Corona - Wie Sie die psychischen Herausforderungen meistern - Gabriele Frohme - E-Book + Hörbuch

Corona - Wie Sie die psychischen Herausforderungen meistern Hörbuch

Gabriele Frohme

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  • Herausgeber: TRIAS
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

<p><strong>Zuversichtlich bleiben im veränderten (Krisen-) Alltag</strong></p> <p>Kurzarbeit, Homeoffice und Social Distancing - die Corona-Krise stellt uns vor riesige Herausforderungen. Besonders unsere Psyche leidet unter den einschränkenden Maßnahmen.</p> <p>Die Psychotherapeutin Gabriele Frohme bietet praktische Soforthilfe und zeigt Wege, die psychischen Belastungen in persönlichen Krisensituationen zu meistern:</p> <ul> <li>Lernen Sie, mit Ihren Ängsten umzugehen und sie in den Griff zu bekommen.</li> <li>Stärken Sie Ihr Immunsystem und fördern Sie Ihre Selbstheilungskräfte durch Bewegung und Entspannungsübungen.</li> <li>Entdecken Sie Ihre Ressourcen zur Krisenbewältigung und Ihre Resilienz.</li> </ul> <p>So bleiben Sie stark in jeder Krise.</p>

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Zeit:4 Std. 35 min

Sprecher:Claudia Gräf
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Corona – Wie Sie die psychischen Herausforderungen meistern

Gabriele Frohme

1. Auflage 2020

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

die Menschheit erlebt eine weltweise Krise: die Corona-Krise. Die meisten der heute lebenden Menschen haben etwas Vergleichbares noch nie erlebt. Man kann mit Recht sagen, dass dies die schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg ist.

Wir alle kennen persönliche Krisen, doch die Corona-Krise ist anders, da sie alle Menschen weltweit gleichzeitig betrifft. Sie geht über das Persönliche hinaus und hat psychische, psychosoziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche weltumfassende Auswirkungen.

Wir müssen uns mit Einschränkungen, die das normale Leben erheblich beeinflussen, auseinandersetzen. Homeoffice und Kurzarbeit sowie der Umgang mit dem Partner und gegebenenfalls mit Kindern, die nicht in die Schule gehen können, wirken stark auf uns ein. Ausgangsbeschränkungen und Social Distancing bedeuten, vor allem für Alleinstehende und Senioren, Vereinsamung. Besonders einschneidend sind die Existenzängste aufgrund von Firmenschließungen und des Auftragsrückgangs bei Selbstständigen.

Die Ungewissheit, wie es weitergeht und welche Folgen das alles für unsere Zukunft hat, belastet uns psychisch, führt zu Stress und damit zu weiteren Ängsten bis hin zur Panik. Depressionen und Zwangsstörungen verschlimmern sich in diesen Zeiten oder entwickeln sich als Folge dieses Stresses. Daneben nehmen auch Aggressionen und häusliche Gewalt zu.

Doch hat diese Krise nicht auch etwas Gutes? Sind Sie nicht auf einmal „frei“ von sozialen Verpflichtungen und haben Zeit für sich? Endlich einmal ist die Zeit da, die Sie sich so lange gewünscht haben, zum Spielen mit den Kindern, für den Garten, zum frühlingshaften Einrichten der Terrasse, oder Sie kommen endlich einmal dazu, den vollen Keller aufzuräumen. Auch untereinander verhalten wir uns plötzlich anders: Hilfsbereitschaft wird praktiziert, plötzlich grüßt jeder jeden beim Spaziergang, Menschen kaufen für Senioren ein. Die Umwelt kann sich (zumindest kurzfristig) erholen, und es ergeben sich neue Perspektiven.

Ich möchte Sie dazu ermutigen, diese Krise aus einer übergeordneten Perspektive heraus zu betrachten, statt in Panik zu verfallen. Ich möchte Sie dabei unterstützen, Gelassenheit und Ruhe zu entwickeln. Sie können neue Lernerfahrungen machen, die Ihnen helfen, auch zukünftig mit Krisen, egal welcher Art, leichter umzugehen.

