Damiens Herz - Carina Hold - E-Book
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Carina Hold

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Beschreibung

Damien Frost, Frontmann der Band »White Harpies« und international bekannter Rockstar verliebt sich in die Journalistin Alex. Doch die ist verlobt. Trotzdem kommen die beiden sich näher und beginnen eine heiße Affäre, die von Dominanz- und Unterwerfungsspielen geprägt ist. Dann bringt sich ein Fan der »White Harpies« um, und die Presse fällt über Damien her. Dieser Fan hatte Damien zuvor gestalkt und versucht ihn zu erpressen. Doch Damien erfährt durch eine Nachricht, dass es kein Selbstmord war: »Die Schlampe wird Dir nicht mehr schaden. Ich passe auf Dich auf. Dein Schutzengel.« Schnell wird klar, dass der Absender der geheimnisvollen Nachricht viel über Damiens Vergangenheit weiß und alles andere tut, als ihn zu beschützen. Damien muss sich seinem dunkelsten Geheimnis stellen, doch kann ihn das noch retten? Spannung, BDSM, Erotik und menschliche Abgründe sind in diesem Erotik-Psychothriller vereint mit Lust und echter, tiefer Liebe.

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Seitenzahl: 339

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Vorwort
Teil 1 Flieg mit mir in den Himmel ...
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Teil 2: Ich zeige Dir den Weg in die Hölle ...
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Über die Autorin
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Impressum

Carina Hold

Damiens Herz

Erotischer Thriller

ISBN 978-3-945967-94-2

(c) 2021 Schwarze-Zeilen Verlag

2. Auflage 2021

www.schwarze-zeilen.de

Alle Rechte vorbehalten.

Vorwort

Alle Figuren in diesem Roman sind fiktive Charaktere. Auch die Handlung ist frei erfunden. Die von Damien Frost verwendeten Texte sind Übersetzungen folgender Songs von Michael Gira: »Money is Flesh« von der CD »Holy Money« (Swans 1986), »No Cure for the Lonely« von der CD »White Light from the Mouth of Infinity« (Swans 1991), »Cloud of Unknowing« von der CD »The Burning Man« (Swans 2016) sowie »Miracle of Love« von der CD »White Light from the Mouth of Infinty« (Swans 1991). Das Copyright liegt bei Michael Gira, die Verwendung erfolgt mit seiner ausdrücklichen Genehmigung.

Der Text enthält erotische Szenen und es werden einvernehmlich ausgelebte Formen von BDSM dargestellt.

Danksagung: Mein Dank geht an meine gute Freundin, konstruktive Kritikerin und Beraterin Ivo Richter, ohne deren Unterstützung »Damiens Herz« nicht so kraftvoll schlagen würde.

Teil 1 Flieg mit mir in den Himmel ...

Kapitel 1

Damien

»Komm schon, Damien! Tu es! Denk nicht lange nach. Tu es!«

Justins Schreie übertönten das Brüllen des Windes. Was für ein Rausch. Ein Orgasmus im Gehirn. Stromschläge für den Körper. Ich wollte diesen Kick mit jeder Faser meines Körpers. Es war verdammt riskant. Die Chancen standen schlecht. Augen zu und durch. Ich flog hoch und dann stürzten wir beide ab. Im Bruchteil einer Sekunde war alles vorbei.

Damals starb ein Teil meines Herzens. Den Teil, der noch schlägt, habe ich in einen Käfig gesperrt und den Schlüssel weggeworfen. Mir geht niemand mehr unter die Haut. Ich erfülle kein Bitte, befolge keinen Ratschlag, ignoriere jede Mahnung. Ich bleibe niemand etwas schuldig und muss mich für nichts rechtfertigen. So war es bis heute Abend. Heute beuge ich mich einer Fremden. Ich gehorche dieser billigen kleinen Schlampe und tue, was sie sagt.

Jetzt sagt sie: »Spiel etwas für mich, Damien.«

Am liebsten würde ich ihr den Hals umdrehen. Stattdessen setze ich mich ans Klavier und beginne zu spielen. »Bohemien Rapsody« von Queen. Ein Meisterwerk, wie ich finde.

Das Klavier steht in der Bar eines kleinen Londoner Hotels. Es ist weit nach Mitternacht. Die Frau und ich sind die letzten Gäste. Ich beende das Stück und gehe zu ihr. Die Frau rutscht vom Barhocker und umarmt mich.

»Das war wundervoll, Damien, aber nun lass uns gehen«, flüstert sie mir ins Ohr.

Sie hakt sich bei mir unter. Widerwillig lasse ich es zu. Wir gehen zu dem privaten Fahrstuhl am Ende der Bar. Ich benutze meine Chipkarte. Die gläserne Kabine trägt uns hinauf in das kleine Penthouse. Hier wohne ich, wenn ich in London bin. Ich habe kein eigenes Apartment. Das lohnt sich nicht. Entweder bin ich auf Tour oder ich reise um die Welt.

Die Frau legt mir beide Hände auf die Schultern. Ich bin fast zwei Meter groß, trotz ihrer hohen Absätze muss sie sich auf die Zehenspitzen stellen, um mich zu küssen. Sie küsst gut, aber ich erwidere ihren Kuss nicht. Der Frau ist das egal. Sie trippelt zu dem Sofa und setzt sich. Mit ihren toupierten Haaren und dem dramatischen Make-up sieht sie aus wie eine Kopie von Amy Winehouse, nur viel älter. Während sie den Ausschnitt ihres Kleides zurechtzupft, ändert sich der Ausdruck auf ihrem Gesicht. »Zieh dich aus, Damien. Ich will dich nackt sehen«, befiehlt sie.

»Was willst du von mir?«

»Oh, nichts, was dir keinen Spaß machen würde.«

»Woher willst du wissen, was mir Spaß macht?«

»Lass dich überraschen. Und jetzt zieh dich endlich aus.«

Alles in mir sträubt sich. Ich will vor dieser Bitch nicht strippen. Ich will sie an den Haaren packen und aus der Tür zerren. Wenn ich das tue, bin ich morgen erledigt. Zähneknirschend lasse ich mich in einen Sessel fallen und ziehe die Stiefel aus.

»Tu nicht so gelangweilt!«, herrscht die Frau mich an. »Ich will unterhalten werden, also zeig mir einen heißen Striptease.«

»Herrgott noch mal, ich bin kein Stripper!«

»Auf deinen Konzerten strippst du auch.«

»Davon weiß ich nichts.«

»Tu einfach, was ich dir sage. Meine Geduld hat Grenzen, Darling.« Darling klingt nicht wie ein Kosename, es klingt wie eine Drohung.

