.“
CeCee nahm ihre Handtasche ab und drückte sie, inklusive dem Kakaobecher, ihrer Assistentin in die Hand. „Gut. Dann bring das bitte in mein Büro, ich gehe gleich zu ihm.“
Wenige Augenblicke später betrat sie das helle, lichtdurflutete Büro von Kenneth White, einem der Gründer der Kanzlei und blickte in ein besorgtes Gesicht.
„CeCee, da sind Sie ja endlich“, sagte der stattliche Mann und erhob sich. „Ich habe sie schon überall gesucht. Wir haben Feuer am Dach.“
CeCee sah ihren Boss an und zog eine Augenbraue hoch.
„Setzen Sie sich, Miss Davis“, sagte White und deutete auf einen der beiden Stühle, die vor seinem Schreibtisch standen.
„Worum geht’s?“, fragte CeCee. Sie mochte ihren Job als Closerin bei White, Wallace & Van Dyke. Schwere Fälle waren ihr schon immer die liebsten gewesen und so hatte sich bald nach ihrer Einstellung in der Kanzlei herauskristallisiert, dass sie eine Closerin werden würde. Sie managte Firmenübernahmen, schloss Geschäfte ab und war praktisch „Die Frau fürs Grobe“, wie sie von den Seniorpartnern der Kanzlei oft genannt wurde. CeCee war vielen Kollegen durch ihre Besonnenheit, ihre Toughheit und ihre Spitzfindigkeit oft um einiges voraus. Sie verbiss sich in Fälle teilweise wie ein Rottweiler und ließ nicht nach, bis sie ihre Mandanten zum Erfolg führte. Es war kein Geheimnis, dass sie eines der besten Pferde im Stall der Kanzlei war und es nicht mehr lange dauern sollte, bis man ihr eine Seniorpartnerschaft anbot. Eigentlich, so rechnete sie, sollte es nach den nächsten ein, zwei Fällen endlich soweit sein.
„Miss Davis, sagt Ihnen der Name „Hardpain“ und „Connor Huntley“ etwas?“, fragte Kenneth White. CeCee musste eine Weile überlegen. „Ist das diese Rockband?“, fragte sie dann. Sie hatte von der Band, die ziemlich eigenwillige Musik machte und mit sehr speziellen Texten provozierte, gehört. Die Band war eine der erfolgreichsten in den Staaten, deckte jedoch CeCees Musikgeschmack nicht ab.
„Richtig. Die Rockband. Die Sache ist die, dass gegen den Frontmann von Hardpain, Connor Huntley zum Teil anonyme Missbrauchsvorwürfe in den sozialen Medien kursieren. Es ist nur noch eine Frage von Stunden, bis die Presse sich auf die Sache stürzt.“
„Anonyme Missbrauchsvorwürfe?“, fragte CeCee. „Das klingt eher nach verschmähter Aufmerksamkeit, als nach Fakten.“
„Nun, Miss Davis, so einfach ist es nicht“, sagte Kenneth White. Fakt ist in jedem Fall, dass es körperliche Begegnungen hinter der Bühne mit Fans nach Konzerten gegeben hat. Es geht darum, ob diese freiwillig waren oder … nicht.“
CeCee verstand, was ihr Boss ihr sagen wollte. Gerade als Person, die in der Öffentlichkeit stand, und erst recht in Zeiten wie diesen konnte eine falsche Anschuldigung, egal, ob sie völlig an den Haaren herbeigezogen, und total verdreht war, einen Kopf und Kragen kosten. Es war also clever von Hardpain, um rechtlichen Beistand zu ersuchen, noch bevor irgendetwas an die Öffentlichkeit kam.
„Und was habe ich mit der Sache zu tun?“, fragte CeCee. Sie als Anwältin, die sich auf Firmenrecht und Closing konzentrierte, war die denkbar falsche Ansprechpartnerin, wenn es um Angelegenheiten ging, die sich mit dem Strafrecht beschäftigten.
