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Quinn Sterling, erfolgreiche Liebesromanautorin, hat zwar ein Händchen für romantische Geschichten doch mit ihrem eigenen Liebesleben will es einfach nicht klappen. Als sie von einer neuartigen DatingApp namens "PerfectMatch" erfährt, die verspricht, den perfekten Partner für jedermann zu finden, ist sie zunächst zwar skeptisch, meldet sich jedoch in der Hoffnung, ihrem Mr. Right zu begegnen, an. Doch anstatt sich selbst auf ein Date mit ihrem vermeintlichen "Mr. Right" einzulassen, überredet ihre lebhafte Nachbarin Candice sie dazu, das Date an sie abzutreten. Candice, Tattoo-Model, Fitnessfreak, Influencerin und obendrein der Inbegriff von Schönheit, ist der Überzeugung, dass der erfolgreiche Rechtsanwalt, den die App eigentlich für Quinn ausgewählt hat, der perfekte Mann für sie selbst ist. Während Quinn zunächst zögerlich ist, stimmt sie nach all ihren Enttäuschungen schließlich zu und beginnt, online Kontakt mit Mr. Perfect aufzunehmen und sich mit Candice die perfekte Strategie für deren Date zu überlegen. Doch je mehr sie über den Mann, der angeblich der Richtige für sie ist, erfährt, desto mehr gerät ihr Herz in Aufruhr. Zwischen den Zeilen der Nachrichten beginnt Quinn zu ahnen, dass die wahre Liebe vielleicht näher ist, als sie je gedacht hätte. So würde sie nichts lieber, als ihre Entscheidung zu revidieren, doch Mr. Perfect erwartet ein junges Fitnessmodel und keine Durchschnittsfrau wie sie, sodass kein Spielraum für einen Rückzieher bleibt. Und dann ist da noch Blake, den Quinn zufällig im Supermarkt kennengelernt hat und der ihr Herz ebenfalls höher schlagen lässt. Bevor sie es sich versieht, findet Quinn sich als Protagonistin in einem ihrer eigenen Romane wieder. Und hat keine Ahnung davon, was das Schicksal für sie bereithält. "Second Sight - Liebe auf den zweiten Blick" ist eine charmante Liebesgeschichte über die Suche nach der wahren Liebe, die zeigt, dass manchmal die besten Überraschungen genau dort warten, wo man sie am wenigsten erwartet.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
Impressum: Copyrigth 2024 by Daniela Felbermayr
Text und Titel sowie Cover: Daniela Felbermayr, Canva, shutterstock
Kontakt: dany@danielafelbermayr.com
PROLOG
„Du machst mich zu einem besseren Menschen“, sagte Keith, als er Lauren tief in die Augen blickte, „und ich werde dich für den Rest meines Lebens nicht mehr gehen lassen. Ich liebe dich, Lauren. Für immer.“Die Sonne verschwand hinter dem Horizont und hüllte die Beiden in das Dunkel der Nacht ein, während sie am Hügel standen und sich küssten. Während die Welt still stand. Und ihr gemeinsames Leben begann.