In diesem Buch möchte ich Ihnen Auswege aus den negativen Auswirkungen der Krise aufzeigen, damit Sie gestärkt daraus hervorgehen und vielleicht sogar Dinge in Ihrem Leben dauerhaft zum Positiven verändern können. Neue Erkenntnisse über sich selbst und was sich daraus ergibt, werden Sie auch in Ihrem „normalen“ Alltag begleiten, wenn diese Krise vorüber ist, und Ihnen hoffentlich langfristig mehr Lebensqualität schenken.

Gabriele Frohme

Wuppertal, 6. Mai 2020

Inhaltsverzeichnis

Titelei

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Die Auswirkungen der Corona-Krise auf unser Leben

Veränderungen des Soziallebens

Die Paarbeziehung auf dem Prüfstand

Familie und Kinder

Kleiner Exkurs: Die Antreiber

Wie Sie die Antreiber erkennen

Alleinerziehende Mütter und Väter

Singles

Körperliche Zuwendung und Berührungen

Senioren

Umgang mit Isolation und Quarantäne

Gesellschaftliche Konflikte

Angst und Panik

Angst und Panikreaktionen in der Krise

Der Kreislauf der Angst

Panikreaktionen

Ängste sind normal

Der unbewusste Lebensplan oder das Lebensskript

Wie genau entsteht das Skript?

Die Grund- oder Lebenspositionen

Das Persönlichkeitsmodell der Ich-Zustände in der Transaktionsanalyse

Bewältigungsstrategien für Ängste

Umgang mit der Angst vor Ansteckung

Die Angst, andere Familienmitglieder anzustecken

Angst vor dem Sterben

Existenzängste reduzieren

Massenhysterie vermeiden

Depression und Burn-out

Stress als Folge der Belastung

Depressionen und Burn-out

Was ist eine Depression?

Was ist ein Burn-out?

Der Unterschied zwischen einem Burn-out und einer Depression

Sonstige psychische Reaktionen

Langeweile oder Hamsterrad?

Scham

Frustration und Aggression

Zwangsverhalten

Suchtverhalten während der Krise

Informationsflut und Medienwelt

Wege aus der Krise und Hilfen für die Psyche

Mit Ängsten umgehen

Annehmen und Akzeptieren der Krise

Alarmsignale wahrnehmen

Ängsten begegnen

Kleiner Anti-Angst-und-Stress-Baukasten

Die Stärkung Ihres Immunsystems

Verhaltenstipps für ein starkes Immunsystem

Empfehlungen bei Grippe- oder Corona-Symptomen

Homöopathie

Die Psyche stärken

Betreiben Sie Psychohygiene

„Werkzeugkasten“ für eine gesunde Psyche in Krisenzeiten

Selbstheilung fördern

Die innere Einstellung

Die Bedeutung der inneren Vorstellungskraft

Bewegung

Bewegung für zuhause

Bewegung draußen in der Natur

Entspannung

Westliche Entspannungsmethoden

Alexandertechnik

Progressive Muskelentspannung

Autogenes Training

Geleitete Fantasiereisen

Fernöstliche Entspannungsmethoden

Yoga

Meditation

Achtsamkeit

Jin Shin Jyutsu

Tai-Chi und Qi-Gong

Positive Verhaltensweisen zur Krisenbewältigung

Ressourcen entdecken

Selbstfürsorge betreiben

Verhaltensveränderungen anstoßen

Resilienz aufbauen

Resilienzfaktoren

Die Lebensfreude behalten

Ausblick

Danksagung

Meine Zeitstruktur-Tabelle

Literaturverzeichnis

Autorenvorstellung

Impressum

Die Auswirkungen der Corona-Krise auf unser Leben

Veränderungen des Soziallebens

Durch die Corona-Krise erleben wir dramatische Veränderungen in unseren sozialen Beziehungen. Wir erleben uns nicht mehr in Gruppen, nur noch in Familien oder sonstigen Haushaltsgemeinschaften. Das hat Konsequenzen für unsere Identität, die wir durch unsere Gruppenzugehörigkeit finden und stabilisieren.

