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Daniela Felbermayr

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Beschreibung

Logan Parker ist im Moment der hellste Stern am Schauspielerhimmel Hollywoods. Rollenangebote fliegen ihm - wie Frauenherzen - nur so zu und er kann sich vor Angeboten von beidem kaum noch retten. Durch all den Ruhm und das Geld hat Logan jedoch den Boden unter den Füßen verloren und sich einen Skandal nach dem anderen geleistet. Durch Alkoholexzesse, Frauengeschichten und Pöbeleien ist er kurz davor, seine Karriere gegen den Baum zu fahren. Seinem Management ist klar: ein Plan muss her, um aus dem Bad Boy wieder einen Saubermann zu machen ... nur - wie könnte der Aussehen? Die Autorin Kate Gilmore ist außer sich. Nach einem langen Tag bei ihrem Verlag klaut ihr so ein Kerl nicht nur im strömenden Regen das Taxi vor der Nase weg, er nimmt sogar ihre Handtasche mit, die sich bereits auf dem Rücksitz des Wagens befunden hat. Und dann stellt sich auch noch heraus, dass es sich bei dem Taxidieb um niemand geringeren als den Schauspieler Logan Parker handelt. Doch anstatt Wiedergutmachung zu leisten, bietet ihr Logans Management einen außergewöhnlichen Deal an, zu dem sie nicht nein sagen kann. Kate soll - um Logans schwer angeschlagenen Ruf wiederherzustellen - der Öffentlichkeit als dessen neue Freundin vorgestellt werden. So prallen also Welten aufeinander, als der Hollywoodstar und die Autorin sich näher kommen. Und schon bald stellen sie beide fest, dass Liebe kein Drehbuch kennt ...

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Seitenzahl: 310

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Inhaltsverzeichnis

Danksagung

LESEPROBE

Copyright © 2019 Daniela Felbermayr

1. Auflage, 2019

Text & Titel: Daniela Felbermayr

Cover: www.rausch-gold.com Catrin Sommer,

unter der Verwendung von Shutterstock

Korrektorat: S.W. Korrekturen e.U.

All rights reserved.

www.danielafelbermayr.com

[email protected]

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Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Personen und Handlungen aus diesem Roman sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit oder Bezüge zu real existieren Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen und Warenzeichen, die in diesem Buch vorkommen, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Besitzer.

Prolog

„Mein Gott, Logan, du bist doch kein kleines Kind mehr. Du bist dreiundvierzig Jahre alt, und dir bietet sich eine Chance, wie sie sich nur ganz selten jemandem bietet. Musst du wirklich alles drauf und dran setzen, sie zu zerstören?“

Greg Potter sah Logan aus fuchsteufelswilden Augen an. Der wiederum grinste Greg feist ins Gesicht.

„Findest du das auch noch witzig?“, schrie Greg schon fast und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein schütteres, graues Haar.

„Wenn die mich nicht wollen, will mich jemand anderes“, meinte Logan unbedarft und wirkte fast gelangweilt. „Ich verstehe nicht, warum du deswegen so ein Fass aufmachst. Es gibt andere Angebote, es gibt andere Produzenten, es gibt andere Filme. Ich habe diesen Schinken von O’Donnell ohnehin scheiße gefunden. Ich hab’s nicht so mit diesen dämlichen romantischen Liebeskomödien.“

„Du willst mich ins Grab bringen, Logan, richtig“, rief Greg und sah so verzweifelt aus, als hätte man ihm gerade erst mitgeteilt, dass er soeben seinen Job verloren hatte und fortan auf der Straße leben müsse.

„Ja, klar, ich habe nichts anderes im Sinn“, sagte Logan und rollte mit den Augen. „Du solltest die Sache etwas lockerer sehen“, lenkte er dann ein. „Lass uns doch erst mal die anderen Angebote durchsehen. Ich hätte wieder einmal Lust auf einen Actionstreifen, Irgendwas in Richtung James Bond oder so. Und … apropos James Bond: Wollten die Daniel Craig nicht längst ersetzen? Ich habe schottische Wurzeln, also würde ich theoretisch in Betracht kommen.“

Greg blickte Logan durchdringend für einige Augenblicke lang an.

„Mein lieber Junge, es gibt keine anderen Angebote“, sagte er eindringlich.

Logan sah auf. Jetzt wirkte er zum ersten Mal ernsthaft an dem Gespräch interessiert. Er sah tatsächlich überrascht und verwundert aus. Bislang hatte Logan Parker sich vor Angeboten kaum retten können. Jeder wollte ihn für seinen Film haben, und Logan hatte das besondere Talent, nicht nur in harten Actionthrillern als glaubwürdiger, tougher und harter Held herüberzukommen, sondern auch als romantischer Draufgänger in Liebeskomödien echt zu wirken. Jeder stand auf Logan Parker. Kerle sahen ihn sich gerne als knallharten Typen an, der für Gerechtigkeit kämpfte und dabei bis zum Äußersten ging, um seine Familie oder sein Land zu retten. Und Frauen schmolzen dahin, wenn er als Obermacho an die Frau seiner Träume gelangte und über einige Irrungen und Wirrungen schließlich zum Traummann wurde.

