Danosc: Verlorenes Erbe - Angelina Blosfeld - E-Book

Danosc: Verlorenes Erbe E-Book

Angelina Blosfeld

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Beschreibung

"Gute Leute sind wie Kerzen. Sie verbrennen sich, um anderen Licht zu schenken." Alva hat den Prozess der Vampirfürsten nur knapp überlebt und flüchtet mit Zanes Hilfe in den hohen Norden. Verfolgt von Schatten, ringt sie darum, die Kontrolle über ihre zunehmend problematischen Fähigkeiten zu erlangen. Doch auch Zane scheint verändert. Er bringt sie in den gefürchteten Tartaros, und erst dort wird Alva bewusst, wie sehr sich die Welt während ihrer Abwesenheit verändert hat. Eine neue Bedrohung ist erwacht und hat sich in Danosc wie eine finstere Gewitterwolke breitgemacht. Kann Alva ihren Feinden die Stirn bieten und gleichzeitig ihre Liebe zu Zane retten? Sie muss sich entscheiden, denn nicht nur ihr Leben hängt von ihrer Wahl ab.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Epilog
Danksagung

Angelina Blosfeld

 

DANOSC

Verlorenes Erbe

 

 

 

DANOSC: Verlorenes Erbe

 

 

© 2025 VAJONA Verlag GmbH

Originalausgabe bei VAJONA Verlag GmbH

 

 

 

Lektorat: Patricia Buchwald

Korrektorat: Désirée Kläschen und Susann Chemnitzer

Umschlaggestaltung: Diana Gus

Satz: VAJONA Verlag GmbH, Oelsnitz

 

VAJONA Verlag GmbH

Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3

08606 Oelsnitz

 

Für die, die lieber in der Hölle herrschen,

als im Himmel zu dienen.

 

Die Dunkelheit wird euch holen und in den Tartaros ziehen.

 

Zane wartet auf euch.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Prolog

Rauch hing in dichten Schwaden über den schneebedeckten Bergkuppen und raubte der Nacht jeglichen silbernen Glanz. Sie waren alleine. Ein Frösteln breitete sich auf ihrer Haut aus.

Die Vampire wussten, was sie taten. Feuer legen, Wälder niederbrennen, um die Wölfe aus ihren Verstecken und in die offenen Arme der Untoten zu treiben. Später, wenn ihre Brüder und Schwestern aus dem Dickicht brachen, die Flammen über die Haut der Wölfe leckten, blieben nur wenige Sekunden der Erleichterung. Die Vampire stürzten sich innerhalb eines Wimpernschlags auf die Schwachen. Sie rissen ihre Kehlen auf, warfen ihre geschwächten Körper zu Boden und ließen sie mit klaffender Brust im Schnee zurück. Den Wölfen blieb kaum Zeit zum Schreien.

Ihr Magen drehte sich und sie kniff die Augen zusammen. Allein der Gedanke an die herausgerissenen Herzen, die Trophäen der Vampire, bereitete ihr Übelkeit. Doch die herzlosen Wesen begingen noch mehr Gräueltaten. Zu viele, als das man sie zählen konnte. Schaudernd wandte sie sich Richtung Norden. Sie wusste, seitdem sie dem Ersten von ihnen begegnet war, dass die Kreaturen ihre Familien in den Untergang treiben würden.

Ein Schrei hallte über die Ebene und prallte an den steilen Felsen hinter ihr ab.

Sie wirbelte herum, riss den Schwertarm in die Luft und blockte einen Angriff ab. Ihr Arm vibrierte vor Schmerz, aber sie umfasste das Heft nur noch fester. Niemals würde sie vor diesen Kreaturen kriechen.

Ihr Angreifer, ein Vampir mit blutroten Augen, sprang zurück und fauchte. Seine Zähne blitzten in der Dunkelheit wie scharfe Klingen. Er drehte sein Schwert und setzte zu einem seitlichen Hieb an. Stahl auf Stahl krachte in einem ohrenbetäubenden Schlag aufeinander und löste ein Beben auf den Bergspitzen aus. Der Vampir verzog hämisch grinsend die Lippen.

Sie sprang auf ihn zu, duckte sich und seine Klinge streifte ihren Oberarm. Ein Stechen zuckte wie ein Peitschenhieb durch ihren Oberkörper. Zischend entwich ihr die Luft. Er kämpfte stärker als alle anderen.

