Cursed. Unendliche Verdammnis - Alia Cruz - E-Book

Cursed. Unendliche Verdammnis E-Book

Alia Cruz

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Beschreibung

Fantasy Romance vom Feinsten von der Top-Autorin Alia Cruz  **Wenn die Liebe deines Lebens 200 Jahre auf dich warten musste…** Bevor Lord Brandyn Waltham II. sein Recht auf ein normales Leben verwirkte, arbeitete der Lebemann und Frauenheld als Spitzel für Napoleon und ließ keine Gelegenheit für eine unmoralische Tat an sich vorbeiziehen. Dafür hat er bis heute teuer zu bezahlen. Seit 200 Jahren verflucht, durchzieht er nun als dämonisches Wesen die Straßen Londons, nur wenige Schritte davon entfernt, all seine Menschlichkeit zu verlieren. Doch als die junge Journalistin Zara ihm zum ersten Mal begegnet, sieht sie nicht das Tier in ihm, sondern einen innerlich gespaltenen und dabei verboten attraktiven Mann. Selbst vom Leben aufgezehrt, sucht sie in seiner Nähe Zuflucht, bis ihr aufgeht, dass nur sie ihn sehen kann. Und damit wahrscheinlich seine einzige Rettung darstellt… »Cursed. Unendliche Verdammnis« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband. //Dies ist ein Roman aus dem Carlsen-Imprint Dark Diamonds. Jeder Roman ein Juwel.//

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Dark Diamonds

Jeder Roman ein Juwel.

Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.

Wer nach einer hochwertig geschliffenen Geschichte voller dunkler Romantik sucht, ist bei uns genau richtig. Im Mittelpunkt unserer Romane stehen starke weibliche Heldinnen, die ihre Teenagerjahre bereits hinter sich gelassen haben, aber noch nicht ganz in ihrer Zukunft angekommen sind. Mit viel Gefühl, einer Prise Gefahr und einem Hauch von Sinnlichkeit entführen sie uns in die grenzenlosen Weiten fantastischer Welten – genau dorthin, wo man die Realität vollkommen vergisst und sich selbst wiederfindet.

Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.

Alia Cruz

Cursed. Unendliche Verdammnis

**Wenn die Liebe deines Lebens 200 Jahre auf dich warten musste …** Bevor Lord Brandyn Waltham II. sein Recht auf ein normales Leben verwirkte, arbeitete der Lebemann und Frauenheld als Spitzel für Napoleon und ließ keine Gelegenheit für eine unmoralische Tat an sich vorbeiziehen. Dafür hat er bis heute teuer zu bezahlen. Seit 200 Jahren verflucht, durchzieht er nun als dämonisches Wesen die Straßen Londons, nur wenige Schritte davon entfernt, all seine Menschlichkeit zu verlieren. Doch als die junge Journalistin Zara ihm zum ersten Mal begegnet, sieht sie nicht das Tier in ihm, sondern einen innerlich gespaltenen und dabei verboten attraktiven Mann. Selbst vom Leben aufgezehrt, sucht sie in seiner Nähe Zuflucht, bis ihr aufgeht, dass nur sie ihn sehen kann. Und damit wahrscheinlich seine einzige Rettung darstellt …

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Vita

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© privat

Alia Cruz lebt in Oberhausen. Lange Zeit hat die Autorin als Tierheilpraktikerin und Tierpsychologin gearbeitet. Seit 2016 widmet sie sich hauptsächlich ihrer schriftstellerischen Tätigkeit. Daneben hat sie auch ihr zweites Hobby zum Beruf gemacht und arbeitet als Journalistin im Galoppsport. Da Pferderennen ihre Leidenschaft sind, reist sie auch gerne zu großen Renntagen außerhalb Deutschlands. Aber dabei darf das Lesen nie zu kurz kommen.

1

Brandyn ließ die dunkle Gasse hinter sich. Wie jeden Abend blieb er kurz stehen und sah noch einmal zurück auf das kleine Häuschen, in dem er lebte. Leben konnte man das wohl nicht nennen, es sei denn, man hatte eine Vorliebe für Ratten und Kakerlaken. Doch es war das, was er verdiente. Diese Unterkunft war so gut wie jede andere auch. Es gab niemanden, für den er sorgen musste, niemanden, der sich über die Zustände hätte beschweren können, also war es egal.