Wir können öffentliche Räume wie Restaurants, Sportvereine, Veranstaltungen, Kinos, Bibliotheken oder Cafés, in denen wir gemeinsame Interessen ausleben und uns bestätigen können, nicht wie gewohnt nutzen. Unsere wenigen Kontakte finden mit Mindestabstand statt. Unsere Beziehungspartner können wir nicht so ohne weiteres wechseln, und wir sind an die gebunden, die wir kennen. Familien- und Berufsleben werden durch das Homeoffice eng verquickt. Singles haben womöglich als einzige Gesprächspartner nur noch die Kollegen. Soziale Beziehungen zu Freunden, Kindern und Enkelkindern, gerade bei älteren Menschen, können oft nur per Telefon oder über die digitalen Medien ausgelebt werden.

Das hat Auswirkungen auf unser Verhältnis zu Nähe und Distanz, auf unsere Identität; viele von uns erfahren nicht ausreichend körperliche und psychische Zuwendung, was sich auf unser Wohlbefinden auswirkt. Ein großer Teil unserer Grundbedürfnisse, wie z. B. das Bedürfnis nach Bindung und Beziehung, das Bedürfnis nach Sicherheit und Orientierung und vor allem das Bedürfnis nach Struktur, Stimulus und Zuwendung werden zurzeit nicht mehr genügend befriedigt.

Schon im April wurde in den Medien von Jonas Tesarz, Oberarzt für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik am Universitätsklinikum Heidelberg, das „Wuhan-Syndrom“ beschrieben (Focus online 16.04.2020): „Die Bezeichnung ,Wuhan-Syndrom‘ bezieht sich auf ein Cluster psychischer Symptome, die sich in Wuhan in Folge der großflächig verordneten Quarantänemaßnahmen beobachten ließen.“ Durch den Lockdown reagierten die Menschen in der Provinz Hubei mit einer starken Zunahme von Ängsten, bis hin zu Panikstörungen, psychischem Stress, Erschöpfung, Nervosität und Schreckhaftigkeit sowie mit Schlafstörungen. Inzwischen sind diese Symptome auch wissenschaftlich bestätigt worden.

Das Erfüllen unserer psychologischen und körperlichen Grundbedürfnisse ist eine wichtige Ressource, um gesund und stabil zu bleiben. Was können wir tun, um diese zu befriedigen?

Beginnen wir mit der Paarbeziehung.

Die Paarbeziehung auf dem Prüfstand

Paare haben die Möglichkeit, sich gerade jetzt in der Corona-Krise näherzukommen, oder umgekehrt natürlich auch, sich schwer „auf den Geist zu gehen“. Ängste um den Arbeitsplatz, Schlange stehen beim Einkaufen und viele Kleinigkeiten machen uns dünnhäutiger und sensibler. Die Stimmung ist gereizter und viele Menschen reagieren heftiger als gewohnt schon bei den kleinsten Unstimmigkeiten.

Wenn diese Stimmungen in einer Beziehung nicht aufgelöst werden, werden meist „Rabattmarken“ gesammelt. Kennen Sie noch das Rabattmarkenbuch von früher? Heute sagt man wohl „Treuepunkte“. Das Prinzip ist aber heute wie damals dasselbe: Wenn man etwas gekauft hat, bekommt man eine Marke und kann diese in ein kleines Buch oder Heft kleben. Wenn es voll ist, kann man die Marken einlösen und bekommt etwas dafür, entweder geschenkt oder einen Preisnachlass beim normalen Einkauf.

Wir alle sammeln „heimlich“ Rabattmarken. Da gibt es goldene Marken für etwas, was schön war, und rote Marken für etwas, was nicht schön war. Wir alle sammeln bewusst oder unbewusst solche Rabattmarken, meist negative.