Unsere Blicke kreuzen sich. Die Frau müsste tot umfallen, aber sie lächelt nur frech. Zwischen den Schneidezähnen hat sie eine hässliche Lücke. Ich hole tief Luft. Ich werde gehorchen, aber dabei werde ich sie so richtig verarschen. Es gibt viele Arten sich auszuziehen. Gelangweilt lasse ich mein Hemd erst über die eine, dann über die andere Schulter gleiten, drehe es in der Hand, wie eine Stripperin ihren BH drehen würde.

Die Frau beobachtet mich schweigend. Ihre Miene ist unergründlich. Ich öffne den Reißverschluss meiner Lederhose und schiebe sie über die Hüften. Völlig unerotisch, eher so, als wollte ich gerade auf die Toilette gehen. Ich trage keine Unterwäsche. Als ich mich aufrichte, bin ich nackt.

Der Frau gefällt das. Ihre Augen werden schmal. Ihr Blick verharrt auf meinen glatten Kronjuwelen. Ich habe nur Haare auf dem Kopf und einen Drei-Tage-Bart, ansonsten hat Behaarung auf meinem Körper nichts zu suchen. Die Frau macht keinen Hehl daraus, dass sie meinen Schwanz höchst appetitlich findet. Genüsslich fährt sie sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Wahrscheinlich möchte sie mich auf der Stelle abschlecken.

»Gefällt dir der Anblick?«, frage ich.

Die Frau nickt.

»Vermutlich willst du auch benutzen, was du siehst.« Ich mache Anstalten, ins Schlafzimmer zu gehen.

»Langsam, Damien, langsam. Zeig etwas mehr Begeisterung.«

»Ich denke, du willst, dass ich dich ficke?«

»Nein, das will ich ganz sicher nicht.«

»Was willst du dann?«

»Ich will Zeit. Ich will dich genießen. Das beste Gourmetessen schmeckt nicht, wenn man es hinunterschlingt wie Fisch und Chips.«

»Willst du etwa Kerzen im Bad, Rosenblätter auf dem Teppich, Champagner im Bett?«

»Nein.« Die Frau schüttelt den Kopf. »Komm mit, ich zeige dir, was ich will.« Sie packt meine Hand und führt mich ins Schlafzimmer. Was ich dort sehe, schockt mich. An den Kanten meines Bettes hängen an eisernen Ketten breite Ledermanschetten. Die waren heute Morgen noch nicht da. Wie zum Teufel ist diese … diese Unperson in mein Penthouse gekommen? Sie muss jemand bestochen haben, denn ohne eine biometrische Chipkarte gelangt niemand in diese Räume.

»Sind die Fesseln für dich oder für mich?«, will ich wissen.

»Ich will nicht weglaufen, also sind sie wohl für dich.«

»Und du glaubst, das lasse ich mit mir machen?«

»Ja. Und ich sage dir sogar, warum. Ist das nicht nett von mir?« Die Frau zwickt meine Brustwarzen.

Ich zucke zusammen.

»Ich kenne dich gut, Damien«, fährt die Frau fort. »Du bist ein Kontrollfreak. Du gibst nie etwas aus der Hand, aber heute Nacht wirst du lernen, wie es ist, die Kontrolle zu verlieren.« Die Frau gibt mir einen Stoß vor die Brust. Ich verliere den Halt und falle nach hinten auf mein Bett. »Dreh dich auf den Bauch«, befiehlt die Frau.

Keine Ahnung, was gerade passiert. Das Ganze ist nur peinlich. Am besten bringe ich es schnell hinter mich. Gehorsam wälze mich auf den Bauch und spreize demonstrativ Arme und Beine. Die Frau schnallt meine Gliedmaßen fest. Mit den Nägeln fährt sie meine Wirbelsäule entlang. Sofort bekomme ich eine Gänsehaut. Die Frau steht auf und sagt: »Ich bin gleich zurück, Liebling.«

»Ich werde nicht weglaufen«, murmele ich.

Dann warte ich, keine Ahnung, wie lange. Wenn man wartet, steht die Zeit immer still. Endlich höre ich, wie die Frau zurückkommt. Mühsam drehe ich den Kopf, damit ich sie sehen kann. Umgezogen hat sie sich nicht. Sie trägt immer noch ihr billiges Fähnchen. Was hat sie so lange im Bad gemacht? Vor sich balanciert sie ein voll beladenes Tablett. Es klirrt leise, als sie es auf den Nachttisch stellt. Ich starre auf die Gegenstände, die dort aufgereiht sind, mehrere farbige Fläschchen, ein Glasbehälter mit Nadeln, ein Adapter mit Fußteil und zwei Maschinen, die an Geräte in einer Zahnarztpraxis erinnern. Ich erkenne sofort, was das ist.

»Das wagst du nicht!«, stoße ich hervor. »Wenn du das machst, bringe ich dich um.«

»Na, na, wer wird denn so furchtbare Sachen sagen?«, rügt mich die Frau. »Entspann dich, dann tut es nicht so weh.«

»Du wirst mich noch kennenlernen, du blöde Schlampe!«

»Sei nicht so frech!« Die Frau greift nach einer dünnen Ledergerte, die ebenfalls auf dem Tablett liegt. Die ist meinem Blick entgangen.

Ich kann einfach nicht die Klappe halten und rufe: »Spielen wir jetzt Domina und Sklave?«

Die Frau zieht mir die Gerte ein paarmal über den Arsch. Erst fühle ich gar nichts, dann brennen die Striemen wie Feuer. Erschrocken stöhne ich auf. Mich hat noch nie jemand geschlagen.

»Wer so ein loses Mundwerk hat, verdient eine Strafe«, erklärt die Frau kühl. »Und nun zeige ich dir, was ich eigentlich will.«

Sie schließt eines der Geräte an die Steckdose und schaltet es ein. Ein bedrohliches Summen füllt das Zimmer, als hätte sich ein Hornissenschwarm eingenistet. Es riecht verdächtig nach Desinfektionsmittel. Mein rechter Bizeps wird kalt. Jetzt wird mir doch mulmig. Heftig zerre ich an den Fesseln.

»Wenn du so weitermachst, wirst du es später bereuen«, warnt die Frau.

»Ich dreh dir den Hals um!«, krächze ich.

»Zapple nicht so rum, sonst kann ich für nichts garantieren.« Die Frau macht es sich auf meinem Hintern bequem. Sie trägt keinen Slip, aber ums Ficken geht es hier nicht, so viel steht fest. Das Summen ist dicht neben meinem Ohr. Auf dem Oberarm beginnt es zu prickeln. Es tut nicht wirklich weh, ist eher lästig als schmerzhaft.

