Dämmerschoppen - Bernd-Lutz Lange - E-Book

Dämmerschoppen E-Book

Bernd-Lutz Lange

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Beschreibung

Kabarettfreunden zwischen Borna und Bonn gilt Bernd-Lutz Lange als sächsisches Urgestein. Doch er hat sich in den vergangenen Jahren nicht nur auf der Bühne und im Fernsehen einen Namen gemacht. Großer Beliebtheit erfreut er sich als Autor, der dem Volk "aufs Maul" schaut. "Bei einem so erfahrenen Kabarettisten verwundert es nicht, daß er Pointen zu setzen und den Wörtern wie den Unwörtern auf den Grund zu gehen weiß. Zuweilen blüht auch der Ulk." (Sächsische Zeitung). Und immer wieder bringt er das Wunder fertig, an die DDR zu erinnern, ohne wehleidige Ostalgie zu wecken.

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Seitenzahl: 170

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Bernd-Lutz Lange

Dämmerschoppen

Geschichtenvon drinnen und draußen

Impressum

ISBN 978-3-8412-0533-9

Aufbau Digital,

veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, September 2012

© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin

Die Originalausgabe erschien 1997 bei Gustav Kiepenheuer;

Gustav Kiepenheuer ist eine Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlages zulässig. Das gilt insbesondere für Übersetzungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das öffentliche Zugänglichmachen z.B. über das Internet.

Umschlaggestaltung Torsten Lemme

unter Verwendung eines Fotos von Prof. Helfried Strauß

Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,

KN digital – die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart

www.aufbau-verlag.de

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Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Informationen zum Autor

Impressum

Inhaltsübersicht

Die Drehtür

Sprachdenkmäler

Weitsichd

Volksmund

Auf der anderen Seite der Barrikade

»U-Boote« in Berlin

Gröfaz und Reichswasserleiche

Unwörter

Metamorphosen

Der »lange Weller«

Täve

Gummistiefel und Gurken

Gert Fröbe aus Zwickau

Der Pianist

Wie es kam, daß ich für Angelika Domröse sang

Der Minister und meine Ohren

Überraschungsangriff

Drushba

Der alte Čapék

Carossi

»Ein Wunder!«

Hermann hießr!

Tauschland

Mut

Der 9. Oktober 1989

Einmalig

Wandel

Perpetuum mobile der Macht

Einladung

Werteverlust

Zeitensprünge

Perfekt

Eine Frage des Gedächtnisses

Ereignis

Der Meister

Die Vernissage

Post

Der Künstler

Die Gräfin vom Ku’damm

Essen in England

Ein Getränk

Wie ich zwei Weltstars kennenlernte

Die Audienz

Moses

Das Ende der Andacht

Abgeguckt

Glasers Sprüche

Ein polnischer Tscheche in Deutschland

Hamburger Impression

Erinnerung

Toleranz

Zwischen allen Stühlen

Die neue Höflichkeit

Die neue Zeit

Der Beweis

Baufreiheit

Es ging nicht immer seinen Gang

Die erste Reihe

Menschen an der Pleiße

Der Drache aus Dresden

Logik

Lafontaine im Gewandhaus

Ein Glück

Ausstellungseröffnung

Geduld

Die Drehtür

Ich mag die alten Drehtüren aus dunkelbraunem Holz und Glas. Sie strahlen Ruhe aus, Bedächtigkeit. Gutmütig drehen sie ihre Runden, ruhen in sich, haben so gar nichts von der Nervosität der Pendeltüren. Sie sind die stillsten unter den Türen. Man kann sie nicht im Zorn zuknallen. Sie bewegen sich nur, wenn ein Mensch herantritt und sanft Hand anlegt. In den Pausen sind die Drehtüren Stehtüren.

Was haben sie nicht alles schon erlebt? Demokratien und Diktaturen. Einige sogar zwei Revolutionen.

Die alten Drehtüren werden immer seltener. In Leipzig sind die letzten der typisch deutschen Renovierungssucht seit der Wende zum Opfer gefallen. Ein paar neue sind hinzugekommen. Doch was ist so ein großes chromblitzendes Etwas, das sich geisterhaft von allein bewegt, sobald man in seine Nähe kommt, und das den Rhythmus der Schritte vorgibt, was sind diese modernen Eingangsschleusen gegen eine alte Drehtür ...

In Paris, Prag und Wien hab ich ein paar gesammelt. Sie gehören mir, niemand weiß es, und ich lasse sie ja auch dort.