„Wie meinst du das, ‚Es gibt keine anderen Angebote‘? Wir hatten doch erst vor einigen Wochen darüber gesprochen, dass die Wayne-Brothers mich für ihren neuen Streifen wollen. Und war da nicht auch ein Angebot über eine Art Remake von ‚Stirb Langsam‘? Ich glaube, als die Neuauflage von John McLane würde ich mich ganz gut machen, meinst du nicht?“

Greg Potter setzte sich auf den Stuhl gegenüber Logan und sah seinen Klienten an. Es war nicht einfach für ihn, seinem besten Pferd im Stall sagen zu müssen, dass seine Karriere sich in gefährlichem Tempo dem Abgrund näherte. Doch Logan Parker war ein Mann, der den Bezug zur Realität völlig verloren hatte. Seit seinem Durchbruch vor vier Jahren mit einem Low-Budget-Actionstreifen, der sich zum Blockbuster entwickelt hatte, hatte Logans Karriere so schnell Fahrt aufgenommen, dass es für ihn kein Halten mehr gab. Und so verhielt Logan sich auch. Er trank, umgab sich mit leichten Mädchen, nahm sich Groupies mit aufs Zimmer und war bereits zweimal mit Drogen erwischt worden. Nur seinem Geld und seinem Promistatus war es zu verdanken, dass er bislang noch nicht hinter Gittern saß, doch wenn er so weitermachte wie bisher, war es nur eine Frage der Zeit, bis er hinter schwedische Gardinen gesteckt wurde. „Du sagst es völlig richtig, Logan, war. Die Angebote sind alle zurückgezogen worden, erst heute früh kam ein Anruf der Produktionsassistentin von ‚From a better World.‘ Sogar den Gastauftritt dort haben sie dir abgenommen.“

Logan riss die Augen auf. Jetzt war er wirklich schockiert. Er hatte überhaupt keine Lust gehabt, als unehelicher Sohn des Hauptdarstellers in einer Seifenoper aufzutreten, und Greg hatte ihn förmlich anbetteln müssen, um zu unterschreiben. Er war der Ansicht, dass man diese nervige Seifenoper, die bereits seit den frühen Achtzigerjahren lief, mit einem Gastauftritt von ihm nur etwas Pep verleihen wollte. Greg hingegen fand, man müsse Logan nach all seinen Eskapaden wieder etwas greifbarer machen. Ihn dem Publikum als netten Kerl von nebenan verkaufen, als den Halbbruder in einer Daily Soap, der die weibliche Hauptfigur aus einem Flammeninferno rettete und zum Helden des Tages wurde, wäre er perfekt besetzt.

„Warum?“

Greg setzte sich aufrecht in seinen Stuhl.

„Warum? Charlie Sheen wirkt wie ein armseliger Waisenknabe gegen dich, du vögelst dich durch deine Groupies, bist ständig besoffen und hältst Drehtermine nicht ein. Außerdem legst du dich mit Produzenten an und beschimpfst Regisseure, wenn dir etwas nicht in den Kram passt. Allein auf YouTube gibt es etwa fünfzig Videos, die dich mit irgendwelchen Schlampen beim Matratzensport zeigen, einmal sogar in einem Auto. Es ist, als wärst du das uneheliche Kind sämtlicher Fehltritte, die Prominente jemals in ihrem Leben gemacht haben. Du setzt allem immer wieder die Krone neu auf. Es wundert mich ehrlich gesagt, dass du dich überhaupt so lange halten konntest.“

„Aber … ich bin gut. Ich hatte ein paar Blockbuster. Jeder meiner Filme war ein Kassenschlager.“

„Ja. Und dann ist der Erfolg dir zu Kopf gestiegen und du bist abgehoben. So läuft das nun mal nicht, Freundchen. Wenn du das Ruder jetzt nicht herumreißt, dann wirst du in einem halben Jahr bei Starbucks Kaffee verkaufen, wenn du Glück hast und die dich dort nehmen. Und ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob es nicht bereits längst zu spät ist.“

Entgeistert sah Logan Parker seinen Agenten an. Damit hatte er nun nicht gerechnet. Ja, er wusste, dass er sich in den letzten Monaten einige Ausrutscher geleistet hatte, aber so war das nun mal, wenn man am Zenit seiner Karriere angelangt war. Er hatte einen Promistatus erreicht, der ihm so einiges ermöglichte und erlaubte.

„Den Hundeblick kannst du dir sparen“, entgegnete Greg. „Ich rate dir, dich in Zukunft etwas besser unter Kontrolle zu haben. Versuch, den Ball flach zu halten, zieh dich zurück, und sei etwas kontrollierter, was deinen Alkoholkonsum angeht. Such dir eine Freundin, zur Hölle. Das wäre Publicity, die dich weiterbringt. Die Fans wollen glückliche Familienväter sehen, keine besoffenen Möchtegerns, die glauben, die ganze Welt gehöre ihnen.“

„Kannst du Fred Larson von Kanal 9 vielleicht noch mal anrufen? Der wollte mich doch in seiner Lateshow?“, fragte Logan kleinlaut. Ihm war in diesem Moment bewusst geworden, dass er vielleicht doch einen Schritt zu weit gegangen war. Der Auftritt in Fred Larsons Show war das Einzige, was ihm auf die Schnelle als Schadensbegrenzung einfiel.

„Kann ich versuchen. Ob sie dich dort allerdings noch haben wollen, weiß ich auch nicht. In der Glamerica haben sie bereits über deinen Fall berichtet. Ich sehe zu, was ich für dich tun kann, aber, Junge, ich kann dir nichts versprechen.“

„Schon gut. Danke, Greg.“

Logan stand auf, nahm seine Lederjacke und schlüpfte lässig hinein.

„Nimm dir meinen Rat zu Herzen“, versuchte Greg es noch einmal. „Bleib zu Hause, komm runter, komm zur Ruhe. Lass etwas Gras über die ganze Sache wachsen. Tu etwas Wohltätiges. Vielleicht kann ich dich dann wieder irgendwo unterbringen.“

Logan sah seinen Agenten ungläubig an. Dann verließ er dessen Büro und trat hinaus auf die verregneten Straßen Manhattans.