„Ich möchte, dass Sie den Fall übernehmen, CeCee. Er hat absolute Priorität.“
„Was?“, rief CeCee, fast ein bisschen zu laut. „Ich bin keine Strafanwältin. Ich bin Closerin.“
„Und genau das ist der Vorteil, den wir uns hier auf die Seite holen. Wir brauchen einen Rechtsbeistand, der nicht bereits bekannt ist. Niemanden, der schon einmal mit einem Strafrichter oder einem Staatsanwalt aneinandergeraten ist. Jemand mit einer völlig weißen Weste auf dem Gebiet, der aber genug Biss hat, die Gerechtigkeit ans Licht zu holen. Da gibt es niemanden, den ich mir besser vorstellen könnte, als Sie.“
CeCee schluckte. Sie hatte während ihres Studiums damit geliebäugelt, Strafverteidigerin zu werden und ganz zu Anfang ihrer Tätigkeit als Anwältin auch den einen oder anderen Strafrechtsfall übernommen. Aber dann war sie ins Wirtschaftsrecht gerutscht und dort auch hängen geblieben.
„Okay“, sagte CeCee. Sie hatte keine weiteren Fragen mehr und ihr war klar, worauf die Sache hinauslaufen würde. Wenn White sie für den Fall haben wollte, dann würde sie ihn übernehmen. Und seine Argumentation machte natürlich auch Sinn. Selbstverständlich gab es auch bei Gericht Befindlichkeiten zwischen den Menschen dort. Anwälte und Richter, die nicht miteinander konnten und Staatsanwälte, die noch eine Rechnung mit einem Anwalt offen hatten. Natürlich war es nicht so, dass alle derart verschlagen waren, aber es war auch nur menschlich, mit einer Person besser zu können als mit der anderen.
„Mr. Huntley ist auch schon hier. Wir werden den ersten Termin zusammen wahrnehmen und ich mache Sie beide miteinander bekannt. Dummerweise ist Mr. Huntley als … eher schwierige Persönlichkeit bekannt, weshalb hier etwas Fingerspitzengefühl gefragt ist.“
„Welcher Mann ist denn keine schwierige Persönlichkeit“, dachte CeCee bei sich, sagte ihre Annahme aber nicht laut. Stattdessen stand sie auf und folgte Kenneth White zu den Besprechungsräumen.
„Und … CeCee?“
„Ja?“
„Wenn sie diesen Fall gewinnen, dann werde ich sie bei der nächsten Vorstandssitzung den Partnern als neue Seniorpartnerin vorschlagen, das ist Ihnen doch klar, oder?“ Er zwinkerte.
CeCee betrat den hellen Besprechungsraum, der in der Morgensonne dalag, nach ihrem Boss und schloss die Glastür. Dann drückte sie auf einen Knopf direkt neben der Tür und das Glas färbte sich milchig ein, sodass niemand von draußen sehne konnte wer sich im Raum befand. Dann drehte sie sich um und ihr verschlug es den Atem. Sie war nie der Typ Frau gewesen, der sich von Männern schnell beeindrucken ließ und Anziehung fand bei ihr auf einer anderen Ebene statt, als auf der optischen. Sie hatte sich mit der Band Hardpain auch nie wirklich auseinandergesetzt und wusste nicht, wie die Bandmitglieder aussahen, doch als sie Connor Huntley zum ersten Mal gegenüberstand, wurden ihre Knie für den Hauch einer Sekunde weich, eine Gänsehaut überzog ihren Körper und der Atem blieb ihr weg. Connor Huntley war ein Hüne. Bestimmt über einsneunzig groß, sportlich, aber ohne diese Designermuskeln, die die New Yorker sich üblicherweise im Fitnessstudio antrainierten. Connor sah aus wie ein Mann, der in einem Stahlwerk oder so körperliche Arbeit verrichtete. Er schüttelte erst Kenneth White die Hand, dann CeCee. Ein Stromstoß durchzuckte sie, als sie ihre kleine, zarte Hand in die große, fast grobschlächtige von Connor legte und unweigerlich kamen ihr Gedanken in den Sinn, die alles andere als professionell waren. Connor hatte scharf geschnittene Gesichtszüge, die ebenfalls nicht als „schön“ zu werten waren, sondern vielmehr als attraktiv. Er war keiner dieser typischen Modelschönlinge, die auf Laufstegen zu finden waren oder von Magazincovern heruntergrinsten. Er war mehr als das. Seine Augen faszinierten CeCee jedoch am allermeisten. Sie waren groß und meerwasserblau und erinnerten sie an eine karibische Brandung. Nie in ihrem Leben hatte sie so blaue Augen gesehen. Und nie einen so anziehenden Mann kennengelernt.