Dann kommt irgendwann der Tag, meist auf dem Höhepunkt eines Streites, an dem die schlechten Rabattmarken in der Paarbeziehung eingelöst werden. Sätze wie: „Nie hilfst du mir! Du lässt mich immer mit den Kindern allein! Du bist egoistisch! Deine Dinge haben immer Vorrang! Du übernimmst keine Verantwortung!“ und weitere gesammelte Vorwürfe aus der Vergangenheit werden dem Partner oder der Partnerin geballt vorgeworfen. Es gipfelt in knallenden Türen und Tränen, oder, noch schlimmer, die Hand „rutscht aus“, und es entsteht häusliche Gewalt. Wenn sich diese Situationen wiederholen und die Konflikte immer wieder in emotionaler oder körperlicher Gewalt enden, ist es an der Zeit, sich professionelle Hilfe zu holen.

Damit die Situationen gar nicht erst so stark eskalieren und Sie das Rabattmarkenbuch nicht negativ einlösen müssen, stelle ich Ihnen ein paar bewährte Maßnahmen aus der Praxis in der Arbeit mit Paaren vor.

Das kleine 1×1 für den Krisenausstieg bei Paaren

Vereinbaren Sie mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin einen Termin, an dem Sie in Ruhe über alles sprechen können, was zwischen Ihnen gärt. Denn „Zwischen-Tür-und-Angel–Gespräche“, zumal unter Stress oder wenn akut „etwas los“ ist, erhöhen die Frustration und helfen nicht weiter. Sie wiederholen womöglich alte Muster, die bisher auch nicht funktioniert haben, und im Handumdrehen ist wieder Streit im Gange. Beide Partner brauchen Zeit, die Bereitschaft und die Geduld, sich miteinander auseinanderzusetzen.

Reden Sie über das, was Sie am anderen stört, womit Sie sich nicht wohlfühlen und was Sie sich in der Beziehung wünschen.

Jeder darf ausreden. Verabreden Sie die Gesprächslänge der jeweiligen Stellungnahmen. Achten Sie bei sich auf eine angenehme Lautstärke beim Sprechen.

Jeder darf sagen, was er denkt und was er fühlt. Körperliche Gewalt, Ausflippen und Drohungen sind tabu.

Vermeiden Sie anklagende Formulierungen wie: „Du räumst nie die Spülmaschine aus und lässt immer die Zahnpastatube offen.“ Worte wie „immer“ und „nie“ sind in solchen Gesprächen nicht hilfreich. Vermeiden Sie solche pauschalen Aussagen.

Senden Sie sogenannte „Ich-Botschaften“: „Ich habe das Gefühl, dass ich im Haushalt den Löwenanteil leiste“, oder „Ich wünsche mir, dass du …“

Wiederholen Sie, was Sie vom anderen verstanden haben. Das ist für Ihre weitere Kommunikation wichtig.

Begegnen Sie sich mit Achtung, Respekt und Wertschätzung.

Wenn Sie merken, dass Sie den anderen verletzt haben, drücken Sie aus, dass Sie das nicht gewollt haben. Sagen Sie „das tut mir leid“ statt „Entschuldigung“. Damit übernehmen Sie Ihren Teil der Verantwortung für die Eskalation.

Führen Sie Ihr begonnenes Gespräch zu Ende. Wenn Sie den Raum verlassen möchten, teilen Sie das mit, brechen Sie das Gespräch nicht abrupt ab.

Führen Sie, wenn es Streit gibt, diesen möglichst friedlich zu Ende, damit Sie die Chance haben, sich auch wieder zu versöhnen, was Sie dann auch tun sollten! Bewahren Sie die Ruhe, gehen Sie respektvoll mit dem anderen um, brechen Sie bei Eskalation ab und steigen Sie möglichst nicht in Machtkämpfe ein.

Finden Sie gemeinsame Lösungen! Halten Sie diese schriftlich fest und hängen Sie den Zettel in Ihrer Wohnung auf. So können Sie sich beide daran erinnern.

Treffen Sie Vereinbarungen darüber, wie Sie mit häufigen Streitpunkten künftig umgehen wollen.

Schaffen Sie gemeinsame Regeln, an die Sie sich beide halten müssen.

Nehmen Sie sich regelmäßig Zeit, um solche gemeinsamen Gespräche zu führen, z. B. immer sonntags. Gehen Sie gemeinsam spazieren oder setzen Sie sich in Ruhe zusammen.

