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SOMMER DER SINNLICHKEIT von GOLD, KRISTI Sinnlicher Sommer in San Francisco: Noch nie hat Kerry sich so sehr zu einem Mann hingezogen gefühlt wie zu Ford Ashton. Doch als sie sich ihm nach leidenschaftlichen Küssen rückhaltlos hingeben will, zeigt er ihr plötzlich die kalte Schulter … VERRÜCKT NACH LENA von MCCUSKER, PENNY Was hat Lena Reed zu verbergen? Als die schöne Ärztin in seiner Heimatstadt auftaucht, steht die Welt von Sheriff Clarence Beeber Kopf. Vom ersten Augenblick an erliegt er ihrer magnetischen Anziehungskraft. Doch er ahnt auch, dass seine Traumfrau ein Geheimnis hat … SO BRAV UND DOCH SO SEXY von ANDERSON, NATALIE Die Luft in der Bar vibriert vor Erotik, so heiß flirtet Emma mit dem Playboy Jake Rendel. Als er ihr eine Affäre auf Zeit vorschlägt, sieht sie ihre Chance gekommen: Endlich kann sie beweisen, dass sie keine brave graue Maus, sondern eine sexy Verführerin ist …
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Seitenzahl: 583
Natalie Anderson, Penny McCusker, Kristi Gold
COLLECTION BACCARA, BAND 274
IMPRESSUM
COLLECTION BACCARA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1
© 2007 by Natalie Anderson Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Birgit Hannemann
© 2006 by Penny McCusker Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Rita Hummel
© 2005 by Kristi Gold Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Brigitte Marliani-Hörnlein
Fotos: Harlequin Books S.A.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARABand 274 - 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Veröffentlicht im ePub Format im 03/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86295-612-8
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Einen Monat lang heißen Sex mit dem gut aussehenden Unternehmer Jake Rendel: diese Gelegenheit darf Emma sich nicht entgehen lassen! So kann sie endlich ihr braves Image aufpolieren. Doch schneller als gedacht gerät sie nicht nur in einen Strudel der Leidenschaft. Sie verliebt sich auch zum ersten Mal in ihrem Leben …
Kaum kommt Clarence Beeber in ihre Nähe, verspürt Lena ein verlockend erotisches Prickeln. Aber Vorsicht: Sinnliche Spiele mit dem attraktiven Sheriff sind erlaubt, nur darf sie sich auf gar keinen Fall zu sehr auf ihn einlassen. Bestimmt wird Clarence sofort den Kontakt zu ihr abbrechen, wenn er die Wahrheit über sie erfährt …
Männer? Nichts für die hübsche Kerry. Doch dann tritt der charmante Ford Ashton in ihr Leben. Noch nie hat ein Mann sie so fasziniert wie er, und bald sehnt sie nur noch nach einem: sich in seinen Armen den Wonnen der Liebe hinzugeben. Aber hat Ford sie eben noch heiß geküsst, weist er sie jetzt plötzlich eiskalt zurück …
Schon zehn nach sieben? „Dann wird’s ja höchste Zeit, dass ich den Computer ausschalte“, murmelte Emma.
Normalerweise machte sie nicht vor acht Feierabend, und auch heute wäre sie gern noch ein, zwei Stunden im Büro geblieben, um die Monatsbilanz fertigzustellen. Aber das ging leider nicht – ihr Chef hatte die Mitarbeiter auf einen Drink eingeladen, und die meisten von ihnen saßen wohl längst in der nahe gelegenen Countrybar.
Wenn sie sich nicht beeilte, würde sie die Letzte sein. Na ja, wie immer bei solchen Gelegenheiten. Es war typisch für sie, dass sie Zeit und Raum vergaß, wenn sie sich in die Arbeit vertiefte. Doch jetzt sicherte sie ihre Dateien, stand auf und öffnete das Fenster. Sie atmete tief durch, als die angenehm kühle Abendluft hereinströmte. Was für eine Wohltat nach der Schwüle in den Mittagsstunden!
Mit der frischen Brise drangen auch Stimmen zu ihr in den ersten Stock. Weibliche Stimmen, die vom Innenhof kamen, und falls Emma sich nicht irrte, standen dort unten zwei Kolleginnen aus der Rezeption, Becca und Jules. Neugierig beugte sie sich vor und horchte.
„Was meinst du, kommt sie?“, fragte Becca.
„Ob sie kommt?“ Jules kicherte. „Nee, die weiß gar nicht, wie das geht“, fügte sie spöttisch hinzu, und schon prusteten beide vor Lachen.
„Das glaube ich auch. Ich schätze, ihr Sexleben ist so aufregend wie das einer Klosterschwester. Wahrscheinlich hatte sie noch nie einen Freund.“
„Bestimmt nicht. Für die graue Maus interessiert sich doch keiner. Die ist so was von langweilig und verklemmt. Kannst du dir vorstellen, wie sie mit einem Mann flirtet?“
Becca lachte. „Nein, sobald sie den Mund aufmacht, kommen ja nur Zahlen raus. Was anderes hat sie nicht im Kopf, unsere fleißige Buchhalterin.“
Emma erstarrte, und vor Scham stieg ihr die Röte ins Gesicht – die beiden tratschten über sie. Eindeutig. Sie war die Buchhalterin des Hotels Sanctuary. Und sie hatte sich noch nie so gedemütigt gefühlt wie in diesem Moment. Es war verletzend, wie Becca und Jules über sie redeten. Auch wenn sie zum Teil nur die Wahrheit aussprachen …
Sie hatte ja wirklich noch nie einen Freund gehabt. Dabei ging sie Männern nicht aus dem Weg. Nein, es hatte sich einfach nie ergeben, da ihr jegliche Zeit für Vergnügungen fehlte. Nach dem Internat hatte sie sich voll aufs Studium konzentrieren müssen, anschließend auf ihren Job.
„Irgendwie tut sie mir ja leid“, fuhr Becca fort. „Sie ist sechsundzwanzig und kennt nur ihre Arbeit. Was für ein ödes Leben.“
„Wie, du hast auch noch Mitleid mit ihr? Ich bitte dich! Es zwingt sie doch niemand, von morgens bis abends zu schuften. Und vor allem sollte sie mal aufhören, es auch von uns zu fordern. Sie ist eine Sklaventreiberin.“
Tja, das war die Strafe dafür, dass man andere Leute belauschte – man erfuhr Dinge über sich, die man nie hatte hören wollen.