Mit einer zügigen Bewegung duckte sie sich und führte eine rasche Fußfolge aus, um hinter den Vampir zu gelangen. Sie stieß zu und bohrte ihre Klinge durch seinen Rücken und mitten in sein schwarzes Herz. Noch im selben Moment fiel er zu Boden. Der saure Geruch des Todes mischte sich mit der kühlen Bergluft.

Sie wartete auf das Gefühl der Panik, aber alles, was sie spürte, glich tiefer Ruhe und Gelassenheit. Ihr Mitgefühl war in ihrem niedergebrannten Zuhause gestorben.

Ihre Mundwinkel zuckten nach oben, als sie ihre Klinge betrachtete. Blut tropfte dickflüssig von dem Metall in den Schnee. Langsam führte sie zwei Finger an die Waffe und fing einen roten Tropfen auf. Erdiger Geruch brannte sich in die Atmosphäre.

»Silva Inferna.« Eine Stimme, alt und rauchig, schnitt die Dunkelheit wie scharfe Messer.

Langsam drehte sie sich um und sah dem Vampir in die Augen. Sie wusste, ohne ihm je begegnet zu sein, wer er war. Sein Name eilte ihm weit voraus.

»Schlächter«, zischte sie und sah dem Vampir in die hassenswerten Augen. In ihnen tanzte der Schalk und er senkte sein Schwert.

Die Wölfin spannte sich an. Der Vampir mochte das harte Eisen gesenkt halten, aber die Art, wie er die Schultern zurückzog und den Schwertknauf fester packte, sprach andere Bände.

Die Mundwinkel des Schlächters zuckten in die Höhe und er besaß tatsächlich die Dreistigkeit, seinen Brustpanzer zu richten und die Nase über ihren blutbesudelten Umhang zu rümpfen. Sie knurrte leise. Nicht alle konnten sich wie er in einem trockenen Zelt entspannen, bis sich die Schlacht dem Ende neigte.

Sie verzog argwöhnisch die Lippen. Wenn sie ihn jetzt angriff, würde er sie sofort töten. Er wollte, dass sie das tat. Er dachte, sie würde diesen Moment der Unaufmerksamkeit nutzen und sich auf ihn stürzen. Doch seine gespielte Gelassenheit, den kurzen Moment der Unaufmerksamkeit, wagte sie nicht zu nutzen.

Die Silva Inferna sah, dass er unter gesenkten Lidern jeden ihrer Atemzüge beobachtete, so, als wartete er nur darauf, dass ihr Herz versagte und er es in einer gläsernen Vitrine seinen Untertanen präsentieren konnte. Sie schnaubte innerlich. Das hätte er wohl gern.

»Ich biete einen Handel«, schlug er müßig vor und musterte seine größte Konkurrentin von Kopf bis Fuß. »Frieden.«

Sie lachte trocken. Was glaubte er, wer er war, von gottverdammtem Frieden zu sprechen? Er war es gewesen, der den Befehl gab, das erste Wolfslager niederzubrennen. Dieser Vampirfürst war nicht dumm. Nein, er wusste ganz genau, was nach dieser Tat folgte. Krieg.

»Du redest von Frieden, aber sprichst nicht von den Wölfen.« Sie schüttelte den Kopf und hob die Schwertspitze auf die Höhe seines Herzens. »Du willst Frieden für deinesgleichen, nicht für mein Volk. Du und die deinen, ihr habt alles zerstört, was den Wölfen heilig ist. Unsere Städte brennen, Danosc brennt. Ihr blast immer wieder Funken in unsere Tempel, bis auch sie nichts weiter als Asche sind.« Sie trat einen Schritt auf ihn zu und verengte die Augen. Allerdings blieb der Vampir standfest. »Nein, die Wölfe wollen keinen Frieden. Sie sinnen nach Rache und ich sorge dafür, dass sie euch heimsucht.«

Der Vampir zuckte nicht zurück, sobald sie die vertraute Wärme empfing. Ihre Handflächen glühten im Licht des Mondes, als sie das Schwert hob und in einer blitzschnellen Bewegung hinabsausen ließ. Er hatte keine Chance. Mit einem Schmatzen durchtrennte sie Sehnen, zerstörte Knochen und Muskeln. Sie spaltete den Kopf von seinem Körper. Ein dünnes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen, als sie zusah, wie er in den blutroten Schnee sank.

