Cora Collection Band 61 - Emma Darcy - E-Book

Cora Collection Band 61 E-Book

Emma Darcy

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Beschreibung

ALS SPIEL FING ES AN von EMMA DARCY Bei einem Galopprennen trifft Daisy den Milliardär Ethan Cartwright. Sie widersteht seinem Charme und ignoriert seine Tipps für Pferdewetten. Doch dann engagiert er sie als Verwalterin für sein Anwesen. Es beginnt ein sinnliches Spiel, das viel gefährlicher für ihr Herz ist als jede riskante Wette! BITTERSÜSSER SCHMERZ DER SEHNSUCHT von ABBY GREEN Valentina steht mit ihrem Cateringservice vor dem Ruin. Der Auftrag für das legendäre Pferderennen von Syrakus ist ihre letzte Rettung! Doch es wird ausgerechnet von Gio Corretti veranstaltet, der ihren Bruder vermutlich in den Tod gerissen hat. Kann Valentina die Kraft aufbringen, den Auftrag anzunehmen und Gio gegenüberzutreten? WAS FÜR EIN MANN! von BARBARA DUNLOP Die Springreiterin Stephanie ist empört. Alec behauptet, dass ihre geliebten Pferde ihre Familie ruinieren! Sie sollte den Finanzexperten hassen – kann seiner männlichen Ausstrahlung aber nicht widerstehen. Sie erleben Stunden der Ekstase, dann trennen sich ihre Wege: Ihn zieht es zurück in die Stadt, Stephanies Ziel ist Olympia ...

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Seitenzahl: 579

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Emma Darcy, Abby Green, Barbara Dunlop

CORA COLLECTION BAND 61

IMPRESSUM

CORA COLLECTION erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage in der Reihe CORA COLLECTION, Band 61 01/2023

© 2010 by Emma Darcy Originaltitel: „The Billionaire’s Housekeeper Mistress“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Irmgard Sander Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe Julia, Band 2002

© 2013 by Harlequin Enterprises ULC Originaltitel: „A Shadow of Guilt“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Gudrun Bothe Deutsche Erstausgabe 2014 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe Julia, Band 2136

© 2010 by Barbara Dunlop Originaltitel: „His Convenient Virgin Bride“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Anja Mehrmann Deutsche Erstausgabe 2013 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe Baccara, Band 1777

Abbildungen: Chrisstina Morgan / Shutterstock, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751517072

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Als Spiel fing es an

1. KAPITEL

„Darling, können Sie mich retten?“

Daisy erstarrte. Lynda Twiggleys affektierte Sprechweise war unverkennbar. Wie ein Blitz durchschnitt sie das allgemeine Gemurmel der Prominentenschar und riss Daisy sofort aus ihrer Lethargie. Sofern irgendeine Form von Rettung gewünscht wurde, war es ihre Aufgabe als Lyndas persönlicher Assistentin, dies schnell und effektiv zu erledigen, oder sie würde wegen unverzeihlicher Pflichtverletzung die scharfe Zunge ihrer Chefin zu spüren bekommen.

Unverzüglich schritt sie deshalb zur Tat und ließ den Blick schweifen, um die Ursache des Problems zu orten. In dem VIP-Zelt drängten sich besonders viele große Menschen, denn man hatte die Creme de la creme der australischen Topmodels einfliegen lassen. Sie sollten diesem Anlass, der nicht umsonst als „Magische Millionen“ bekannt war, zusätzlichen Glanz verleihen. Jeder der hier Anwesenden war entweder selber steinreich oder stand in Verbindung mit dem ganz großen Geld und erwartete, dass alles perfekt nach den eigenen Wünschen ausgerichtet war. Ganz besonders Daisys Chefin.

Da Daisy selbst nur mittelgroß war und zudem in Erwartung der mit ihren heutigen Pflichten verbundenen Lauferei Pumps mit einem bequemen, flachen Absatz trug, musste sie sich auf die Zehenspitzen recken, um die königsblauen Federn ausfindig zu machen, die Lyndas Hut, ein sündhaft teures Neil-Grigg-Modell, zierten. Einige blaue Federspitzen ließen Daisy ihr Ziel in Nähe der Bar ahnen, wo es eigentlich kein Problem hätte geben sollen. Sie hatte sich rechtzeitig vergewissert, dass ausreichend Champagner sowie alle erdenklichen sonstigen Getränke vorhanden waren. War vielleicht etwas auf Lyndas blauseidenes Designer-Outfit verschüttet worden?

Schlimm, schlimm, schlimm, dachte Daisy mit aufsteigender Panik, während sie sich einen Weg durch das Gewühl von Millionären bahnte und sich dabei den Kopf zermarterte, wie sie einen möglicherweise nicht zu entfernenden Fleck wegzaubern sollte. Mit klopfendem Herzen tauchte sie schließlich an der Seite ihrer Chefin auf, um erleichtert festzustellen, dass diese lediglich sämtliche Register zog, um sich bei einem Mann einzuschmeicheln. Allerdings war es nicht irgendein Mann. Als Daisy ihn erkannte, bekam sie sofort wieder Herzklopfen.

Ethan Cartwright, das Finanzgenie, das durch unnachahmliches Geschick die reichsten Bürger Australiens vor den negativen Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise bewahrt hatte.

Daisy blieb unmittelbar hinter Lynda stehen und beobachtete ihn, bestürmt von bitteren Gefühlen … Zorn, Groll und Feindseligkeit angesichts der schrecklichen Ungerechtigkeit einer Welt, in der die Reichen immer reicher, die Armen dagegen immer ärmer wurden. Und in der Menschen wie ihre Eltern in einer Schuldenfalle endeten, aus der es kein Entrinnen mehr gab. Dieser Mann stand mehr als irgendein anderer stellvertretend für diese grausame Realität.

Sie kannte ihn aus Zeitungsberichten und von den Fotos in der Presse, doch die Entdeckung, wie umwerfend gut er leibhaftig aussah, verschärfte noch den Aufruhr ihrer Gefühle. Dichtes, gewelltes schwarzes Haar, faszinierende grüne Augen, markante Züge, die auf Anhieb sympathisch wirkten, dazu eine athletische Figur, die der elegante, maßgeschneiderte Anzug imposant zur Geltung brachte – es war einfach unfair! Der Mann hatte wirklich alles! Daisy verübelte es ihm doppelt, dass er eine so unverkennbar erotische Wirkung auf sie ausübte.

Zu Daisys Beunruhigung sah er sie plötzlich über Lyndas Schulter hinweg durchdringend an. Hatte er ihren feindseligen Blick gespürt? Fragend zog er die perfekt geschwungenen dunklen Brauen hoch, während seine unglaublich grünen Augen bestrebt schienen, ihre geheimsten Gedanken zu ergründen.

Lynda, die seine mangelnde Aufmerksamkeit bemerkte, drehte sich ärgerlich um. Kaum hatte sie erkannt, dass es sich bei dem unerwünschten Störenfried nur um eine Angestellte handelte, gab sie sich keine Mühe, höflichen Schein zu wahren. Ihre stahlblauen Augen blitzten Daisy ungehalten an. „Was suchen Sie hier, Dee-Dee?“

„Nichts, Miss Twiggley“, antwortete Daisy so selbstbewusst wie möglich. „Ich dachte nur, Sie hätten mich gerufen und bräuchten meine Hilfe.“

Lynda schnalzte gereizt. „Jetzt nicht. Und stehen Sie nicht hier herum. Ich bin sicher, Sie haben Sinnvolleres zu tun.“

„Ja, natürlich. Verzeihen Sie die Störung. Und entschuldigen Sie mich.“

Daisy wollte sich schon zurückziehen, als sich Ethan einmischte. „Warten Sie!“ Er machte einen Schritt auf sie zu und ließ lächelnd makellos weiße Zähne blitzen. „Wir kennen uns noch nicht“, sagte er jetzt, wobei seine Stimme genauso sexy klang, wie der Mann aussah. „Denn an eine Dee-Dee würde ich mich ganz bestimmt erinnern. So ein ungewöhnlicher Name. Seien Sie doch so nett und stellen Sie uns einander vor, Lynda.“

„Das sind ihre Initialen, nicht ihr Name.“ Lyndas perlendes Lachen verursachte Daisy eine Gänsehaut. Sie hasste die herablassende Art ihrer Chefin. Wenn sie diesen Job und das damit verbundene Gehalt nicht so nötig brauchen würde, hätte sie bereits an dem Tag gekündigt, als Lynda ihr erklärt hatte, sie könne unmöglich eine persönliche Assistentin namens Daisy um sich haben, weil sie bei dem Namen stets an eine Kuh dächte. Nein, Dee-Dee klang da viel vornehmer.

„Das ist nur meine Assistentin, Ethan“, fügte Lynda Twiggley nun geringschätzig hinzu. „Niemand, den Sie kennen müssten.“

Diese snobistische Bemerkung kam bei ihm offensichtlich nicht gut an. „Aber im Gegenteil, sollte ich einmal geschäftlich mit Ihnen zu tun haben, ist Ihre Assistentin vermutlich meine erste Ansprechpartnerin“, widersprach er mit einem unmissverständlich harten Funkeln in den grünen Augen.

„Na, also gut“, gab Lynda sich geschlagen, weil sie wohl spürte, dass er sonst keine Ruhe geben würde. „Ethan Cartwright, Daisy Donohue.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Cartwright“, sagte Daisy pflichtschuldig und bestrebt, so schnell wie möglich wieder in der Menge unterzutauchen.

Ethan aber, der ihre Fluchtgedanken zu ahnen schien, machte sich ganz offensichtlich einen Spaß daraus, sie aufzuhalten. „Das Vergnügen ist vermutlich mehr auf meiner Seite“, erwiderte er übertrieben charmant, als wolle er sich über sie lustig machen.