E-N-D-E
Quinn Sterling lehnte sich in ihrem Schreibtischstuhl zurück und streckte ihre Glieder aus. Während die Sonne in ihrem Roman am Untergehen war, war sie da draußen, in der realen Welt bereits aufgegangen. Erste Strahlen bahnten sich ihren Weg durch den leichten Vorhang ihres Büros, den sie zugezogen hatte, um sich wirklich voll und ganz aufs Schreiben konzentrieren zu können und nicht ständig hinaus auf den Pazifik zu schauen. Zufrieden blickte sie auf das Manuskript auf ihrem Bildschirm und die vier Buchstaben am Schluss. E-N-D-E. Sie hatte das Manuskript zwei Wochen vor Abgabeschluss fertiggestellt. Sie grinste. Die nächsten vierzehn Tage konnte sie sich also voll auf John konzentrieren, der – so malte sie sich aus – ihr ganz persönliches Happy End werden würde. Nach all den Jahren. Nach all den Enttäuschungen, nach all der Zeit, in der sie sich niemals hätte träumen lassen, einen so tollen Mann wie John nicht nur kennenzulernen, sondern … ihn auch für sich begeistern zu können. Manchmal schrieb das Leben die schönsten Liebesgeschichten einfach selbst und man brauchte eben ein kleines bisschen Geduld, bis man seinem Mr. Right begegnete. Ja, das Leben schrieb die schönsten Geschichten, definitiv. So schön, wie Quinn sie gar nicht hätte erfinden können. Am Abend zuvor hatten die beiden sich zum ersten Mal – nach fast zwei Monaten Onlinekontakt und telefonieren – von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden und Quinn war von der ersten Sekunde an hin und weg von dem attraktiven Banker mit den dunklen, kurzen Haaren und den vielsagenden braunen Augen gewesen. Sie hatten sich gut unterhalten, hatten eine Pizza gegessen, einen Film im Kino angesehen, von dem Quinn rein gar nichts mitbekommen hatte, weil ihre Gedanken allein um den Traummann kreisten, der hier neben ihr saß und von Zeit zu Zeit vielsagend zu ihr hinüberblickte, und hatten den Abend bei einem Cocktail auf der Dachterrasse des Pure Heaven unten am Pier ausklingen lassen. Dann waren sie Hand in Hand über den Strand zu Quinns Appartement spaziert, wo John sich von ihr verabschiedet hatte. Es war alles perfekt gewesen. Der laue Sommerabend, die Bar direkt am Wasser, der Mann ihr gegenüber. John hatte sie nach Hause gebracht und sich, ganz Gentleman, mit einem unschuldigen Kuss auf die Wange von ihr verabschiedet. Er hatte ihr gesagt, dass er den Abend sehr genossen hatte und sie für den nächsten Abend neuerlich eingeladen. Er würde sich etwas für sie ausdenken, hatte er gesagt, als er sich zwinkernd umgedreht hatte und die Stufen hinuntergesprungen war.
Voll motiviert hatte Quinn ihr Appartement betreten, das sich in Santa Monica befand, und hatte voller Enthusiasmus begonnen, ihren Roman fertigzustellen. Sie musste sich ranhalten, und konnte die nächsten Wochen voll auskosten, wenn sie ihn jetzt fertigschrieb. Eine Woge der Motivation hatte sie erfasst und die Ideen sprudelten nur so aus ihr heraus. Alles war einfach perfekt. Ihr Leben lief einfach großartig. Sie lebte jetzt seit wenigen Monaten in einem tollen Appartement in Kalifornien, hatte sich vor fünf Jahren ihren Traum verwirklicht und ihren Job als Sekretärin an den Nagel gehängt, um Schriftstellerin zu werden und konnte mittlerweile ziemlich gut von ihren Geschichten leben. Die Idee, umzuziehen, war ihr gekommen, als eine Produktionsfirma Interesse an einem ihrer Romane bekundet hatte. Leider war aus der Umsetzung nichts geworden, aber natürlich war es einfacher, von Hollywood entdeckt zu werden, wenn man direkt vor Ort – und nicht am anderen Ende der Staaten lebte. Außerdem wollte sie einmal etwas Verrücktes, etwas Großes tun. Ihr Freundeskreis in New York hatte sich mehr oder weniger aufgelöst und ihren Job konnte sie von überall aus erledigen. Weshalb … nicht noch einmal ganz neu in Kalifornien anfangen. Bei den Schönen und Reichen. Und das hatte sie getan. Sie hatte sich ein wunderschönes Appartement direkt am Strand von Santa Monica mit Blick auf den Pazifik gekauft und ihre Bücher liefen großartig. Und zu allem Überfluss hatte sie nun endlich, nach einer schier endlos anmutenden Anzahl von Nieten, oberflächlichen Mistkerlen, vergebenen Kerlen, die die Fühler nach etwas Abwechslung ausstreckten und Typen, deren Interesse nur darin bestanden hatte, sie ins Bett zu bekommen, den richtigen Mann kennengelernt. John. John Banner, der sie für all die Scheißkerle entschädigte, die sie in den vergangenen Jahren hintergangen hatten. Die sie ausgenutzt hatten und die ihr immer und immer wieder das Herz gebrochen hatten. John war großartig. Er war gutaussehend, gebildet, charmant und humorvoll und ihr waren die Blicke der anderen Frauen nicht entgangen, die sie ihm zuwarfen, wenn sie ihn erblickten. John war perfekt. Die ganze Zeit über, als sie gechattet hatten, hatten sie darauf verzichtet, Fotos auszutauschen, weil er sie „als Mensch, und nicht als Hülle“ kennenlernen wollte. Weil er nach einigen Wochen meinte, es wäre ihm egal, wie sie aussehen würde, weil sie innerlich ohnehin der schönste Mensch war, den er sich vorstellen konnte. Er würde sie großartig finden, selbst wenn sie aussah, wie die hässliche Cousine der allwissenden Müllhalde von den Fraggles. Weil er ihr klar machte, dass er an etwas Ernstem interessiert war und nicht an perfekten, oberflächlichen 90-60-90 oder einer Size Zero. Der großartige John.