Befriedigung überkam sie. Der Vampirfürst starrte ihr mit weit aufgerissenen Augen entgegen. Endlich. Nach all der Zeit gehörte er der Vergangenheit an.

Sie steckte ihr Schwert in die Scheide an ihrer Hüfte zurück. Sie hatte nicht einmal ihre Magie benutzen müssen, um ihn zu töten. Ein Glühen ihrer Haut und der Vampir lenkte seine Aufmerksamkeit für einen kurzen Moment von ihr. Mehr brauchte es nicht.

»Alpha!«

Sie sah sich um und erblickte eine Wölfin am anderen Ende des Schlachtfelds. Ihr hektisches Winken trieb sie eilig über den roten Schnee, wobei sie versuchte, nicht auf die Toten zu treten und auch nicht in die letzten Kämpfe verwickelt zu werden. Das Ende stand bereits fest. Ihr Rudel siegte dank des erhofften Zustoßens des Rudels von Bengalen. Dafür musste sie dem Alpha einen Gefallen zubilligen. Ohne ihn hätte die Vampirarmee mühelos ganze drei Rudel des Nordens vernichtet.

Sie lief am Fuße des Bergs entlang und folgte der jungen Wölfin in eine große Höhle. Ihre Augen brauchten sich nicht an die dichte Dunkelheit zu gewöhnen, denn das Licht der Luna stärkte die Sehkraft jeden Wolfs.

»Was ist los? Gibt es ein Problem?« Sie eilte der Wölfin hinterher und versuchte, ihre hektische Atmung unter Kontrolle zu bringen. Sie musste zurück auf das Schlachtfeld, ihr Rudel brauchte ihre Anwesenheit, um härter zu kämpfen.

Die Wölfin zeigte stumm in die Höhle und sie folgte ihrem Finger. Ihr Schwert fest in den Händen, trat sie zu einem knienden Mann. Er blickte jedoch stur auf seine blutbesudelten Hände.

Von ihm ging eine urtümliche Lebensenergie aus. Schwach, aber voller Willenskraft zu überleben. Seine Hände lagen in dicken Ketten, der behelfsmäßige Brustpanzer glänzte matt unter tiefen Fugen langer Krallenspuren. Langsam sah er auf, sodass dichte dunkle Locken um seine Augen fielen.

Er verzog die Lippen zu einem hämischen Grinsen. »Überraschung.«

Die Silva Inferna legte den Kopf schief und trat einen Schritt zurück. Ihre Fersen stießen gegen etwas Hartes und sie fuhr herum, bereit, zuzuschlagen. Doch sie erkannte die Mauer aus hart gewordener Luft in dem Moment, in dem sie ihr Schwert packte. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Kristalliner Staub gemischt mit weißem Jod bildeten einen Kreis um sie herum.

Eine Falle.

Ihr Mund wurde so trocken wie Wüstensand, als sie die vier Gestalten erkannte. Dunkelheit umhüllte sie, sobald sie aus der Felsnische traten und auf sie zu glitten.

»Was soll das?«, zischte die Alpha. »Lasst mich raus! Das ist Hochverrat!« Sie schlug mit dem Schwert gegen die Mauer, aber sie gab um keinen Zentimeter nach. Die Alpha schlug ein weiteres Mal zu. Es regte sich jedoch nichts. Wieder und immer wieder prallte das Metall an der Barriere ab. So lange, bis sie die Klinge fallen ließ, die Hände an den Knien abstützte und tief Luft holte.

Als ihr der Schweiß auf die Stirn trat, stieß sie einen lauten Fluch aus. Ihr Blick schoss zu den vier Personen, die sich um den Kreis aufgestellt hatten. Sie erkannte sofort ihre Auren und wusste, ohne genau hinzusehen, dass alle vier Parteien anwesend waren.

Ein Vampirfürst, ein Alpha, eine Clanhexe und ein Mensch.

»Was soll das?«, knurrte sie erneut und unterdrückte den Sturm in ihrem Innersten. Nicht nur ihre Wölfin tobte, auch ihre Magie. Sie wollten an die Oberfläche und alles niederreißen, wie sie es ihrem Rudel am Anfang des Krieges versprochen hatte. Nur, dass der Krieg bereits Jahre andauerte und die Worte vom Wind davongetragen wurden.

Man hatte sie vergessen.