Sehr häufig entstehen Konflikte in Paarbeziehungen, wenn Nähe und Distanz nicht im Gleichgewicht sind: Der eine Partner möchte viel Nähe und der andere braucht gerade seinen Freiraum und distanziert sich. Auch darüber ist es wichtig zu sprechen und gemeinsame, möglichst für beide Seiten annehmbare Kompromisse zu finden.

Wenn Sie einige von diesen bewährten Praxistipps beherzigen, wird es Ihnen nach einiger Übung sicherlich möglich sein, ein positives Rabattmarkenbuch anzulegen. Es werden goldene Marken für Ihre gute Kommunikation und Partnerschaft geklebt und wenn das Buch voll ist, gönnen Sie sich etwas außergewöhnlich Schönes: Sie bestellen sich den schon lang ersehnten neuen Fernseher oder erlauben sich nach der Corona-Krise einen Kurzurlaub.

Sie können als Paar auch ein paar Übungen machen, ohne dabei zu reden.

Partnerübung

Setzen Sie sich auf den Boden auf eine Decke, Rücken an Rücken, sodass Sie sich nicht sehen. Erinnern Sie sich jetzt an Ihr erstes Zusammentreffen. Wie haben Sie sich damals gefühlt? Welche Wünsche und Hoffnungen hatten Sie? Verharren Sie ein bis zwei Minuten in diesem Gefühl. Wenn Sie wollen, können Sie sich beide danach darüber austauschen.

Haken Sie auf dem Boden sitzend, Rücken an Rücken, die Arme nach hinten unter. Ziehen Sie sich abwechselnd gegenseitig nach vorne und lassen Sie sich vom anderen nach hinten ziehen. Hierdurch können Sie üben, wie sich an Ihren Partner anlehnen können und der Partner sich bei Ihnen.

Diese Übungen und Praxistipps möchte ich Ihnen ans Herz legen; Sie können diese Übungen immer wieder ausführen. Zurzeit sind sie besonders wichtig, weil sich Konflikte in der Paarbeziehung viel schneller und heftiger entwickeln, vor allem durch die vorgeschriebenen starken persönlichen Einschränkungen im Rahmen der jetzigen Corona-Maßnahmen.

Haben Sie in Ihrer Partnerschaft keine Angst vor körperlichen Berührungen und Sexualität. Es gibt Empfehlungen, dass ein Paar keine Zärtlichkeit und Sexualität austauschen und nicht gemeinsam essen soll, wenn einer von beiden Kontakt mit einer Person hatte, die an Corona erkrankt ist. Diese Empfehlungen sind bei einem Paar, das in einer gemeinsamen Wohnung lebt, als doch sehr realitätsfremd einzustufen. Sofern Sie zusammenleben und einer von Ihnen sich ansteckt, wird es kaum vermeidbar sein, dass auch der andere sich ansteckt. Also entspannen Sie sich ein wenig und gönnen Sie sich Nähe. Die Infektion verläuft im Großteil der Fälle milde, es gibt also keinen Grund, einen angstvollen Bogen um den Partner zu machen. Wenn Sie aufgrund einer Vorerkrankung stark gefährdet sein sollten, müssen Sie gegebenenfalls Maßnahmen treffen, eine Weile getrennt zu leben, um sich zu schützen.

Familie und Kinder

Auch hier sind neue Herausforderungen zu meistern. Homeoffice und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen, ist wahrlich nicht einfach. Zuhause arbeiten, den ganzen Tag zusammen sein, mit nörgelnden Kindern umgehen und auch noch ein Meeting vorbereiten, all das bedeutet eine hohe Belastung, besonders wenn Ihre Wohnung nicht sehr groß ist. Man lernt sich da als Familie noch einmal ganz anders kennen. Es ist auch ganz normal, wenn es zwischendurch immer mal wieder zu emotionalen Ausbrüchen kommt – schließlich sind wir es nicht gewohnt, so eng aufeinander zu „hocken“, und uns fehlt der Ausgleich durch Sport, Hobbys und Freizeitaktivitäten.