Eine Drehtür steigert die Spannung. Man fällt nicht einfach mit der Tür ins Haus. Der Auftritt im Hotel, Kaffeehaus oder Bankgebäude wird vorbereitet. (Wobei die Türen vermutlich bei den Banken nur eingebaut wurden, damit der Räuber mit dem erbeuteten Geld nicht so schnell flüchten konnte!)

Ein weiterer Vorteil ist, daß es in Räumen mit solchen Türen nicht zieht! Den Zug fängt die Drehtür ab. Und somit ist sie auch eine Windfangtür!

Die Drehtür ist eine Art Kreisverkehr für Fußgänger, sie sorgt in einem Atemzug für unseren reibungslosen Ein- und Ausgang. Man kommt sich im Gehege nicht ins Gehege.

Ich erinnere mich, daß mir in meiner Kindheit nicht ganz geheuer war, wenn ich mit Schulkameraden eine Drehtür benutzte und sich plötzlich zwei als solche entpuppten, die einen gern ärgerten. Dann paßten sie jenen Moment ab, bei dem man in seinem Drehtürfach gefangen war und stoppten mit Gewalt die Drehung. Ich war dem hilflos ausgesetzt, konnte weder vor noch zurück und hoffte, daß bald jemand käme, der mich aus der kurzen Gefangenschaft erlöste.

Eine Drehtür zwingt den Benutzer zur Langsamkeit. Hektische Menschen kommen damit nicht klar und werden von der Tür sofort mit Einklemmen bestraft. Wer das Entreé rasant schaffen will, kann sich unter Umständen am Ausgangspunkt wiederfinden. Charlie Chaplin hat es in einem seiner Filme wunderbar komisch gezeigt.

Es gibt einen Witz von einem Betrunkenen, dem der Mann an der Bar wegen seines Zustandes nichts mehr ausschenkt. Er verläßt das Lokal, gerät aber durch den Schwung der Drehtür wieder in den gleichen Raum. Es bleibt dabei, daß er kein Glas mehr bekommt. Nachdem der Mann zum dritten Mal an der selben Theke landet, fragt er den Barkeeper verwundert: »Sagen Sie mal, gehören Ihnen denn alle Kneipen in der Straße!?«

Die Drehtür, diese Kreisfläche im Übergang, ist exterritoriales Gebiet. Man ist nicht mehr draußen, aber auch noch nicht drin. Es gibt eine kurze Phase des Alleinseins, des Nachdenkens, wenn der Benutzer seine stille halbe Runde dreht. Wenn er den Raum betritt, steht vielleicht schon jemand da und wartet, daß das Viertel frei wird. Man lächelt sich kurz an, und das Türenkarussell dreht sich weiter.

Wir leben unentwegt mit Menschen in gegenläufigen Bewegungen. Die Hälfte der Menschen geht oder fährt immer an der anderen Hälfte vorbei.

An der Drehtür wollen die einen raus und die anderen rein. Und manche sind auch draußen und kommen nie wieder rein.

Sprachdenkmäler

Wenig erinnert daran, daß jahrhundertelang deutsche Juden in unserem Land lebten, einige erhalten gebliebene Synagogen und vor allem Friedhöfe.

Aber noch auf einem anderen Gebiet spiegelt sich das einstige Leben wider: in unserer Sprache!

Einer meiner jüdischen Freunde schickte mir eine Liste mit umgangssprachlichen Begriffen und Redewendungen, von denen ich bei einer ganzen Reihe nie vermutet hätte, daß ihre Wurzeln im Hebräischen liegen. Diese Formulierungen gebrauchen wir bis zum heutigen Tag. Viele sind vom Hebräischen – mehr oder weniger verändert – ins Jiddische übernommen worden. Jiddisch entstand im Mittelalter, eine Mischsprache aus mittel- und oberdeutschen, aus semitischen und slawischen Elementen. Es gilt als die Umgangssprache der Ostjuden und wurde vor allem in Rußland, Polen und Galizien gesprochen. Mit der verstärkten Einwanderung um die Jahrhundertwende kam auch Jiddisch wieder mehr unter die Deutschen. Besonders groß ist der Anteil solcher Entlehnungen noch heute im Berliner Dialekt. In der Hauptstadt lebten die meisten ostjüdischen Familien, die ganze »Mischpoke«, wie die Familie im Jiddischen genannt wird. »Mischpacha« heißt sie auf Hebräisch.

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