Bevor sie zu schreiben begonnen hatte, hatte sie ihm noch eine SMS gesendet. Es war ein toller Abend heute mit dir. Ich freu mich auf Morgen, Kuss, Quinn. Dann hatte sie das Handy auf stumm geschaltet um sich auf die letzten beiden Kapitel ihres Romans konzentriert. Wenn sie das Buch jetzt fertigstellte, konnte sie die kommenden Wochen Zeit mit John verbringen, ohne darüber nachdenken zu müssen, ihr Buch fertigzustellen. Sie konnte sich voll und ganz auf ihren neuen Freund fokussieren und jede Sekunde mit ihm auskosten. Und auf ihre Beziehung. Sie grinste. Sie hatte nun endlich eine Beziehung. Und das nicht mit irgendwem, sondern mit ihrem absoluten Traummann. Es hatte sich gelohnt, so lange zu warten und eine Niete nach der anderen zu ziehen, dafür, dass John jetzt in ihr Leben gekommen war. Er entschädigte sie für alles. Für jede schlechte Erfahrung, die sie machen musste. Für jedes Ghosting. Für jeden Typen, der sie nur flachlegen wollte. Für jeden Mann, der ihr vorgelogen hatte, Single zu sein, allerdings immer noch in einer Beziehung steckte. Für jeden Kerl, der parallel zu ihr mit fünf anderen Frauen ausgegangen war. John … war perfekt. Immer wieder waren ihre Gedanken während des Schreibens zu ihm abgedriftet. Sie würde ihn mit zum 4-Juli-Barbeque zu ihren Eltern nehmen können und er würde sie zu einer Lesung aus ihrem neuen Roman begleiten – das hatte er übrigens von sich aus beim Abendessen vorgeschlagen. Endlich konnten die Autoreninfos, die immer hinten im Buch abgedruckt wurden, abgeändert werden. Dann würde es nicht mehr heißen „Quinn Sterling lebt allein in Los Angeles“ sondern „Quinn Sterling lebt mit ihrem Lebenspartner John Banner“ oder Quinn Sterling-Banner lebt mit ihrem Ehemann John …“
Ihr Bauch kribbelte, als sie aufstand und ins Wohnzimmer hinüberging, wo ihr Handy lag. John hatte ihr bestimmt geantwortet. Er hatte in den vergangenen Wochen immer fast unmittelbar zurückgeschrieben, wenn sie ihn kontaktiert hatte und ihr erklärt, dass er sie niemals würde warten lassen wollen. Sie war hundemüde und beschloss, sich nach dieser Nachtschicht ein bisschen hinzulegen. Genau. Mit Johns Nachricht im Kopf würde sie ein paar Stunden schlafen. Dann zum Friseur gehen und sich für das zweite Date neue Klamotten kaufen. Sie ließ sich auf die Couch fallen. Als ihr Telefon tatsächlich eine SMS von John vermeldete, begann ihr Bauch zu kribbeln und ein breites Grinsen setzte sich auf ihren Lippen fest. Endlich hatte sie es geschafft, den Richtigen zu finden. Am Rande stellte Quinn fest, dass die Nachricht erst vor wenigen Minuten verfasst worden war. Seltsam. Wo John doch immer gleich geantwortet hatte. Aber … bestimmt war er müde gewesen, hatte ein paar Stunden geschlafen oder die Nachricht war erst verspätet zugestellt worden. Vielleicht war sein Akku leer … nein. Als sie ihm geschrieben hatte, war er vermutlich gerade mal in seinen Wagen gestiegen. Wenn er nicht vor ihrem Haus im Auto geschlafen hatte, hatte er die Nachricht bestimmt gelesen, gleich, nachdem sie sie ihm geschickt hatte. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihr aus, obwohl sie eigentlich gar keinen Grund dazu hatte. Es war alles großartig. John mochte sie, so wie sie war. Das hatte er nicht nur hundertmal in den Nachrichten an sie und am Telefon versichert, sondern auch am Abend, als er sich von ihr verabschiedet hatte. Der Vorschlag mit dem zweiten Date war direkt von ihm gekommen, nicht von ihr. Er hatte den nächsten Abend ausgewählt und ihr gesagt, er freue sich schon, sie wiederzusehen. Weshalb hätte er sie gleich am nächsten Abend wieder sehen wollen, wenn er sie gar nicht mochte? Da wäre es doch viel einfacher gewesen, sich einfach nicht mehr zu melden und mitten in der Nacht ihre Telefonnummer zu blockieren. Ghosting wie aus dem Lehrbuch.
Warum müsst ihr Frauen immer lügen, was euer Aussehen betrifft. Du hast mich zwei Monate lang belogen und mir verschwiegen, dass du fett bist und aussiehst wie ein Lastwagen. Wie gut, dass mich gestern Abend niemand gesehen hat, den ich kenne, das wäre für mich eine unglaubliche Blamage gewesen. Ich hoffe für den nächsten Typen, der dir auf den Leim geht, dass er sich nicht erst wochenlang von dir belügen und die Zeit stehlen lässt, ehe er dahinterkommt, dass er es die ganze Zeit über mit einem Walross zu tun hat. In L.A. wirst du nie einen Kerl finden. Du bist einfach nicht hübsch genug für diese Stadt.
Quinns Lächeln erstarb. Sie fühlte sich, als hätte sie eine kräftige Ohrfeige bekommen und ein Gefühl des Verlustes machte einem Gefühl der Scham Platz. Sie hätte es wissen müssen. Jemand wie John war einfach nicht ihre Kragenweite. Das war noch nie so gewesen, und nur, weil sie jetzt keine achtzehn mehr, sondern zweiunddreißig war, bedeutete das nicht, dass die Typen ihre Meinung unattraktiven Frauen gegenüber geändert hatten. Optik war wichtiger denn je, das erzählte einem jede Werbung und jede Illustrierte. Einzelne Tränen begannen, Quinns Wangen hinunterzulaufen und sie schalt sich selbst, nicht so kindisch zu sein. Immerhin war es nicht das erste Mal, dass sie eine Abfuhr bekam und auch der Satz „Du bist einfach nicht hübsch genug für L.A.“ war ihr nicht das erste Mal untergekommen. Los Angeles war wohl auch nicht die richtige Stadt für sie. Eine Stadt, wo Aussehen als das wichtigste Gut eines Menschen betrachtet wurde und die Mädchen zu ihren sechzehnten Geburtstagen Schönheitsoperationen geschenkt bekamen. Eine Frau jenseits der dreißig, deren bemerkenswertester Beitrag in Sachen Beauty eine Creme war, die sie für sechsundneunzig Dollar gekauft hatte, weil die angeblich erste Falten wegzauberte, die zwischen Kleidergröße 38 und 40 schwankte und in ihre ganzen Leben noch nicht in Size Zero gepasst hatte, war in Santa Monica wirklich fehl am Platz. Vermutlich wäre sie in einer Stadt im mittleren Westen der absolute Knaller gewesen. Aber hier, in Kalifornien … gehörte sie wohl nicht hin …
Ein dicker Kloß steckte in ihrem Hals, als Quinn sich an diesem Morgen, der eigentlich der Beginn von etwas Großem hätte sein sollen, in ihrem Bett verkroch. Der Tag war kaum wenige Stunden alt und obwohl er so großartig begonnen hatte, hatte ihr das Leben wieder einmal volle Breitseite eins verpasst. Sie wollte sich nur noch unter der Decke verkriechen und die Welt ausknipsen. Völlig übermüdet und mit vom Weinen geschwollenen Augen schlief Quinn kurz darauf ein. Ein einziger Gedanke manifestierte sich dabei ihrem Kopf. Nie wieder würde sie einem Kerl auf dem Leim gehen. Nie wieder würde sie zulassen, dass jemand ihr so weh tat, wie zuletzt John.