Für einen Moment überlegte Brandyn, heute mal eine andere Route für seinen nächtlichen Spaziergang zu nehmen. Doch allein der Gedanke daran erschreckte ihn zutiefst. Es war wichtig, die Reihenfolge einzuhalten; er war einfach nicht in der Lage, etwas zu verändern. Somit machte er sich auf den Weg zum Trafalgar Square.

Außerhalb seines Viertels wurde die Stadt von Laternen und den Lichtern der Autos und zahlreichen Leuchtreklamen erhellt. Fast taten ihm die Augen weh. Aber nur fast, er hatte gelernt, damit umzugehen. Es würde sowieso niemand merken, wenn seine Augen eine andere Form und eine unnatürliche Farbe annahmen.

Wie immer blieb er eine Weile am Denkmal mitten auf dem Trafalgar Square stehen. Es war von den Londoner Bürgern errichtet worden, um Admiral Lord Nelson für den Sieg der Engländer über die Franzosen und Spanier Ehre zu erweisen. Der Admiral war in der Schlacht von Trafalgar tödlich verwundet worden. So stand es zumindest in den Geschichtsbüchern. Das glaubten natürlich auch die Touristen und Einheimischen, die sich trotz der abendlichen Stunde hier herumtrieben. Brandyn wusste es besser. Mit dieser beschissenen Schlacht hatte sein eigenes Dilemma begonnen.

Nach einer Viertelstunde wurde er unruhig. Wie oft schon hatte er versucht seine Rituale zu durchbrechen, aber es gelang ihm nicht! Fast beneidete er die Menschen, die spontane Entscheidungen treffen konnten und einfach entschieden, vielleicht länger als geplant am Denkmal zu verweilen. Das, was ihn ausmachte, was tief in ihm brodelte, ließ keine Abweichung von der Routine zu.

Er setzte seinen Spaziergang fort und ging zur Oxford Street. Londons wichtigste Einkaufsstraße. Brandyn hatte sich oft gefragt, warum es ihn immer wieder genau hierhin zog. Es gab nur eine Erklärung: die Menschen. Hier waren sie glücklich. Was machte sie nur so happy, wenn sie ihre Einkaufstüten füllen konnten? Er versuchte sich zu erinnern, ob er einst ähnliche Gefühle gehabt hatte, doch Einkaufszentren hatte es damals nicht gegeben. Er hatte sich den Schneider in die Burg bestellt.

Mittlerweile fiel es ihm von Jahr zu Jahr schwerer, wie ein Mensch zu empfinden. Die Menschlichkeit entglitt ihm. Er betrachtete sich in einem der Schaufenster. Was, wenn ihn jemand sehen könnte? Derjenige würde einen ganz normalen Mann sehen, gekleidet in einer modernen tief sitzenden Jeans mit einem schwarzen T-Shirt und Boots. Seine Haare waren zu lang und schimmerten in unterschiedlichen Brauntönen, manchmal auch etwas rötlich. Doch hier in London würde er damit noch nicht einmal sonderlich auffallen. War da nicht gerade ein Typ mit einem lilafarbenen Irokesen an ihm vorbeigelaufen? Die Menschen kamen schon auf verrückte Ideen. Brandyns Augen waren keine menschlichen Augen, er zwang sich, sie wieder menschlich werden zu lassen, und die Lichter um ihn herum taten ihm weh. Doch er musste einfach die Gewissheit haben, dass er immer noch wie einer von ihnen aussah. Seine Augen schimmerten wie grüne Smaragde. Brandyns Mutter hatte immer gesagt, dass den Menschen so etwas gefiel, und als er zum Mann heranwuchs, da war ihm klar geworden, wie recht sie gehabt hatte. Schnell verdrängte er die Gedanken daran, was er in seiner Unerfahrenheit den menschlichen Frauen angetan hatte.