Und es stimmte auch nicht. Wenn Jules sie als Sklaventreiberin bezeichnete, geschah das aus purer Gehässigkeit. Emma konnte sich nicht erinnern, jemals unfreundlich zu ihren Kolleginnen gewesen zu sein. Sie erwartete nur, dass jeder seinen Job tat. Und sie selbst ging mit bestem Beispiel voran, denn so war sie erzogen worden. Ihr ganzes Leben lang hatte sie die goldene Regel ihres Vaters beachtet: Arbeite hart, dann wirst du belohnt – mit Lob, Anerkennung und Liebe.
Lob erhielt sie durchaus für ihre Leistungen, sowohl von ihrem Boss als auch von ihrem Dad. Aber Liebe? Nein, niemand liebte einen dafür, dass man Tag für Tag Überstunden machte, und trotz ihrer erfolgreichen Karriere konnte Emma leider nicht von sich behaupten, rundum glücklich zu sein.
Ach, was soll’s? Auch mir wird eines Tages der Richtige über den Weg laufen, dachte sie optimistisch und schloss leise das Fenster. Ihre Träume von der großen Liebe würden schon noch in Erfüllung gehen. Da war sie sich ganz sicher.
Sie hatte nicht vor, sich vom dämlichen Gerede anderer deprimieren zu lassen. Im Gegenteil. Statt sich gekränkt zurückzuziehen, würde sie gleich mit einem strahlenden Lächeln in die Bar marschieren und sich ganz selbstbewusst in die Schar der Kollegen einreihen. Ja, heute Abend würde sie nur noch lächeln, scherzen und sich blendend unterhalten.
Entschlossen holte sie ihr Schminktäschchen hervor und legte etwas Lippenstift auf, bevor sie sich prüfend in dem kleinen Handspiegel betrachtete. An ihrem Make-up gab es nichts auszusetzen, auch das Haar saß tadellos. Wie an jedem Bürotag hatte sie ihre langen braunen Locken zurückgekämmt und im Nacken zu einem Knoten zusammengesteckt.
Emma beugte sich über die gelbe Bauernrose auf ihrem Schreibtisch und sog genussvoll den Blütenduft ein. Sie liebte Blumen, darum sorgte sie auch dafür, dass in der schlanken Glasvase neben ihrem Computer stets eine einzelne Rose, Hyazinthe oder eine andere schöne Blüte steckte. Je nach Jahreszeit und Laune. Belebt von dem frischen Duft, straffte sie die Schultern und schwor sich, die gemeine Lästerei der Kolleginnen einfach zu ignorieren.
Als sie zehn Minuten später in die Bar trat und Jules ihr spöttisch entgegenblickte, wurde sie allerdings wieder unsicher. Darum gesellte sie sich erst mal zu Max, ihrem Chef, und innerhalb weniger Sekunden waren sie beide in ein Gespräch vertieft, in dem sich alles nur um den Job drehte. Am nächsten Tag sollten im Hotel umfangreiche Renovierungsarbeiten beginnen, und so gab es ja auch alles Mögliche zu besprechen.
Mit Max verstand Emma sich bestens. Was wohl niemanden wunderte, denn er war ein Workaholic wie sie. Doch nun wollte er sich zur Ruhe setzen und hatte sein kleines, aber feines Hotel verkauft – das war auch der Grund, warum das Haus komplett umgestaltet wurde. Die neuen Eigentümer des Sanctuary besaßen Ferienanlagen sowie Stadthotels in allen Ecken Neuseelands, und Max prophezeite Emma eine glänzende Zukunft. Wenn sie es geschickt anstellte, so meinte er, könnte sie problemlos bis ins obere Management des Konzerns aufsteigen.
Nur wusste sie nicht, ob sie das wollte – eine noch größere Verantwortung übernehmen und dafür eventuell auf jegliche Freizeit verzichten? Nein, im Grunde ihres Herzens wünschte sie sich, endlich ein glückliches Privatleben zu haben.
Verstohlen schaute sie auf ihre Kolleginnen, die unbeschwert lachten, bunte Cocktails tranken und mit den gut aussehenden Kellnern flirteten. Und sie? Sie stand brav neben ihrem fünfundsechzig Jahre alten Boss, sprach mit ihm über den Job und nippte an einer langweiligen Limonade.
Traurig, traurig, traurig. Becca und Jules hatten absolut recht, ihr Leben war total öde. Und je länger Emma darüber nachdachte, desto deprimierter fühlte sie sich. Sie rackerte sich ab – und wofür? Um hin und wieder gelobt zu werden? Seit ihrer Kindheit versuchte sie ständig, die Erwartungen anderer zu erfüllen, und sie war sich gar nicht mehr sicher, ob das Ergebnis die Mühe lohnte.
Ach, hör auf rumzujammern, ermahnte sie sich. Dein Leben ist ja noch nicht vorüber. Jetzt gönn dir mal einen Schluck Alkohol und versuch, den Abend zu genießen.
Sie entschuldigte sich bei Max, wandte sich zum Tresen und bat einen der Kellner, etwas Gin in ihre Limonade zu geben. Dann nippte sie daran, während sie sich in der Bar umschaute. Es herrschte nicht gerade Hochbetrieb. Die Crew des Sanctuary stand in kleinen Grüppchen vor dem Tresen, drei weitere Gäste saßen an einem Tisch, und im hinteren Teil des Raums spielten zwei Männer Billard. Interessiert musterte Emma den, der gerade am Zug war.
Der groß gewachsene schwarzhaarige Typ in weißem T-Shirt hatte ihr den Rücken zugewandt, und er bot einen sehr verführerischen Anblick, als er sich jetzt vorbeugte und der weiche Stoff seiner Jeans sich über einem ausgesprochen knackigen Po straffte.
Auch wenn sie das Leben einer Nonne führte … sie genoss es durchaus, mal einen gut gebauten Mann zu betrachten.
Nachdem er drei Kugeln erfolgreich versenkt hatte, richtete er sich auf und wechselte auf die gegenüberliegende Seite des Billardtisches. Und jetzt starrte Emma ihn erst recht an. Das Gesicht kannte sie doch.
Oh ja! Dieser sexy aussehende Billardspieler war niemand anderer als Jake Rendel, der Nachbarssohn aus ihrem Heimatort. Sie waren gemeinsam aufgewachsen.