1
Am späten Nachmittag sah die Welt schon ein kleines bisschen anders aus. Zwar nicht besser, aber anders. Quinn hatte sich gegen zwei Uhr aus dem Bett aufgerafft und beinahe einen Herzanfall bekommen, als sie in den Spiegel gesehen hatte. Ihre Augen waren zugeschwollen und rot umrandet, ihre Haut sah bleich aus und ihre Haare standen in alle Richtungen zu Berge.
„Kein Wunder, dass dich keiner will“, murmelte sie, während sei einen Blick auf ihre Silhouette warf, die einer Sanduhr gleichkam. Bis sie nach Santa Monica gezogen war, hatte sie ihre Figur im Großen und Ganzen okay gefunden. Klar, sie war kein Size-Zero-Model, und fünfundvierzig Kilo hatte sie das letzte Mal gewogen, als sie auf die Junior High gekommen war, aber ihre Rundungen, die genau dort saßen, wo sie sitzen sollten, hatte sie immer gern gemocht. Natürlich waren dann und wann Kerle dabei gewesen, die sie zu dick empfunden hatten, aber überwiegend hatte sie positive Resonanz auf ihre Figur erhalten. Außerdem war da ihr aufgewecktes Gesicht, das von weichen, dunkelbraunen Wellen eingerahmt wurde und die großen, blauen Augen darin, die für gewöhnlich vor Lebensfreude sprühten. Überdies war sie ohnehin nicht der Typ, der seine ganze Freizeit in Fitnessstudios verbrachte, nur um seinen Körperfettanteil auf unter zehn Prozent zu trimmen und sich beim Essen selber so maßregelte, dass eine vollständige Mahlzeit aus einem kleinen Salat mit zwei Tropfen fettfreiem Dressing bestand. Quinn hatte immer gern gegessen und tat es immer noch. Eigentlich hatte sie immer die Meinung vertreten, dass Menschen, die sie nicht so mochten, wie sie war, sie ohnehin nicht verdient hätten, doch mittlerweile nagte die Tatsache an ihr, scheinbar wirklich nicht hübsch genug für Los Angeles zu sein.
Etwa zwei Stunden später kam Quinn mit einer Tüte Lebensmittel und ihrem Notebook zurück nach Hause. Der geplante Friseurbesuch war ausgefallen. Sie hatte am Strand ihr Manuskript noch einmal überarbeitet und dann einen Abstecher zu ihrem Lieblingssupermarkt gemacht, wo sie sich trotzig mit Tiefkühlpizza, Schokolade und Chips eingedeckt hatte. Wenn die ganze Welt sie ohnehin als fett betrachtete, so brauchte sie sich auch keine Gedanken mehr darüber machen, wie sie auf andere wirkte. Nach der Sache mit John hatte sie ohnehin erst einmal die Nase voll von Dates. Es war immer dasselbe. Eine Bekanntschaft begründete immer auf dem Aussehen, unabhängig davon, was der Kerl zunächst online von sich gab. Klar würde nie einer von all den Typen zugeben, ein oberflächlicher Mistsack zu sein, der eine Frau ablehnte, weil sie zwei Kilo zu viel auf den Rippen hatte. Aber eigentlich waren alle gleich. Es ging einzig und allein ums Aussehen und da konnte Quinn bei all den jungen Fitness- und Tattoomodels, die sich in L.A. tummelten, leider nicht mithalten.
„Verpiss dich doch, du blöder Mistkerl“, schrie jemand, als Quinn aus dem Lift trat.