Natürlich! Der große Zampano, der sich dazu herablässt, mit der kleinen grauen Maus zu flirten! dachte Daisy wütend, während sie ihm höflich die Hand schüttelte. Bei der Berührung durchzuckte es sie heiß, und als er ihre Hand eine Spur länger als nötig hielt, begehrte Daisy unwillkürlich gegen das Gefühl auf, er wolle ihr seinen Willen aufzwingen.

„Entschuldigen Sie mich jetzt bitte, Mr. Cartwright, aber ich werde woanders gebraucht“, sagte sie energisch und riss sich vom Blick seiner sündhaft attraktiven grünen Augen los, um ihrer Chefin diensteifrig zuzunicken. Lynda Twiggley kochte innerlich bestimmt schon, weil man sie in ihrer wichtigen Unterhaltung mit Ethan Cartwright gestört hatte.

Letzterer besaß zumindest genügend Feingefühl, um zu erkennen, dass Daisy seinetwegen Ärger bekommen könnte, wenn er sie noch länger aufhielt, und ließ ihre Hand los … ohne allerdings aufzuhören, sie anzulächeln, als gefiele ihm, was er sah. Warum, konnte Daisy nicht begreifen, denn das Festzelt war voller hinreißend schöner Frauen, die sich nur zu gern in seiner Aufmerksamkeit gesonnt hätten. Sie dagegen hatte braunes Haar, braune Augen und war wie stets schlicht und unauffällig gekleidet, um nur ja nichts von dem Scheinwerferlicht auf sich zu ziehen, in dem ihre Chefin so gern stand.

„Wenn Sie eine Minute Zeit haben, wetten Sie auf Midas Magic“, gab Ethan ihr noch zum Abschied mit auf den Weg.

Gutes Geld auf ein Pferd zu setzen! Das käme ihr nie im Leben in den Sinn! In ihrer Empörung vergaß Daisy alle Zurückhaltung. „Ist das der beste finanzielle Rat, den Sie auf Lager haben?“, entgegnete sie voller Verachtung für seinesgleichen.

Sogar sein Lachen war atemberaubend sexy. „Nein, aber es ist ein guter Tipp“, antwortete er. „Ich habe ihn diese Woche bei der Jährlingsauktion auf fachmännischen Rat hin erstanden, und er besitzt die Abstammung und die Form, um im großen Rennen zu siegen.“

„Ich spiele nicht“, entgegnete Daisy kühl, bevor sie der Höflichkeit halber hinzufügte: „Aber ich wünsche Ihnen viel Glück, Mr. Cartwright.“ Dann wandte sie sich ab und beeilte sich zu verschwinden.

„Das ganze Leben ist ein Spiel, Daisy“, rief er ihr fröhlich nach.

Nein, jedenfalls nicht für sie, und sie verbot sich, diese Bemerkung auch nur zur Kenntnis zu nehmen, indem sie sich noch einmal zu ihm umblickte.

All diese Leute hatten Geld wie Heu. Nachdem Daisy jetzt drei Monate für Lynda Twiggley arbeitete, deren PR-Agentur Events für Prominente der Top-Kategorie organisierte, erstaunte und empörte es Daisy immer wieder, wie viel diese Menschen dafür ausgaben, nur um sich zu amüsieren. Die vorweihnachtlichen Partys waren irrwitzig gewesen. Silvester wurde standesgemäß auf einer privaten Luxusyacht mit einem Logenplatz für das berühmte Feuerwerk im Sydney Harbour gefeiert. Und jetzt hatte sich jeder, der auf sich zählte, an der Gold Coast von Queensland zum jährlichen Magic-Millions-Karneval eingefunden, dem ersten großen Pferderennen der Saison.

Es hatte zu Beginn der Woche mit der Jährlingsauktion begonnen, der größten Verkaufsauktion von Vollblütern in Australien. Zweifellos hatte Ethan Cartwright eine astronomische Summe für Midas Magic bezahlt und seinen erfolgreichen Zuschlag seitdem Tag für Tag feiern können. Denn es hatte bereits einen großen Ball und eine ganze Reihe von Cocktail-Partys gegeben, und am heutigen Tag sollte das alles noch einmal mit Preisgeldern von fast fünf Millionen Dollar gekrönt werden. Daisy hoffte insgeheim, dass sein Pferd als letztes einlaufen würde.

Das Leben sollte kein Spiel sein. Manche Dinge sollten einem sicher sein. Zum Beispiel das Zuhause ihrer Eltern.

Und wenn sie in diesem miesen Job ausharren musste, um dazu beizutragen, dann würde sie die Zähne zusammenbeißen und genau das tun, egal, wie bitter es war.

Ethan hatte sich nicht besonders gut amüsiert. Nachdem es ihm gelungen war, einer Horde weiblicher Wesen zu entkommen, deren oberflächliches Geschnatter ihn langweilte, hatte Lynda Twiggley ihm aufgelauert, ganz erpicht darauf, ihn als Berater für ihre Geldanlagen zu gewinnen. Was sogar noch langweiliger und überdies geschmacklos war, denn Magic Millions sollte Spaß und nicht Arbeit machen. Die PR-Agentin hatte ihm gegenüber jedenfalls nicht ihr fachliches Talent ausgespielt – dazu war sie viel zu aufdringlich gewesen –, und ihr Verhalten gegenüber ihrer Assistentin konnte man einfach nur als unerträglich bezeichnen.

Daisy Donohue … Also das war eine Frau, die ihn wirklich interessierte. Der kleine braune Spatz inmitten all der glamourösen Paradiesvögel, der das unterwürfige Dienstmädchen spielte, obwohl es insgeheim in ihm brodelte. Ein Westentaschenvulkan, der ihm so viel feindselige Energie entgegengeschleudert hatte, dass es ihn sofort reizte, sich auf eine Auseinandersetzung mit ihr einzulassen. Was natürlich angesichts der unfairen Voraussetzungen, dass er hier Gast und sie eine Angestellte war, nicht möglich gewesen war.

Ich spiele nicht … Wenn sie sich derartig zurückhielt, sich jegliches Risiko verbot, musste sich ja ein ungeheurer Druck in ihr aufbauen. Ethan ertappte sich dabei, sich auszumalen, wie viel Spaß es machen würde, all ihre unterdrückte Leidenschaft zu entfesseln. Daisy Donohue war nicht oberflächlich. Und auch nicht langweilig, fügte Ethan insgeheim hinzu, als Lynda Twiggley erneut seine Aufmerksamkeit einforderte.

„Wie ich bereits sagte, bevor Dee-Dee uns unterbrochen hat …“

Dee-Dee … was für ein dümmlicher Name für eine Person, die so viel natürliche Würde ausstrahlte! Darüber hinaus zeugte er auch von mangelndem Respekt, wie überhaupt die herablassende Art, in der diese unglaublich arrogante Frau mit Daisy umgesprungen war. Ethan jedoch vertrat die feste Überzeugung, dass jeder Mensch es verdiente, mit Respekt behandelt zu werden, gleichgültig, welche Position er im Leben innehatte. Er fragte sich, warum Daisy sich das gefallen ließ, und rief sich im nächsten Moment ins Gedächtnis, dass sie es sich in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten sicher nicht erlauben konnte, ihren Job zu riskieren.

Er gewährte Lynda Twiggley noch genau fünf Minuten, damit sie später nicht ihrer Assistentin vorwerfen würde, ein wichtiges geschäftliches Gespräch abgeschnitten zu haben, dann entschuldigte er sich mit den Worten: „Wissen Sie, Lynda, meine Klientenliste ist eigentlich schon sehr voll, aber wenn ich wieder im Büro bin, werde ich nachsehen, ob ich Sie noch irgendwo dazwischenschieben kann.“ Er wies mit dem Kopf auf seinen besten Freund, der angeregt mit einem der Topmodels plauderte. „Mickey Bourke hat gemeint, wir sollten vor dem großen Rennen noch mit dem Jockey sprechen, und es ist höchste Zeit, ihn daran zu erinnern.“

„Oh!“ Lynda konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen, rang sich jedoch ein Lächeln ab. „Ich mache mich aber sofort auf und platziere eine Wette auf Midas Magic!“

Das war ihm völlig schnuppe. Ethan wollte einfach nur weg von ihr. Sein Freund Mickey hatte ihn zu dieser Pferdegeschichte überredet, weil er meinte, etwas Abwechslung könne nicht schaden und nach der groben Enttäuschung mit seiner Exverlobten wieder Schwung in Ethans Privatleben bringen. Er solle sich etwas Spaß gönnen, hatte Mickey gemeint, vor allem, wenn er gerade solo unterwegs sei. Und laut seinem Freund gab es nichts Besseres als das Wahnsinnsgefühl, dabei zu sein, wenn das eigene Pferd ein großes Rennen gewann. Ethan stand dieses Erlebnis erst noch bevor, aber Mickey musste es eigentlich wissen, denn sein Vater war einer der erfolgreichsten Vollblut-Trainer Australiens.

Mickey war in der Pferdewelt groß geworden. Schon in der Schule organisierte er Wetten für den Melbourne Cup, was natürlich streng verboten war, aber er kam immer ungeschoren davon. Er war bei den Mitschülern beliebt: klug, geistreich, charmant – ein Sonnyboy mit sonnengebleichtem Blondschopf und blitzenden blauen Augen. Und der geborene Sportler, groß gewachsen und athletisch, vielleicht die einzige Eigenschaft, die er und Ethan gemeinsam hatten.

Alle mochten Mickey. Er war ein Kumpel, mit dem man immer Spaß hatte. Warum er sich ausgerechnet Ethan angeschlossen hatte, einem eher stillen, in sich gekehrten Schüler und dabei seinem einzigen ernsthaften Rivalen auf dem Sportplatz, hatte Ethan nicht begriffen, bis Mickey es ihm erklärte.