»Du bist eine Gefahr für alle«, stieß der Alpha zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und zog somit ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sie spürte die Hitze auf ihrer Stirn und wusste, ihre Augen glühten so hell wie alle Sterne am Himmel. Doch er hob trotzig das Kinn. »So etwas wie dich hätte es nie geben sollen und nun tun wir der Welt einen Gefallen und sorgen dafür, dass es nie wieder so etwas wie dich geben wird.«

Damit hob er die Arme und die anderen taten es ihm nach.

Nein!

Das konnten sie nicht tun! Ihre Magie krachte in einem Wirbel aus Silber und Gold auf die unsichtbare Mauer. Sie musste nur die Barriere niederreißen und danach wäre sie frei. Die Parteien konnten ihr nichts anhaben. Das wussten sie, deswegen wurde sie eingesperrt. Immer mehr Magie floss aus ihrem Wolfsherzen und hämmerte wie laute Donnerschläge gegen ihr Gefängnis. Ihr Herz raste und ihre Hände fühlten sich feucht an.

Das leise Lachen des Fremden drang an ihre Ohren, holte sie aus dem Sog der Verzweiflung. Sie ignorierte ihn und blendete das leise Gemurmel der anderen aus, die ihr Leben verdammten.

Sie durfte es nicht so weit kommen lassen.

Ihr Herz trommelte in ihrer Brust, als sie immer mehr Energie an die Oberfläche schöpfte. Ein Riss tat sich in der Gefängniswand auf, aber das Murmeln nahm zu und augenblicklich schloss sich die Barriere wieder. Ihr Amulett glühte wie ein drittes Auge auf ihrer Brust und brannte sich in ihre Haut.

Sie spürte, dass sich etwas noch in dem Augenblick veränderte, in dem sich der Zauber ihrer Gegner im Raum entfaltete und in einem Strahl aus funkelnder Dunkelheit auf ihr Herz zielte.

Sie umklammerte ihr Amulett, ignorierte die immer heißer werdende Hitze und biss die Zähne zusammen. Sie wusste ganz genau, was sie tun musste.

Ihre Lungen brannten, als würde man heiße Kohlen auf ihren Brustkorb drücken. Tief Luft holend, hob sie ihr Schwert auf, drehte die blutige Spitze in beiden Händen und rammte sich die Klinge mitten durchs Herz.

Die Luft blieb ihr im Hals stecken, sobald sie einen Schritt zurücktaumelte. Die Kraft wich aus ihrem Körper, machte ihre Beine und sogar ihren Schädel schwer. Röchelnd fiel sie auf die Knie. Ihre Sicht verschwamm. Im Augenwinkel bemerkte sie noch, wie die Dunkelheit innehielt und sich zu ihren Beschwörern wandte. Schreie erklangen, wurden mit jedem Atemzug immer dumpfer. Die Schwärze hatte ein neues Opfer gefunden.

Ein krampfhaftes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen, als sie die Augen flatternd schloss. Die lebendigen Farben der Nacht schlugen früher oder später immer zurück.

Hätten sie doch nur gewusst, dass die Dunkelheit am Ende immer siegte.

Kapitel 1

Manchmal war es ein schöner Tag, der mir Beruhigung schenkte. Öfter war es die Dunkelheit.

Ich vermisste meine Brüder, mein Zuhause. Vielleicht sogar die nervigen Unterrichtsstunden mit den Jungwölfen unter einem grünen Blätterdach. Ich hätte nie gedacht, dass ich das eines Tages sagen würde. Alles hatte sich verändert. Sogar ich.

»An was denkst du?«

Ich sah zu meiner besten Freundin und unterdrückte ein Lächeln. Manches hatte sich auch zum Guten gewendet.

»An nichts.« Ich wandte den Kopf dem Sternenhimmel zu und blies kleine Atemwölkchen in die Luft. Dabei griff ich nach Julys Hand und drückte sie leicht. Wir lagen mitten im Undurchdringlichen Wald und betrachteten den Nachthimmel. Ich legte den Arm unter meinen Kopf und seufzte leise. »Es ist schön, wieder hier zu sein.«

Julys moosgrüne Augen durchbohrten mich. »Lüg mich nicht an, du bist schließlich meine Freundin. Ich kann verstehen, dass du lieber bei deinen Brüdern und deinem Rudel im Süden sein willst, Alva.«

Eine kurze Pause entstand, in der wir die Zweisamkeit und die Kälte des Schnees unter unseren dicken Kleidern genossen. Um uns herum ragten riesige Tannen in die Schwärze auf und schienen bis zu den Sternen zu reichen. Das Weiß bedeckte wie Puderzucker die dunklen Äste und rieselte bei aufkommendem Wind zu uns hinab.