Noch bevor sie überhaupt wusste, wie ihr geschah, rempelte sie jemand brutal an. Sie wurde gegen die Wand gestoßen und ihre Tüte wurde ihr aus der Hand gerissen. Der Inhalt verteilte sich auf dem Boden neben dem Lift, während ein stechender Schmerz durch ihren Arm fuhr. Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass sie ihr Notebook in den Rucksack gepackt hatte. Nicht auszudenken, wenn es zu Boden gefallen und kaputt gegangen wäre.
„Mein Gott, stell dich bloß nicht so an, du blöde Kuh“, rief der Typ, der mit Quinn zusammengestoßen war und fuchtelte mit seinen Händen in der Luft herum, „du hast von Anfang an gewusst, dass ich nichts Festes von dir will.“Quinn sah zu der offenen Tür zu ihrer Rechten. Ihre Nachbarin Candice stand im Türrahmen und hatte Tränen in den Augen. Candice war der Prototyp einer Santa Monica-Traumfrau. Braungebrannt, sportlich-zierlich mit dem Ansatz eines Sixpacks, lange, blonde Haare, blaue Augen und ein Gesicht, als hätten diverse Modedesigner es in einer speziellen Studie entworfen. Für Quinn war Candice der Inbegriff von Schönheit und manchmal, wenn ihr zum Heulen war, beneidete sich ihre hübsche Nachbarin, der ein Mann wie John bestimmt zu Füßen gelegen wäre. Candice joggte jeden Morgen fünf Meilen am Strand, machte Fitnesstraining und noch einige andere Sportarten. Sie hatte auf Instagram und Tiktok über zwei Millionen Follower, postete praktisch ihren ganzen Alltag und sie hatte Quinn einmal erzählt, dass sie von diesem Instagram- und TikTok-Ding tatsächlich leben konnte. Quinn hatte unlängst den Blog ihrer Nachbarin entdeckt, in dem die Sport- und Fitnesstipps gab, der sich aber eigentlich viel eher darum drehte, sie leicht bekleidet in diversen reizvollen Posen zu zeigen. Es gab sogar einen Link zu einer Amazon-Wunschliste, auf der die Abonnenten des Blogs – zumeist höchstwahrscheinlich Männer – Candice Geschenke machen konnten. Von kleinen Dingen, wie einer Trinkflasche für den Sport, über Luxusparfums bis hin zu einem iMac und einem MacBook Pro konnte man ihr dort Geschenke aus sämtlichen Preisklassen machen. Auf dem Blog gab es einen eigenen Bereich, der „Thank you“ hieß, auf dem sie mit dem jeweiligen Geschenk posierte und häufig auch ein kleines Video präsentierte, in dem sie sich – für Quinns Geschmack ziemlich überzeichnet und mädchenhaft – bei ihrem Sponsor bedankte. Und auch, wenn Quinn sich selbst sagte, niemals so sein zu wollen, wie ihre Nachbarin, so beneidete sie sie insgeheim doch. Candice hatte bestimmt keine Probleme, Männer kennenzulernen, was der Typ, der vor ihr stand, leibhaftig bestätigte und hätte sie so ausgesehen, wie ihre Nachbarin, hätte John sie mit Komplimenten überhäuft, anstatt sie hinterrücks so feige zu beleidigen. Bestimmt hätte er ihr dann noch am selben Abend geschrieben, wie toll er sie fand. Vermutlich wäre er bereits am Morgen mit Frühstück vor ihrer Tür gestanden, weil er es nicht ausgehalten hätte, bis zum Abend auf sie zu warten … aber sie war nicht Candice. Die hübsche, sportliche, schöne Candice, die jeden Mann kriegen konnte, den sie wollte. Doch glücklich sah Candice auch nicht aus.
„Ich will nichts mehr von dir hören oder sehen“, schrie sie und schlug die Tür zu.