„Mr. Huntley, das ist CeCee Davis, Ihre Anwältin in dieser unangenehmen Angelegenheit. Sie ist eine der Besten hier im Haus und wird Ihnen mit ihrer gesamten Expertise zur Verfügung stehen, damit wir diese unangenehme Sache so schnell wie möglich aus der Welt schaffen.“
Die nächsten beiden Stunden verbrachte CeCee damit, sich von Connor die Vorkommnisse erzählen zu lassen. Daraus, dass es nach jedem Konzert Partys und Sex mit Fans gab, machte er gar keinen Hehl und plauderte frei von der Leber weg. Er selbst hatte keine Ahnung, wer hinter den Anschuldigungen steckte, der Sex sei natürlich – so Connor – immer im beidseitigen Einvernehmen passiert und selbstverständlich kam es häufig vor, dass ein Groupie sich in ihn verliebte und ungehalten reagierte, wenn er erklärte, dass es kein Wiedersehen gab. Aber er konnte zu 100 Prozent versichern, dass er niemals eine Frau zu etwas gezwungen, oder gar Handlungen vorgenommen hatte, die diese Frau zu dem Zeitpunkt nicht wünschte.
„Nun, Mr. Huntley, das sieht für mich alles erst einmal sehr stimmig aus“, sagte Kenneth White. „Miss Davis wird umgehend eine Stellungnahme vorbereiten, in der wir alle Vorwürfe zunächst zurückweisen. Alles weitere wird die Zeit zeigen. Sind Sie mit dieser Vorgehensweise einverstanden.“
„Grundsätzlich ja“, sagte Connor und CeCee verlor sich fast in seinem Bariton. Kenneth White sah ihn fragend an.
„Grundsätzlich?“
„Die Sache ist nur: ich will sie nicht als Anwältin.“ Er deutete auf CeCee.
„Wie bitte?“ Kenneth White sah Connor Huntley an.
„Ich glaube Ihnen ja, dass Miss …“, er brauchte eine Weile, bis er sich an CeCees Namen erinnerte, „Davis eine gute Anwältin ist. Aber hier geht es nicht darum, dass jemand ein Päckchen Kaugummi an der Tankstelle gestohlen hat, es geht um meine Existenz und um noch viel mehr. Sie verstehen daher bestimmt, dass ich einen richtigen Anwalt brauche.“
CeCee lachte kurz auf und wollte eine Erwiderung von sich geben, doch dann hielt sie sich zurück. Kenneth White hatte ihr den Fall persönlich anvertraut und Connor Huntley war Multimillionär. Wenn sie sich jetzt mit ihm anlegte, war das bestimmt nicht sehr förderlich für ihre Seniorpartnerschaft.
„Mr. Huntley, glauben sie mir, mit CeCee Davis als Rechtsbeistand an ihrer Seite haben sie eine der besten Anwälte in der Stadt, wenn nicht sogar im ganzen Land. Ich kenne niemanden, der so verbissen auf sein Ziel hinarbeitet und jeden einzelnen Fall mit Herzblut verinnerlicht wie sie.“
CeCee schmunzelte in sich hinein. Dass sie eigentlich für Wirtschaftsrecht zuständig war, hatte White geflissentlich außen vor gelassen. Bestimmt würde Huntley an die Decke gehen, würde er erfahren, dass man ihm eine Closerin zur Seite stellen wollte. Natürlich hatte Ken White nicht unrecht mit dem Argument, dass CeCee auf dem Strafrechtsparkett ein unbeschriebenes Blatt war. Sollte es tatsächlich zu einer Verhandlung kommen, war sie bestimmt die bessere Wahl, als ein Anwalt, der hier und dort mit Richtern und Staatsanwälten angeeckt war.