War es tatsächlich möglich, dass Hollywood ihn – den raubeinigen Traumtypen, der in romantischen Komödien ebenso gut rüberkam wie in Actionstreifen und Psychothrillern, soeben abgesägt hatte? Ohne dass er es überhaupt mitbekommen hatte? Ein mulmiges Gefühl hatte sich in Logan ausgebreitet, ein Gefühl, das er schon lange nicht mehr verspürt hatte. Ein Gefühl der Unsicherheit. Okay, er hatte vielleicht hier und dort über dir Stränge geschlagen, hatte ein kleines bisschen die Kontrolle verloren, aber er war noch nie der Typ für eine feste Beziehung, eine Frau und zwei Kinder gewesen, das wussten die Fans und das wussten die Produzenten. Und letztlich liebten sie ihn dafür. Er hatte schon bei mehreren Kollegen mitbekommen, dass deren Fanbase gesunken war, nachdem sie geheiratet und eine Familie gegründet hatten. Am Ende des Tages hofften die Fangirls ja doch immer noch, sie könnten einen aufreißen, wenn man Single war, ganz unabhängig davon, ob diejenige nun in Manhattan, in L. A. oder in Uganda lebte. Er wusste von Kollegen, die ihre Familien in der Öffentlichkeit verheimlichten, verleugneten, nur um nicht auf den absteigenden Ast zu gelangen, weil das Interesse der weiblichen Fans nachließ. Sobald ein Schauspieler unter der Haube war, sank sein Beliebtheitslevel. Das war eine Tatsache. Und es war außerdem so einfach, Frauen abzuschleppen, wenn man einer der begehrtesten Singles im Filmgeschäft war. Sie warfen sich einem förmlich an den Hals, egal, wo man gerade war, was man gerade tat und ob man nüchtern war oder völlig einen im Tee hatte. Die meisten von ihnen wollten noch nicht einmal zum Essen ausgeführt oder am nächsten Tag angerufen werden, es reichte ihnen, wenn sie von sich behaupten konnten, mit Logan Parker geschlafen zu haben. Gut, von den zahlreichen Selfies, in denen irgendeine Schnalle neben einem völlig weggetretenen Logan im Bett lag, die überall im Internet kursierten, mal abgesehen. Aber Logan fand, dass diese Fotos ein geringer Preis dafür waren, dass er den Traum eines jeden Kerls lebte. Und was er in seinem Privatleben trieb, ging die Produktionsfirmen nichts an, so hatte er es schon immer gehalten.

Die Produktionsfirmen hatten alle Rollenangebote zurückgezogen. Alle. Sogar diesen dämlichen Gastauftritt in der Seifenoper „From another World“, bei der er den unehelichen Sohn eines Hauptdarstellers hätte mimen sollen und über die er sich die ganze Zeit lustig gemacht hatte. War es möglich, dass er von heute auf morgen arbeitslos sein würde? Würde er in absehbarer Zeit nicht mehr Hauptrollen in Blockbustern, sondern Gastauftritte in drittklassigen B-Movies übernehmen oder gar – wie von Greg prophezeit – die Schauspielerei ganz an den Nagel hängen müssen? Er wäre nicht der Erste, den es traf. Theoretisch fand man an allen Ecken und Enden ausgediente Schauspieler, die zunächst gedacht hatten, sie könnten der Welt ein Loch schlagen, die dann aber unsanft erst auf dem Boden der Realität und schließlich auf dem Arbeitsamt gelandet waren. Man musste nur Macauley Culkin ansehen. Charlie Sheen war seit seinen Eskapaden bei „Two and a half Men“ auch in keiner namhaften Produktion mehr untergekommen. Ein mulmiges Gefühl überkam ihn. Hatte er den Bogen vielleicht überspannt? War er doch nicht so unverwundbar, wie er glaubte und wie er sich anderen gegenüber oft gab? Es wollte nicht in seinen Kopf hinein, dass alle Rollenangebote, die er bis vor Kurzem noch gehabt hatte, zurückgezogen worden waren. Sogar diese Scheiß-Seifenoper, die er ohnehin nicht hatte machen wollen. Er seufzte. Irgendeine Lösung würde es schon geben. Irgendeine Lösung MUSSTE es geben. Er würde sich Gregs Ratschlag wohl oder übel zu Herzen nehmen müssen und sich in Zukunft etwas zusammennehmen. Koks in aller Öffentlichkeit zu ziehen und sich dabei von Papparazzi fotografieren zu lassen, während man einer käuflichen Dame ans Dekolleté fasste, war zukünftig eben nicht mehr drin.

Ein Schwall aus nicht gerade motivierenden Gedanken flutete seinen Kopf, als er das Gebäude verließ, in dem Gregs Agentur sich eingemietet hatte. Ihm wurde klar, dass das hier keine Spielerei mehr war und auch nichts, aus dem er sich mit einem charmanten Lächeln und einem Augenzwinkern herausmanövrieren konnte. Er würde sein Leben umkrempeln müssen, wenn er noch einmal mit einem blauen Auge davonkommen wollte, so schwer ihm das auch fiel. Er würde zusehen müssen, wieder Boden unter die Füße zu bekommen, auch, wenn er sich im Augenblick noch nicht vorstellen konnte, wie er das anstellen sollte.

Er sah prüfend zum Himmel hinauf. Kalte Regenschauer peitschten vom Himmel und der Wind hatte ziemlich aufgefrischt. Braune, abgestorbene Blätter fegten über den Bürgersteig und die Menschen, die unterwegs waren, hatten ihre Mäntel und Jacken dicht um ihre Körper geschlungen. Anscheinend hatte die Wetterlage sich seiner aktuellen Situation angepasst. Logan trat in den Regen und hielt Ausschau nach einem Taxi.