Ihre eben noch trübe Stimmung schlug ins Gegenteil um, und fast hätte sie vor Freude gejuchzt. Es war Jahre her, seit sie Jake zum letzten Mal gesehen hatte. Er war jedoch immer nett zu ihr gewesen, und ein paar freundliche Worte waren genau das, was sie im Moment brauchte. Strahlend marschierte sie auf ihn zu. „Hi, Jake. Wie geht’s dir?“
Ein paar Sekunden lang musterte er sie irritiert. So, als überlegte er, wen er vor sich hatte. Doch schon leuchteten seine Augen auf, und ein warmherziges Lächeln umspielte seine Lippen. „Emma Delaney, was für eine schöne Überraschung, dich hier zu treffen.“
Seine Stimme klang wundervoll, so tief und sanft, dass Emma wohlig erschauerte. Und ihr Herz pochte heftig, während sie Jake anschaute. Er hatte schon immer fantastisch ausgesehen, aber in den vergangenen Jahren war er noch attraktiver geworden, seine Gesichtszüge markanter, die Schultern breiter und muskulöser.
Ja, Jake Rendel, der heimliche Schwarm ihrer Jugend, hatte sich zu einem wahren Traummann entwickelt. Als junges Mädchen war sie unsterblich in ihn verliebt gewesen, aber davon ahnte er wohl nichts. Sie hatte sich ja nie getraut, ihm ihre Gefühle zu offenbaren.
Emma nippte an ihrem Drink und überlegte, was sie als Nächstes sagen könnte. Da ihr jedoch nichts einfiel, blickte sie verlegen zur Seite, und in dem Moment bemerkte sie es – Becca und Jules starrten sie unverwandt an. Mit tellergroßen Augen. Dass die verklemmte Buchhalterin sich mit einem Mann unterhielt, schien die beiden völlig zu verblüffen. War das nicht eine super Gelegenheit, ihnen eine kleine Lektion zu erteilen?
Na klar. Emma schmunzelte. Jetzt würde sie diesen gehässigen Ziegen mal beweisen, dass auch sie flirten konnte. Und dann noch mit einem so attraktiven Kerl wie Jake. Es musste ja niemand erfahren, dass sie ihn schon ein Leben lang kannte.
Lächelnd schaute sie ihn an. „Es ist schade, dass wir uns so selten über den Weg laufen.“
„Stimmt“, erwiderte er augenzwinkernd. „Bist du mit Freunden hier?“
„Mit Kollegen. Und du?“
„Ich auch. Während der nächsten Wochen arbeiten wir in diesem Teil der Stadt.“
Sein Kumpel spürte wohl, dass er nur störte. Jedenfalls ging der Mann zum Tresen und ließ sie beide allein.
„Meine Firma hat den Auftrag bekommen, das Hotel Sanctuary zu renovieren“, erklärte Jake. „Vielleicht kennst du es.“
„In- und auswendig. Ich verwalte dort die Finanzen.“
„Prima, dann werden wir uns ja fast täglich sehen.“ Jake strahlte. „Wie sieht’s aus, könntest du mich im Hotel herumführen und allen vorstellen?“
Aber natürlich. Sie war ganz wild darauf, ihn mit Becca und Jules bekannt zu machen und den beiden zu erzählen, dass Jake sozusagen ein Sandkastenfreund war.
„Ja“, murmelte sie und blickte verstohlen zu den Kolleginnen hinüber. Was für ein Pech! Schon morgen würden die beiden herausfinden, dass sie hier nicht etwa mit einem heißen Typen flirtete, sondern mit einem früheren Nachbarn sprach.
„Wohnst du schon lange in Christchurch?“, erkundigte sich Jake.
Emma schaute ihn wieder an. „Ich war nie woanders. Ich bin hier zur Schule gegangen, hab hier studiert und anschließend den Job im Hotel angenommen.“
Sie war mit zehn Jahren ins Internat gesteckt worden. Darum fühlte sie sich in Christchurch auch viel mehr zu Hause als in dem kleinen Ort auf dem Lande, wo ihre Eltern und Jakes Mutter lebten.
„Ich muss schon sagen, du siehst wirklich super aus.“ Anerkennend ließ Jake den Blick über ihr dunkles Kostüm wandern. „Ganz die erfolgreiche Karrierefrau.“
Super? Na, das war sicherlich nur eine höfliche Floskel. Emma wusste genau, dass sie nicht Jakes Geschmack entsprach. Schließlich hatten all seine Freundinnen vollkommen anders ausgesehen als sie.
Für Jake Rendel, den sportlichen humorvollen Jungen mit dem schönsten Lächeln der Welt hatte damals jedes Mädchen geschwärmt, und das hatte er ausgiebig genossen. Es war keine Woche vergangen, in der er nicht die Freundin wechselte.
Ich bin vermutlich die Einzige, mit der er nie geflirtet hat, dachte Emma ernüchtert. Sie war für ihn immer nur die Nachbarstochter gewesen, der er gern dumme Streiche spielte. Und einmal, als sie weinend in den Park geflüchtet war, da hatte Jake sich zu ihr gesetzt, um sie zu trösten. Seit jenem Tag war sie jedes Mal so rot wie eine vollreife Tomate geworden, sobald er in ihre Nähe kam.
Gütiger Himmel! Das schien auch jetzt der Fall zu sein. Emma spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss, als Jake plötzlich dichter an sie herantrat.
„Weißt du was?“ Seine Augen blitzten. „Ich denke, ich sollte dich umarmen, weil wir uns so lange nicht gesehen haben.“
Wie lange war es her? Wohl mindestens acht Jahre. Trotzdem hörte Emma hin und wieder, was Jake so trieb, denn seine Schwester Sienna war die beste Freundin ihrer Schwester Lucy. Daher wusste sie zum Beispiel, dass er nicht verheiratet war, sondern von einer schönen Frau zur nächsten wanderte.
„Umarmen?“, wiederholte sie verlegen.
„Ja, oder vielleicht sogar küssen.“
Sie versuchte, seinem strahlenden Blick auszuweichen. Sie bemühte sich wirklich, und für einen winzigen Moment schaffte sie es sogar. Doch schon starrte sie wieder in seine herrlich blauen Augen. „Küssen?“, fragte sie mit bebender Stimme. „Zur Begrüßung, meinst du? Rein freundschaftlich?“
Ein flüchtiger Kuss auf die Wange – das war’s, was ihr vorschwebte. Nur was hatte Jake im Sinn?