„Das mag schon sein, ich fühle mich dennoch nicht wohl mit ihr … gerade in DIESER Sache.“ „Diese“ Sache war bestimmt der Missbrauch, den man ihm vorwarf. Aber auch hier war ein weiblicher Anwalt die bessere Wahl als ein männlicher. Mit CeCee als Anwältin könnte Connor ein paar Stimmen für sich gewinnen, die unterbewusst darauf anspielten, dass eine Frau niemanden verteidigte, der einer anderen Frau etwas Derartiges angetan hatte. Aber natürlich lag die letzte Entscheidung bei ihm. Wenn er einen männlichen Strafrechtsanwalt wollte, würde Ken White ihm bestimmt einen zur Seite stellen.
Connor Huntley wollte gerade zur Erwiderung ansetzen, als sein Smartphone vibrierte. Er entschuldigte sich und drückte den Anruf weg, ohne nachzusehen, wer es war. Keine drei Sekunden später vibrierte das Handy erneut und begann, im Sekundentakt Nachrichten und weitre Anrufe zu verkünden. Jetzt warf Connor einen Blick auf das Display und seine Mine verdüsterte sich.
„Das sind Google-Alerts über mich. Meine Plattenfirma und meine Agenten rufen an. Die Vorwürfe sind online gegangen.“
„Ich muss sofort eine Stellungnahme abgeben“, sagte Connor, der jetzt sichtlich aufgewühlt war. „Haben Sie irgendwo einen Raum für mich, wo ich in Ruhe arbeiten kann?“
„Mr. Huntley, SIE geben hier gar keine Stellungnahme ab“, sagte CeCee. „Jemand, der unschuldig ist, rechtfertigt sich nicht. Wenn Sie möchten, werde ich eine Erklärung in Ihrem Namen abgeben, während sie auf der Suche nach dem Anwalt sind, der den Fall letztendlich betreut.“
„Ist das möglich? Ist das … angebracht?“, fragte Connor und sah Ken White an. CeCee ärgerte sich darüber, dass Connor sich immer die Bestätigung von ihrem Boss zu holen schien, anstatt ihr zu vertrauen.
„Wenn Sie wirklich einen anderen Anwalt möchten als Miss Davis, was ich sehr bedauere, dann können wir in jedem Fall einen finden, den Sie für geeignet halten. Miss Davis übernimmt so lange ihren Fall und wird sich mit dem neuen Anwalt dann detailgenau abstimmen. Ist das in Ihrem Sinne?“
Connor wirkte etwas erleichterter und CeCee erkannte den Ausdruck des „sich-aufgehoben-fühlens“, den sie schon bei vielen Mandanten gesehen hatte. „Ja. Das klingt gut“, sagte er. Zum ersten Mal erkannte CeCee etwas Menschliches an diesem harten Mann, der wirkte wie Granit, an dem alles abprallte. Und obwohl sie ihn eigentlich hassen sollte, so, wie er mit ihr umgesprungen war, löste er etwas in ihr aus.
Eigentlich hatte CeCee sich an diesem Abend eine Pizza und einen Netflix-Film gönnen wollen, doch nachdem der Fall von Connor Huntley mittlerweile die Medien dominierte und noch nicht einmal feststand, welcher Kollege Huntley letztendlich vertreten würde, hatte sie beschlossen, sich bestmöglich auf den Fall vorzubereiten. Diesem unsympathischen Typen wollte sie keine Gelegenheit geben, sie in irgendeiner Form zu überrumpeln. Dass es einmal etwas ganz anderes war, einen Strafrechtsfall zu bearbeiten, als Firmenübernahmen war außerdem ziemlich interessant. So hatte sie begonnen, sich in die Geschichte von Hardpain einzulesen, sich über die Bandmitglieder zu erkundigen und die Songs zu hören, die Hardpain veröffentlichte und mit denen sie die Charts stürmten. Hardpain war keine typische Boygroup oder eine Popband, wie der Name schon sagte, sondern machte harte, ernsthafte Rockmusik oftmals mit sehr kontroversen Texten. Vor allem die markante Stimme von Connor Huntley, mit seinem tiefen Bariton und der ganz besonders prägnanten Intonation der Worte, die enorm hohen Wiedererkennungswert hatte, war untrennbar mit der Band verbunden. Die restlichen Bandmitglieder waren allesamt verheiratete