„Ganz ehrlich? Ich mag es, wenn jemand etwas auf dem Kasten hat. Und du steckst alle in die Tasche, lässt es aber uns gegenüber nicht heraushängen.“ Ein spitzbübisches Grinsen erhellte Mickeys Gesicht. „Außerdem hat es große Vorteile, dein Freund zu sein. Erstens bist du die beste Tarnung, weil alle Lehrer große Stücke auf dich halten. Das färbt auf mich als deinen Freund ab, sodass sie mich nicht gleich im Verdacht haben, Böses im Schilde zu führen. Darüber hinaus bist du ein Genie im Umgang mit Zahlen und kannst wie kein anderer die Wettchancen ausrechnen. Du wirst mir damit bestimmt einmal sehr von Nutzen sein.“

Ein erster Beweis, wie schlau Mickey war – schlau auf eine Art, wie sie Ethan nicht kannte als einziges Kind eingefleischter Akademiker, die alles streng nach Vorschrift erledigten. Ethan aber hatte auf Anhieb begriffen, dass er von Mickey Bourke viel lernen konnte.

„Und was den Sport betrifft“, hatte Mickey damals gespielt resigniert hinzugefügt, „ergebe ich mich in mein Schicksal, Ethan. Du kannst ein Spiel wie kein anderer lesen und ahnst die Züge in unglaublicher Weise voraus. Mir ist klar, dass der Trainer immer dich zum Kapitän der Kricket- und der Rugby-Mannschaft berufen wird, egal, wie gut ich auf dem Platz bin. Wenn ich klug bin, gewinne ich dich als Freund und halte mich an deiner Seite, um an deinem Ruhm teilzuhaben.“

Mickeys Ehrlichkeit, gepaart mit seiner realistischen Einschätzung der Lage und der sehr pragmatischen Beurteilung, wie er aus seiner Schulzeit den größtmöglichen Gewinn für sich ziehen könnte, hatten Ethan schwer beeindruckt. Und so wurden er und Mickey ein eingeschworenes Team, und ihre enge Freundschaft überdauerte die Jahre, obwohl sie karrieremäßig völlig unterschiedliche Wege einschlugen.

Privat allerdings waren sie beide noch Junggesellen, wenngleich aus recht verschiedenen Gründen. „Es gibt viel zu viele hübsche Hasen, um sich auf nur einen festzulegen“, lautete Mickeys ungenierte Einstellung. Ethan dagegen war schon seit Langem zu der zynischen Schlussfolgerung gelangt, dass alle begehrenswerten Frauen verwöhnte Prinzessinnen waren, die alles nach ihrem Kopf haben wollten und in der Regel Sex im Tausch einsetzten, um zu bekommen, was sie wollten. Eine Erfahrung, die er gerade erst wieder bei einer Frau schmerzlich bestätigt gefunden hatte, von der er dummerweise überzeugt gewesen war, dass sie anders sei.

Im Großen und Ganzen war er immer bereit gewesen, dieses Spiel mitzuspielen, denn welcher Mann wollte keinen Sex? Und vom Bett einmal abgesehen, zogen beide Seiten noch andere Vorteile daraus. Es schmeichelte seinem männlichen Ego, mit der einen oder anderen Society-Schönheit in der Öffentlichkeit gesehen zu werden, ebenso wie die Frauen ganz wild darauf waren, einen der begehrtesten Milliardäre Sydneys der Liste ihrer Eroberungen hinzuzufügen.

Man durfte nur nicht den Fehler machen, zu viel zu erwarten. Ethan jedenfalls hatte es empfindlich auf den Boden der Wirklichkeit zurückgeholt, als er zufällig mitbekommen hatte, wie sich Serena einer Freundin gegenüber triumphierend mit ihrem tollen „Fang“ brüstete. Ja, es wäre ein gewaltiger Fehler gewesen, sie zu heiraten, und Ethan hasste es, Fehler zu machen. Er konnte es sich immer noch nicht verzeihen, sich derart in ihrem Charakter geirrt zu haben.

Ethan erwartete zumindest Ehrlichkeit in einer Beziehung. Wahrhaftigkeit. Er wollte so, wie er war, erkannt und geschätzt werden. Er wünschte sich von einer Frau die gleiche verständnisvolle Kameradschaft, wie er sie bei Mickey fand. Was vermutlich unmöglich war, weil Frauen eben anders tickten als Männer. Aber wenn er wenigstens eine fände, die ihm nicht das Gefühl gab, nur als Beute in einer eher einseitigen Jagd umgarnt zu werden!

Sofort kam ihm Daisy Donohue in den Sinn. Schade, dass sie heute nicht als Gast hier war. Sie hatte wirklich sein Interesse geweckt. Eine spitze Zunge, die ganz bestimmt nicht den Verdacht wecken konnte, ihn „umgarnen“ zu wollten. Nein, der kleine braune Spatz sprühte förmlich Funken, was Ethan überraschend sexy gefunden hatte. Eine niedliche, hübsch gerundete Figur kam dazu. Er hatte noch nie begriffen, was Mickey an diesen spindeldürren Models fand. Was für eine Wirkung dagegen, als Daisy ihm den kleinen, knackigen Hintern zugewandt hatte und mit anmutigem Hüftschwung davongegangen war! Ein sehr sexy Hintern.

Ethan lächelte unwillkürlich. Er mochte wetten, dass Daisy Donohue auch wunderschönes Haar hatte, wenn sie es offen und nicht hochgesteckt trug. Einen Moment lang malte Ethan sich aus, wie er die Haarnadeln herauszog und die Finger durch ihr seidiges braunes Haar gleiten ließ und dabei zusah, wie in ihren samtbraunen Augen die Leidenschaft erwachte. Das würde ihm gefallen.

Als er die gut gelaunte Gästeschar erreichte, die sich wie stets um Mickey versammelt hatte, suchte er den Blick des Freundes und nickte zum Ausgang des Festzeltes. Ohne auf Mickey zu warten, ging Ethan so betont zielstrebig weiter, dass keiner es gewagt hätte, ihn zu belästigen. Kaum dass er draußen war, holte Mickey ihn ein.

„Hab gesehen, wie die Twiggley versucht hat, dich in die Klauen zu bekommen“, meinte er mitfühlend lächelnd. „Ich nehme an, sie zählt zu den Verwundeten, die einen Arzt suchen.“

Ethan verzog das Gesicht. „Ich bin kein Arzt.“

„Aber so etwas Ähnliches. Du sollst die Wunden heilen, die die Finanzkrise bei manchem geschlagen hat.“

„Ich ziehe Klienten vor, die von vornherein meinem Rat vertraut haben.“

„So wie ich.“ Mickey klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter, während sie sich langsam dem Sattelplatz näherten. „Habe nicht eine Sekunde an deinen Zahlenkünsten gezweifelt.“

„Sie ist eine abscheuliche Frau“, sagte Ethan, in Gedanken immer noch bei seiner Begegnung mit Lynda Twiggley. „Hat ihre persönliche Assistentin wie den letzten Dreck behandelt.“

„Hm … höre ich da eine gewisse Eingenommenheit für die Assistentin heraus?“

Mickeys blaue Augen blitzten neckend. Er war heute nur darauf aus, Spaß zu haben, und wollte, dass auch Ethan sich amüsierte. Was mit Daisy Donohue natürlich unmöglich war. Denn abgesehen davon, dass sie gar nicht zur Verfügung stand, waren ihre feindseligen Blicke wohl kaum eine Ermutigung gewesen. Allerdings reizte es Ethan, den Grund dafür herauszufinden. Nichts war so belebend wie eine kleine Herausforderung.

„Sie ist jedenfalls interessanter als deine Models“, parierte er deshalb die Frage seines Freundes.

„Aha. Es ist auf alle Fälle ein gutes Zeichen, dass die lusttötende Erfahrung mit der durchtriebenen Serena offensichtlich verblasst ist. Also, was gedenkst du wegen dieser neuen interessanten Frau zu tun?“

„Heute hat sie wohl keine Zeit, sich zu vergnügen“, erwiderte Ethan bedauernd. „Lynda Twiggley hat sie fest in ihrem bösen Blick.“

„Kein Problem! Sag der Twiggley, dass du dich um ihre Finanzprobleme kümmerst, wenn sie ihre Assistentin für den Rest des Tages dir überlässt.“

Einfach über Daisys Kopf hinweg? Ethan, der sich an ihren bemerkenswerten Stolz erinnerte, glaubte nicht, dass es bei ihr gut ankommen würde, wenn man über sie wie über eine Sklavin verfügte. Außerdem verspürte er genauso wenig wie Daisy große Lust, für Lynda Twiggley zu arbeiten. „Das ist keine Lösung, sondern Blödsinn“, wehrte er deshalb spöttisch ab.

„Na, dir wird schon was einfallen“, entgegnete Mickey ungerührt. „Mein Motto lautet jedenfalls: Wenn dir eine Frau gefällt, dann mach dich an sie ran. Pack die Gelegenheit beim Schopf. Sie verflüchtigt sich schnell genug wieder.“

Ethan verdrehte die Augen. „Manchmal solltest du vielleicht etwas genauer hinsehen, bevor du dich hineinstürzt. Bei den Pferden tust du es ja auch.“

Mickey lachte. „Pferde sind ja auch unendlich viel lohnender als Frauen! Also, vergiss jetzt diese Assistentin und konzentriere dich auf Midas Magic, Ethan. Er bringt dir mehr ein für dein Geld.“ Endlich bei seinem Lieblingsthema angelangt, versorgte Mickey seinen Freund mit einer Kurzfassung der Biografie des Jockeys, den er jetzt gleich kennenlernen würde, gab einen Überblick über dessen zahllose Erfolge und sang eine Lobenshymne auf den besonderen Pferdeverstand des Mannes.