Eins

Kate Gilmore sah skeptisch zum Himmel, als sie aus ihrem Büro hinaus ins Freie trat. Seit den frühen Morgenstunden regnete es jetzt in Strömen und ohne Aussicht auf Besserung. Vor ihren Füßen und auf der Straße hatten sich bereits große Pfützen gebildet, die manchmal durch vorbeifahrende Autos aufgespritzt wurden. Zu allem Überfluss hatte Kate – die dummerweise eine kleine Chaotin war – ihren Regenschirm an diesem Morgen zu Hause vergessen. Nein, eigentlich hatte sie ihn nicht vergessen. Sie war nur dahintergekommen, dass er noch oben in ihrem Appartement neben der Tür stand, als sie bereits hinaus auf die Straße getreten war. Und weil sie ohnehin schon spät dran – und obendrein zu faul gewesen war, um noch einmal nach oben zu gehen –, hatte sie gehofft, dass der Regen im Laufe des Tages nachlassen würde. Tja, dumm gelaufen. Sie wagte einen weiteren Blick nach oben und realisierte, dass es nichts brachte, weiterhin darauf zu warten, dass diese Sintflut abebbte. Sie würde hinaus auf die Straße laufen, in Kauf nehmen, dass sie dabei bis auf die Haut durchnässt wurde, sich ein Taxi heranwinken und den Abend bei einem gemütlichen Glas Wein ausklingen lassen. Der Tag im Verlag war anstrengend genug gewesen, sie war von einem Meeting zum nächsten gehetzt, hatte sich in ein neues Buch eingearbeitet und sich mit ihrem Lektor getroffen, der die letzten drei Kapitel ihres neuen Romans durchgearbeitet und sie ganz nebenbei ordentlich zerpflückt hatte. Sie würde einiges aufzuarbeiten haben, wollte sie den Veröffentlichungstermin halten, der in zwei Monaten angesetzt war. Ihr Schädel brummte und sie wollte nur noch nach Hause. Ein heißes Bad nehmen, sich mit ihren Katzen vor den Fernseher pflanzen, irgendwelchen Schrott ansehen und möglichst früh ins Bett gehen.

Aus der Ferne entdeckte sie die gelbe Silhouette eines Taxis, das sich seinen Weg durch den Regen bahnte und in ihre Richtung kam. Das gelbe Taxi-Schild auf dem Autodach leuchtete, was bedeutete, dass der Wagen frei war.

„Jetzt oder nie“, murmelte sie und lief hinaus in den strömenden Regen, just in dem Moment, in dem auch ihr Handy zu klingeln begann. Sie fischte in ihrer Handtasche nach dem Telefon und verfluchte sich wieder einmal dafür, dass sie es nicht schaffte, wenigstens darin etwas Ordnung zu halten. Immer noch in der Tasche kramend, rannte sie auf das Taxi zu, winkte es mit der Handtasche heran und zog das Telefon heraus, während sie die Wagentür öffnete.

„Hallo?“

Sie warf ihre Handtasche auf den Rücksitz und bemerkte, wie ihr Schlüsselbund herausfiel und in einer Pfütze direkt neben dem hinteren Wagenreifen landete. Ihr Herz blieb stehen, als er gerade wenige Zentimeter neben einem Gullydeckel zu liegen kam und es für einen Moment den Anschein hatte, als würde er in die ewigen Jagdgründe der New Yorker Kanalisation eingehen.

„Kate? Ich bin’s, Grace. Hast du meine Nachricht nicht bekommen?“ Kate blickte ratlos auf ihr Smartphone, während sie ihren Schlüsselbund aus der Pfütze klaubte, und entdeckte ein kleines, digitales Briefkuvert in der rechten, oberen Ecke.

„Nein, ich war den ganzen Tag über in Meetings. Was gibt’s?“

„Ich wollte dich fragen, ob du Lust hast, heute oder morgen mit ins Kino zu kommen. Der neue Logan-Parker-Film ist gerade angelaufen und den würde ich mir gerne ansehen. Der Typ ist einfach sooooo heiß.“ Kate grübelte. Eigentlich hatte sie an diesem Abend keine große Lust, noch einmal vor die Tür zu gehen, sobald sie ihr Appartement erreicht hatte. Sie würde Grace auf ein anderes Mal vertrösten müssen.

Im nächsten Moment wurde sie rüde zur Seite gestoßen, ein großer Kerl drängte sich an ihr vorbei in das Taxi, murmelte ein unverständliches „Tschuldigung“ und knallte ihr die Tür vor der Nase zu. Kate blickte dem Taxi irritiert nach, das im strömenden New Yorker Regen verschwand, während sich ihre Handtasche immer noch auf dem Rücksitz befand.

„Kate? Kate! Bist du noch dran?“ Grace’ Stimme gellte aus dem Telefon.

„Ja, ich bin noch dran“, sagte Kate abwesend. „Irgend so ein Typ hat mich grade vom Taxi abgedrängt und es mir vor der Nase weggeschnappt.“

„Was? So ein Drecksack.“ „Meine Tasche liegt übrigens noch auf dem Rücksitz“, setzte Kate nach und sah zu, wie das Taxi an der nächsten Kreuzung nach rechts abbog und dann verschwand. Es war ihr weder gelungen, das Kennzeichen noch die Wagennummer des Taxis zu erkennen, doch vermutlich hätte sie sich weder das eine noch das andere gemerkt. Sie war heilfroh, seit geraumer Zeit mit Dropbox zu arbeiten, sodass sie ihr Notebook nicht immer mit sich herumschleppen musste, wenn sie Termine bei ihrem Verlag hatte. Nicht auszudenken, was los gewesen wäre, hätte irgendjemand sich mit ihrem Notebook voller Manuskripte davongemacht.

„Was? So ein Mist. Hast du dir die Wagennummer gemerkt? Du musst sofort bei der Taxizentrale anrufen und…“

Grace klang wie ein aufgescheuchtes Huhn. Kates beste Freundin stand irgendwie ständig unter Strom und geriet in Situationen, die etwas knifflig waren, leicht in Panik. Außerdem witterte sie hinter allem und jedem eine Gefahr.