Langsam drückt mir die Frau ihren Stempel auf. Was tätowiert sie mir da? Ihren Namen? Ein durchbohrtes Herz? Auf immer und ewig dein? Egal. Ich will es nicht haben! Zornig knirsche ich mit den Zähnen. Meine Machtlosigkeit erregt die Frau. Ich spüre, wie sie heiß und feucht wird. Ihre Erregung macht alles schlimmer. Noch nie bin ich so gedemütigt worden. Ich hasse dieses Gefühl, ich hasse diese Situation, ich hasse Megan Reilly. So heißt die Frau. Megan Reilly. Vorhin in der Bar war sie nur irgendeine Stalkerin, deren Namen ich vergessen hatte. Jetzt sorgt sie dafür, dass ich sie nie wieder vergesse. Fuck! Am liebsten würde ich so lange an den Ketten zerren, bis das Bett zusammenbricht. Stattdessen schließe ich die Augen und zwinge mich zur Ruhe.

Irgendwann ist es vorbei. »Für heute bin ich fertig mit dir. War doch gar nicht so schlimm, oder?«

Mit einem letzten Klaps auf meinen Hintern rutscht Megan aus dem Bett und verschwindet im Bad. Ich versuche zu erkennen, was ich nun bis ans Ende meiner Tage auf der Haut tragen werde, aber ich kann den Kopf nicht weit genug drehen. Ich bin immer noch gefesselt. Allmählich wird es unbequem. Megan kommt zurück und packt ihr Handwerkszeug ein. Dann zieht sie ihr Smartphone aus der Tasche und richtet es auf mich. »Bitte lächeln, Liebling.«

Gottverdammt, sie macht Fotos! Der Musiker des Teufels Damien Frost, hilflos an ein Bett gekettet und bereit, benutzt zu werden. Diese Bilder sind noch brisanter als die Aufnahmen, mit denen Megan Reilly mich bereits erpresst. Und ich kann gar nichts dagegen machen.

Ohne mich anzusehen, schlüpft Megan in ihre Pumps und stöckelt zu meinem privaten Fahrstuhl. Will sie mich etwa so liegen lassen? Wie soll ich mich allein befreien? Ich bäume mich auf und schreie: »He, mach mich sofort los, du blöde Kuh!«

Megan dreht sich noch einmal um und droht mir mit dem Zeigefinger. »Etwas mehr Höflichkeit, wenn ich bitten darf.«

Ich schlucke meine Wut hinunter und ersticke fast daran. »Bitte mach mich los«, würge ich hervor.

Der Fahrstuhl ist da. Lautlos öffnet sich die Tür. Megan steigt ein. »Du bist ein großer Junge, Damien. Hilf dir selbst. Wir sehen uns in Berlin. Ich freue mich schon darauf.« Sie wirft mir eine spöttische Kusshand zu, dann schließt sich die Tür des Fahrstuhls hinter ihr und sie verschwindet.

Das ist alles nicht wahr. Es muss ein Albtraum sein. Gleich wache ich auf. Tue ich aber nicht. Dies ist die Realität. Verfluchte Scheiße! Hier oben hört mich niemand schreien. Deshalb habe ich das Penthouse ja ausgesucht. Stöhnend wälze mich hin und her, reiße so heftig an den Fesseln, bis meine Handgelenke bluten, aber es nutzt nichts. Wenn ich diese Frau noch einmal zu Gesicht bekomme, bringe ich sie um!

Kapitel 2

Alex

»Hier stellen wir unsere Kuschelecke hin und aus dem Foto mit dem Eiffelturm, das du letztes Jahr geschossen hast, machen wir eine Wandtapete. Das sieht sicher großartig aus.« Ich eile ins nächste Zimmer. »Und das wird dein Arbeitszimmer. Schau mal, vom Fenster aus kannst du deine Lieblingsbrücke sehen.«

Genau so habe ich mir meine Traumwohnung vorgestellt. Nein, Unsere. Echtholzparkett, Fußbodenheizung, Regenwalddusche im Bad, eine offene Küche wie in amerikanischen Apartments. Von der großen Dachterrasse sieht man über den Tiergarten und das Sony Center bis zum Fernsehturm am Alexanderplatz. Viel Grün, kein Straßenlärm und doch mitten in der City. Ich bin hin und weg.

Simon beobachtet mich lächelnd. Ich tanze an ihm vorbei in den dritten Raum. Er ist kleiner als die anderen, aber gemütlich mit der Dachschräge und dem Oberlicht, durch das man in den Himmel über Berlin blickt. »Das ist das perfekte Zimmer für jemand, den wir noch nicht kennen, aber hoffentlich bald kennenlernen werden.« Ich lege meine Arme um Simons Hals und küsse ihn überschwänglich.

»Du willst unsere traute Zweisamkeit also beenden?« Simon sieht erfreut aus, denn er will das schon lange.

Wir waren erst ein paar Monate zusammen, da hatte er bereits entschieden, dass ich die Mutter seiner Kinder sein würde. Für einen Mann ist das eine reine Bauchentscheidung. Frauen tun sich da schwerer. Dabei hätte ich gerne eine kleine Familie gehabt so wie meine Schwester, aber ich wollte auch Karriere als Journalistin machen. Ich liebe meine Arbeit, finde es aufregend, Leute auszufragen und zum Reden zu bringen. Jetzt bin ich Ende Zwanzig, meine Karriere läuft gut, ich könnte sogar von Zuhause arbeiten. Simon ist auch selbstständig, wir könnten uns die Arbeit teilen. Ein guter Zeitpunkt für die Familienplanung. Deshalb nicke ich und sage: »Ein Baby würde unser Leben noch viel schöner machen.«

»Das würde es ganz sicher. Stell dir mal vor, ein kleiner Alex, der mit seinen Grübchen schon als Fünfjähriger alle Frauenherzen bricht.« Simon zieht mich so eng an sich, dass ich kaum noch atmen kann. Ich ringe nach Luft und erwidere: »Oder eine kleine Simone, die deinen Schlafzimmerblick hat und deine schwarzen Locken.«

»Vielleicht werden es ja Zwillinge.«

Wir lachen beide. Was für ein schöner Traum.