Obwohl Ethan sich den Anschein gab, interessiert zuzuhören, lauschte er nur mit halbem Ohr, denn seine Gedanken schweiften immer wieder zu Daisy Donohue. Sie ließ ihn einfach nicht los, ja, weckte in ihm den ritterlichen Wunsch, sie aus Lynda Twiggleys Klauen zu retten und alles, was immer es auch sein mochte, für sie gutzumachen.

Völlig absurd. Er kannte sie doch gar nicht.

Aber sein Gefühl sagte ihm, dass sie es wert war, dass er sie näher kennenlernte, und er es vielleicht später bedauern würde, dem Interesse, das sie in ihm geweckt hatte, nicht nachgegangen zu sein.

Pack die Gelegenheit beim Schopf. Die Frage war nur … wie?

2. KAPITEL

Das Hauptrennen verschaffte Daisy eine kurze Verschnaufpause. Ein Großteil der Gäste war aus dem Festzelt geströmt, um zuzusehen, wie die Pferde in die Startboxen geführt wurden, und die anderen richteten ihre ganze Aufmerksamkeit auf die großen Bildschirme. Solange dort das Rennen übertragen wurde, würde keiner wegen irgendwelcher Sonderwünsche Aufhebens machen.

Daisy suchte sich also einen Stuhl und setzte sich, um ihre müden Füße auszuruhen. Der TV-Kommentator gab zu jedem Jährling eine Kurzinformation mit den wichtigsten Daten: Abstammung, Besitzer, Trainer und die Farben, die der Jockey trug. Gold und Schwarz für Midas Magic. Daisy lächelte bitter, als sie das hörte. Der Geldmensch Ethan Cartwright hatte natürlich Gold gewählt. Und wenn sein elendes Pferd gewann, würde er einmal mehr in den schwarzen Zahlen sein. Nicht so deprimierend in den roten wie so viele andere, ihre Eltern eingeschlossen.

Bedrückt dachte sie an die Lage ihrer Eltern – ganz normaler Leute, die hart gearbeitet hatten, um fünf Kinder großzuziehen und ihnen eine gute Ausbildung zukommen zu lassen. Schließlich glaubten sie, es sich erlauben zu können, ihr Familienheim in bescheidenem Umfang renovieren zu lassen: eine neue Küche, ein zweites Bad, ein Spielzimmer für die Enkelkinder und zwei zusätzliche Schlafzimmer, sodass sich – vor allem an Weihnachten, an Ostern und in den Schulferien – die ganze Familie bei ihnen treffen könnte.

Zu diesem Zweck mussten sie auf ihr Haus eine Hypothek aufnehmen, und die Bank, die ihnen das Geld so bereitwillig geliehen hatte, würde das Haus genauso bereitwillig und ohne mit der Wimper zu zucken pfänden, wenn die Hypothekenraten nicht pünktlich jeden Monat bezahlt werden würden.

Angesichts des gegenwärtigen Einbruchs auf dem Immobilienmarkt würde ein Notverkauf nicht annähernd den Wert des Hauses einbringen, sodass ihre Eltern am Ende immer noch mit drückenden Schulden dastehen würden. Außerdem wäre es nicht fair gewesen, wenn sie zu einem Zeitpunkt ihres Lebens, da sie einen sorglosen Ruhestand verdient hätten, ihr geliebtes Heim verloren hätten. Aber ihr Anlageberater hatte sich hoffnungslos verkalkuliert.

Der gewaltige Erdrutsch auf dem Aktienmarkt im vergangenen Jahr hatte die Pensionsrücklagen ihrer Eltern um mehr als dreißig Prozent reduziert, und die daraus resultierenden Einkommenseinbußen würden sich nie wieder ausgleichen lassen. Abgesehen davon, dass es in der gegenwärtigen Rezession keinerlei Aussicht auf eine Besserung der Lage gab.

Leider konnte auch die übrige Familie nicht helfen. Daisys drei älteren Brüder und ihre Schwester waren allesamt verheiratet und kamen mit ihren jungen Familien auch nur mühsam über die Runden. Zwei ihrer Brüder, Ken und Kevin, waren von ihren Arbeitgebern wegen des Auftragsrückgangs entlassen worden. Keith hatte sich selbstständig gemacht und musste sich schwer abstrampeln. Ihre Schwester Violet hatte einen autistischen Sohn, der eine so intensive Betreuung verlangte, dass ihre Ehe inzwischen auf der Kippe stand. Nein, keiner der vier konnte sich noch mehr aufbürden.

Weshalb Daisy, die bei Weitem Jüngste – das ungeplante Nesthäkchen –, es als ihre Pflicht betrachtet hatte, ihren Eltern mit allem, was in ihrer Macht stand, unter die Arme zu greifen. Sie war in ihr Elternhaus am Standrand in Ryde zurückgezogen, um ihren Eltern die Miete zu geben, die sie bis dahin für ihr kleines Apartment in der Innenstadt gezahlt hatte. Außerdem übernahm sie die meisten Lebensmittelrechnungen, damit ihre Eltern in ihrer Angst wegen der drückenden Schulden nicht auch noch hungerten.

Auf diese Weise hatten sie die monatlichen Hypothekenraten bisher aufbringen können. Doch die Aussichten blieben düster, denn Daisy verdiente einfach nicht genug, um den Kredit auf absehbare Zeit abzutragen.

Am meisten ärgerte sie die Vorstellung, wie anders alles gelaufen wäre, wenn ihre Eltern tatsächlich ihre Rücklagen von Ethan Cartwright hätten investieren lassen. Aber woher sollten normale Leute wissen, dass sie bei ihm auf der sicheren Seite gewesen wären? Sein Name war erst nach der Wirtschaftskrise in der Öffentlichkeit aufgetaucht, außerdem musste man sicher Multimillionär sein, um bei ihm als Klient angenommen zu werden. Die Reichen und Schönen aus dem Festzelt blieben gern unter ihresgleichen.

Mit dem Start des Rennens schwoll die Stimme des Kommentators an, als er nun ununterbrochen die Namen der Pferde in ihren wechselnden Platzierungen ausrief. Auch unter den Zuschauern, die sich vor den riesigen Bildschirmen drängten, machte sich zunehmende Aufregung breit. Daisy verbot es sich jedoch strikt, auch nur hinzusehen, weil es ihr zutiefst widerstrebte, wie viel Geld diese Leute bereit waren, auf ihre dummen Wetten zu riskieren. Schließlich war es doch allgemein bekannt, dass in breitem Ausmaß Rennabsprachen stattfanden, und wenn man da nicht zu den Eingeweihten zählte … Obwohl es vielleicht bei den Magic Millions etwas anderes war, weil die Besitzer wollten, dass sich ihre Neuerwerbungen bei diesem Prestigerennen gut präsentierten.

„Midas Magic übernimmt in der Kurve die Führung und beginnt bereits, das Feld hinter sich zu lassen. Jetzt ist er zwei Längen in Führung … drei … vier … den holt keiner mehr ein!“

Das Geschrei des Kommentators tat ihr in den Ohren weh. Und im Herzen. Denn der Mann, der sowieso schon alles besaß, stand im Begriff, seinen unermesslichen Reichtum weiter zu vermehren, weil sein Pferd dieses Rennen gewinnen würde. Es war einfach nicht fair. Und es ärgerte sie noch mehr, dass er sie sogar eingeweiht hatte, aber sie hatte seinen Rat ignoriert, weil sie aus Prinzip nicht spielte. Überhaupt, wer hätte schon geglaubt, dass irgendein Pferd ein so todsicherer Tipp wäre?

Lynda Twiggley zum Beispiel! Schuldbewusst sprang Daisy auf, als ihre Chefin aus einer Traube von Gästen auf sie zueilte und triumphierend einen Wettschein schwenkte. „Ich habe gewonnen!“, rief sie dabei. „Ist das nicht wundervoll? Zehntausend entzückende Dollars!“

„Zehntausend?“, wiederholte Daisy fassungslos.

„Ja! Ich hätte niemals eine derartige Summe auf ein Pferd gesetzt, wenn Ethan Cartwright es nicht empfohlen hätte“, gestand Lynda Twiggley verschwörerisch. „Was für ein kluger Mann! Er hat mir den Tag gerettet.“

„Das freut mich für Sie, Miss Twiggley“, sagte Daisy höflich. Immerhin hatte es ihre Chefin in gute Laune versetzt, sodass sie vermutlich nicht mehr bei jeder Kleinigkeit auf ihrer Assistentin herumhacken würde.

Lynda Twiggleys eisblaue Augen verengten sich berechnend. „Jetzt muss ich ihn nur noch dazu bringen, sich um mein Aktiendepot zu kümmern. Wenn ich ihn noch einmal zu einem kleinen Tête-à-Tête einfangen kann, stören Sie uns um nichts in der Welt, Dee-Dee. Benutzen Sie Ihren eigenen Verstand, um auftretende Probleme zu beseitigen. Dafür bezahle ich Sie schließlich.“

„Ich werde nicht einmal in seine Nähe kommen“, versprach Daisy. Sie hätte es sowieso nicht ertragen, ihn triumphieren zu sehen. Allerdings war sie insgeheim überzeugt, dass ihre Chefin keine Chance hatte, ihn noch einmal einzufangen. Ethan Cartwright hatte die Tatsache, dass Daisy in sein letztes Gespräch mit Lynda Twiggley hineingeplatzt war, bewusst ausgenutzt, um eine Unterredung abzuschneiden, die ihm eindeutig lästig gewesen war. Nur so ließ sich erklären, warum er sich überhaupt um Daisy bemüht hatte, eine kleine Assistentin, die er normalerweise gar nicht wahrgenommen hätte.

Sie wünschte nur, sie hätte ihn endlich aus ihren Gedanken verbannen können. All das, wofür er stand, machte sie wütend. Und zu allem Überfluss fühlte sie sich auch noch körperlich zu ihm hingezogen – was eigentlich nur verständlich war bei einem so attraktiven Mann. Aber Daisy nahm es ihm besonders übel, weil er Sehnsüchte in ihr weckte, die niemals Erfüllung finden konnten.