„Ach …“, meinte er verschmitzt. „Wir könnten ja abwarten, wie freundschaftlich der Kuss ausfällt. Wie denkst du über den Vorschlag?“
Denken? Sie war nicht mehr fähig, einen klaren Gedanken zu fassen, da Jake ihr immer näher kam. So nah, dass sie den markanten Duft seines Aftershaves einatmete und die Wärme spürte, die dieser Mann ausstrahlte. Wie gebannt schaute sie auf seine Lippen, während sich ihr Puls fast überschlug.
Als Teenager hatte sie sich häufig vorgestellt, wie sich diese Lippen zärtlich auf ihre legten. In den schönsten Farben hatte sie sich wieder und wieder ausgemalt, wie Jake Rendel sie küsste. Heute könnte dieser Traum in Erfüllung gehen, und war die Gelegenheit nicht äußerst günstig? Wenn Jake sie jetzt küsste, würden Becca und Jules sicherlich nie wieder so gemein über sie lästern.
Emma blickte flüchtig auf ihre Kolleginnen und sah, dass die beiden sie nach wie vor beobachteten. Diese Chance durfte sie sich einfach nicht entgehen lassen. „Okay“, stieß sie atemlos hervor.
In der nächsten Sekunde bekam sie jedoch Angst vor der eigenen Courage. Becca und Jules hatten ja recht – sie war eine Versagerin, wenn’s um Männer ging. Sie konnte weder flirten noch küssen, und darum war sie im Begriff, sich hier gewaltig zu blamieren.
Für eine Flucht war es nun allerdings zu spät. Bevor Emma sich rühren konnte, beugte Jake sich vor und ließ die Lippen sanft über ihre gleiten. Nur hauchzart und federleicht. Und doch so verführerisch, dass sie sich unwillkürlich nach mehr sehnte.
Jake schien ihr diesen Wunsch von den Augen abzulesen. Erneut suchte er ihren Mund, und Emma erschauerte, als sich seine Lippen an ihre schmiegten – warm, weich und unbeschreiblich schön. Und jetzt wollte sie gar nicht mehr fliehen. Sie genoss es, seine Zärtlichkeit zu spüren und seine Hände, die sich sanft auf ihre Schultern legten, während sie den Kuss erwiderte. Zuerst vorsichtig, dann verwegener, immer hungriger, bis sie Jake voller Verlangen die Lippen öffnete.
Behutsam tastete er sich mit der Zunge in ihren Mund vor, und Emma überließ sich ganz dem heißen Prickeln, das sie durchströmte, während Jake den Kuss vertiefte. Die Welt um sie herum hörte auf zu existieren. Sie nahm nichts mehr wahr außer Jakes Nähe, seinem maskulinen Duft und dem sinnlichen Spiel seiner Lippen und Zunge.
Jake Rendel zu küssen war noch berauschender als alles, was sie sich hatte vorstellen können. Aufseufzend presste sie ihre Hand auf seine Brust. Sie spürte die Hitze seines Körpers durch das T-Shirt hindurch und wünschte, sie könnte Jake noch näher kommen. Noch viel näher.
Darum hätte sie auch fast protestiert, als er sich von ihren Lippen löste.
Fasziniert blickte Jake in Emmas dunkel glühende Augen. Wer hätte gedacht, dass sich die kleine Nachbarstochter in eine so begehrenswerte Frau verwandeln würde? In eine Schönheit, die sehr betörend küsste. Äußerlich wirkte sie unterkühlt. Doch wenn man ihr nahe kam, musste man verdammt gut aufpassen, dass man sich nicht verbrannte, denn in ihr brodelte ein Vulkan. Und sie erinnerte ihn an den Frühling. Jake atmete tief ein, um ihren blumigen frischen Duft einzufangen.
Er hatte sich nie gewünscht, Emma Delaney zu küssen – bis sie vor wenigen Minuten so überraschend vor ihm stand und er zum ersten Mal ihre vollen glänzenden Lippen bemerkte. Wenn er Glück hatte, würde sein fünfwöchiger Aufenthalt in Christchurch weitaus aufregender werden als gedacht.
Jake wollte sich gerade vorbeugen, um Emmas Lippen erneut zu erobern, da sah er, wie sie an ihm vorbeischaute. Sie starrte auf einen Punkt hinter ihm, in Gedanken schien sie meilenweit weg zu sein.
Schon vorhin hatte sie immer wieder zum Tresen geschielt, oder? Also benutzte Emma ihn nur, um die Reaktion eines anderen Mannes zu testen. Schade. Die Party war vorüber, bevor sie begonnen hatte. Auf der Stelle vergaß Jake seinen Plan, eine Affäre mit ihr zu beginnen, und sein Lächeln verblasste, während er einen Schritt zurücktrat. „Hast du ihn erfolgreich eifersüchtig gemacht, Emma?“
Verwirrt schaute sie ihn an. „Wen?“ „Na, den Kerl am Tresen, den du gar nicht aus den Augen lässt, seit wir hier stehen.“
Ihr schockierter Gesichtsausdruck ließ ihn sekundenlang denken, er hätte die Situation falsch eingeschätzt. Aber im nächsten Moment lief sie rot an, und er sah ihren schuldbewussten Blick. Da wusste er, dass er sich nicht irrte. „Ich lass mich nicht gern benutzen, Emma. Und ich hätte nie angenommen, dass du solche Spielchen spielst.“
Sie öffnete den Mund … und schloss ihn wieder.
Jake war noch immer aufgewühlt von dem Kuss, der so zahm begonnen hatte und dann so leidenschaftlich geworden war. Und liebend gern hätte er Emma wieder und wieder geküsst. Wenn sie jedoch nicht ehrlich zu ihm war, konnte er darauf verzichten. Schließlich gab es jede Menge attraktiver Frauen um ihn herum.
„Wir sehen uns“, meinte er trocken, drehte sich um und hielt nach seinem Kollegen Ausschau.
Emma starrte entsetzt auf seinen Rücken. Glaubte Jake etwa, sie hätte ihn so hingebungsvoll geküsst, um jemand anderen eifersüchtig zu machen? Wie absurd, da er doch der einzige Mann war, den sie jemals hatte küssen wollen.
Jemals geküsst hatte … Und noch ganz benommen von diesem wundervollen Kuss hatte sie wohl verträumt zur Seite geschaut. Aber diesmal war ihr Blick ins Leere gegangen. Sie hatte ihre Umwelt gar nicht wahrgenommen und an nichts und niemanden gedacht außer an Jake.
Becca und Jules waren ihr in dem Moment völlig egal gewesen. Oh, hätte sie nur nicht auf diese beiden Hexen geachtet. Dann wäre es nie zu dem Missverständnis gekommen.