Der Mann sah Quinn an. Er war groß, dunkelhaarig und hatte leuchtend grüne Augen. Unter seinem hautengen Shirt zeichneten sich Muskeln ab und ein Tattoo blitzte unter seinem Ärmel hervor. Er war wirklich ein Bild von einem Mann, einer der Typen, bei denen Quinn schwach wurde, und vermutlich auch einer jener Kerle, die sie noch nicht einmal mit der Kneifzange anfassen würde. Quinns Herz begann, schneller zu schlagen. Tausendmal hatte sie in ihren Gedanken genau solche Situationen gesponnen. Ein attraktiver Typ stand ihr in einer ziemlich schrägen Situation gegenüber, sie sahen sich an und beide wussten im selben Moment, dass sie füreinander geschaffen waren.
„Was glotzt du denn so dämlich, Fettarsch“, rief der Mann aufgebracht, ehe er wie vom wilden Affen gebissen die Treppen hinunterlief.
Quinn, die gar nicht merkte, wie puterrot sie angelaufen war, begann, die Lebensmittel aufzusammeln, die sich im gesamten Flur verteilt hatten. Wie peinlich. Am liebsten wäre sie sofort tot umgefallen.
„Alles klar bei dir?“
Sie sah auf. Candice stand vor ihr und beugte sich zu ihr herunter. Bislang hatten die beiden Frauen nicht viel miteinander zu schaffen gehabt. Sie hatten sich gegrüßt, wenn sie sich zufällig begegneten und hin und wieder nahm Quinn ein Päckchen für ihre Nachbarin an, wenn die nicht Zuhause war.
„Ja. Ja, natürlich“, sagte Quinn.
„Ich meine, weil Greg dich ziemlich erwischt hat“, sagte Candice und blickte auf Quinns rechten Arm. Ein dünnes Rinnsal aus Blut lief ihren Unterarm entlang, eine kleine Lache hatte sich bereits auf den Bodenfliesen gebildet. Quinn hatte die Verletzung gar nicht bemerkt.
„Oh verdammt, das hatte ich gar nicht gesehen.“ Sie suchte ihren Arm ab und entdeckte eine blutende Wunde daran, die sie sich offenbar zugezogen hatte, als „Greg“ sie gegen die Wand neben dem Lift gestoßen hatte.„Warte hier, ich hole Verbandszeug“, sagte Candice und verschwand in ihrem Appartement, nur im kurz darauf wieder mit einem Verbandskasten zurückzukommen.
„Vielleicht solltest du das im Krankenhaus ansehen lassen“, meinte sie, nachdem sie Quinns Arm verarztet hatte, „nicht, dass am Ende eine Narbe zurückbleibt.“„Ach Quatsch, das ist nichts“, winkte Quinn ab und drückte sanft gegen den Verband. Und selbst wenn eine Narbe blieb, bei ihr wäre das egal. Es sah sie sowieso niemand an.
Gemeinsam sammelten die beiden Frauen die Lebensmittel in die Tüte, die sich überall auf dem Flur verteilt hatten.
„Tut mir leid, dass du das mitbekommen hast“, sagte Candice, „du denkst jetzt bestimmt, dass ich eine idiotische Schlampe bin.“
„Ach Quatsch, überhaupt nicht“, sagte Quinn und erwähnte nicht, dass sie ähnliche Gedanken über ihre Nachbarin schon mehrfach gehabt hatte – zumindest, seit sie Candices fragwürdigen Blog im Internet gefunden hatte und sie noch nicht persönlich kennengelernt hatte.
„Weißt du, ich dachte, Greg wäre echt der Richtige. Ich habe schon ein paar Mistkerle getroffen, aber dieses Mal war ich mir sicher, dass etwas Festeres aus uns beiden entstehen könnte. Wir waren gestern das vierte Mal aus. Ich habe ihn mit zu mir nach Hause genommen und … naja, wir hatte Sex und ich dachte, es sei okay, weil wir uns ja schon mehrmals getroffen haben und dann, vorhin … hat er mir ungeniert auf die Nase gebunden, dass er jetzt nach Hause müsse, weil er heute Abend mit seiner Frau bei Freunden eingeladen wäre. Ist das zu fassen?“
Ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. Offenbar war es auch für hübsche Frauen nicht gerade einfach, den Richtigen zu finden.„Das tut mir wirklich leid“, sagte Quinn und dachte für einen Augenblick an John. Und an all die anderen Typen, die ihr ebenfalls schon verheimlicht hatten, verheiratet zu sein. Seit es Dating-Apps gab, war es so einfach wie nie, an Verabredungen und letztlich auch an Sex zu kommen, dass es noch nicht einmal viel Aufwand darstellte, seinen Partner zu betrügen. Untreue stand in Zeiten von Tinder & Co. an der Tagesordnung, wurde vermutlich mehr oder weniger als Kavaliersdelikt angesehen. Und selbst in Quinns eigenem Bekanntenkreis gab es eine Handvoll Personen, die ihre Partner nach Strich und Faden betrogen. Nach außen hin einen auf perfektes Familienleben machten, es hinter verschlossener Tür aber mit einem zweiten Partner ordentlich krachen ließen. Einem eine glückliche Beziehung vorgaukelten, aber auf jeder nur denkbaren Dating-App vertreten war.