„Für eine Tasse Kaffee könnte ich jetzt einen Mord begehen! Ich wünschte, man würde ihn endlich servieren.“

Die vernehmliche Klage eines der Models – jeder Zoll ein VIP, nachdem sie zu den Auserwählten auf dem Laufsteg von „Victoria’s Secret“ zählte – veranlasste Daisy, sofort im Catering-Zelt nach der Ursache der Verzögerung zu forschen. Lynda Twiggley würde einen Anfall bekommen, sollte es einem ihrer kostbaren Gäste an irgendetwas fehlen. Schlechte PR. Und es war Daisys Aufgabe, dies zu verhindern.

Es stellte sich heraus, dass die beiden eitlen Küchenchefs in einen heftigen Streit verwickelt waren und ihre gesamte Helferschar dabeistand und wie gelähmt zusah. Da die Catering-Firma ihr stattliches Honorar nicht fürs Nichtstun erhielt, zögerte Daisy nicht, geradewegs in die Schusslinie zu treten und die beiden Streithähne an ihre Pflichten zu erinnern.

„Die Leute fragen nach Kaffee“, erklärte sie in einem selbstbewussten Ton, der keinen Widerspruch duldete. „Und Sie sollten ihn längst servieren. VIP-Gäste warten nicht gern.“ Sobald Daisy sich der Aufmerksamkeit aller sicher sein konnte, fügte sie hinzu: „Sind die Pralinen und Petits Fours fertig? Sie möchten doch Ihren guten Ruf in diesen Kreisen nicht aufs Spiel setzen.“

Einer der beiden hitzköpfigen Küchenchefs warf die Hände hoch und fuhr sein erstarrtes Team an: „Bewegt euch! Los, macht schon!“

Zufrieden mit ihrem Erfolg kehrte Daisy ins VIP-Zelt zurück, um dem ungeduldigen Model zu versichern, dass der Kaffee auf dem Weg sei. Doch sie hielt inne, als sie Ethan Cartwright bei der Schönen stehen sah. Natürlich! Sie hatte ja gewusst, dass er nicht ernsthaft an einer kleinen grauen Maus interessiert war. Wem wollte sie etwas vormachen? Gleich und Gleich gesellte sich gern!

Bestimmt hatte die hinreißende Schönheit auch seinen Rat angenommen und auf Midas Magic gesetzt. Die beiden Erfolgsmenschen strahlten jedenfalls um die Wette, sodass sich Daisy angesichts dieser himmelschreienden Ungerechtigkeit der Magen umdrehte.

Ethan fühlte es wieder. Sein ganzer Körper kribbelte wie elektrisiert. Als er sich umwandte, fiel sein Blick sofort auf die Quelle dieser geballten Ladung Energie: Daisy Donohue, die ihn so unglaublich feindselig ansah, dass er augenblicklich den Wunsch verspürte, sich mit ihr zu messen, sie einzufangen und festzuhalten, bis sie gezähmt war. Ein verrückter, aufregender Gedanke, der ihm fast gleichzeitig mit Mickeys herausfordernder Parole – Pack die Gelegenheit beim Schopf! – durch den Kopf schoss.

Tatsächlich zog Daisy ihn magisch an. Ohne zu überlegen, ging er auf sie zu, wie gebannt von ihrem Leidenschaft sprühenden Blick.

„Ethan?“

Das Modell, mit dem er sich unterhalten hatte, rief ihn irritiert zurück. Er hatte seine Manieren vergessen.

„Entschuldigen Sie mich bitte, Talia“, sagte er pflichtschuldig. „Da ist jemand, den ich unbedingt sprechen muss.“

Doch Daisy hatten den kurzen Moment seiner Unaufmerksamkeit genutzt, um im Gedränge der Gäste unterzutauchen, offenbar entschlossen, ihm auszuweichen. Was Ethan natürlich erst recht anspornte, ihr nachzugehen, um sie zu einer Konfrontation zu zwingen. Entschlossen bahnte er sich einen Weg durch die Menge, selber überrascht, wie heftig sein Herz pochte, als er sich Daisy im nächsten Moment in den Weg stellte.

„Hallo“, sprach er sie lächelnd an und bemerkte amüsiert, wie ihr die Zornesröte in die Wangen schoss, was ihren zarten Pfirsichteint ebenso unterstrich wie das wütende Funkeln ihrer ausdrucksvollen Augen.

Sie war wie angewurzelt stehen geblieben, als er so unerwartet vor ihr auftauchte, und blickte nun angriffslustig auf. Der kleine braune Pillbox-Hut, der auf dem Scheitel ihres hochgesteckten Haares saß, war etwas verrutscht, und Ethan konnte sich kaum zurückhalten, das Hütchen wieder zurechtzurücken. Es kribbelte ihn buchstäblich in den Fingern, diese Frau zu berühren.

„Mr. Cartwright.“ Sie machte keinen Hehl daraus, wie wenig angenehm ihr diese erzwungene Begegnung war.

Er legte seinen ganzen Charme in sein Lächeln. „Nennen Sie mich Ethan.“

Ihre braunen Augen blitzten ablehnend. „Meinen Glückwunsch zu Ihrem Sieg“, sagte sie förmlich. „Allerdings habe ich nicht auf Ihr Pferd gewettet. Wie Sie ja bereits wissen, spiele ich nicht, womit alles gesagt wäre. Wir haben nichts gemeinsam.“

Aber Ethan hatte nicht vor, sich so abspeisen zu lassen, bevor er überhaupt begonnen hatte, sie kennenzulernen. Also wechselte er die Taktik und seufzte ironisch. „Ich brauche Ihre Hilfe.“

Sie zog ungläubig die Brauen hoch.

„Das ist doch Ihr Job, oder nicht? Jedem Gast zu helfen, der ein Problem hat.“

„Und was ist Ihr Problem, Mr. Cartwright?“, fragte sie skeptisch.

„Sie sind es, Daisy Donohue.“

Ein Anflug von Angst beschlich sie. „Was soll das heißen?“

„Nun, ich habe das seltsame Gefühl, dass Sie die ganze Zeit über im Geiste Pistolenkugeln auf mich abfeuern. Und ich wüsste gern, warum.“

Im ersten Moment wurde ihr Gesicht völlig ausdruckslos, als hätten seine Worte einen automatischen Schutzmechanismus ausgelöst. Dann beobachtete Ethan, wie sie sich ganz bewusst um eine angemessen entschuldigende Miene bemühte – ein reiner Willensakt, der ihr sichtbar gegen den Strich ging. Ihr Blick bat um Verständnis, ihre Lippen rangen sich ein gewinnendes Lächeln ab. Ihr sanfter Ton strafte ihr vorangegangenes Benehmen Lügen.

„Es gab gerade Ärger im Catering-Zelt. Es tut mir leid, wenn ich meinen Stress auf Sie übertragen habe, Mr. Cartwright. Ich wollte Sie wirklich nicht verärgern. Sie würden mir einen großen Gefallen tun, wenn Sie mich jetzt allein ließen. Meine Chefin mag es gar nicht, wenn Sie mit mir reden.“

„Aber als Gast habe ich doch bestimmt das Recht, mit jedem zu reden, mit dem ich reden will“, wandte er ein.

„Ich bin kein Gast und stehle Ihnen die Zeit – Zeit, die Sie nach Miss Twiggleys Ansicht lieber mit ihr verbringen sollten“, erklärte sie spitz.

„Ich habe mit Lynda Twiggley alles besprochen, was es zu besprechen gibt.“

„Das geht mich nichts an. Aber wenn ich mich nicht von Ihnen fernhalte, könnte sogar mein Job auf dem Spiel stehen. Also entschuldigen Sie mich jetzt bitte, Mr. Cartwright.“

„Nein, verdammt!“ Frustriert packte er ihren Arm und hielt sie zurück, als sie sich von ihm abwenden wollte. „Wir sind doch nicht mehr im finstersten Mittelalter!“

„Oh doch, das sind wir“, entgegnete sie spöttisch. Die Tatsache, dass er sie gegen ihren Willen festhielt, ließ sie alle Zurückhaltung vergessen. „Sie benehmen sich genau wie ein Feudalherr, der sich an einem Dienstmädchen vergreift, das sich nicht wehren kann.“

Nur dass das Bild nicht stimmte. Sie konnte sich wehren und tat dies mit all ihrer Willenskraft. Zum ersten Mal in seinem Leben wollte Ethan ein Feudalherr sein und dieser Frau seinen Willen aufzwingen. Ihm war natürlich klar, dass er sie loslassen sollte, doch er schien alles Empfinden für zivilisiertes Benehmen verloren zu haben. Die Berührung weckte in ihm einen Ansturm wilder Gefühle, die nach Befriedigung verlangten.

„Sie verweigern mir die Hilfe, um die ich Sie gebeten habe“, warf er ihr vor.

„Mit gutem Grund“, entgegnete sie heftig.