Sie musste Jake alles erklären, denn sie ertrug es nicht, dass er eine schlechte Meinung von ihr hatte. Ohne zu zögern, machte sie einen Schritt nach vorn. „Jake, du irrst dich, es war kein anderer Mann im Spiel.“
Er wandte sich ihr zu und blickte sie mit ernster Miene an.
„Aber es stimmt, dass ich vorhin laufend zum Tresen geschielt habe. Dort stehen nämlich zwei meiner Kolleginnen, die über mich lästern. Weil ich … äh …“ Verunsichert schwieg sie einen Moment. Es ist leichter, wenn du einfach die Wahrheit sagst. Emma holte tief Luft. „In deren Augen bin ich eine graue Maus, verklemmt und so langweilig, dass mich kein einziger Mann beachtet. Darum hab ich es ausnutzen wollen, dass sie mich mit dir sehen. Ja, das gebe ich zu. Ich dachte, wenn gerade du mit mir flirtest …“
„Gerade ich?“, unterbrach er sie, und ein breites Lächeln legte sich auf sein Gesicht. Auch seine blauen Augen strahlten wieder.
Jake schien ihr nicht übel zu nehmen, dass sie ihn „benutzt“ hatte, um ihre Kolleginnen zu täuschen. Und Emma war so erleichtert, ihr Geständnis hinter sich zu haben, dass sie unbedacht weiterplapperte.„Ja, gerade du. Weil du der Hauptgewinn in der Tombola bist. Das war schon früher so. Alle Mädchen wollten dich, und jedes, mit dem du geflirtet hast, wurde von den anderen beneidet. Vollkommen zu Recht, wie ich eben feststellen konnte.“
Er zwinkerte ihr zu. „Danke für das Kompliment.“
„Du küsst wirklich traumhaft.“ Oh … das hätte sie wohl besser für sich behalten, denn prompt begannen ihre Wangen zu glühen. Und nicht nur die Wangen, die Hitze breitete sich bis über den Hals aus.
„Findest du?“ Jake blickte sie schmunzelnd an. Dann beugte er sich vor und meinte mit gedämpfter Stimme: „Wenn du eine Fortsetzung möchtest, stehe ich dir jederzeit zur Verfügung.“
Sie wurde noch röter – falls das überhaupt möglich war. Emma legte beide Hände an die Wangen. Natürlich waren die heiß – heiß genug, um darauf ein Ei zu braten. Oh Gott, wie peinlich!
„Aber eins solltest du wissen“, fügte Jake verschmitzt hinzu. „Ab dem nächsten Kuss gelten meine Spielregeln.“
„Spielregeln?“
Er nickte. „Keine Zuschauer, keine Hintergedanken und …“, seine Augen blitzten, als er sich vorbeugte, um ihr den letzten Teil ins Ohr zu flüstern: „… keine Kleidung.“
Flirten gehörte eindeutig nicht zu ihren Begabungen. Statt Jakes frechen Spruch mit einer witzigen Antwort zu kontern, stand sie verlegen da, mit knallrotem Kopf, und brachte keinen einzigen Ton hervor.
Was auch Becca und Jules bemerkten. Denn die beobachteten alles und grinsten spöttisch, wie Emma sah. Und Jake schaute sich jetzt die Damenriege vor dem Tresen an, mit einem überaus charmanten Lächeln auf den Lippen. Das stahl Emma den letzten Rest an Selbstvertrauen.
Plötzlich war ihr klar: Hätte sie Jake nicht angesprochen, dann würde er längst dort drüben stehen und mit den kurvenreichen Blondinen flirten.
Sie war Emma. Die kleine schüchterne Emma. Sie war in keiner Weise so wie Jakes frühere Freundinnen, und falls der anerkennende Blick, mit dem er ihre Kolleginnen betrachtete, ein Indiz dafür war, hatte er seinen Geschmack nie geändert.
An ihr war er also nicht interessiert. Doch warum hatte er sie geküsst? Aus reiner Neugierde vermutlich. Nur um zu sehen, ob sie sich traute.
Jake wandte sich wieder ihr zu, und sein Lächeln wurde strahlender. Er schien sich gut zu amüsieren. Und was fand er so lustig? Dass ihr Kopf wie eine rote Laterne leuchtete?
Am liebsten würde ich im Erdboden versinken, dachte Emma.
Da hatte sie allen beweisen wollen, dass sie flirten konnte, und nun stand sie hier wie ein begossener Pudel. Und ausgerechnet vor Jake Rendel, dem Mann ihrer Träume. Der sie jetzt sicherlich für die verklemmte Langweilerin hielt, die Becca und Jules in ihr sahen.
Bevor sie sich noch mehr blamierte, sollte sie lieber verschwinden. „Mach’s gut, Jake. War nett, dich zu treffen“, sagte sie so cool wie möglich – obwohl sie genau wusste, wie albern diese Floskel klang, nachdem sie ihn gerade geküsst hatte. Dann schenkte sie ihm noch ein verkrampftes Lächeln und ging.
Ohne einen weiteren Blick auf ihre Kolleginnen.
Emma seufzte. Ein paar wunderschöne Minuten lang hatte sie geglaubt, der Kuss würde Jake etwas bedeuten. Für ihn war es jedoch nur ein Spiel gewesen. Er interessierte sich nicht für sie. Und er würde sich auch nie für sie interessieren.
Am nächsten Morgen betrat Emma das Hotel schon kurz vor sechs, denn sie wollte in ihrem Büro verschwunden sein, bevor die Handwerker eintrafen. Bevor Jake auftauchte! Dass er während der nächsten Wochen im Sanctuary arbeiten würde, war ihr in der Countrybar noch gar nicht richtig bewusst geworden. Sie war so aufgeregt gewesen, ihn zu sehen. Dann hatte er sie geküsst – in aller Öffentlichkeit. Und sie hatte sich gründlich blamiert – in aller Öffentlichkeit.
Jetzt gab’s reichlich Futter für die Lästermäuler. Wochenlang würden sich alle darüber amüsieren, dass sie bei dem Versuch, mit einem attraktiven Mann zu flirten, jämmerlich gescheitert war. Ach, könnte sie sich nur für immer in ihrem Aktenschrank verkriechen. Sie wollte niemandem unter die Augen treten. Erst recht nicht Jake.
Bis zehn Uhr ließ man sie auch in Ruhe. Aber dann rief Max an und bat sie zu einem Meeting.