„Weißt du, manchmal wünschte ich, die Typen würden mich meinetwegen lieben, und nicht wegen meines Aussehens“, sagte Candice und wirkte genauso verzweifelt, wie Quinn es immer war, wenn man ihr vorwarf, nicht hübsch genug zu sein, „ich meine, alle glauben, ich wäre blöd und naiv, nur weil ich … aussehe, wie ich aussehe.“
Quinn sah Candice an und erwähnte nicht, dass sie schon ein bisschen selber mit Schuld war, dass man sie für ein naives Dummchen hielt. Erst kürzlich hatte sie auf ihrem Blog Fotos veröffentlicht, auf denen sie in Hotpants und nur mit einem microknappen Bikinioberteil und einem Stetson auf dem Kopf auf einem Pferd ritt. Dass Kerle bei solchen Bildern nicht gerade darüber nachdachten, in welchem Fachgebiet und an welcher Uni sie wohl promoviert hatte, lag auf der Hand.
„Denk nicht zu viel drüber nach“, sagte sie schließlich, „der Typ war ein Idiot, wenn er dich so behandelt hat. Und außerdem hat er eine wie dich ohnehin nicht verdient. Mistkerl. Seine Frau tut mir leid. Die sitzt Zuhause und denkt, ihr liebevoller Ehemann arbeitet sich im Büro krumm und muss sogar eine Nachtschicht einlegen, während er sie so hintergeht.“„Männer sind Scheißkerle“, sagte Candice und klang schon ein bisschen besser gelaunt.
Quinn rappelte sich auf und nahm ihre Tüte hoch. Sie dachte kurz an den Vorfall mit John, überlegte, ob sie die Geschichte zum Besten geben sollte und entschied sich dann dagegen. Sie wollte John Banner so schnell wie möglich aus ihrem Gedächtnis verbannen, auch, wenn sie das einiges an Mühe kosten würde. Stattdessen lächelte sie ihrer Nachbarin vielsagend zu.
„Auf alle Fälle Danke für den Verband“, sagte sie, während sie die Tür zu ihrem Appartement aufschloss.
„Kein Ding. Tut mir leid, dass du das mitbekommen hast“, entgegnete Candice, bevor sie ihre Tür schloss.
2
„Jetzt hättest du dich wohl gerade für dein zweites Date mit John fertiggemacht“, sinnierte Quinn, als sie an diesem Abend auf ihrer Couch lag und durchs Vorabendprogramm zappte. Ihr Blick fiel auf ihre Oberschenkel, die ihr mit einem Mal vorkamen wie die Keulen eines Nilpferdes. Wie die schwabbeligen Keulen eines Nilpferdes. Weiße, schwabbelige Keulen eines Albinonilpferdes. Vor einigen Minuten hatte sie die Vorhänge ihres Wohnzimmerfensters geschlossen. Das Wohnzimmer und der zugehörige Balkon zeigten direkt hinaus auf den Ozean und am Strand hatte sich eine Gruppe Models – ihr kam es so vor, als würde ganz Santa Monica nur aus jungen, attraktiven Models bestehen – versammelt, um ein gemeinsames Outdoor-Workout zu veranstalten. Natürlich hatten die begeisterten Kerle, die johlten und sich die Augen an den Frauen ausguckten, nicht lange auf sich warten lassen.
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