»Das wäre wunderbar, Pettyfor.« Eigentlich heißt es Petit Four wie die französischen Mini-Törtchen, denen ich nicht widerstehen kann. Simon findet, ich sehe ein bisschen so aus, verführerisch, rundlich und sehr süß. Er nimmt meine Hand und sagt: »Komm mal mit, ich will dir noch was zeigen.«

Er führt mich auf die Terrasse. In einer Ecke ist ein kleiner Klapptisch aufgebaut, darauf stehen ein Sektkübel und zwei Gläser. Plötzlich steigt mein Herzschlag auf hundertundachtzig. Wollen wir auf die neue Wohnung anstoßen? Oder kommt jetzt der Moment, auf den wohl jede Frau wartet? Lieber Gott, lass es bitte genau das sein, bete ich.

Erwartungsvoll schaue ich Simon an. Er ist mein Liebhaber, und ein besonders guter noch dazu, mein Vertrauter, mein bester Freund. Ich kann ihm alles sagen, kann mich immer auf ihn verlassen. Wir lachen viel, aber wir können auch miteinander schweigen. Ich liebe seine Fotos und er liest alle meine Artikel. Irgendwann wollen wir ein Haus auf dem Land, zwei oder drei Kinder und einen Golden Retriever. Nichts Besonderes, einfach nur ein schönes Leben.

Simon kniet vor mir nieder. In der Hand hält er ein kleines Kästchen aus rotem Samt. Ein paar Haarsträhnenfallen ihm in die Augen, als er es öffnet. Er nimmt das Schmuckstück heraus, steckt es auf den Ringfinger meiner linken Hand und fragt mit ernster Stimme: »Alexandra Wilhelmina Brandt, willst du mir die Ehre und unbeschreibliche Freude erweisen und meine Frau werden?«

Ich starre den Ring an. Er ist umwerfend, ein Einkaräter, gefasst in einen Spannring aus Platin. Womit habe ich so viel Glück verdient? Ich fange an zu heulen. Sofort kommt Simon auf die Beine und schließt mich fest in seine Arme. Durch das dünne Shirt spüre ich den Schlag seines Herzens, kraftvoll und beruhigend. Genau so ist Simon. Ein unerschütterlicher Fels in der Brandung meines bewegten Lebens. »Ja«, schluchze ich. »Ja, ich will.«

Simon küsst meine Tränen fort, seine Lippen streifen meine Wange, finden meinen Mund. Er kann gut küssen, besser als die meisten anderen Männer, die ich vor ihm geküsst habe. Ich schließe die Augen und erwidere seinen Kuss. Da nervt mein Smartphone. Ein Blick auf das Display zeigt mir, wer der ungebetene Anrufer ist. Wolfgang Overath. Entschuldigend sage ich: »Das ist mein Chef. Da muss ich rangehen.«

»Ja, schon klar.« Simons Stimme ist spröde vor Enttäuschung.

Was für eine saudumme Situation. Einen Heiratsantrag bekommt man nur einmal im Leben. Da muss man jede Sekunde genießen, aber die romantische Stimmung ist zerplatzt wie eine Seifenblase. Ich lasse meinen ganzen Zorn an ihm aus und fauche: »Hallo, Wolfgang. Was gibts denn?«

»Hallo, Alex. Ich hoffe, ich störe nicht?« Mein Chef klingt betont fröhlich. Er weiß genau, dass er stört.

»Du weißt schon, dass heute Samstag ist?«

»Ach, entschuldige, Madame hat ja heute frei, aber wie du deinem Vertrag entnehmen kannst, steht Redakteuren nicht automatisch ein freies Wochenende zu.«

»Ja, weiß ich«, schnauze ich zurück. »Sag schon, was du willst.«

»Ich will, dass du heute Nachmittag nach London fliegst.«

»Was? Heute? Das geht nicht.«

»Und warum nicht, wenn ich fragen darf?«

»Weil Simon und ich uns gerade verlobt haben und heute Abend feiern wollen.«

»In zwei Tagen bist du wieder zurück, dann seid ihr immer noch verlobt. Oder hat eure Verlobung ein Verfallsdatum?«

»Du vermiest mir den schönsten Tag meines Lebens, Wolfgang. Ich hoffe, du hast einen guten Grund, sonst kriegst du am Montag meine Kündigung.«

»Deine Drohungen kannst du dir sonst wohin stecken, meine Liebe. Sagt dir die Band White Harpies etwas?«

»Klar.« Jeder Musikjournalist kennt die neuen Reiter der Apokalypse rund um ihren durchgeknallten Frontmann Damien Frost.

»Hast du mal eine ihrer CDs gehört?«

»Nein, habe ich nicht und werde ich auch nicht«, erkläre ich unwirsch. Was Kollegen mir erzählt haben, genügt mir. Schreikrämpfe wie bei einem Exorzismus. Ohrenbetäubender Lärm weit über die Schmerzgrenze hinaus. Wer tut sich so was freiwillig an? Ich jedenfalls nicht.

Mein Chef lässt die Bombe platzen und sagt: »Pass mal auf, Alex. Heute Abend gehst du auf das Konzert der White Harpies und morgen interviewst du Damien Frost.«.

Vor Schreck stellen sich mir alle Nackenhaare auf. »Aber der Kerl ist ein Arschloch. Er behandelt Journalisten wie Dreck. Schick doch Sebastian. Der hat Ahnung von dieser ganzen Heavy Metal-Scheiße. Mir liegt das nicht.«

»Man kriegt nicht immer, was einem liegt, Alex. Du fliegst heute um Drei nach London und morgen triffst du Mister Beelzebub persönlich. Ende der Diskussion. Einen schönen Tag noch, und ... ach ja, herzlichen Glückwunsch zur Verlobung.« Wolfgang legt auf.

Simon schaut mich misstrauisch an. »Was will dein Chef?«

»Ich muss heute nach London fliegen und Damien Frost interviewen.«

»Was? Diesen Psychopathen? Du hast doch hoffentlich Nein gesagt.«

Ich drehe den Ring an meinem Finger und murmele: »Habe ich, aber Wolfgang besteht darauf. Er sagt, ich mache die besten Interviews.«

Simon schüttelt den Kopf. Es fällt ihm schwer, sich zu beherrschen. »Diesen Tag habe ich mir anders vorgestellt, Alex. Ich mache dir einen Heiratsantrag und du hast nichts Besseres zu tun als dich abzuseilen!«, stößt er hervor.

»Meinst du, mir gefällt das? Aber das ist nun mal mein Job, das weißt du doch«, verteidige ich mich.

»Du hättest ablehnen können.«

»Hab ich ja versucht, aber Wolfgang besteht darauf.«

Simon holt tief Luft, verkneift sich aber weitere Bemerkungen. Er will keinen Streit und ich auch nicht. Deshalb schweigt er ein paar Sekunden und sagt dann: »Na gut, immerhin weiß ich nun, wie du deine Prioritäten setzt.«

»Das ist unfair, Simon. Du hast auch schon Termine abgesagt, auf die ich mich sehr gefreut hatte, weil dir ein wichtiges Foto-Shooting dazwischen kam.« Ich will Simon umarmen, aber er schüttelt meine Hand ab.