Immer noch betrachtete er sich im Schaufenster. Was nützte es ihm, menschlich auszusehen, wenn niemand ihn wahrnehmen konnte? Vielleicht war es besser so. Diese Strafe hatte er verdient. So konnte auch niemand sehen, was für eine Bestie unter dieser menschlichen Hülle steckte. Sie hatte schon immer dort gelauert.

Brandyn wollte sich gerade umdrehen, um seinen Weg fortzusetzen, als er durch das Schaufenster sie sah. Wie angewurzelt blieb er stehen. Sie lächelte die Verkäuferin an. Nein, sie lächelte eher das Kleid an, das die Frau hochhielt. Vor über zweihundert Jahren hatte ihm eine Frau zuletzt ein Lächeln geschenkt. Niemals wieder konnte ein weibliches Wesen so etwas für ihn tun – und das tat weh.

***

»Das Kleid steht Ihnen hervorragend. Sie haben die richtige Entscheidung getroffen.«

Zara konnte nur hoffen, dass die Verkäuferin recht hatte, denn der Preis überstieg ihr Budget bei Weitem. Noch einmal versuchte sie sich in Gedanken zur Ordnung zu rufen und doch ein günstigeres Modell auszuwählen, aber wozu gab es schließlich Kreditkarten? Der Anlass war einfach zu wichtig. Der Presseball, an dem sie zum ersten Mal teilnehmen durfte, musste ein Erfolg werden. Das war ihre Chance, die Karriereleiter beim Royal London Newswire nach oben zu klettern.

»Ich nehme es.«

Die Verkäuferin nickte zufrieden. »Der Rotton passt hervorragend zu Ihren braunen Haaren und Augen.«

Das hatte die Dame schon dreimal gesagt – und hey, sie nahm das Kleid doch, es gab keinen Grund mehr, es weiter anzupreisen. Die Frau entfernte sich von ihr in Richtung Kasse und gab den Blick auf das Schaufenster frei.

Zaras Herz setzte aus, ihr wurde heiß. In ihrem Inneren vibrierte es; verdammt, was war das denn? Ein Herzinfarkt? Und o Gott, wer war der Kerl da draußen, der sie ungeniert anstarrte?

Unfähig sich zu bewegen, blieb ihr nur, zurückzustarren. Der Typ sah gut aus. Überirdisch gut. Seine verwaschene Jeans trug er tief auf den Hüften. Das schwarze T-Shirt reichte gerade bis zum Bund und saß eng anliegend auf dem schlanken Oberkörper. Er hatte ausgetretene Boots an, aber es waren die coolsten Stiefel, die sie sich an einem Mann vorstellen konnte. Seine Haare waren total durcheinander – zu lang für eine ordentliche Frisur; ein paar Strähnen fielen ihm in die Stirn. Zaras Hand zitterte, sie wollte sie anheben und die Strähnen aus seinem Gesicht streichen. Doch da waren die Scheibe und ein paar Schaufensterpuppen zwischen ihnen. Seine Augen erschienen leicht mandelförmig, irgendwie sahen sie eigenartig aus. Grün, aber die Pupillen waren zu groß, wo war das Weiße? Im nächsten Moment sah sie es, so als hätte er seine Augen verändert, sie waren jetzt auch etwas runder.

Gott, sie war dabei, durchzudrehen! Niemand konnte seine Augen verändern!

»Miss?« Die Verkäuferin war wieder zu ihr getreten. »Geht es Ihnen gut? Sie sind so blass.«

»Der Mann da, kennen Sie den?«

Die Dame drehte sich um und sah dann wieder auf Zara. »Welcher Mann? Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht? Möchten Sie ein Glas Wasser?«

»Aber …« Er stand doch da. Warum sah die Verkäuferin ihn denn nicht? Zara löste sich endgültig aus ihrer Starre. »Warten Sie.« Sie drängte sich an der Bedienung vorbei zum Ausgang. Dadurch verlor sie ihn natürlich kurz aus den Augen. Als sie aus dem Geschäft trat, war er nicht mehr da. Sie blickte nach rechts und links, aber es waren einfach noch zu viele Menschen unterwegs, außerdem lag das Geschäft an einer Ecke; wahrscheinlich war er einfach abgebogen.