„Unsinn!“

„Was ist mit Ihnen los?“, stieß sie verzweifelt aus. „Warum beschäftigen Sie sich überhaupt mit mir, wo Sie doch …?“

„Weil Sie mich mehr interessieren als irgendjemand anderes hier.“

„Warum? Weil ich nicht um Ihre Aufmerksamkeit buhle? Sind Sie schon so daran gewöhnt, dass die Blicke der Frauen wie gebannt an Ihren Lippen hängen, dass es Ihr gigantisches Ego nicht verträgt, wenn eine es nicht tut?“

„Im Gegenteil, Sie wollten meine Aufmerksamkeit, Daisy Donohue“, widersprach er entschieden. „Sie haben mich doch angesehen.“

Sie versuchte es mit einer vernünftigen Erklärung. „Weil sich das Model, mit dem Sie sich unterhielten, beklagt hatte, dass der Kaffee noch nicht serviert worden sei. Ich wollte sie gerade informieren, dass der Kaffee auf dem Weg sei, als ich Sie bei ihr stehen sah.“ Ihre Mundwinkel zuckten spöttisch. „Eingedenk der Anweisung meiner Chefin – und ganz im Gegenteil zu Ihrer arroganten Annahme –, wollte ich also keineswegs Ihre Aufmerksamkeit auf mich lenken, Mr. Cartwright.“

Ethan war nicht überzeugt, denn das Gefühl, dass er vorhin gespürt hatte, war nicht bloße Zurückweisung gewesen, sondern ein gebündelter Strahl leidenschaftlicher Empfindungen, die direkt auf ihn zielten. Er fühlte sie immer noch, sein ganzer Körper war elektrisiert davon. Sein spöttischer Blick verriet deshalb, was er von ihrer Lüge hielt. „Sie können mich als egoistisch und arrogant bezeichnen, so viel Sie wollen, aber das ändert nichts daran, dass in Ihrem Kopf mehr vorgeht, als Sie mich wissen lassen wollen – und es hat nichts mit Lynda Twiggleys Anweisungen zu tun.“

„Was ich denke, geht nur mich etwas an“, entgegnete sie schroff.

„Nicht, wenn es mich betrifft.“

Wie es aussah, befanden sie sich in einer Sackgasse. Daisy blickte wütend zu ihm auf, während sie sich den Kopf zerbrach nach einer Ausflucht, die er akzeptieren würde.

Ethan wiederum hätte sie am liebsten auf der Stelle in die Arme genommen und geküsst, bis all ihr Widerstand dahingeschmolzen wäre. Noch nie hatte ihn eine Frau derart erregt, sodass er zum ersten Mal in seinem Leben den guten alten Neandertaler verstehen konnte, der das Objekt seiner Begierde einfach in seine Höhle geschleppt hatte, um sich zu nehmen, was er wollte. War es ihre Feindseligkeit, die ihn so anmachte? Weil ihn allmählich die Frauen langweilten, die sich ihm nur allzu bereitwillig an den Hals warfen?

Intensität … wie aus dem Nichts kam ihm dieses Wort in den Sinn. Aber genau das war es, was ihm bei all seinen bisherigen Beziehungen mit Frauen gefehlt hatte. Daisy Donohue strahlte eine Intensität der Gefühle aus, die in ihm eine verwandte Saite anschlug. Normalerweise nutzte er die Kraft, die er daraus zog, in seiner Arbeit, denn im gesellschaftlichen Umfeld war diese Intensität kein Plus, weil sie die Menschen verunsicherte. Zu dunkel und unergründlich, wie Mickey es ausdrückte. Offenbar besaß auch Daisy diese dunkle Seite, die ihn so seltsam erregte und in ihm den Wunsch weckte, sie näher zu erforschen.

Daisy atmete nun hörbar ein und richtete den Blick vorwurfsvoll auf die Hand, die immer noch ihren Arm hielt. Ethan lockerte den Griff und streichelte mit dem Daumen sacht über die Innenseite ihres zarten Handgelenks. Triumphierend spürte er, wie rasch das Blut in ihren Adern pulsierte. Kein Zweifel, auch sie war erregt. Oder war es Angst?

„Es tut mir leid, Mr. Cartwright, wenn ich Ihnen Ärger bereitet haben sollte“, sagte sie förmlich. Ihre vollen Brüste hoben sich, als sie erneut tief einatmete. Als sie wieder zu ihm aufblickte, entdeckte er in ihrem Blick eine Verletzlichkeit, die er bis dahin nicht an ihr bemerkt hatte. „Bitte, lassen Sie mich gehen.“

Obwohl er sich wie ein Schuft fühlte, weil er sie gegen ihren Willen festhielt, brachte er es nicht über sich, sie loszulassen. „Sie sagten, wir hätten nichts gemeinsam. Aber ich denke, das stimmt nicht, Daisy Donohue.“

Sie schüttelte heftig den Kopf, doch im nächsten Moment wich ihre Erregung eindeutig einem ängstlichen Ausdruck, als etwas in Ethans Rücken ihre Aufmerksamkeit gefangen nahm.

„Ah, Dee-Dee“, ertönte auch schon heuchlerisch süß Lynda Twiggleys unverkennbare Stimme.

„Miss Twiggley“, antwortete Daisy bedrückt, als ihre Chefin zwischen sie und Ethan Cartwright trat.

Es ärgerte Ethan maßlos, als er Daisys fast unterwürfigen Ton hörte. Sie war eine geborene Kämpfernatur, und es passte einfach nicht zu ihr, vor einer falschen Schlange wie Lynda Twiggley zu Kreuze zu kriechen.

„Machen Sie dem Catering-Service Beine, dass endlich der Kaffee serviert wird.“

Daisy versuchte, sich aus Ethans Griff zu winden, um dem herablassenden Befehl ihrer Chefin Folge zu leisten und so weiteres Unheil von sich abzuwenden. Ethan aber packte entschlossen noch fester zu.

„Daisy hat sich bereits darum gekümmert“, erklärte er Lynda Twiggley kühl, die ihm ein künstliches Lächeln schenkte.

„Dann kann sie es noch einmal tun“, erwiderte sie unbeeindruckt.

Uneinsichtiges, arrogantes Biest! Ethan verlor die Geduld. „Miss Twiggley …“

Sie klimperte kokett mit den Wimpern. „Oh, bitte nennen Sie mich doch Lynda.“

Das brachte das Fass zum Überlaufen. Ohne an die Konsequenzen zu denken, machte Ethan seiner Abneigung Luft: „Ich denke, Sie sollten endlich aufhören, Ihre Assistentin wie eine Sklavin zu behandeln, die keinerlei Rücksichtnahme oder Höflichkeit verdient!“

Lynda Twiggley blieb buchstäblich der Mund offen stehen.

Ethan fühlte, wie Daisy erzitterte.

Es war, als hätte jemand eine Bombe fallen lassen. Die anschließende Stille war so intensiv, dass Ethan sie körperlich zu spüren glaubte. Er genoss es so sehr, einmal nicht nüchtern und rational als Zahlenmensch zu handeln, dass er sich richtig darauf freute, die Wirkung seines Gefühlsausbruchs zu erleben.

3. KAPITEL

Daisy drehte sich alles im Kopf. Ihr Herz pochte. Jeden Moment würde ihre Chefin einen Wutanfall bekommen, der sich gewaschen hatte, und Daisy würde die Hiebe einfangen, die Ethan Cartwright mit seinem Eintreten für sie herausgefordert hatte.

Warum nur hatte er das getan? Warum, warum, warum …?

Selbst wenn er es gut gemeint hatte, hätte er wissen müssen, dass sie es ausbaden musste. Es war ihm schlicht egal gewesen. Also hatte er einfach seinen Frust, weil er bei ihr nicht landen konnte, an Lynda Twiggley ausgelassen. Ganz egal, dass Daisy dafür würde bezahlen müssen. Dieser egoistische, arrogante Mistkerl! Sie hatte ihm ihre Lage doch erklärt und ihn gebeten, sie loszulassen – und er hatte eiskalt ihren Job riskiert, den Job, den sie so dringend brauchte, damit das Haus ihrer Eltern nicht in die Hände der Bank fiel.

Voller Panik sah sie, wie Lynda Twiggley sich aufplusterte. „Wie können Sie es wagen, sich darüber zu beklagen, wie ich Sie behandele, Sie undankbare Kuh!“

„Das habe ich nicht getan! Ich schwöre es“, beschwichtigte Daisy.

„Ich habe aus meinen persönlichen Beobachtungen gesprochen“, warf Ethan Cartwright scharf ein.

Was Daisys Lage nicht verbesserte – sondern, im Gegenteil, tausendfach verschlimmerte. Offensichtlich tief gekränkt durch diese sehr persönliche Kritik aus seinem Mund, wandte Lynda Twiggley sich Ethan voller Wut zu. Sie glaubte offenbar, dass ihre Bitte an ihn, ihre Finanzen zu sanieren, von irgendeiner Seite sabotiert worden war. Und Daisy wusste, dass sie sowieso dafür verantwortlich gemacht werden würde, ganz egal, was Ethan sagte.

„Ich bezahle sie sehr gut dafür, dass sie genau das tut, was ich ihr auftrage. Das hat nichts mit Sklaverei zu tun, wie ich Ihnen versichern kann“, zischte Lynda Twiggley Ethan an.

„Und ich nehme Anstoß daran, dass Sie sie angewiesen haben, sich von mir fernzuhalten“, parierte er scharf. „Das hat nichts mit ihrer Arbeit zu tun. Es ist …“

Doch Lynda ließ ihn gar nicht erst ausreden, sondern überschüttete Daisy erneut mit einer Schimpftirade. „Sie dummes Ding! Haben Sie noch nie etwas von Diskretion gehört? Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie in Ihrem Vertrag mit mir eine Vertraulichkeitsklausel unterschrieben haben? Die Sie soeben mit ihrem dummen, losen Mundwerk aufs Übelste gebrochen haben!“

Daisy konnte es nicht abstreiten. Sie hatte eine Indiskretion begangen. Was sollte sie sagen? Dass Ethan Cartwrights Benehmen sie geradezu dazu gezwungen hatte? Es wäre keine akzeptable Entschuldigung gewesen, denn die Interessen ihrer Chefin mussten immer Vorrang haben. Das Chaos, das dieser Mann in ihren Gefühlen anrichtete, hatte ihr sonst so gesundes Urteilsvermögen beeinträchtigt.

Voller Entsetzen stand sie schweigend da, als Lynda Twiggleys nächste Worte wie ein vernichtender Blitz einschlugen.

„Sie sind gefeuert! Und zwar fristlos!“

Alles Blut wich aus Daisys Wangen.