Julys Blick huschte zu mir. »Die Jungs vermissen dich sicher. Ich tat es jedenfalls, sobald ich von deiner Abwesenheit erfahren hatte. Und das jeden verfluchten Tag.«

Meine Mundwinkel sackten hinab und ich unterdrückte ein Zittern. In der Anwesenheit einer Wolfswandlerin hätte ich das Bibbern unmöglich dem Frost zuschreiben können. July wusste, dass ich meine Familie mehr als alles andere vermisste. Drei Monate waren seit unserer letzten Begegnung im Wald von Danosc vergangen.

Seit zwölf Wochen befand ich mich wieder in der heimischen Kälte des Nordens und weit weg von jeglicher Zivilisation. Denn nach dem Kampf im Wald von Danosc, in dem mich gleichermaßen mein Rudel und die Vampire töten wollten, konnte ich unmöglich im Süden bleiben. Alle Welt glaubte, ich sei die Mörderin eines Vampirfürsten und müsste meine mir zugedachte Strafe, den Tod durch den ewigen Vampirbiss, erhalten.

Was im Grunde nicht falsch war, denn wenige Wochen nach der Mordanschuldigung hatte ich Anwir, den Vorsitzenden des Vampirrats, getötet. Allerdings geschah diese Tat aus Notwehr. Kein Gericht und auch kein Rat dieser Welt konnte mir mein Handeln verdenken. Der Vampirfürst hatte alle in Danosc glauben lassen, ich sei eine Verbrecherin.

Ich seufzte leise. Ein Leben für ein Leben. Alles nur wegen des Etwas, das meine Haut wie Sterne zum Leuchten brachte.

»Hallo?« July schnippte vor meinen Augen herum. Ich blinzelte verwirrt und sah ihr ins Gesicht. Sie ragte hoch über mir auf, hatte sich auf die Ellenbogen gestützt. Ihr rabenschwarzes Haar kitzelte meine Nase. »Erde an Alva? Bist du noch da?«

»Geh weg.« Ich stieß sie von mir und setzte mich auf. Der Schnee knirschte unter meiner dicken Hose und ich stöhnte innerlich. Wenn meine Brüder hier wären, würden sie mich mit Schneebomben befeuern und keine Ruhe geben, bis ich mich in den Tiefen des Waldes verkroch.

Ich verzog den Mund und richtete den Blick zum langsam untergehenden Mond. In wenigen Stunden wurde es hell, stellte ich zähneknirschend fest.

»Ich muss zurück.« Ich warf July ein entschuldigendes Lächeln zu. Sie rollte die Augen und strich die Schneeflocken aus ihrem dunklen Haar. »Wenn Tante Delyth und Onkel Ezra herausfinden, dass wir uns heimlich treffen, bringen sie mich um«, erinnerte ich sie.

July verzog den Mund, stand jedoch auf und bot mir ihre Hand an. Dank der scharfen Sinne unserer Wölfinnen erkannten wir uns in der vollkommenen Schwärze. Mit einem Ruck zog sie mich auf die Füße. »Du weißt schon, dass Delyth und Ezra so gut wie gar nicht mit dir verwandt sind, oder?« Wir wandten uns Richtung Norden.

Meine Schritte knirschten unter meinen gefütterten Stiefeln. »Ich weiß.« Ich warf July einen verstohlenen Blick zu und duckte mich unter einen herabhängenden Ast. »Sie wollen, dass ich sie Tante und Onkel nenne. Das ist das Mindeste, was ich für sie tun kann, um meine Dankbarkeit ansatzweise auszudrücken.«

Als Zane sich vor drei Monaten mit mir durch die eisige Kälte des Undurchdringlichen Waldes gekämpft hatte, standen wir unangekündigt vor ihrer Haustür und baten um Zuflucht. Delyth und Ezra hatten keinen von uns gekannt und hielten uns dennoch stumm die Tür auf, nachdem ich ihnen erzählt hatte, mein Bruder Nero würde meinen, wir seien bei ihnen in Sicherheit. Seitdem kümmerten sich die Wolfswandler wie vorbildliche Eltern um mich.