„Ich habe die Wagennummer nicht“, sagte Kate, als sie im strömenden Regen den Bürgersteig entlangging und sich auf den Weg zur nächsten U-Bahn-Station machte. Jetzt war es ihr egal, dass sie völlig durchnässt wurde und sich vermutlich erkältete.

„Es war dunkel, es hat geregnet, und ich habe bei Gott nicht damit gerechnet, dass mich irgendjemand in die nächste Pfütze stößt und mir dieses Taxi wegschnappt.“

„Du musst sofort all deine Kreditkarten sperren lassen“, plapperte Grace aufgeregt weiter. „Was, wenn der Typ die Tasche mitnimmt und auf deine Kosten einkaufen geht? Und du musst deine Schlösser an den Türen austauschen. O mein Gott, was, wenn er deine Adresse rausfindet und bei dir einbricht? Dich vergewaltigt oder umbringt. Du musst dir nur ‚Medical Detectives‘ im Fernsehen ansehen. So was passiert praktisch ständig. An jeder Straßenecke. Man weiß ja nie …“

Kate rollte mit den Augen. Grace Kerns war ihre beste Freundin, allerdings war sie auch die ängstlichste Person, der Kate jemals begegnet war.

„Grace, beruhige dich. Ich bin mir sicher, der Typ wird weder bei mir einbrechen noch mich umbringen. Vermutlich gibt er die Tasche dem Fahrer, der gibt sie in der Zentrale ab und ich kann sie mir morgen dort abholen.“ „Du siehst das alles viel zu locker, Kate“, sagte Grace beschwichtigend. „Du hast ja gar keine Ahnung, was für zwielichtige Gestalten auf den Straßen rumlaufen. Und wenn er schon so weit geht, dir ein Taxi zu klauen, warum soll er dir dann nicht auch deine Wertsachen abnehmen. Oder dein Leben?“

„Und du klingst wie meine Großmutter.“ Kate lachte. „Ich bin jetzt an der U-Bahn-Station und werde da unten gleich keinen Empfang mehr haben. Wir telefonieren morgen, okay?“

„Wenn du dann noch am Leben bist“, murmelte Grace verschwörerisch.

„Wer weiß, vielleicht ist der Typ ja unglaublich heiß. Dann würde ich mich über einen Einbruch von ihm doch tatsächlich freuen.“ Kate lachte über diesen makabren Scherz, legte auf und lief die Treppen zur U-Bahn hinunter.

„Es tut mir leid, Ma’am, aber bei uns wurde keine Handtasche abgegeben“, sagte die Angestellte der Yellow-Cab-Co. am Telefon.

Sie hatte, während Kate eine gefühlte Ewigkeit in der Warteschleife gehangen hatte, den Fahrer des Wagens, der vor einer knappen Stunde am Banks-Tower in der 87. Straße angehalten hatte, per Funk erreicht und bei ihm nachgefragt, ob eine Handtasche abgegeben wurde.

„Er kann sich zwar erinnern, dass der Fahrgast ihnen den Wagen vor der Nase weggeschnappt hat, aber eine Tasche wurde nicht abgegeben. Er hat den Passagier am Central Park West abgesetzt, seither hatte er aber bereits zahlreiche weitere Fahrgäste. Es tut mir leid, Ma’am, aber es ist gut möglich, dass einer von ihnen die Tasche mitgenommen hat. Möglicherweise sollten Sie Ihre Kreditkarten sperren lassen und vielleicht auch die Schlösser an Ihrer Tür auswechseln.“

Die Frau klang wie Grace.

„Vielen Dank“, sagte Kate resigniert und legte auf. Sie ärgerte sich über den Typen, der sie in die Pfütze gestoßen hatte. Was für ein Arsch musste der Kerl eigentlich sein, dass er einer Frau bei strömendem Regen nicht nur das Taxi klaute, sondern sie auch noch absichtlich in eine Pfütze schubste. Sie überlegte. In einem ihrer Romane würde der Kerl sich bei ihr entschuldigen und am Ende würden sie vermutlich vor dem Traualtar stehen. Als Autorin von romantischen Liebeskomödien neigte Kate dazu, alle Situationen, die sie irgendwie erlebte, zu verromantisieren und mit dem Gedanken zu spielen, daraus ein Buch zu machen. Oftmals gelang ihr das auch und einige ihrer Werke waren tatsächlich aus persönlichen Erlebnissen entstanden, die sie dann einfach auf ihre Art weitergesponnen und zu einem Roman verarbeitet hatte.

Sie fuhr ihr Notebook hoch, um sich die Nummer der Sperrhotline für ihre Kreditkarten herauszusuchen und sich gleich den Antrag für eine Neuausstellung herunterzuladen. Was für ein Mistkerl musste man sein, um einer Frau im strömenden Regen das Taxi vor der Nase wegzuschnappen, nein, sie vom Wagen wegzustoßen, nur, damit man selbst einsteigen konnte? Gentlemen waren wohl schon seit Längerem aus der Mode. Kate ließ sich auf ihre Couch fallen und strich ihrem Kater „Scout“, einem riesengroßen, roten Exemplar, das gut und gerne das lebende Pendant zu Garfield hätte sein können, über das Fell, während sie an ihrem Glas Merlot nippte. Ihr Handy begann zu klingeln.

„Vielleicht haben sie die Tasche doch noch gefunden“, murmelte sie dem Kater zu, der laut schnurrend auf der Couch eingeschlafen war, während „Teddy“, Kates zweiter Kater, sich neben ihm niedergelassen hatte und sein Frauchen neugierig beäugte.

Das Handy vermeldete allerdings nicht die Yellow-Cab-Company als Anrufer, sondern Grace.

„Hey, Grace“, sagte Kate, als sie das Gespräch entgegennahm. „Wie du hören kannst, bin ich immer noch am Leben.“ Sie schmunzelte.