„Und kommen Sie nicht noch einmal in Ihr Büro. Ich lasse Ihre Sachen zusammenpacken und Ihnen nachschicken. Sie unzuverlässiges Plappermaul!“

Lynda Twiggleys letzter, verächtlicher Blick zum Abschied drang kaum noch in Daisys Bewusstsein vor. Sie registrierte gerade noch, wie ihre Exchefin sich von ihr abwandte, bevor ihr schwarz vor Augen wurde.

Ethan fing Daisy auf und drückte sie fest an sich. Zwar hatte er sie sich die ganze Zeit über in seinen Armen gewünscht, allerdings nicht bewusstlos! Ohne zu überlegen, hob er sie hoch und blickte sich suchend nach einem Stuhl um.

Die Beine hochlegen, ein Glas Wasser besorgen … das zumindest riet ihm die Vernunft, aber als er auf einen freien Stuhl zuging, fühlte er sich plötzlich versucht, einfach weiterzugehen, das Zelt zu verlassen, Daisy zu seinem Wagen zu tragen und in seine Höhle zu entführen. Sie fühlte sich so gut an in seinen Armen. Er wollte mit ihr weg von den vielen Menschen und sie ganz für sich allein haben.

Das Problem war, dass sie vermutlich zu sich kommen würde, bevor er mit ihr im Wagen saß. Wie lang dauerte so eine Ohnmacht gewöhnlich? Spätestens im Hotel würde Daisy bestimmt eine heftige Szene machen.

Nein, es war eine verrückte Idee. Er war schließlich kein Wüstenscheich oder Pirat. In der heutigen Zeit konnte man sich so etwas unmöglich erlauben.

Trotzdem hatte er den Ausgang des Zeltes schon fast erreicht, als Mickey ihn einholte. „He Ethan, willst du mit dem Mädchen durchbrennen?“

Erst da blieb er stehen und begegnete dem neugierigen Blick seines Freundes. „Sie ist in Ohnmacht gefallen. Ich muss sie zu einem Stuhl bringen.“

„Du bist an einer ganzen Reihe vorbeigelaufen.“

„Ich war abgelenkt“, sagte Ethan zerstreut. Tatsächlich hatte er nichts mehr wahrgenommen außer der Frau in seinen Armen und den Gefühlen, die sie in ihm weckte.

„Hier …“ Mickey zog ihn zu einem Stuhl, gerade als Daisy sich wieder regte.

Sie atmete tief ein, wobei sie ihre vollen, straffen Brüste an seinen Oberkörper presste. Ethan sagte sich, dass auch er ganz dringend einen ordentlichen Stoß Sauerstoff benötigte. So sehr er Daisy Donohue in seinen Armen halten wollte, sie würde ihn in Stücke reißen, sobald sie erst wieder bei Bewusstsein war. Er würde ihr Feind Nummer eins sein, weil sie seinetwegen ihren Job verloren hatte – ganz gleich, wie gut oder wie schlecht diese Stellung für sie auch gewesen sein mochte. Und Daisy würde das Argument, dass sie nun Zeit für ihn habe, ganz bestimmt nicht zu schätzen wissen. Irgendwie musste er es hinkriegen, dass sie in ihm ihren Retter sah anstatt den Unglücksbringer.

Daisy mühte sich, das Bewusstsein wiederzuerlangen. Noch nie zuvor war sie ohnmächtig geworden, und es war wirklich das Letzte, dass ausgerechnet Ethan Cartwright ihre kurzzeitige Schwäche ausnutzte, um sich ihr noch mehr aufzudrängen, als er es sowieso schon getan hatte. Aber wenigstens hatte er sie inzwischen auf einen Stuhl gesetzt und neben ihr Platz genommen.

Obwohl er ihr den Kopf sanft, aber bestimmt zwischen die Knie drückte, war ihr immer noch schrecklich schwindelig, sodass sie ihm vermutlich dafür hätte dankbar sein müssen, dass er stützend einen Arm um sie gelegt hatte. Doch sie hasste es, auf seine Hilfe angewiesen zu sein, denn er hatte gerade die Rettungsleine gekappt, die dafür sorgte, dass ihre Eltern ihr Haus behalten konnten.

„Holst du bitte ein Glas Wasser, Mickey?“

Sein besorgter Ton brachte sie nur noch mehr auf. Jetzt, da das Kind in den Brunnen gefallen war, war es wirklich zu spät für irgendwelche Besorgnis!

„Natürlich. Und hier ist ihr Hut. Sie hat ihn unterwegs verloren.“

Zu allem Überfluss auch noch diese Demütigung!

Als Mickey mit dem Glas Wasser zurückkam, fühlte sich Daisy wieder stark genug, um sich aufzusetzen und einige kleine Schlucke zu trinken. Befangen bedankte sie sich bei dem Mann, der ihr das Glas gereicht hatte – Mickey Bourke, noch so ein begehrter Junggeselle, der sich keine Gedanken darum machen musste, womit er seine nächsten Dollars verdienen sollte.

„Ich kümmere mich jetzt um sie“, entließ Ethan seinen Freund.

„Gut.“ Mickey grinste verschwörerisch. „Ich sag doch, immer die Gelegenheit beim Schopf packen. Also pack’s an, Junge!“

Die Gelegenheit beim Schopf packen? All ihre Gelegenheiten, ihr Job, eine sichere Zukunft für ihre Eltern waren sämtlich zunichte gemacht worden, weil Ethan Cartwright für sich die Gelegenheit beim Schopf gepackt hatte. Am liebsten hätte sie ihm das Wasser ins Gesicht geschüttet, um seinem blinden, aufgeblasenen Ego einen Dämpfer zu erteilen. Aber was wollte sie damit gewinnen?

Kalte Verzweiflung umklammerte ihr Herz.

„Fühlen Sie sich schon etwas besser, Daisy?“, erkundigte sich Ethan fürsorglich.

Wie sollte sie sich je wieder besser fühlen? „Gut genug jedenfalls, dass Sie Ihren Arm wegnehmen können“, erwiderte sie steif und setzte sich kerzengerade auf, um ihm zu beweisen, dass sie seine Unterstützung nicht länger brauchte.

„Okay, aber Sie sollten noch ein wenig sitzen bleiben. Und vielleicht etwas zu sich nehmen? Haben Sie schon zu Mittag gegessen?“

Nein, das hatte sie nicht – was möglicherweise ihren Schwächeanfall begünstigt hatte, obwohl sie es in diesem Job gewöhnt gewesen war, mit leerem Magen zu funktionieren. Nur, dass sie jetzt keinen Job mehr hatte. Was alles seine Schuld war!

Zornig wandte sie sich ihm zu. „Ein bisschen spät, sich um mich zu sorgen, Mr. Cartwright. Der Schaden ist bereits angerichtet.“

Er verzog das Gesicht, betrachtete sie aber ohne sichtbare Reue. „Lynda Twiggley hat Ihnen geschadet, indem sie Sie gezwungen hat, vor ihr zu buckeln.“

„Damit wäre ich klargekommen. Wenn Sie sich nicht eingemischt hätten, hätte ich immer noch meinen Job.“

„Der Ihnen doch gar nicht gefallen hat“, warf er überzeugt ein.

„Was hat denn gefallen damit zu tun?“, rief sie ungehalten aus. „Es war der bestbezahlte Job, den ich jemals hatte, und ich brauche das Geld. Sie haben ja keine Ahnung, wie sehr ich es brauche! Wahrscheinlich haben Sie sich noch nie in ihrem ganzen Leben um Geld sorgen müssen!“

Seine Mundwinkel zuckten ironisch. „Nun, genau genommen sorge ich mich täglich um Geld.“

„Um einen Haufen Geld!“, verbesserte sie ihn heftig. „Und nicht um ein kleines Einkommen, das man für den Lebensunterhalt braucht.“

Seine Miene wurde nachdenklich. „So schlimm wird es doch nicht sein.“

„Und ob es so schlimm ist!“ Rasch trank sie noch ein paar kleine Schlucke Wasser, denn der heftige Gefühlsausbruch machte sie schon wieder ganz benommen. Oder vielleicht lag es auch daran, dass Ethan Cartwright so dicht neben ihr saß und sie mit seiner männlichen Ausstrahlung verwirrte. In diesen hinreißenden grünen Augen konnte man sich als Frau verlieren.

„Das tut mir leid. Ich dachte ehrlich, Sie wären in einem anderen Job besser dran“, sagte er, was man als erste Andeutung einer Entschuldigung werten konnte.

„Sie haben überhaupt nicht nachgedacht“, widersprach Daisy ärgerlich. „Jedenfalls nicht auf meiner Ebene.“

„Was soll das heißen … auf Ihrer Ebene?“

Nur zu gern öffnete sie ihm die Augen für die Wirklichkeit. „Auf der Ebene, wo Menschen sich abmühen müssen, um über die Runden zu kommen. Wo der Arbeitsmarkt jeden Tag angespannter wird. Wo dein ganzes Leben abstürzen kann, wenn du deinen Job verlierst.“

„Haben Sie Schulden?“ Sein forschender Blick schien bis in ihre Seele zu dringen und weckte in ihr den Wunsch, sein Interesse wäre wirklich echt. Dieser Mann konnte für ihre Eltern alles zum Guten wenden, wenn er nur wollte. Und er war so sexy, dass sie die Wirkung, die er auf sie ausübte, nicht verleugnen konnte.

„Nein. Ja.“ Sie seufzte. „Meine Eltern sind verschuldet. Und wenn ich der Bank nicht die Raten pünktlich bezahle, werden sie ihr Haus verlieren. Sie können das Geld nicht aufbringen. Es liegt allein an mir.“

„Das verblüfft mich jetzt wirklich“, meinte er ironisch. „Ich dachte, die heutige Jugend würde auf Kosten ihrer Eltern leben und nicht umgekehrt.“

Er war nicht ehrlich interessiert. Es war dumm von ihr gewesen, sich auch nur für einen Moment der Illusion hinzugeben, er könnte ganz gewöhnlichen Leuten zu Hilfe kommen. „Sie leben in einer anderen Welt, Ethan Cartwright“, sagte sie verächtlich.