Gute Planung und Struktur sind sinnvoll, sonst besteht die Gefahr einer Überforderung bis hin zum Burn-out. Aber legen Sie die Messlatte für sich selbst nicht zu hoch: nicht nur Lockdown, sondern „Locker-down“. Die „normalen“ Regeln für das Homeoffice können Sie jetzt getrost vergessen. Schützen Sie sich vor zu hohen Anforderungen und Perfektionismus. Sie haben womöglich kein eigenes Arbeitszimmer (wie dies empfohlen wird), sondern sitzen am Wohnzimmer- oder Küchentisch. Acht Stunden am Tag konzentriert und perfekt zu arbeiten mit spielenden oder quengelnden Kindern in der Wohnung, ist nicht realistisch. Sie können jetzt lernen, alles lockerer anzugehen.

Vermutlich tun nicht nur Sie sich in der aktuellen Situation schwer, sondern auch Ihre Kinder haben mit den veränderten Umständen zu kämpfen. Ihr Alltag ist völlig verändert, Schule und Kindergarten finden plötzlich nicht mehr statt und soziale Kontakte sind so gut wie eingestellt. Gerade in den ersten Lebensjahren spielen aber Bindungen und Beziehungen eine entscheidende Rolle für ein sich gut entwickelndes Bindungsverhalten. Kinder leiden unter den plötzlich gekappten Beziehungen.

Eine häufige negative Auswirkung der Corona-Krise für Familien ist, dass der Kontakt zu den Großeltern verlorengeht. Ältere Menschen, speziell solche mit Vorerkrankungen, sind besonders durch das Virus gefährdet. Die Großeltern sind traurig, können aber als Erwachsene meist angemessen damit umgehen und die Lage kognitiv erfassen. Die Kinder, vor allem, wenn sie kleiner sind, haben Probleme, die Kontaktsperre zu verstehen. Die Großeltern nicht mehr sehen zu dürfen, weil da ein Virus ist, das man nicht sieht, hört, schmeckt oder fühlt, ist schwierig nachzuvollziehen. Ebenso, dass man plötzlich seine Freunde im Kindergarten oder in der Schule nicht sehen oder nicht mehr mit den Nachbarskindern spielen darf. Dies führt zu einer unterbrochenen Bindung und kann sich später auswirken.

Kinder leben im Jetzt, im Moment, und gerade jüngere Kinder haben noch keine Vorstellung davon, wie lang zwei, vier oder sechs Wochen sind – sie können nicht erfassen, dass die Einschränkungen nur für kurze Zeit sind. Manche Kinder reagieren irritiert, ängstlich, verunsichert oder traurig, andere eher wütend auf die veränderte Situation.

Wichtig ist, wie Sie als Eltern darauf reagieren. Sie können für eine Tagesstruktur sorgen, die der im Kindergarten ähnlich ist, um Ihrem Kind Halt zu geben, mit Aktivitäten zu festen Zeiten wie in der Kindergartengruppe. Das Lieblingsstofftier darf jetzt ausnahmsweise überall mit hingenommen werden. Ermuntern Sie Ihre Kinder, ihre Sorgen und Nöte dem Stofftier zu erzählen.

Bei älteren Kindern und Jugendlichen ist es ebenfalls wichtig, für eine geplante Tagesstruktur zu sorgen. Je nach Alter sind sie natürlich schon in der Lage, sich für einige Stunden selbständig mit ihren Schulaufgaben zu beschäftigen. Dennoch kann man sie nicht nur sich selbst überlassen. Machen Sie viel mit ihnen, nicht nur für sie. Gehen Sie mit Ihren Kindern an die frische Luft, fahren Sie zusammen Fahrrad, kochen Sie gemeinsam. Wenn Frust, Wut oder Langeweile aufkommen, halten Sie diese gemeinsam aus. Spenden Sie aufmunternde Worte und geben Sie den Kindern das Gefühl, das sie geliebt und angenommen sind. So können Sie Langzeitschäden und ein Corona-Trauma vermeiden. Bleiben Sie, wann immer es Ihnen möglich ist, geduldig.