Sie unterdrückte den Impuls, den Bürgersteig entlangzustürmen. Wozu auch? Er hatte wahrscheinlich nur die Kleider im Fenster angesehen. Vielleicht suchte er etwas für seine Frau oder Freundin. Sicher hatte er nicht sie angestarrt. Und sicher hatte sie sich das mit seinen Augen nur eingebildet. Seufzend betrat sie wieder den Laden und zückte ihre Kreditkarte.

So viel Geld für ein Kleid auszugeben konnte einem schon mal das Hirn vernebeln.

***

Brandyn stolperte fast über seine eigenen Füße. Sie hatte ihn gesehen, anders ließ es sich nicht erklären. Er kannte die Blicke zur Genüge, die Menschen sahen einfach durch ihn hindurch. Er war unsichtbar, niemand konnte ihm in die Augen sehen. Doch eben hatte er das Gefühl gehabt, dass jene Frau genau das getan hatte. Er war in Panik geraten und weggerannt, als die Verkäuferin sich dann auch noch zu ihm umgedreht hatte, so als hätte die junge Dame sie auf ihn aufmerksam gemacht.

Auch wenn es ihm schwergefallen war zu verschwinden, denn jene Frau war wunderschön, es war nicht nur ihr Lächeln gewesen, sondern ihre gesamte Erscheinung. In den letzten zweihundert Jahren hatte die Damenwelt sich verändert. Es schien ihm, als gäbe es nur zwei Extreme; entweder waren sie fett oder mager. Wohlproportioniert, wie zu seiner Zeit, waren die wenigsten. Doch die Frau im Laden war es gewesen. Vielleicht einen Meter fünfundsechzig groß, mit wirklich großen Brüsten und einem kleinen Bauch. Er mochte so etwas. Verdammt, er hätte gern gewusst, ob ihr Hintern auch etwas fülliger war!

Wie vom Blitz getroffen blieb er stehen. Worüber dachte er nach? Er würde die Frau nie wiedersehen und sie hatte ihn auch nicht angeschaut. Das konnte nicht sein. Niemand konnte ihn sehen oder berühren, es war nicht möglich.

Brandyn blickte sich verwundert um, er hatte überhaupt nicht darauf geachtet, wohin er gelaufen war. Das war nicht gut, er brauchte die Routine. Sein Magen krampfte sich zusammen, der Hunger kam.

Der Hunger, den er nie vollständig stillen konnte. Eine weitere Strafe, die man ihm auferlegt hatte. Menschliches Blut war das Einzige, was ihn sättigte, doch er konnte keine Menschen berühren; nichts, was lebendig war, konnte er anfassen. Nicht, dass er es am Anfang nicht versucht hätte. Alles, was lebte, war für ihn nicht greifbar, seine Hände glitten einfach hindurch. Gegenstände oder tote Menschen konnte er dagegen berühren.

Er trank das Blut von toten Tieren, die er an Landstraßen oder Autobahnen fand. Armselig, aber seine einzige Möglichkeit, den Hunger zumindest im Ansatz zu stillen. Er hätte auch in ein Leichenhaus gehen können, doch der Rest Menschlichkeit, der ihm noch geblieben war, untersagte es ihm.

Seine Eckzähne verlängerten sich automatisch. Er musste raus aus der City, sich auf die Suche nach Aas begeben. Vielleicht waren ihm auch mal wieder ein paar Ratten in die Fallen gegangen, die er in seinem Haus aufgestellt hatte. Doch die Biester schienen immer schlauer zu werden. Schon seit Monaten hatte sich keine einzige mehr darin verirrt.

Die Frau … ging ihm nicht aus dem Kopf. Sie machte ihm wieder deutlich, was er alles verloren hatte. Wenn er doch nur sterben könnte!

***

Es war doch einfach verrückt, zu dieser späten Stunde einem Phantom hinterherzujagen. Aber es war auch verrückt, so viel Geld für ein Kleid auszugeben, also konnte Zara jetzt noch eins draufsetzen. Eine Stunde lang war sie rund um das Geschäft alle Straßen abgelaufen, aber den geheimnisvollen Typen hatte sie nicht mehr gesehen.