Aus diesem Grund würden sie mich umbringen, wenn sie erfuhren, dass ich mich mindestens einmal die Woche aus dem Haus schlich, damit ich mich mit einer Wölfin des Northcourt-Rudels treffen konnte.

Meine Sicherheitsvorkehrungen beinhalteten ein strenges Verbot zur Zivilisation. Das schloss das Northcourt-Rudel mit all seinen Mitgliedern ein. Sogar wenn eine von ihnen meine beste Freundin seit Kindheitstagen war.

Wenn Tante Delyth und Onkel Ezra von unseren Treffen erfuhren, wüsste ich nicht, was ich tun sollte. Doch ich ahnte jetzt schon, ich konnte mich nicht ewig vor den Vampiren und meinem verräterischen Alpha verstecken. Ich musste raus und etwas erleben, auch wenn es mich in Gefahr brachte. Deshalb hatte ich July vor fast zwei Monaten eine Nachricht zukommen lassen und um ein heimliches Treffen gebeten.

Denn July war nicht nur eine unglaublich gute Zuhörerin, sie erzählte genauso leidenschaftlich über ihre Erlebnisse im Rudel. Seitdem sie nach ihrem Blutritual zu einem vollwertigen Mitglied im Rudel aufgestiegen war, bekleidete sie als dunkelbraune Wölfin einen angemessenen Rang. Damit hatte sie die beste Position, um Fragen zu stellen, ohne Aufsehen zu erregen.

Man würde es ihrer Strebsamkeit zuschreiben und nicht dem nagenden Interesse einer verstoßenen Wölfin, die sich hoch oben auf der höchsten Bergspitze der Andralen versteckte und auf Neuigkeiten aus dem Süden hoffte.

Leider waren die Informationen jedoch spärlich. Das Northcourt-Rudel schien bisher nichts von den Turbulenzen in Danosc mitbekommen zu haben.

»Hier müssen wir uns trennen«, meinte July. Sie hielt an der letzten Baumreihe des Nadelwaldes an und sah den steilen Hang des Berges hinauf. Ich sah ihr nach. Ganz oben, vor allen Augen versteckt, befand sich ein Holzhaus und wurde von einem Baumring vor neugierigen Blicken versteckt. »Morgen kommt unser Bote aus Arlen zurück und bringt neue Kunde aus den südlichen Regionen. Ich halte die Ohren offen und berichte dir beim nächsten Mal.«

»Gut.« Ich versenkte meine eisigen Finger in der dicken Winterjacke. »Allerdings …« July zog eine Augenbraue hoch. »Wir können uns erst in zwei Wochen wiedersehen.« Ich schluckte den dicken Kloß in meinem Hals hinunter. »Zane kommt morgen.«

July stieß einen leisen Pfiff aus und kickte mit der Schuhspitze Schnee in die Landschaft. »Der Zane?« Sie wackelte mit den Augenbrauen. Eigentlich hätte mich diese Geste zum Lachen bringen sollen, aber ich konnte nicht.

Immer, wenn ich an den Vampirfürsten dachte, schnürte sich mir die Kehle zu. Mit jedem neuen Monat, den er uns in der Hütte besuchte, wurde er abweisender. So eisig, dass ich mich lieber in mein Zimmer verzog, als mit dem Vampir, der mich damals immer zum Lächeln gebracht hatte, Zeit zu verbringen.

Ich nickte und vergrub das Kinn tiefer in der Jacke. »Tu nicht so, als wenn da etwas wäre. Es ist nichts.«

»Aber du gibst zu, dass es etwas zwischen euch gegeben hat.«

Es war keine Frage – eindeutig nicht. Ich konnte es nicht leugnen, einmal hatte es eine Verbindung zwischen Zane und mir gegeben. Aber seitdem er mich nach der ersten Woche bei Delyth und Ezra verlassen hatte, um nach Danosc zurückzukehren, war das, was zwischen uns existiert hatte, nur noch ein Teil der Vergangenheit. Nachdem er wiedergekommen war, hatte er sich verändert. Er blieb auf Distanz, mied meine Gegenwart und auch die aufregende, prickelnde Seite, die mich vor Scham erröten ließ, verschwand. Zurück blieben ein berechnender Ausdruck und ein leerer Blick.