Familienväter, sodass es kaum Eskapaden gab, die es bis in die Medien geschafft hatten, und auch Connor Huntley war bis vor einem Jahr in einer langjährigen Beziehung mit einem skandinavischen Model gewesen. Die beiden hatten die Trennung von vierzehn Monaten über die sozialen Medien bekanntgegeben und erklärt, sie trennten sich im gegenseitigen Einvernehmen und würden weiterhin Freunde bleiben. Schon hier kamen die ersten Ungereimtheiten ans Tageslicht. CeCee wusste zwar, dass es überhaupt nichts bedeutete, wenn man in einer festen Beziehung war, und dass es förmlich an der Tagesordnung rund um den Globus stand, dass Menschen in Beziehungen fremd gingen, aber die Vorwürfe, die gegen Connor laut wurden, lagen zum Teil bis zu dreizehn Jahre zurück. Zeiten, in denen er immer vergeben gewesen war. Noch gab es kaum Informationen über die Klägerinnen, noch nicht einmal wirkliche Namen, alles spielte sich in Online-Foren und mit Pseudonymen ab. Und das verrückte war – ein Opfer war mit den Vorwürfen ans Tageslicht gekommen und innerhalb von wenigen Stunden gab es bereits 64 weitere – anonyme – angebliche Opfer, die ebenfalls von Connor Huntley belästigt worden sein sollen. CeCee hatte sich Profile von sämtlichen Klägerinnen erstellt und sie mit Klebeband auf ein großes, weißes Plakat geklebt. Dazu hatte sie die angeblichen Übergriffzeitpunkte und -orte notiert und sie dann eine Weile angesehen. Es gab kein Muster. Und da die Übergriffe Jahre, ja mehr als ein Jahrzehnt her waren, war es unglaublich schwer, nachzuvollziehen, ob tatsächlich etwas dran war, oder ob man Connor Huntley extremst ans Bein pinkeln wollte. Und wenn dies jemand vorhatte – aus welchem Grund er es tat.
CeCee hatte jeden einzelnen Vorwurf katalogisiert und das jeweilige Datum notiert, sowie was Connor genau vorgeworfen wurde. Manche Vorwürfe waren lächerlich. So behauptete eine Dame, Connor hätte sie bei einem Meet-and-Greet zu lange umarmt und sie mit lüsternen Blicken angesehen. Parallel dazu gab es Frauen, die von richtigen, ernstzunehmenden, sexuellen Übergriffen redeten. Sie würde ihren neuen Vorübergehend-Mandanten zu den Vorfällen befragen müssen, wenngleich ihr bewusst war, dass sich das schwierig gestalten würde. Connor wirkte nicht gerade kooperativ, ihr gegenüber schon gar nicht. Außerdem waren diese Vorfälle zum Teil über zehn Jahre her. Sie war sich sicher, dass er sich an die Damen gar nicht mehr erinnern konnte. Sie wusste nicht, wie sie Connor Huntley einschätzen sollte. War er paralysiert und unter Schock gewesen, als sie sich heute Morgen getroffen hatten, war er ihr gegenüber einfach abweisend oder war er ein von sich selbst eingenommener, oberflächlicher Mistkerl, der sich für etwas Besseres hielt? Was auch immer auf ihn zutraf, er würde über seinen Schatten springen, und ihr Rede und Antwort stehen müssen. Am besten gleich morgen. CeCee sah auf die Uhr. Nach elf. Sie war hundemüde und ihr Kopf dröhnte, vor Hardpain-Musik und Infos über die Band sowie die Vorwürfe. Sie beschloss, für heute Schluss zu machen und ins Bett zu gehen.
CeCee wurde aus einem tiefen Schlaf gerissen, als ihr Handy plötzlich schrill und laut zu klingeln begann. Viel zu schrill und viel zu laut für diese Uhrzeit. Sie tastete neben sich, holte da Mobiltelefon heran und stellte erst fest, dass es nach zwei Uhr morgens war. Gleich danach, dass ihr Boss, Ken White, höchstpersönlich dran war. CeCee war in Alarmbereitschaft. Wenn der Eigentümer der Kanzlei bei ihr anrief – mitten in der Nacht – dann musste Feuer am Dach sein. CeCee räusperte sich. Sie wollte möglichst nicht schlaftrunken klingen, was aber lächerlich war.