„Wieso zur Hölle hast du mir nichts davon gesagt?“, quiekte Grace in fast hysterischem Ton ins Telefon, ohne auf Kates Scherz einzugehen.

„Was meinst du?“ Kate verstand nicht.

„Na, wegen dem Typen, der dich angerempelt hat.“ „Was ist mit ihm?“ Kate verstand immer noch nicht.

„Hast du nicht auf YouTube geguckt? Auf Facebook wurde es bereits haufenweise geteilt und auf Instagram auch. Du musst es doch schon gesehen haben!“

„Grace, meine Güte, beruhige dich. Was muss ich gesehen haben? Und was hat man über tausendmal auf YouTube geteilt? Etwa, wie der Typ mich vom Taxi wegrempelt und es mir vor der Nase wegnimmt?“

Kate sah sich schon mit Anlauf in die nächste Peinlichkeit hineinschlittern. Jetzt war auch noch auf YouTube zu sehen, wie der Typ ihr das Taxi klaute. Bestimmt würde das Video in ihrem Freundeskreis die Runde machen. Bei ihrem Glück sah sie wohl auch noch extradämlich aus, würde unbeholfen in die Pfütze plumpsen und einer dieser unglücklichen Internetstars werden, über die die ganze Welt lachte. Wie etwa der hysterische Junge, der durchdreht, weil er bei seinem Videospiel verliert. Oder diese schräge Frau, die völlig abgefahren zu einem Schlager aus den Sechzigerjahren tanzt. Möglicherweise klopften demnächst noch die Produzenten dieser merkwürdigen Dschungelshow bei ihr an, bei der man möglichst viele abartige Insekten essen musste, um zu gewinnen. „Ja, aber darum geht es nicht. Es geht darum, wer es gewesen ist.“

Grace klang, als würde sie gleich hyperventilieren, während Kate nur noch Bahnhof verstand.

„Und wer war es nun?“, fragte sie gelangweilt.

„Logan Parker“, quiekte Grace außer sich.

„Was? So ein Blödsinn, das war bestimmt nicht Logan Parker“, sagte Kate und versuchte, sich an den Mann zu erinnern, der sie vom Taxi abgedrängt hatte. Es war alles so schnell gegangen und der Typ hätte jeder sein können. Er war groß gewesen und brünett, seinen Kopf hatte er – um sich vor dem Regen zu schützen – gesenkt gehabt und die Lederjacke, die er getragen hatte, wurde wohl zu Hunderten im ganzen Staat verkauft. Wie er tatsächlich ausgesehen hatte, konnte sie nicht mehr sagen. Aber dass es sich dabei nicht um einen der bekanntesten Hollywood-Haudegen gehandelt hatte, den der Markt derzeit zu bieten hatte, dessen war sie sich sicher. Noch dazu, wo sie eigentlich eine kleine Schwäche für Logan Parker hatte und davon überzeugt war, dass er niemals so ein Mistsack war, der einer Frau bei dem Wetter das Taxi klaute, indem er sie in eine Pfütze schubste.

„Doch, er war es, sieh doch nur mal auf YouTube nach. Oder auf meiner Facebookseite, ich hab das Video geteilt und dich darin markiert. Unglaublich, Logan Parker hat dich berührt.“

„Grace, großer Gott, komm wieder zu dir“, sagte Kate. „Das war nicht Logan Parker. Warum sollte Logan Parker mit einem Taxi durch die Gegend fahren? Der hat doch bestimmt einen Privatchauffeur. Wie kommen die Leute auf solchen Quatsch?“ „Einige seiner Fans haben vor dem Büro seines Agenten auf ihn gewartet, sie haben ihn fotografiert und gefilmt und dann mitbekommen, wie er dich vom Taxi abgedrängt und es dir weggeschnappt hat. Sie haben auch schon einen Hashtag kreiert. Er lautet: „# getmeacab“.“

Kate überlegte. Konnte es wirklich möglich sein, dass einer der begehrtesten Schauspieler Hollywoods ihr das Taxi – und womöglich auch die Handtasche – geklaut hatte? Sie loggte sich auf Facebook ein und hatte bereits zwölf Nachrichten, die sich alle um ihre ominöse Begegnung im Regen drehten. Neunmal war sie in den Beiträgen von Freunden markiert worden, die das YouTube-Video geteilt hatten, und während sie sich zu Grace’ Seite durchkämpfte, um das Video selbst anzusehen, ploppten weitere Chatfenster auf, die sie dazu beglückwünschten, mit einem Hollywoodstar auf „Tuchfühlung“ gegangen zu sein.

Das Video selbst war von schlechter Qualität. Es war eine verwackelte Handyaufnahme, und die Dunkelheit und der Regen taten ihr Übriges dazu, dass es unmöglich war, zu erkennen, ob derjenige, der Kate vom Taxi wegschubste, tatsächlich Logan Parker oder aber der Papst war. „Hier klaut Logan Parker einer Passantin das Taxi“ lautete der banale Titel des Videos, das bereits 390.987mal angeklickt worden war und fast ebenso viele Likes erhalten hatte. So wie es aussah, würde das Ding viral gehen. Toll. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Es dauerte insgesamt 28 Sekunden, und man sah einen Mann in Jeans und dunkler Lederjacke, mit dunklen kurzen Haaren, wie er den Bürgersteig entlang eilte, eine Frau (Kate), die sich gerade gebückt und etwas aufgehoben hatte, und wie der Mann sie ziemlich unsanft zur Seite rempelte, in das Taxi kletterte und es anfuhr. Netterweise stoppte das Video, als Kate sich mühsam aufrappelte und durchnässt bis auf die Haut wieder auf die Beine kam.

„Na toll, jetzt sieht die ganze Welt, wie ich von irgend so einem Trottel blamiert werde“, murrte Kate, als das Video vorbei war.