»Lass das bitte. Ich kann jetzt nicht so tun, als wäre alles in Ordnung. Wann sollst du fliegen?«

»Äh ... um drei von Tegel.«

»Okay, dann fahren wir jetzt zu dir, du packst deine Sachen und ich bringe dich zum Flughafen.«

»Danke schön.« Ich gebe Simon einen Kuss. Mein zukünftiger Mann küsst mich nicht zurück.

Samstagabend, 13. MaiSieben Stunden später. Eine hohe, düstere Fabrikhalle irgendwo im Londoner Nordosten. Rohe Stahlträger und flackernde Scheinwerfer. Zuckende Leiber. Stampfende Beine und emporgeregte Arme. Ausgeschaltete Gehirne. Headbanging. Auf der Bühne ein Berserker. Der nackte Oberkörper schweißüberströmt. Wirre lange Haare. Eine Stimme wie ein feuerspeiender Drache. Sie kommt aus den Eingeweiden dieses Biests. Gitarrenriffs wie Peitschenhiebe in Zeitlupe. Das Schlagzeug wummert im schleppenden Takt. Langsamer geht es nicht. Lauter auch nicht.

Mein Herz hämmert gegen meine Rippen. Ich bekomme keine Luft mehr. Panik erfasst mich. Ich muss sofort hier raus, aber ich kann mich nicht rühren. Ich bin ein Teil dieser Menge, gesteuert von dem Dämon, der auf der Bühne wütet. Der steht jetzt hinter dem Mann am Bass, hat den Unterarm um dessen Kehle gelegt, stöhnt dem armen Kerl ins Ohr, als wäre er kurz vorm Orgasmus. Der Bassist schnapp nach Luft, spielt verzweifelt weiter, sucht den Blick der hübschen platinblonden Keyboarderin, die mit unbewegter Miene ihr Instrument malträtiert. Der Dämon fällt auf die Knie, er kriecht auf allen Vieren, das Mikrofon wird zum Penis, dem er zu Willen ist, den er befriedigt. Seine Bewegungen sind provozierend, hart an der Grenze zum Obszönen. »Geld ist Fleisch. Geld ist Fleisch in deiner Hand«, röhrt er. »Wenn du bezahlst, bist du ein Diener. Du verdienst es. Geld ist Fleisch. Geld ist dein Fleisch.«

Die Masse bewegt sich, wogt vor und zurück wie die Gezeiten im Sturm. Ich werde nach vorn gespült und an den Rand der Bühne gepresst. Meine Trommelfelle drohen zu platzen. Gleich bin ich taub. Mühsam hebe ich den Kopf und schaue direkt in das Gesicht des brüllenden Dämons. Ein Gesicht in Ekstase. Verzerrt. Weggetreten. Der Dämon blinzelt. Seine Augen sind schwarze Löcher, die alles verschlingen. Gleich werde ich mich auflösen in dem Nichts dieser Pupillen. Ein letzter mächtiger Schwanzhieb der Gitarren Satans, ein finales Aufbäumen seines Dieners, bevor er auf der Bühne zusammenbricht. Nur noch ein Geräusch. Die Masse keucht, ringt im Todeskampf um jeden einzelnen Atemzug wie ein sterbender Organismus und fällt dennoch auseinander.

Menschen strömen an mir vorbei. Die Menge löst sich auf, zerfällt in ihre Einzelteile, wird zu Individuen, die eine Grenzerfahrung geteilt haben, aber jetzt sind sie wieder Fremde und wollen nichts voneinander wissen. Ich stehe im Regen. Eisige Tropfen mischen sich mit dem Schweiß auf meinen Wangen. Meine Lungen füllen sich mit kühlem Sauerstoff. Gütiger Himmel, was war das? Lebe ich noch? Habe ich Schaden genommen? Ich weiß es nicht.

Eine halbe Stunde später sitze ich auf dem Bett meines Hotelzimmers. Beim Zimmerservice bestelle ich ein Clubsandwich mit Pommes, eine Cola und einen Becher Eiscreme. Das Sandwich ist lecker, genau so wie das Schokoladeneis. Nachdem ich alles verputzt habe, geht es mir besser. Gutes Essen hat noch jeden Kummer vertrieben.

Ich rolle mich aus dem Bett und tapse zum Fenster. Von hier hat man einen weiten Blick über die Themse und das London Eye am gegenüberliegenden Ufer. Bei Nacht ist das gewaltige Riesenrad besonders schön, dann schillert es in allen Farben des Regenbogens. Ich mache ein Selfie und schicke es Simon. Ein paar Sekunden später kommt die Antwort. »Ich würde gern ein paar Runden mit dir drehen. Wie war Mr. Frost?«

Während des Konzerts habe ich ein paar Fotos gemacht. Ich suche eins heraus, schreibe »Höllisch« darunter und schicke es Simon.

Diesmal dauert es fast eine Minute, ehe mein Smartphone erneut Pling-Pling macht. »Wo hat er denn seine Hörner versteckt? Pass bloß auf und verbrenn dir nicht die Flügel, Engelchen.«

»Dann würdest du ihn sicher in die Hölle schicken«, texte ich zurück.

»Würde ich. Ich liebe dich, Pettyfor, schlaf schön und bis morgen.«

»Lieb dich noch viel mehr. Bis morgen, ich mach alles wieder gut.«

Simons Antwort ist eine Kette aus Herzchen.

Sonntagmittag, 14. MaiIch bin auf dem Weg in das kleine Studio, wo Beelzebubs Sohn auf mich wartet. Es liegt in Soho in einer Gasse, die so schmal ist, dass man mit ausgestreckten Armen die Hauswände rechts und links berühren könnte. Kopfsteinpflaster und rote Backsteinwände. Irgendwie ist die Zeit seit Jack the Ripper hier stehengeblieben.