„Guten Morgen, Emma“, empfing er sie gut gelaunt, als sie in sein Büro trat. „Kommen Sie, setzen Sie sich zu uns. Thomas, den Inhaber von White’s Construction, kennen Sie ja bereits, nicht wahr?“
Der Mann war im gleichen Alter wie Max. Emma nickte ihm lächelnd zu, als sie Platz nahm.
„Früherer Inhaber“, korrigierte Thomas. „Ich wollte es Ihnen und Max gern persönlich sagen, das ist der Grund meines Besuches. Ich habe das Zepter an die nächste Generation übergeben, damit meine Firma eine Chance auf dem Markt hat. White’s Construction wurde von einem jungen Bauunternehmer aufgekauft.“
„Werden Sie denn weiterhin in der Firma tätig sein?“, erkundigte sich Emma. „Zumindest, bis die Umbauarbeiten im Sanctuary abgeschlossen sind?“
„Oh nein, ich bin froh, endlich mehr Zeit fürs Golfspielen zu haben. Und sollten unsere Handwerker Ihnen irgendwelche Probleme bereiten, wenden Sie sich vertrauensvoll an meinen Nachfolger.“ Mit einer Hand deutete Thomas über ihre Schulter hinweg.
Emma hatte gar nicht bemerkt, dass sich noch jemand im Raum befand. Erstaunt drehte sie sich um, und ihr stockte der Atem, denn dort – lässig an den Fensterrahmen gelehnt – stand Jake.
Doch nicht der, den sie von früher kannte. Der freche Nachbarsjunge, der nur in Jeans und T-Shirt herumgelaufen war. Nein, dieser Jake trug einen dunkelgrauen Anzug, dazu ein weißes Hemd und eine blaue Seidenkrawatte. In diesem eleganten Outfit wirkte er völlig verändert, reifer, seriöser – aber seine Augen funkelten so vergnügt wie eh und je.
Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.
Insgeheim verfluchte sie ihr Pech. Wäre Jake einer der Handwerker gewesen, hätte sie ihm mit etwas Geschick aus dem Weg gehen können. Da ihm die Firma gehörte, war das jedoch kaum möglich. Er würde an sämtlichen Meetings teilnehmen und ständig im Hotel herumlaufen, um die Arbeiten zu überwachen.
„Emma ist Ihnen ja bereits bekannt, Jake“, sagte Max amüsiert. „Zumindest sah es mir gestern Abend ganz danach aus.“
Das Glühen in ihren Wangen nahm bedenklich zu. Mist, verflixter! Sie hatte gehofft, wenigstens ihrem Boss wäre die Kussszene entgangen.
„Ja“, bestätigte Jake. „Wir kennen uns seit der Kindheit.“
„Früher waren wir Nachbarn“, ergänzte sie verlegen. „Aber während der letzten Jahre hatten wir uns aus den Augen verloren.“
„Aha, das erklärt die freundliche Begrüßung.“ Max schaute Emma mit einem so verschmitzten Lächeln an, dass sie ihn am liebsten erwürgt hätte. „Würden Sie bitte die Aufgabe übernehmen, Jake durchs Hotel zu führen? Er hat bisher nur die Baupläne gesehen. Zeigen Sie ihm also alles vom Dachboden bis zum Keller.“
Was blieb ihr anderes übrig, als der Aufforderung ihres Chefs nachzukommen und das Büro mit Jake im Schlepptau zu verlassen?
„War es dir peinlich, dass Max auf den Kuss angespielt hat?“, fragte er, sobald sich die Tür hinter ihnen schloss.
Als hätte er das nicht bemerkt! „Nein.“
Jake schmunzelte. Natürlich. Ihn amüsierte es wieder mal, wenn die kleine Emma in Verlegenheit geriet.
Ach, zum Teufel mit ihm! Sie versuchte, sich auf den Job zu konzentrieren, und blickte stur nach vorn, während sie Seite an Seite den Korridor hinuntergingen. „Wo wollen wir anfangen?“
„Vielleicht in der Suite mit dem tollen Kingsize-Bett?“
Den Spruch kann er sich für seine Blondinen aufsparen. Für Becca und Jules, die er gestern mit seinem charmanten Lächeln beglückt hat. Oh, ich könnte heulen, wenn ich daran denke. „Ich zeige dir als Erstes die Küche“, entschied sie und sah ihn mit ernster Miene an.
Jake verzog das Gesicht zu einem übertriebenen Schmollen.
Nun musste Emma doch lachen.
In seiner Nähe konnte sie gar nicht lange böse sein. So war es ihr schon früher ergangen. Er hatte es immer geschafft, sie mit einem kleinen Scherz aufzumuntern. Und ihr Herz hüpfte vor Freude, wenn Jake sie so anschaute wie jetzt, mit diesen lächelnden Augen.
Er zwinkerte. „Tut mir leid, wenn ich dich in der Countrybar verunsichert habe, Emma. Das hatte ich nicht beabsichtigt.“
Davon war sie auch nicht ausgegangen. „Glaube ich dir. Und jetzt lass uns den gestrigen Abend bitte vergessen.“ Damit sie nie wieder an ihren missglückten Flirtversuch erinnert wurde.
„Wie du möchtest. Aber wir sind noch Freunde, oder?“
Sie wünschte sich sehnlichst, sie könnte viel mehr für ihn sein. Trotzdem nickte sie. „Ja, Freunde.“
Von da an fühlte sie sich wohl an seiner Seite, und es machte ihr Spaß, ihn bei der Inspektion des Hotels zu unterstützen. Jake scherzte nicht länger herum, sondern vertiefte sich in seine Arbeit. Fasziniert sah Emma ihm zu, während er Raum für Raum in Augenschein nahm. Hier eine Wand abklopfte und dort die Hand über einen Riss in der Vertäfelung gleiten ließ. Seine Hände waren kräftig, männlich, und doch strich er liebevoll über das seidig schimmernde Holz.
Er hatte schon als kleiner Junge begonnen, mit Holz zu arbeiten. Stundenlang war er manchmal in der Schreinerwerkstatt seines Großvaters geblieben, die sich auf dem Grundstück der Rendels befand. Dass Jake später in die Bauwirtschaft gegangen war, wusste Emma – nur hatte sie nicht geahnt, dass er es sich leisten konnte, eine Firma wie White’s Construction aufzukaufen. War er so erfolgreich?