Zara ließ sich am Denkmal von Lord Nelson nieder, sie lehnte sich an eine der Löwenstatuen und schloss kurz die Augen. Immer noch waren viele Touristen unterwegs und sie war nicht die Einzige, die diesen Platz für eine Pause ausgewählt hatte. Die vier Statuen, die die Säule mit Lord Nelson umrahmten, dienten einigen als Sitzgelegenheit.

Es ging auf Mitternacht zu. Sie musste dringend nach Hause. Morgen früh war für acht Uhr eine Redaktionssitzung geplant. Sie hasste Redaktionssitzungen. Nein, die Sitzungen eigentlich nicht, eher ihre Kollegen beim Royal London Newswire. Ein Seufzer entfuhr ihr. Nein, sie hasste niemanden, die Kollegen hassten sie. Sie war das Küken. Frisch von der Uni gekommen und schon der Liebling des Chefredakteurs.

Auf so was fuhren sie nun mal nicht ab. Dabei hatte Zara es mit Sicherheit nicht darauf angelegt. Die Story, die sie direkt am zweiten Tag ihrer Tätigkeit in den Fokus gerückt hatte, war einfach eine Herzensangelegenheit gewesen. Sie hatte schon während ihres Studiums dafür recherchiert. Die Umwelt lag ihr am Herzen und dass ausgerechnet zu Beginn ihrer Tätigkeit eine Bohrinsel im Golf von Mexiko explodierte und die Sache wie die Faust aufs Auge zu ihren Recherchen passte, hatte sie doch nicht provoziert.

Also war sie nach einem kleinen Gespräch mit dem Chefredakteur und der Vorlage ihrer Unterlagen direkt mit dieser wichtigen und großen Story betraut worden.

Zara hatte ihre Sache hervorragend gemeistert. Das war vor drei Monaten gewesen. Jetzt auch noch die Einladung ihres Chefs, sie mit auf den Presseball zu nehmen. Auch das war nicht gerade förderlich, um sie bei den Kollegen beliebter zu machen.

»Scheiß drauf«, murmelte sie vor sich hin. Dann konnten die anderen sie halt nicht leiden. Wer brauchte schon Freunde unter den Kollegen?

Sie nahm den hübschen Karton, in dem die Verkäuferin ihr Kleid sorgfältig in Seidenpapier eingewickelt hatte, und stand auf. Als sie dabei kurz den liegenden Löwen berührte, schien die Luft um sie herum zu flimmern. Sie hörte ein Summen. Hastig sah sie nach links und rechts. Tausende blinkende Lichterfunken tanzten um sie herum, so wie feiner Staub, nur dass sie eben glitzerten. Das Summen hörte sich an wie ein Bienenschwarm.

Niemand schien es jedoch wahrzunehmen, die Menschen um sie herum unterhielten sich weiter. Zaras Herz begann wie wild zu klopfen. Was zum Teufel war los? Stimmte etwas nicht mit ihr? Sie umklammerte den Karton mit dem Kleid – und in dem Moment, als sie die Hand von der Statue nahm, wurde es sofort wieder still und die Glitzerpartikel verschwanden, als wären sie nie in der Luft gewesen.

Sie hätte wohl selbst eine Statue sein können; wie schon im Laden vermochte sie es für einen Moment nicht, sich zu rühren. Zara hatte keine Ahnung, wann genau diese seltsame Starre von ihr abfiel.

Sollte sie die Statue noch einmal berühren, um zu sehen, ob es daran lag und es wieder passierte? Nein, auf keinen Fall. Für diesen Abend hatte sie genug von seltsamen Ereignissen. Sie rannte schon fast zum nächsten Taxistand. Ein Taxi war zwar teuer, aber darauf kam es jetzt auch nicht mehr an. Mit der Londoner Tube hätte es zu lange gedauert; sie wollte nur noch nach Hause – in ihr Bett und sich die Decke bis über die Nase ziehen.