Am Empfang erwarten mich zwei Frauen. Die Jüngere scheint geradewegs aus einem Fitnessstudio zu kommen, sie trägt einen giftgrünen Sport-BH und Leopardenleggings. Die kurzen platinblonden Haare betonten ihr burschikoses Aussehen, die kräftigen Augenbrauen geben ihrem Gesicht etwas Koboldhaftes. Sie kommt mir bekannt vor, aber ich weiß nicht, woher. Die zweite Frau ist eine elegante Gothic Queen. Schwarzer Pagenkopf, die Seiten ausrasiert. Ihr Kleid hat einen großen Ausschnitt, damit man das Tattoo auf ihrem Hals besser sieht, ein riesiger Nachtfalter in Grau, Schwarz und Weiß. Nur der Totenkopf auf dem Rücken des Falters ist so rot wie die Lippen der Frau. Sie mustert mich kühl und sagt: »Ich bin Abigail Sharp, die Managerin der White Harpies. Wie kann ich dir helfen?«

»Hallo, ich bin Alex Brandt vom Open Mind-Magazin aus Berlin. Ich habe einen Interviewtermin mit Damien Frost.«

Abigail wirft einen Blick in ihren Computer, nickt kurz und steht auf. »Damien kommt gleich«, sagt sie und führt mich in den angrenzenden Raum. »Möchtest du etwas trinken? Kaffee, Cola oder vielleicht etwas Stärkeres?«

»Nein, danke.« Neugierig schaue ich mich um. Ich habe Interviews an den seltsamsten Orten gemacht, in alten Bunkern aus dem Zweiten Weltkrieg, auf versifften Männertoiletten und in blitzsauberen Restaurantküchen, aber dieser Raum toppt alles. Schwarze Wände. Keine Fenster. Eine gepolsterte Tür. Zwei Bänke, die fatal an Streckbänke erinnern. Ein riesiger Spiegel in einem prächtigen Goldrahmen. Eine Holzkiste als Tisch. Diffuses, rötliches Licht wie in einer Dunkelkammer. Wo bin ich hier gelandet?

»Hallo, ich bin Damien Frost. Und du bist..?«

Die Stimme hinter mir ist ein tiefes Brummen. Langsam drehe ich mich um. Mir gegenüber steht ein großer, schlanker Mann, komplett in schwarz gekleidet. Die dunkelblonden Haare fallen weich über seine Schultern. Der Drei-Tage-Bart ist ordentlich gestutzt. Er hat interessante Augen, länglich, schmal und ein bisschen orientalisch. Wahrscheinlich hat er mit Kajal nachgeholfen. Ich ergreife seine ausgestreckte Rechte und bekomme prompt einen Schlag. Erschrocken weiche ich zurück. Damien Frost ist genauso überrascht. »Das funkt ja schnell zwischen uns. Dabei weiß ich nicht mal deinen Namen.«

»Ich bin Alex Brandt vom Open Mind-Magazin aus Berlin.«

Damiens Händedruck ist warm und fest. Ich bekomme keinen weiteren Schlag. »Schön, dich kennenzulernen, Alex. Setz dich doch.« Einladend deutet er auf eine Ledercouch, die ich zuvor nicht gesehen habe.

Das ist er also, der gefürchtete Meister über die musikalische Vorhölle. Nach meinen Recherchen habe ich einen irren Psychopathen erwartet wie den Joker in »Batman« oder einen Zwillingsbruder von Norman Bates. Dieser höfliche, in sich ruhenden Mann verwirrt mich. Er könnte ein Priester sein oder der Anführer einer okkulten Sekte. Wir setzen uns. Die Couch ist recht klein, unsere Schultern berühren sich. Damien hat zwei Flaschen Bier dabei. Er reicht mir eine und sagt: »Hab ich dir mitgebracht. Prost.«

Wir stoßen an. Ich trinke nur aus Höflichkeit, denn ich mag kein Bier. Damien nimmt einen tiefen Schluck, fährt sich mit dem Handrücken über den Mund und sagt: »Ich habe von dir gehört, Alex Brandt. Vor ein paar Wochen warst du mit Simon Neil von Biffy Cliro essen.«

»Ja, das stimmt.«

»Er sagt, ich muss mich vor dir in Acht nehmen. Muss ich das?«

»Bist du ein Angsthase?«

Damien zieht eine Braue hoch. »Finde es heraus, Alex Brandt.«

Mein Blick fällt auf ein Tattoo auf seinem rechten Bizeps. Eine große Teufelsmaske in Grau und Schwarz, nur die Augen leuchten wie glühende Kohle. Eine beeindruckende Arbeit, äußerst detailliert. »Ist das dein Alter Ego?«, will ich wissen.

Die Frage ist falsch, das spüre ich sofort. Damiens Augen werden kalt. Er schaut durch mich hindurch, starrt an die Decke, sein Blick richtet sich nach innen. Etwas läuft schief. Schweigen breitet sich aus. Schweigen in Interviews ist immer schlecht. Ich muss die Initiative ergreifen, aber ehe ich den Mund aufmachen kann, kommt mir Damien zuvor und fragt: »Wunderst du dich über diesen Raum?«

»Irgendwie schon. Ich ...«

Die Tür fliegt auf und knallt gegen die Wand. Der weibliche Kobold platzt herein. Damien bleibt gelassen. »Was willst du, Kiki?«

Der Kobold starrt mich an und in dem Moment erkenne ich ihn. Das ist die Keyboarderin der White Harpies, Kiki Delavigne. Unaufgefordert zwängt sie sich zwischen Damien und mich. Auf dem Sofa wird es eng. Kiki stört das nicht. Sie grinst Damien an und sagt: »Ich dachte, ich helfe dir ein bisschen, bevor du die Lady mit Bemerkungen verschreckt wie: Der Auftritt gestern war ein einziger gewaltiger Orgasmus, am liebsten hätte ich Chris gefickt. So was sagt er nämlich gern, weißt du.« Kiki zwinkert mir verschwörerisch zu.

Ich bin sprachlos. Damien nicht. Er beugt sich vor und sagt ganz ruhig: »Raus hier, Kiki. Sofort. Wenn ich dich brauche, pfeife ich.«

»Oh je, jetzt kriege ich aber Angst.« In gespieltem Entsetzen reißt Kiki die Augen auf.

Ich höre Damiens Grollen, obwohl er nichts sagt. Kiki hört es auch. Sie zuckt die Achseln und springt auf. »War ja nur so eine Idee, Chef«, sagt sie. Ihre Hand liegt schon auf der Türklinke, da dreht sie sich um und strahlt mich an. »Wenn du mal was aus dem Blickwinkel einer Frau über die White Harpies schreiben willst, ruf mich an.«

Damien sagt immer noch nichts. Er schaut Kiki nur an. Die Kleine wird blass und verschwindet so schnell, wie sie gekommen ist. Mit einem saugenden Geräusch fällt die Tür hinter ihr ins Schloss. Damien wendet sich wieder mir zu und sagt: »Entschuldige, wo waren wir stehen geblieben?«

»Äh ... was sollte das denn?«

»Kiki mischt sich gern in Dinge, die sie nichts angehen. Also, wo waren wir stehen geblieben?«

»Du wolltest mir erklären, was das hier für ein seltsamer Raum ist.«

»Ach ja, richtig. Ich dachte, wir hören uns unsere neue CD an, und das geht am besten in einem Studio«.