„Nicht irgendein Trottel, Logan Parker“, rief Grace aufgeregt. „Hach, ich hätte liebend gerne mit dir Platz getauscht.“

Kate dachte an die Scherereien, die sie seit der Taxisache gehabt hatte. Zum einen waren ihre Handtasche, ihr Portemonnaie mit Führerschein, Kreditkarten und etwa dreihundert Dollar Bargeld darin verschwunden. Sie hatte im Regen zur nächsten U-Bahn-Station laufen müssen, hatte die zwei Dollar und zwanzig Cent, die sie für die Fahrt nach Hause benötigte, gerade so in den Taschen ihres Mantels zusammengekratzt. Sie hatte – immer noch im strömenden Regen – von der U-Bahn-Station nach Hause laufen müssen, ihr war kalt, ihre Tasche war verschwunden, es standen ihr jede Menge organisatorischer Angelegenheiten bevor, um sich Führerschein, Kredit- und Bankkarten neu ausstellen zu lassen, und ganz obendrein war die Louis-Vuitton-Tasche, die ihr abhandengekommen war, ihre Lieblingshandtasche gewesen, die sie sich damals von den Einnahmen aus ihrem allerersten Buch geleistet hatte.

„Selbst wenn dieser Kerl Logan Parker war – was ganz bestimmt nicht der Fall ist –, dann ist das auch nichts Besonderes. Ich meine, er hat mich vom Taxi abgedrängt, es mir vor der Nase weggeschnappt und mich so ganz nebenbei dank dieses Videos vor der halben Welt blamiert. Großartig.“

„Sei doch nicht so griesgrämig, Kate“, sagte Grace heiter. „Überleg mal, du warst einem Hollywoodstar näher, als viele andere es je sein werden.“ „Ja, toll“, sagte Kate unmotiviert.

„Noch ein Grund mehr, morgen in Logans neuen Film zu gehen, was hältst du davon?“

Zwei

„Gib’s zu, Logan, du willst mich wirklich ins Grab bringen. Ich meine, du kannst es mir sagen. Wenn du mich tatsächlich so sehr hasst, dass du versuchst, mir einen Herzinfarkt anzuhängen, dann sag’s ruhig, ich kann damit umgehen“, rief Greg theatralisch. Wie eine gehörnte Ehefrau sah er seinen Klienten an.

Wenn Logan ihn so ansah, konnte Greg wirklich kurz vor einem Herzanfall stehen. Sein Gesicht war puterrot angelaufen, und die Ader an seiner rechten Schläfe pulsierte, als würde sie in Kürze explodieren. Logan grübelte darüber nach, ob die Infos, die man ihm damals bei diesem Erste-Hilfe-Kurs beigebracht hatte, noch irgendwo abrufbar waren, entschloss sich dann aber dafür, doch eher den Notruf zu verständigen, sollte Greg demnächst aus den Latschen kippen.

„Manchmal glaube ich wirklich, du verarschst mich“, sagte der in einem weinerlichen Ton.

„Mein Gott, Greg, ich sagte doch schon, dass das keine Absicht war.“

„Keine Absicht?“

Die Ader begann, stärker zu pulsieren.

„Ich bitte dich darum, den Medien kein Futter mehr zu streuen, mit dem sie dir ans Bein pinkeln können, und das Erste, was du tust, ist, eine alte Hausfrau von einem Taxi wegzustoßen, nur, um keine zwanzig Minuten später der Renner auf YouTube zu sein.“

„Mein Gott, Greg“, sagte Logan und versuchte, die Angelegenheit abzutun. Im Vergleich zu all den anderen Videos, die von ihm existierten, war das das harmloseste. „Ich war eben in Gedanken. Ich war aufgewühlt und sauer und wollte nur noch nach Hause. Und außerdem hat es nicht so ausgesehen, als wollte sie in das Taxi. Sie hat irgendwas vom Boden aufgehoben.“

„Was, wenn du sie verletzt hättest. Stell dir vor, sie wäre auf die Straße gefallen und von einem Truck überrollt worden. O Gott, ich will gar nicht dran denken. Dann hätten sie dich wegen fahrlässiger Tötung drangekriegt, und dass du keine Rollenangebote mehr bekommst, wäre dein kleinstes Problem gewesen.“

Logan zog eine Augenbraue hoch.

„Meinst du nicht, dass du etwas überdramatisierst?“ „Ich überdramatisiere? Du hast eine arme alte Frau von einem Taxi weggedrängt. In strömendem Regen. Das ist in etwa dasselbe, als wenn du ein Kinderheim überfallen und ausgeraubt hättest.“

„Also erst einmal war sie nicht alt“, resümierte Logan. „Sie war ein paar Jahre jünger als ich, aber bestimmt nicht älter als Mitte dreißig. Und arm war sie auch nicht. Sie besitzt immerhin eine Louis-Vuitton-Tasche.“

Er wedelte mit der kleinen braunen Handtasche vor Greg herum, die er mitgebracht hatte, um sie von dessen Sekretärin seiner rechtmäßigen Eigentümerin zurückgeben zu lassen.

Greg blickte aus müden Augen auf die Tasche.

„Was ist das?“, fragte er mit zittriger Stimme, und Logan wusste nicht, ob er ihm diese Stimmlage vorspielte oder ob sie echt war.

„Ihre Tasche.“

„Woher hast du die?“

„Sie hatte sie bereits ins Taxi geworfen, als ich … Du weißt schon.“ Es war Logan unangenehm, über diese Angelegenheit auch noch lang und breit diskutieren zu müssen.

„Waaaaas?“

Greg schien einem Anfall nahe.

„Du hast ihre Tasche geklaut?“ Logan sah ihn an.