***

Zwei tote Katzen im Hinterhof einer Metzgerei konnten Brandyn nicht wirklich befriedigen, aber besser als nichts. Wahrscheinlich hatten sie vergiftete Ratten gefressen und waren daran verendet. Zumindest hatte es so geschmeckt. Ihm selbst konnte kein Gift der Welt etwas anhaben. Nichts konnte ihn umbringen.

Er hatte alles versucht. Sich erdolchen, erhängen, erschießen, Gift – und er hatte sogar aufgehört Blut zu trinken. Das Ergebnis war nicht Verhungern, sondern die Verwandlung in ein Monster. Für die meisten wäre er das bereits, weil er Blut trinken musste, aber die Verwandlung würde sich auch auf seinen Körper auswirken. Nicht, dass die Schwarze Hexe es ihm nicht erklärt hätte, als sie ihn verfluchte. Er hatte ihr nur nicht glauben wollen.

Wenn ein Mensch ihn hätte sehen können, dann wäre er als fünfundzwanzigjähriger Mann durchgegangen. Die Spuren des Versuchs zu verhungern waren nicht sichtbar; die konnte er unter der Kleidung verstecken. Noch! Die Haut an Bauch und Rücken war an einigen Stellen schwarz geworden und fühlte sich wie hartes Leder an. Die Form seiner Augen konnte er seitdem kaum noch kontrollieren.

Was hatte die Hexe ihm prophezeit? Tausend Jahre voller Hunger, die ihn zu einem schwarzen Monster machen würden. Nur das Trinken von frischem Menschenblut hätte es verhindern können, was unmöglich war. Ein Monster, das zu ewigem Leben verdammt sein würde, zu ewigen Schmerzen, zu ewigem Hunger.

Durch seine Versuche sich umzubringen hatte er die Verwandlung vielleicht ein bisschen beschleunigt, verhindern konnte er sie sowieso nicht. Wie würde es sein, das letzte bisschen Menschlichkeit zu verlieren? War das nicht vielleicht besser? Doch die Hexe hatte prophezeit, dass er dann immer noch fühlen konnte – als geflügeltes Monster – nur eben nichts Positives mehr.

Wieder einmal überlegte er, sich in sein Schicksal zu ergeben und es einfach geschehen zu lassen. Nicht tausend Jahre zu warten, sondern die menschliche Gestalt aufzugeben. Sein menschliches Denken und seine Gefühle abzustoßen. Er musste nur aufhören zu trinken – und aufgeben.

Es gab lediglich einen Grund, warum er es bisher nicht getan hatte. Einzig eine Hexe aus dem Geschlecht der Schwarzen Hexe konnte den Fluch rückgängig machen und das auch nur, solange er sich nicht vollständig in einen Savage verwandelt hatte. Solange noch etwas Menschliches in ihm war.

Vor hundert Jahren hatte er eine Hexe gefunden, eine Großcousine der Schwarzen Hexe, die ihn verflucht hatte, doch ihre Versuche, ihm zu helfen, waren fehlgeschlagen. Sie war daran gestorben. Noch mehr Schuld, die er auf sich geladen hatte.

Zum zweiten Mal zog es ihn an diesem Tag zum Trafalgar Square. Lord Nelson, das Denkmal, eine Touristenattraktion und sein persönliches Mahnmal.

Er sah sie sofort. Die Frau aus dem Laden! Was machte sie ausgerechnet an dieser Statue? Sie hielt sich an einem der Löwen fest. Es schien ihr nicht gut zu gehen.

Als er noch ein Mensch gewesen war, war er vielen Frauen zu Hilfe geeilt. Okay, er hatte immer Hintergedanken gehabt. Eine Frau zu retten hieß für ihn, dass er Gegenleistungen erwartete. Sexuelle Gefälligkeiten, aber auch andere Dienste, wie das Ausspionieren seiner Eltern und Brüder. Als jüngster Sohn in seiner Familie hätte er so gut wie nichts geerbt und mit seinen beiden älteren Brüdern hatte er sich nie verstanden.

Brandyn verscheuchte die Gedanken an sein menschliches Leben und verfolgte die Frau. Sie stieg in ein Taxi.