Jetzt sehe ich, dass der große Spiegel ein Einwegspiegel ist. In dem Raum dahinter liegen wahrscheinlich das Mischpult und die Aufnahmegeräte. »Das hier ist ein Studio?«

Damien nickt. »Du bist die Erste, die die neuen Stücke zu hören bekommt. Abgesehen von unserer Managerin, natürlich.«

Ich freue mich und sage: »Das ist wirklich eine Ehre.«

»Ja, darauf kannst du dir was einbilden.« Damien greift zur Fernbedienung. Sekunden später tauchen wir ab in hypnotische Klänge, zart schwebend und sich ineinander drehend wie eine DNA-Spirale, gestützt von einem weichen Bass und einer Stimme, die mich fast zum Weinen bringt. Singt da wirklich Damien Frost? Ich kann es kaum glauben und schiele ihn von der Seite an. Damien sitzt entspannt neben mir, den Kopf gegen die Rückenlehne der Couch gelehnt, die Augen geschlossen, eine Hand liegt auf meiner Schulter, berührt fast den Ansatz meines Busens. Er merkt es nicht oder er ignoriert es. Das letzte Stück des Albums ist ein English Waltz, nur wuchtiges Schlagzeug, schwere Stiefel mit Stahlkappen, die den Takt klopfen, und darüber Damiens tiefer Bass, der alles zusammenhält.

Plötzlich steht Damien auf. Ehe ich ahne, was er vorhat, zieht er mich auf die Beine und presst mich eng an sich. Geschickt bringt er meinen rechten Arm in Position und dreht mich in einen Walzer. Er weiß genau, wie man eine Frau führen muss. Wie Profitänzer gleiten wir durch das kleine Studio. Damiens Umarmung wird enger. Ich spüre den Schlag seines Herzens, fühle den warmen Atem an meinem Hals. Mir bleibt die Luft weg. Wir drehen uns weiter, mir wird schwindlig, dann ist es mit einem letzten gewaltigen Paukenschlag vorbei. Wir landen wieder auf dem Sofa. Keuchend bringe ich meinen Pferdeschwanz in Ordnung.

»Ich hätte nicht gedacht, dass du Walzer tanzen kannst.«

Damien lacht leise. »Ja, einen Veitstanz traut man mir eher zu. Hat dir die CD gefallen?«

»Sehr sogar. Ein großartiges Album, kompromisslos und trotzdem viel weicher als eure früheren Werke. Das werden auch viele Frauen mögen.«

»Das wäre schön. Die meisten unserer Fans sind Männer.«

»Kein Wunder, ihr bedient ja auch Machogefühle. Lass doch mal ein oder zwei Stücke von einer Frau singen. Kann Kiki singen?«

»Keine Ahnung.«

»Ist ja nicht schwer, das herauszufinden..«

»Ich werde darüber nachdenken.«

»Tu das.« Mit meinen Gedanken bin ich woanders. Bei den Recherchen bin ich auf etwas aus Damiens Vergangenheit gestoßen, das sicher nicht viele Menschen wissen. Vorsichtig beginne ich: »Kann ich dich was Persönliches fragen?«

»Kommt drauf an.«

»Du hast in New York im Gefängnis gesessen, weil man Drogen bei dir fand. Rykers soll ein gefährlicher Ort sein. Hat diese Erfahrung deine Musik beeinflusst und ist sie deshalb so brachial?«

Alles an Damien signalisiert plötzlich Gefahr, seine Körperhaltung, seine Stimme, seine Augen. »Was genau willst du wissen?«

Instinktiv rutsche ich an die äußerste Ecke der Couch. »Ich war noch nie im Knast«, erwidere ich. »Sicherlich ist das eine Grenzerfahrung.«

Damien rückt näher. Er riecht nach Bier und nach etwas anderem, das ich nicht einordnen kann. Ich weiche noch weiter zurück. Er greift meinen Pferdeschwanz und zieht meinen Kopf ganz nahe zu sich heran. »Willst du wissen, wie es im Knast war, Alex Brandt?«

»Nein ... nein, will ich nicht.«

»Doch, willst du«, raunt er mir ins Ohr. »Deshalb bist du doch hergekommen, weil du genau das wissen willst. Und ich werde es dir zeigen. Steh auf.«

Er ist nicht brutal, aber er zeigt mir, wo es langgeht. Er schlingt meine langen Haare um sein Handgelenk und zieht mich zu einer der beiden Holzbänke. Das Ding hat etwas von einer Streckbank. Damien presst mich bäuchlings auf das harte Holz. Er liegt schwer auf mir, seine Finger schieben sich durch meine Finger, schließen sie um die Beine der Bank. »Halt dich gut fest, sonst muss ich dich anbinden, und das würde dir ganz sicher nicht gefallen«, raunt er mir zu.

Draußen am Empfang, keine vier Meter entfernt, sitzen seine Managerin und der kleine Kobold. Ich könnte um Hilfe rufen, in ein paar Sekunden wären sie hier, doch es ist zu spät. Die Kontrolle ist mir schon entglitten. Damien zieht mir die Stiefel aus, öffnet den Reißverschluss meiner Jeans, streift sie langsam über meine Hüften. Er übereilt nichts, bleibt ganz ruhig, lässt mir genug Zeit.

Die Musik läuft wieder, nicht die schönen, verführerischen Sphärenklänge, die wir vorhin gehört haben, sondern hypnotische Schleifen aus wuchtigen Bässen und darüber seine Wahnsinnsstimme. Sie jagt mir eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken. Damien steht vor mir, er muss mir nichts befehlen, ich weiß auch so, was ich zu tun habe, und ich gehorche. Ich könnte immer noch schreien. Er zwingt mich zu nichts, er wartet auf mich. Ich lasse los und unterwerfe mich seinem Willen.