„Ich glaube lediglich, dass jeder Mensch für sich selber verantwortlich ist. Wenn Ihre Eltern Schulden gemacht haben, liegt es doch bei ihnen …“

„Sie wissen gar nichts!“, fiel sie ihm scharf ins Wort. „Manchmal schaffen Menschen es eben nicht allein.“

„Okay, dann erklären Sie es mir“, forderte er sie auf.

„Als wenn es Sie interessieren würde! Sie haben doch nicht eine Sekunde an die Folgen gedacht, als sie meine Bitte, mich gehen zu lassen, ignoriert haben. Es hat Ihnen nichts ausgemacht, meine Chefin derart zu beleidigen, dass ich gar keine Chance mehr hatte, meinen Job zu behalten. Und wie soll ich ohne eine Empfehlung von Miss Twiggley eine neue hoch bezahlte Stelle bekommen? Ich bin erledigt!“

Sie stellte das Glas krachend auf den Boden neben dem Stuhl, stand auf und riss Ethan ihren Hut aus der Hand. „Adieu, Ethan Cartwright. Ich kann nicht behaupten, dass es für mich ein Vergnügen war, Sie kennenzulernen.“

„Warten Sie.“

Ehe sie sich’s versah, war er aufgesprungen und versperrte ihr den Weg zum Ausgang des Zeltes. Gezwungenermaßen blieb sie stehen und blickte angriffslustig zu ihm auf. „Warum?“

Er hatte noch keine Antwort parat, sondern handelte einzig aus dem Bedürfnis heraus, Daisy Donohue in seinem Leben zu behalten. Sie war einfach wundervoll – wie sie sich ihm mit vor Empörung geröteten Wangen und blitzenden Augen kampfbereit stellte. Ethan erinnerte sich, wie sich ihre weiblichen Rundungen angefühlt hatten, als er sie auf seinen Armen getragen hatte. Das, gepaart mit ihrem leidenschaftlichen Temperament, genügte, um erregende Wünsche in ihm zu wecken.

Die Antwort kam wie eine Eingebung.

Er hatte die Situation verschuldet, die Daisy veranlasste, vor ihm zu fliehen. Also musste er die Sache einfach umkehren. „Ich gebe Ihnen einen Job“, sagte er schlicht.

Ihr anfängliches Erstaunen wandelte sich rasch in Argwohn. „Als was? Ihre Putzfrau?“

Ethans Verstand arbeitete fieberhaft. Er brauchte keine Assistentin. Überhaupt war sein Büro voll besetzt. Was konnte er ihr also anbieten, das sie nicht sofort ablehnen würde? „Sie brauchen eine Rettungsleine, richtig?“, versuchte er Zeit zu gewinnen. „Eine Übergangslösung, bis Sie einen neuen Job nach Ihren Vorstellungen finden, ja?“

„Ich bin mir nicht zu schade, einen Putzjob anzunehmen, aber nicht bei Ihnen!“ Rebellisch stemmte sie eine Hand in die Hüfte, was ihre zierliche Taille reizvoll betonte. „Sie sind der letzte Mensch, für den ich im Moment irgendetwas tun wollte.“

Ethan unterdrückte ein Seufzen. Das Bild vom Feudalherren und der Dienstmagd konnte sie augenscheinlich nicht reizen. Es sei denn, er verpackte es in Goldpapier. „Wie wär’s mit leitender Hausverwalterin? Ich habe vor Kurzem eine Immobilie gekauft, die gerade renoviert wird. Sie könnten die Arbeit der Handwerker beaufsichtigen und dafür sorgen, dass alles tipptopp ist. Ich bezahle Ihnen das Gleiche, was Sie bei Lynda Twiggley verdient haben.“

Ihr offener Blick verriet, dass sie mit sich kämpfte, wodurch sie anrührend verletzlich wirkte. Die Notwendigkeit, das Geld für die Schulden ihrer Eltern zu verdienen, stritt mit einem Berg von Zweifeln, worauf sie sich einließ, wenn sie sich in seine Gewalt begab. Sie schluckte, blinzelte. „Meinen Sie das ernst?“, fragte sie schließlich heiser.

„Ja. Es tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen so viele Probleme bereitet habe“, versicherte er, denn er begriff plötzlich, dass sie mit den Tränen kämpfte. „Das Mindeste, das ich für Sie tun kann, ist, die Zeit zu überbrücken, bis Sie etwas Besseres für sich gefunden haben.“

Sie presste die Lippen zusammen und blickte zu Boden. „Es … könnte Monate dauern, bis ich etwas Passendes finde“, gab sie zu bedenken.

„Die Renovierungsarbeiten werden bestimmt noch Monate in Anspruch nehmen. Es ist eine ziemlich aufwändige Angelegenheit, und es wird gut sein, wenn jemand vor Ort ist, um ein Auge auf alles zu haben. Eigentlich wären Sie meine Assistentin für ein besonderes Projekt, okay?“

Sie sah ihn an. Wieder berührte ihn der offene, aufrichtige Ausdruck in ihren samtbraunen Augen. „Sie meinen das wirklich ernst? Sie bezahlen mir so viel wie Lynda Twiggley?“

Und schon wird wieder geschachert, dachte Ethan zynisch. Aber wenn es das war, womit er diese Frau locken konnte, sollte es ihm recht sein. Er zückte die Brieftasche. „Ich gebe Ihnen einen Vorschuss, um die Abmachung zu besiegeln.“

Daisy beobachtete angespannt, wie er die gut gefüllte Brieftasche öffnete. Ein Köder, der noch nie versagt hatte. „Wie viel hat sie Ihnen gezahlt? Zwei-, dreitausend pro Woche?“ Er blätterte die Scheine durch, bereit, jede Summe zu zahlen, die Daisy ihm nannte. Warum auch nicht? Schließlich hatte Midas Magic ihm gerade zwei Millionen Dollar Preisgeld eingebracht.

Doch Daisy schüttelte stolz den Kopf. „Ich nehme kein Geld an, das ich mir nicht verdient habe, Mr. Cartwright. Mein Gehalt belief sich auf fünfzehnhundert Dollar brutto die Woche. Wenn Sie nach der ersten Woche mit meiner Arbeit als Baustellen-Assistentin zufrieden sind, können Sie mich gern bezahlen.“

„Einverstanden.“ Ethan konnte kaum verbergen, wie sehr es ihn überraschte, dass sie das Geld nicht genommen hatte. Ehrlichkeit … Fairness … Daisy Donohue zeigte für beides ein feines Gespür und machte ihm fast ein schlechtes Gewissen wegen seiner heimlichen Hintergedanken.

„Wo befindet sich das Haus?“

„In Hunters Hill.“

Sie bat ihn um weitere Einzelheiten, bis sie überzeugt war, dass dort tatsächlich sinnvolle Arbeit auf sie wartete. Nachdem sie sich dann mit Ethan Cartwright für den kommenden Montag früh um acht Uhr an dem Haus verabredet hatte, verabschiedete sie sich von ihm.

Ethan ließ sie gehen. Anerkennend folgte er dem verführerischen Schwung ihres sexy Hinterns mit den Blicken, während er sich zufrieden ausmalte, dass er in der nahen Zukunft noch sehr viel Zeit mit Daisy Donohue verbringen würde. Er freute sich darauf. Tatsächlich konnte er sich nicht erinnern, sich jemals so sehr auf die Gesellschaft einer Frau gefreut zu haben!

4. KAPITEL

Hunters Hill … der wohlhabendste Vorort von Sydney. Daisy erinnerte sich auch, dass viele Prominente ihre Villen hier besaßen. Kein Wunder also, dass Ethan Cartwright eine Immobilie in einer derart repräsentativen Gegend erstanden hatte. Man blieb eben gern unter sich.

Daisy war es immer noch ein Rätsel, warum er sich beim Magic-Millions-Rennen überhaupt um ihre Bekanntschaft bemüht hatte. Vermutlich hatte ihr ablehnendes Verhalten einfach sein aufgeblasenes Ego gekränkt. Sie hatten doch wirklich nichts gemeinsam. Außer dass sie jetzt beide die Zeche für die Folgen dieser flüchtigen Begegnung zahlten: Er hatte ihr aus schlechtem Gewissen einen Job angeboten, den sie angenommen hatte, weil ihr auf die Schnelle keine andere Wahl blieb.

Natürlich war die Lösung alles andere als ideal, weshalb Daisy am Montagmorgen auf der Fahrt dorthin zunehmend von Zweifeln geplagt wurde, ob es auf der Baustelle wirklich eine sinnvolle Aufgabe für sie geben würde. Zwar wusste sie vom Umbau ihrer Eltern, dass Handwerker oft nachlässig arbeiteten, wenn man ihnen nicht auf die Finger schaute, dennoch hatte sie Sorge, dass sie den größten Teil der Zeit dasitzen und Däumchen drehen würde.

Glücklicherweise war Hunters Hill mit dem Auto von ihrem Elternhaus in Ryde sogar besser und direkter zu erreichen als Lynda Twiggleys Büro im zentrumsnahen Woolloomooloo, sodass sie wenigstens keine zusätzlichen Benzinkosten hatte. Je näher sie ihrem Bestimmungsort kam, desto imposanter wurden die Anwesen – große, alte Villen inmitten weitläufiger Gärten. Manche waren aus massivem Sandstein gebaut, was heutzutage kaum noch bezahlbar gewesen wäre, aber dies war nicht umsonst eine alteingesessene, gehobene Wohngegend in reizvoller Nähe zum Hafen, an der Mündung des Lane Cove River.