„Also weißt du, manchmal denke ich, du willst mich ins Grab bringen. Wie kommst du darauf, dass ich ihre Tasche gestohlen hätte?“

„Na, immerhin tauchst du hier mit ihrer Handtasche auf. Logan, du weißt genauso gut wie ich, wie unser Business läuft. Die Kleine kann dir ordentlich ans Bein pinkeln, wenn rauskommt, dass du auch noch ihre Handtasche mit dir herumschleppst. Was, wenn du sie verletzt hast, als du sie angerempelt hast? Was, wenn sie eines dieser verrückten Hühner ist, das von Talkshow zu Talkshow tingelt und die Sache unglaublich aufbläst. Sie könnte Schmerzensgeld verlangen. Mein Gott, sie könnte dich auf alles, was du hast, verklagen.“

„Das glaube ich nicht.“ „Du kannst es aber nicht wissen“, rief Greg. „Und zu allem Überfluss läufst du auch noch mit ihrer Tasche durch die Gegend, als wäre sie eine Trophäe.“

„Ich habe die Tasche ja nur mitgebracht, um sie von deiner Sekretärin an die Eigentümerin zurücksenden zu lassen“, erklärte Logan. „Es ist noch alles drin. Und auf ihrem Führerschein steht ihre Adresse.“

Greg fixierte die Tasche für einige Momente. Dann hellte sich seine Miene auf.

„Ich hab eine Idee, Junge. Vielleicht hilft uns diese Sache, dein Image ein ganz kleines bisschen aufzupolieren!“

***

Der nächste Tag war für Kate von Arbeit geprägt. Sie hatte den ganzen Tag über Termine, versuchte, in den kurzen Pausen dazwischen ihre verloren gegangenen Karten durch neue zu ersetzen, füllte Verlustanträge aus, telefonierte noch einmal mit der Taxizentrale und sah sich online nach einer neuen Lieblingstasche um.

An diesem Abend versuchte sie erst gar nicht, ein Taxi zu erwischen, und hatte vorsichtshalber ihren Regenschirm eingepackt. Klitschnass und mit einer Triefnase, die sie sich bestimmt am vergangenen Tag zugezogen hatte, kam sie um kurz nach sieben nach Hause. An diesem Abend würde der Film im Kino mit Grace definitiv ausfallen. Ihr Kopf brummte, als wären hundert Vorschlaghämmer darin, ihr Hals kratzte und die Nase lief und lief und lief. Und außerdem hatte sie nach dem ganzen Theater mit sich und Logan Parker keine Lust, ihn sich auch noch auf der Kinoleinwand anzusehen.

Während sie sich ein heißes Erkältungsbad einließ, bestellte sie etwas bei ihrem Lieblingschinesen. Die starken Gewürze waren wohl das Einzige, was Kate an diesem Abend überhaupt würde schmecken können. Sie versuchte, Grace zu erreichen, um ihr für den Abend abzusagen, hatte aber kein Glück.

Eine halbe Stunde später fühlte sie sich etwas besser. Die ätherischen Öle aus dem Erkältungsbad, das sie genommen hatte, hatten Kates Nebenhöhlen etwas geöffnet, sie war angenehm aufgewärmt und hatte, nachdem sie ihre Haare in ein flauschiges Frotteehandtuch eingewickelt hatte, noch eine Anti-Falten-Hyaluronmaske in einer dicken Schicht auf ihr Gesicht aufgetragen. Sie trug ihren heiß geliebten, alten, ausgeleierten rosafarbenen Bademantel, ihre Füße steckten in dazu passenden rosafarbenen Plüschpantoffeln mit Häschengesicht vorn dran. Sie würde sich auf die Couch pflanzen, sich in ihre Heizdecke hüllen, etwas fernsehen, Unmengen von Süßigkeiten und Knabberkram verdrücken und am nächsten Morgen würde die Welt schon wieder anders aussehen.

Es klingelte an der Tür – das war bestimmt Billy vom Shanghai Gardens, ihrem Lieblingschinesen. Sie hatte eine Frühlingsrolle, eine große Portion Hühnerfleisch nach Szechuan-Art, Reis und eine kleine Packung Schokoladeneis bestellt, über das sie sich umgehend hermachen wollte. Kate schlurfte durch ihr Wohnzimmer, drückte den Türöffner für die Lobby und öffnete die Appartementtür einen Spalt, als im selben Moment ihr Handy zu klingeln begann und sie seltsame Geräusche aus dem Badezimmer vernahm. Sie schnappte sich ihr Handy von dem Tischchen neben ihrer Couch und nahm Grace’ Anruf an, während sie zurück ins Badezimmer eilte. Billy kannte den Hausgebrauch ja schon, würde ihr Essen heraufbringen und warten, bis sie ihn bezahlte. Die Tatsache, dass der gute Billy, der aussah, wie der Zwillingsbruder von Danny DeVito, am weiblichen Geschlecht nicht interessiert war, war für sie in diesem Moment insofern denkbar positiv, da sie nicht gerade wie die absolute Traumfrau aussah mit ihrer roten Schnupfennase und einem Outfit, das sie gut und gerne in einer Psychiatrie hätte tragen können.

„Hey“, sagte sie, als sie den Anruf entgegennahm und ihre beiden Kater dabei erwischte, wie sie sämtliche Tiegel und Fläschchen von ihrem Waschtisch fegen wollten. Scout hatte das Fläschchen mit dem Clarins-Toner in das Waschbecken geworfen und tippte es nun herausfordernd mit seiner Tatze an, als wollte er sagen: „Na, los, komm schon, wehr dich endlich, du feiges Huhn“, während Teddy einen Helena-Rubinstein-Tiegel mit einer sauteuren Pflegemaske gefährlich nah an den Rand des Waschtisches manövrierte.

„Hey“, sagte Grace. „Na, wieder mal mit einem Hollywoodstar zusammengestoßen?“ „Sehr witzig“, entgegnete Kate, während sie Scout auf ihren rechten Arm hob und ihn postwendend auf ihre Schulter klettern ließ.

---ENDE DER LESEPROBE---