Kleiner Exkurs: Die Antreiber

Folgen Sie mir kurz auf einen Ausflug in die Transaktionsanalyse, und zwar zu den sogenannten „inneren Antreibern“. Diese spielen eine große Rolle dabei, wie Sie all diese Herausforderung lösen. Die Antreiber werden, in Verbindung mit unserem ▶ Lebensskript in der Psychologie und Psychotherapie auch Glaubenssätze genannt. Solche Antreiber sind z. B. eine innere Stimme, die Ihnen sagt: „Du musst perfekt sein, sonst bist du nicht in Ordnung.“ Oder: „Jetzt beeil dich mal, damit du alles schaffst.“ Wenn Sie diesen inneren Antreibern folgen, geraten Sie unter starken Stress, der Ihre Leistungsfähigkeit abschwächt.

Die Transaktionsanalyse ist eine psychotherapeutische Methode, die Mitte des 20. Jahrhunderts von dem kanadisch-amerikanischen Psychiater Dr. med. Eric Berne entwickelt wurde. Die Besonderheiten der Transaktionsanalyse liegen darin, dass sie eine einfache Sprache benutzt und komplexe psychische Vorgänge bildlich einfach darstellt. Ich selbst bin Transaktionsanalytikerin und sehe in der Transaktionsanalyse eine sehr gute Methode, um unter anderem psychosomatische Erkrankungen zu behandeln und Familien bei Krisen gut zu betreuen.

Die Antreiber sind ein Konzept aus der Transaktionsanalyse: Der Begriff bezeichnet Gebote oder Verbote, die Ihnen früh von Eltern oder anderen Autoritätspersonen vermittelt worden sind. Sie dienen dazu, dem Kind vorzugeben, was es tun oder lassen soll. Wenn das Kind diese Antreiber befolgt, fühlt es sich okay und angenommen. Im Erwachsenenalter haben wir die in frühster Jugend verankerten Antreiber zutiefst verinnerlicht. Wenn wir sie nicht befolgen, fühlen wir uns unwohl.

Die gegebenen Antreiber sind von den Eltern zumeist gut gemeint; das heißt aber nicht, dass sie tatsächlich für ein glückliches und gesundes Leben sinnvoll sind oder im Erwachsenenalter zu allen Situationen passen. Sie können Stress auslösen und sind in kritischen Situationen und in Krisen oft hinderlich. Sie sind zwar sozial anerkannt, wenn sie aber immer strikt befolgt werden, wirken sie sich schädlich aus und sind sogar für Erkrankungen wie Burn-out mit verantwortlich. In der Transaktionsanalyse werden sechs solcher Antreiber unterschieden.

Sei perfekt!

Mache es allen recht!

Streng dich an!

Beeil dich/mach schnell!

Sei stark!

Sei vorsichtig!

Antreiber in Aktion

Ein Beispiel aus meiner Praxis

Alexander ist seit einem Jahr in psychotherapeutischer Einzeltherapie. Er kam wegen einer Depression, die mit Medikamenten behandelt wurde. Sein Zustand war nach der einjährigen Therapie als stabil bis gut zu bezeichnen. In Absprache mit den behandelnden Ärzten konnten wir sogar seine Medikamente, die er seit vier Jahren einnahm, absetzen.

Dann kam Corona. Er erzählte mir bei unserer Sitzung Mitte April, dass er jetzt zu Hause viel mehr arbeiten würde als vorher im Büro. Er habe dieselbe Angst vor seinem Chef wie früher vor seinem Vater. Er stand unter dem Eindruck, der Vorgesetzte mache ihm den Vorwurf, er würde nicht genug arbeiten. Homeoffice wird in seinem Unternehmen als „keine richtige Arbeit“ eingestuft. Es herrscht das Vorurteil, dass man im Pyjama am Computer sitzt, es sich gut gehen lässt und zwischendurch ein wenig arbeitet. Neid und Missgunst Kollegen gegenüber, die Homeoffice praktizieren, sind üblich.