Sie musterte seinen Anzug – hochwertiger Stoff, maßgeschneidert und sehr schick. Viel aufregender fand sie jedoch den muskulösen Körper darunter, und in ihrem Bauch begann es zu kribbeln, als sie sich vorstellte, Jake würde sie eng an sich ziehen, sie leidenschaftlich küssen …
Ups! Jetzt hatte er bemerkt, wie sehnsüchtig sie ihn anschaute. Er schmunzelte, und das Funkeln in seinen Augen war auch sehr verräterisch.
Hastig wandte sie sich ab, um zu verkünden: „Die nächste und letzte Station auf unserem Rundgang ist die Lobby.“
Der Eingangsbereich des Sanctuary sollte völlig umgestaltet werden. Emma erklärte Jake die geplante Raumaufteilung, und während sie gestikulierte und ihm alles schilderte, legte er ihr plötzlich den Arm um die Schultern und suchte ihren Blick. Verwirrt brach sie mitten im Satz ab. Sie starrte in seine blauen Augen und meinte zu träumen, als er den Kopf senkte und die Lippen zärtlich über ihre Schläfe gleiten ließ.
Emma rührte sich nicht. Nur ihr Herz hämmerte wie verrückt. „Was soll das, Jake?“
„Die Blondine an der Rezeption …“, flüsterte er ihr ins Ohr, und sie versuchte, sich auf die Worte zu konzentrieren statt auf seinen Atem, der warm und verführerisch über ihre Haut strich, „… ist sie eine von denen, die über dich gelästert haben?“
„Ja.“
Bevor sie wusste, wie ihr geschah, zog Jake sie zum Fahrstuhl. „Spiel mit“, bat er leise. „Deine Kollegin beobachtet uns schon die ganze Zeit.“
„Ach, was Becca sagt oder tut, ist mir inzwischen egal.“
„Das glaube ich nicht. Dafür hat sie dich viel zu sehr gekränkt.“
Die Fahrstuhltür öffnete sich, und Jake dirigierte Emma in den Aufzug. Dann drückte er die Knöpfe aller fünf Etagen.
„Was soll das jetzt wieder?“, fragte sie mit klopfendem Herzen und rückte vorsichtshalber ein Stück von ihm ab, sobald er sie losließ.
„Keine Sorge, ich will nur ungestört mit dir reden können.“ Jake schaute sie strahlend an. „Ich möchte dir etwas vorschlagen.“
„Was denn?“
„Dass wir dein Image ein wenig aufpolieren. Damit deine Kolleginnen nie wieder behaupten, du wärst ’ne verklemmte graue Maus ohne Sexappeal. Wir werden ihnen beweisen, dass etwas ganz anderes in dir steckt.“
Emma hob die Augenbrauen. „Und zwar?“
Er trat näher und lächelte verschmitzt. „Ein männermordendes Weib, das die Kerle scharenweise um den Verstand bringt.“
Jake hatte anscheinend schon den Verstand verloren, aber sicherlich nicht ihretwegen. „Du bist verrückt.“
Der Aufzug hielt im ersten Stock. Niemand stieg ein, und Emma wusste, dass sie schleunigst das Weite suchen sollte – doch wie angewurzelt blieb sie stehen und starrte Jake an.
„Hör zu“, sagte er vergnügt. „Wir werden deinen Kolleginnen zeigen, dass sie sich total in dir geirrt haben. Ich bleibe ungefähr fünf Wochen lang in Christchurch, und während dieser Zeit tun wir beide so, als hätten wir eine superheiße Affäre.“
Erstaunlich, mit welcher Geschwindigkeit er sich von einem seriösen Geschäftsmann in einen Clown verwandeln konnte. „Ich werde nicht den ganzen Tag mit dir in der Hotellobby rumknutschen.“
Er zwinkerte ihr zu. „Wenigstens ein paar Stunden?“
„Nein! Lass deine Scherze.“
„Es ist kein Scherz, sondern mein voller Ernst. Bitte, mach mit. Es wird lustig. Außerdem schadet es niemandem.“
Na, da war sie sich nicht so sicher. Für ihn mochte es ein Gag sein, aber ihre Hormone spielten jetzt schon verrückt, dabei hatte die Scharade noch gar nicht begonnen. Wie sollte sie eine Affäre mit Jake Rendel vortäuschen, ohne sich mehr von ihm zu wünschen? Ohne sich in ihn zu verlieben? „Warum tust du das?“
„Weil ich nicht will, dass man über dich lästert, Emma. Komm schon, sag Ja, es wird uns beiden Spaß machen. Hier ein Blick, da eine Berührung – und alle werden wie gebannt zuschauen. Max hat bestimmt nichts dagegen.“
Ein Blick? Eine Berührung? „Und was ist mit deinen Spielregeln?“
Er lachte auf. „Die gelten nur fürs Küssen. Für diese Geschichte müssen wir uns nicht küssen.“
Nicht? Wie schade.
„Sag Ja“, bettelte er. „Wir sind doch alte Freunde, und Freunde helfen sich gegenseitig. Du wirst sehen, wir beide werden ein Spitzenteam sein.“
Emma schüttelte den Kopf. „Jake, das ist …“
„Ach komm. Lass uns diesen gehässigen Blondinen beweisen, was für eine leidenschaftliche Frau in dir steckt.“
Das war schon eine sehr verlockende Vorstellung.
Sie war immer das unscheinbare fleißige Mädchen gewesen. Die Ruhigste in der Klasse. Bei den Lehrern beliebt, weil sie stets alle Fragen beantworten konnte, aber sonst? Mädchen wie Becca hatten mit ihr nur geredet, wenn sie die Hausaufgaben abschreiben wollten. Abgesehen davon, war sie von denen ignoriert worden. Und natürlich belächelt, weil sie so langweilig war, so brav, so schüchtern.
Und heute lästerten die Kolleginnen über sie. Die hatten gut lachen, ihnen fiel es ja auch leicht, sich einen tollen Kerl zu angeln. Eine schöne Frau wie Becca musste nur mit dem Finger schnippen, und schon lag ihr ein Mann wie Jake zu Füßen.
Ein Mann wie Jake. Da es ausgerechnet um ihn ging, konnte Emma kaum widerstehen, seinem albernen Vorschlag zuzustimmen. Es wäre fantastisch, ein wenig mit ihm zu flirten. Sie würden viel Spaß haben. Und ihr Herz? Ach, ihre Gefühle für Jake würde sie schon im Griff behalten.
Wäre es nicht schön, einmal diejenige zu sein, die sich über andere amüsierte? Statt immer verspottet zu werden?