Einen Vorteil hatte seine stofflose Gestalt. Er lief nicht wirklich, er schwebte durch die Luft und war an keine natürliche »Geschwindigkeitsbegrenzung« durch Fleisch, Blut oder Atmung gebunden. Sie ließ sich zur Old Pye Street fahren. Nachdem sie bezahlt hatte, betrat sie ein Haus. Brandyn beobachtete das Gebäude. Im zweiten Stock ging das Licht an – und er setzte sich auf den entsprechenden Fenstersims.

Dichte Gardinen machten eine gute Sicht unmöglich, aber er konnte sie durch das Zimmer laufen sehen. Es war ihr Schlafzimmer. Die Schachtel, die sie mitgebracht hatte, legte sie vorsichtig auf einem Sessel ab, so als würde sich eine hochexplosive Bombe darin befinden.

Er kam sich vor wie ein Spanner, als sie ihren Zopf löste und sich ihr Oberteil über den Kopf zog. Okay, er benahm sich tatsächlich wie ein Spanner, denn ihr weißer BH verdeckte die prallen Spitzen ihrer Brüste nicht wirklich. Gut, dass ihn keiner sehen konnte, denn er presste förmlich die Nase gegen die Scheibe.

Es war zu lange her, dass er eine Frau hatte berühren können. Seine Finger zuckten. Zum ersten Mal seit zweihundert Jahren vergaß er seinen Hunger. Wie sie sich wohl anfühlte? Ob ihre Haut so weich und zart war, wie sie aussah?

Jetzt zog sie sich auch noch die Hose aus!

Dreh dich um.

Er musste unbedingt wissen, wie prall und fest ihr Hintern war.

Über sich selbst entsetzt stöhnte Brandyn auf. Er war erbärmlich. Armselig. Vor allem aber war er traurig. Wenn er hätte weinen können, dann hätte er jetzt den Tränen freien Lauf gelassen. Er wollte ihr nichts tun, er wollte sie zwar berühren, aber es ging gar nicht so sehr um Sexuelles. Die Einsamkeit war tausend Mal schlimmer als sein Hunger. Er lechzte danach, gehalten zu werden, mit jemandem reden zu können.

Verdammte Menschlichkeit, die immer noch in ihm steckte und an der er so verzweifelt festhielt.

Sie drehte sich um.

Bingo!

Ihr Hintern war prall und einfach nur zum Niederknien. Brandyn schloss die Augen. Er musste damit aufhören. Er versuchte sich zu zwingen, seinen Platz auf dem Sims zu verlassen, als ein Schrei ihn die Augen wieder aufschlagen ließ.

Oh. Mein. Gott.

Sie stand vor dem Fenster; wahrscheinlich hatte sie die Vorhänge zuziehen oder das Fenster öffnen wollen. Ihre Augen waren weit aufgerissen – und ihr Mund war von dem Schrei noch leicht geöffnet.

Sie sah ihn an!

2

Als Zara am nächsten Morgen aufwachte, blickte sie als Erstes zum Fenster. Der Wecker gab schrille Töne von sich und sie schlug einfach wahllos auf das piepende Teil.

Sie hatte vielleicht zwei Stunden geschlafen, nachdem sie das Gesicht des Mannes an ihrem Fenster gesehen hatte.

Für einen Moment war sie wie erstarrt gewesen, dann hatte sie zum Telefon gegriffen und die Nummer des Notrufs gewählt.

Als jemand abnahm, legte sie wieder auf, denn zum einen war das Gesicht verschwunden und zum anderen, was hätte sie denn sagen sollen?

Da hängt ein Mann vor meinem Fenster im zweiten Stock. Er schwebt.

Die hätten doch direkt einen Krankenwagen mit Freifahrt in die Psychiatrie geschickt.

Eine Weile saß sie einfach im Bademantel auf einem Sessel und beobachtete das Fenster, aber es passierte nichts mehr.

Sie war wohl heillos durcheinander– wegen des Presseballs, ihres Jobs; Stress konnte solche Trugbilder sicher hervorrufen.

Es kam ihr selbst wie ein Wunder vor, aber Zara schaffte es pünktlich in die Redaktion und sie sah auch noch einigermaßen frisch aus.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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