Damien tritt hinter mich. Mit beiden Händen packt er meine Hüften und zieht mich an sich. Er streichelt meinen Hintern und die empfindliche Haut meiner Oberschenkel, nicht so sanft, wie man ein Kätzchen streicheln würde, aber auch nicht ruppig. Er weiß genau, was mir gefällt. Seine Finger dringen in meine feuchte Spalte, ziehen sich zurück, erkunden mich erneut. Mein Verstand schaltet auf Sparflamme. Sein Schwanz ersetzt seine Finger. Mit einem einzigen Stoß dringt er tief in mich ein. Tiefer geht es nicht. Das ist nicht geil. Es tut weh. Ich stöhne erschrocken auf. Damien legt mir eine Hand über den Mund, presst mich mit dem Gewicht seines ganzen Körpers auf die raue Bank. Sein harter Schwanz bewegt sich weiter in mir, so heftig und kraftvoll wie die Musik. Um mich dreht sich alles. So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich schließe die Augen, lasse zu, dass er mich vor sich hertreibt, werde immer erregter. Ich bin wie eine Surferin, die auf einer Woge der Lust reitet, bis sie über mir bricht und dann erlaubt er mir zu kommen.

Abrupt lässt Damien mich los. Keuchend bleibe ich liegen. Er dreht mich um, zieht mich auf die Beine, gibt mir einen Kuss auf meine geschlossenen Lippen. Beinahe zärtlich, aber nur beinahe. »Was wirst du deinen Leserinnen nun erzählen, kleine Journalistin?«, wispert er.

Jedenfalls nicht das, was gerade passiert ist. Das werde ich garantiert niemandem erzählen. Meine wichtigste Regel hat immer gelautet: Benimm dich nie wie ein Groupie, sonst wird dich keiner mehr ernst nehmen. Seit fünf Jahren bin ich in diesem Geschäft. Ich habe hunderte Interviews gemacht. Immer wieder hat es Angebote für One Night Stands gegeben. Ich habe mich nie darauf eingelassen, bis heute. Heute habe ich komplett den Verstand verloren. Vor Scham könnte ich im Boden versinken.

Hastig ziehe ich meine Jeans an und schlüpfe in die Stiefel. Ohne Damien anzusehen, zische ich: »Wenn du auch nur ein Wort über diese Sache verlierst, werde ich sagen, dass du mich vergewaltigt hast.«

»Drohst du mir?«

»Nein. Ich sage dir nur, was passiert, wenn du nicht den Mund hältst.«

Damien nickt belustigt. »Verstehe. Du bist kein Groupie und ich bin kein Frauenschänder. Schwamm drüber. Du hast mir eine Frage gestellt, und das war meine Antwort. Mach damit, was du willst. Wir sehen uns in Berlin wieder.«

»Ganz sicher nicht.«

»Ganz sicher doch. War schön, dich kennenzulernen, Alex Brandt.«

Damien reicht mir zum Abschied die Hand und ich nehme sie.

Sonntagabend, 14. MaiIch muss verrückt sein. Auf jeden Fall bin ich völlig durcheinander. Deshalb kann ich heute unmöglich nach Hause fliegen. Ich habe Simon noch nie betrogen, er würde sofort merken, dass etwas nicht stimmt. Soll ich ihm dieses Intermezzo verschweigen? Oder soll ich ihm sagen, was passiert ist? Was ist denn eigentlich passiert? Eine Vergewaltigung war das nicht, ich hätte ja schreien können. Ich hätte auch Nein sagen können. Habe ich aber nicht. Ich habe mich Damien Frost unterworfen. Gern, wie ich mir widerwillig eingestehe.

Dabei mache ich mir überhaupt nichts aus Rollenspielen und »Fifty Shades of Grey« habe ich auch nicht gelesen. Ich mag normalen Blümchen-Sex. Die Art Sex, die Simon und ich haben. Das Härteste, was ich je erlebt habe, waren ein paar Klapse auf den nackten Hintern von meinem ersten Freund. Damals war ich dreizehn oder vierzehn und es hatte mir keinen Spaß gemacht. Ihm schon. Damien Frost würde es sicher auch Spaß machen. Allein der Gedanke, er könnte mir den Arsch versohlen, macht mich ganz wuschig.

Im Hotel verlängere ich meinen Aufenthalt um eine weitere Nacht und lasse den Flug auf morgen umbuchen. Ich schicke meinem Chef eine Nachricht, dass Mr. Frost den Interviewtermin verschoben hat. Wolfgang wird das schlucken. Am liebsten würde ich Simon auch eine Mail schicken, aber das wäre feige. Also rufe ich ihn an. Er strahlt erfreut, als er mich auf dem Display erkennt. »Wie ich sehe, hast du Mister Beelzebub heil überstanden. Wie war er denn so? Hat er tatsächlich Hörner?«

Ich mache ein betrübtes Gesicht und sage: »Das weiß ich leider noch nicht, Schatz. Mr. Frost hat den Termin platzen lassen. Das Interview findet erst morgen statt.« Die Lüge geht mir erstaunlich leicht über die Lippen.

»Aha.« Simons Lächeln verschwindet.

»Es ist ja nur ein Tag. Das werden wir schon überleben«, tröste ich ihn.

»Klar. Muss ich eben mal wieder umplanen.«

»Du tust grade so, als müsstest du ständig wegen mir umplanen.«

»Schon gut, Alex, wir wollen nicht streiten. Wir sehen uns dann morgen.«

»Bis morgen also. Pass auf dich auf.«

»Du auch.«

Kein Ich liebe dich, keine Küsschen, kein Ich freue mich auf dich. Simon ist zutiefst verärgert. Ich wusste gar nicht, dass er wegen eines verschobenen Termins so sauer werden kann. Wie würde er wohl reagieren, wenn er den wahren Grund für meine Umbuchung herausfindet? Das will ich mir lieber nicht ausmalen. Montagnachmittag, 15. Mai Simon erwartet mich am Flughafen. Tegel ist klein, vom Flieger gelangt man direkt zur Gepäckausgabe, dann geht es durch die Passkontrolle und schon ist man draußen. Ich entdecke Simon sofort. In der Rechten hält er eine Rose. Ich dränge mich durch Menge und eile zu ihm. Simon hebt mich hoch und wirbelt mich durch die Luft. Wir küssen uns so heftig, als hätten wir uns eine Ewigkeit nicht gesehen. Der kleine Streit am Telefon ist vergessen.

»Ich habe dich schrecklich vermisst«, raunt Simon mir ins Ohr.

»Ich dich auch«, gebe ich zurück.

»Dann lass uns nachholen, was wir letzte Nacht versäumt haben.« Simon bugsiert mich aus der Ankunftshalle hinunter ins Parkhaus, wo unser Toyota Landcruiser steht. Den Geländewagen haben wir im letzten Sommer angeschafft, weil wir gern abseits geteerter Straßen unterwegs sind. Simon verstaut meinen Trolley im Kofferraum. »Ist es okay, wenn wir sofort zu mir fahren, oder willst du erst in deine Wohnung?«