Ein paar Zweifel blieben ihr noch. Emma ahnte sehr wohl, dass sie sich die Finger verbrennen könnte. Doch ohne länger nachzudenken, sagte sie: „Ja, okay.“
Jake strahlte. „Prima. Was meinst du, können wir auch dein Outfit ein bisschen aufpeppen?“
„Warum? Gefällt dir mein Kostüm nicht?“
„Oh doch, es ist nur sehr … brav.“
„Ich werde nicht sexy gekleidet zur Arbeit erscheinen, Jake“, protestierte sie.
„Ist auch gar nicht nötig.“ Beschwichtigend hob er die Hände, bevor er sanft hinzufügte: „Du brauchst keine aufreizende Kleidung, um sexy zu wirken, Emma. Selbst in einem Kartoffelsack würdest du noch erotisch aussehen.“
„Falls du es nicht bemerkt hast, wir sind hier allein. Du musst mir also nichts vorsäuseln. Oder übst du schon mal?“
„Nein, ich sage die Wahrheit.“
„Du bist ein Charmeur, Jake Rendel, und ich sollte mich nicht auf deine Spielchen einlassen.“
Jake lachte. „Du wirst es genießen. Fünf Wochen lang tun wir so, als könnten wir nicht die Finger voneinander lassen, und am Ende unserer heißen Affäre zerquetschst du mein Herz unter deinen zehn Zentimeter hohen High Heels.“
„Ich trage keine High Heels.“
Wieder lachte er. „Vielleicht könntest du …?“
„Nein, hohe Absätze sind unbequem.“ Emma straffte die Schultern. Auch wenn Jake ein weltgewandter Mann war, wie kam er dazu, ihre Kleidung zu kritisieren? Das musste sie sich nicht gefallen lassen. „Denkst du eigentlich, an dir gibt es gar nichts auszusetzen?“
Ein breites Lächeln fuhr über sein Gesicht. „Na ja, du hast es selbst gesagt, Emma – ich bin der Hauptgewinn in der Tombola.“
„Ach, manch ein Glückslos entpuppt sich als Niete, wenn man genau hinsieht“, konterte sie. „Und wer weiß, vielleicht findet Becca dich ja total unattraktiv. Dann wird es ihr kaum imponieren, wenn du mit mir flirtest.“
Jake schmunzelte. „Für den Fall könntest du ihr ein paar interessante Details über mich verraten.“
„Zum Beispiel?“
„Ich bin Eigentümer eines Bauunternehmens, dessen Jahresgewinn im Millionenbereich liegt. Außerdem besitze ich drei Häuser. Eins davon steht auf einer Insel im Tasman Nationalpark, liegt direkt am Strand und ist nur per Boot oder Helikopter erreichbar.“
„Beeindruckend, deine blühende Fantasie, Jake.“
„Es stimmt alles. Aus dem faulen Lausebengel ist ein erfolgreicher Mann geworden, wusstest du das nicht?“
Sie schüttelte den Kopf. „Helikopter?“
„Mit Fluglizenz.“
„Boot?“
„Drei. Segelboot, Jacht und ein Schlauchboot, das so alt ist, dass ich es eigentlich nicht mitzählen dürfte. Aber es schwimmt, also nehmen wir’s auf die Liste.“
Er sah blendend aus, war reich und humorvoll obendrein. Erstaunlich, dass dieser Goldfisch frei herumschwamm. „Warum bist du eigentlich noch Single?“
„Weil es so viele schöne Frauen auf der Welt gibt und ich nun mal die Abwechslung liebe.“
Natürlich, er war ja schon immer ein Playboy gewesen.
„Noch irgendwelche Fragen?“ Jake schaute ihr lächelnd in die Augen. „Oder kann unsere heiße Affäre jetzt beginnen?“
Emma hielt seinem Blick stand, während ihr das Herz bis zum Hals klopfte. Worauf ließ sie sich da eigentlich ein? „Wir täuschen die Affäre aber nur vor, nicht wahr?“
„Klar“, erwiderte er schmunzelnd. „Es ist nur ein harmloses Spiel.“
Ja, oder die größte Dummheit, die ich je begangen habe.
Sie ist zauberhaft. Jake schaute Emma nach, bis sie in Max’ Büro verschwand, dann stieg er in den Fahrstuhl. Trotzdem ist es eine verrückte Idee, den ganzen Tag mit ihr herumzuflirten. Schließlich hatte er gerade eine Firma übernommen. Er musste das umfangreiche Projekt im Hotel überwachen, einen Geschäftsführer für White’s Construction suchen, und sein Bauunternehmen in Auckland lief auch nicht von allein. Also, ihm blieb wirklich keine Zeit für irgendwelche Spielchen.
Aber er konnte doch nicht tatenlos zusehen, wenn man über Emma lästerte. Er hatte sie immer gern gemocht, die Kleine von nebenan. Und wozu waren Freunde da?
Zugegeben … es gab einen weiteren Grund für seinen ritterlichen Einsatz. Jake wünschte, Emma würde ihn noch einmal küssen. Doch im Moment standen seine Chancen wohl schlecht. Sie wollte den gestrigen Abend ja am liebsten vergessen, also bereute sie es schon, mit ihm geflirtet zu haben. Jedenfalls hielt sie ihn heute Morgen auf Abstand. Was blieb ihm da anderes übrig, als zu einem kleinen Trick zu greifen? Und seine Idee war gut. Die war sogar hervorragend. Wenn sie „heiße Affäre“ spielten, boten sich ihm reichlich Gelegenheiten, sie zu einem Kuss zu verführen.
Emma Delaney. Jake lächelte. Jahrelang hatte er nicht an sie gedacht – und seit sechzehn Stunden ging sie ihm nicht mehr aus dem Kopf.
Jake kehrte ins Sanctuary zurück, nachdem er kurz in seinem Apartment gewesen war, um sich umzuziehen. Denn für die Handwerksarbeit brauchte er legere Kleidung. Und der Blondine schien er darin bestens zu gefallen, sie verschlang ihn mit Blicken, während er auf die Rezeption zuging.
„Hi“, begrüßte sie ihn strahlend. „Sind Sie nicht der Typ, der unser Hotel renoviert?“
Er nickte. „Jake Rendel.“
„Becca.“ Ihr Lächeln war sehr einladend, genau wie ihr Blick, aber das ließ Jake völlig kalt. Diese Frau interessierte ihn kein bisschen. Ein schönes Gesicht und eine tolle Figur entschädigten nun mal nicht für einen miesen Charakter, und den hatte sie, wenn sie über Emma lästerte.
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