Ein Liebhaber hatte mich verlassen und ein Herrscher war zurückgekehrt.

»Es ist nichts gewesen, was erwähnenswert wäre.« Mein Herz zog sich beim nächsten Atemzug schmerzhaft zusammen. Zane hatte mich verlassen oder alles nur vorgespielt.

Vielleicht war der Verrat, der einstige Plan aller Vampirfürsten, mich umzubringen, doch in seinem Interesse gewesen. Vielleicht wollte er gar nicht hier sein, bei mir. Vielleicht hasste er mich. Ja, er verachtete mich bestimmt, wie alle Vampire die Wölfe nicht ausstehen konnten. Und andersherum. Nur, dass ich Zane nicht aus meinem Leben ausschließen konnte.

Ganz am Anfang hatte ich es versucht. Aber ich war gescheitert.

»Du weißt doch, dass er die erste Woche eines jeden Monats zurückkommt und danach wieder nach Danosc verschwindet«, erinnerte ich sie. »Er hat meinen Brüdern versprochen, mich zu beschützen, weil sie es nicht können. Er sieht nur nach dem Rechten, um kein schlechtes Gewissen zu haben.«

July schnaubte verächtlich. »Das glaubst du. Nur zu deiner Information, ich sehe das anders.«

Ich warf ihr einen scharfen Blick zu. »Das glaubst du auch nur, weil du zu viele Romanzen im Fernsehen gesehen hast.«

»Wenigstens habe ich einen Fernseher!« Sie grinste teuflisch und zeigte mit dem Finger zu den Berggipfeln. »Soweit ich weiß, besitzen Tante Delyth und Onkel Ezra nicht einmal einen Kabelanschluss. Von einem Stromanschluss wollen wir gar nicht erst reden. Oder einem Abwassersystem. Man könnte meinen, ihr lebt im Mittelalter.«

Ich presste die Lippen aufeinander. Delyth und Ezra mieden jeglichen Kontakt zur Außenwelt. Wenn ich sie nach dem Grund fragte, brachten sie mich mit eisigen Blicken zum Schweigen. Irgendwann hatte ich aufgegeben und mich an die kalten Wasserkrüge zum Waschen und Toilettenhäuser im Freien gewöhnt. Es war normal, Ezra beim Holzhacken zu helfen und die Wanne mit vorgekochtem Wasser zu befüllen. Licht wurde mit Feuer oder alten Gaslampen entzündet und gegessen wurde gejagte Beute und eingelagertes Gemüse aus dem Gewächshaus. Irgendwie hatte Delyth es nach Jahren geschafft, eines mithilfe von Wärme und Düngemittel inmitten einer der kältesten Regionen des Kontinentes zu errichten und erfolgreich Pflanzen zu kultivieren.

Ich stieß die Luft aus und hob abwehrend die Hände. »Okay, du hast gewonnen. Treffen wir uns in zwei Wochen um Mitternacht wieder hier?«

July stieß mir grinsend den Ellenbogen in die Seite. »Klaro.« Flugs zog mich die kleine Wölfin in eine feste Umarmung. »Wenn wir uns wiedersehen, will ich ALLES von diesem sexy Vampirfürsten mit Waschbrettbauch erfahren.«

Meine Wangen brannten wie heiße Kohlen, als ich July von mir drückte. »Du bist unmöglich. Ich schäme mich wirklich, mit dir befreundet zu sein.«

»Wirklich?« July schaute mich aus Kulleraugen an und ich verkniff mir ein Grinsen. Sie blinzelte unschuldig und wir prusteten los, bis wir keuchend nach Luft schnappten. Es gab genug Gründe, warum ich den Kontakt zu ihr nie abgebrochen hatte, nachdem Nero mit seinen zwei besten Freunden Rave und Jesse – meinen Brüdern – und mir nach Danosc gezogen war. Mit meiner besten Freundin konnte ich sogar in den dunkelsten Zeiten lachen und mich nicht wie eine komplette Versagerin fühlen.

»Okay.« Langsam beruhigten wir uns wieder und ich holte tief Luft. Es tat gut, wieder zu lachen. Momentan gab es kaum Anlässe für Spaß.

»Bis in zwei Wochen, Alva.« July grinste verwegen. Kaum verklangen die Worte in der Luft, zog sich ihre Haut nach innen und eine lange Schnauze ersetzte ihre Stupsnase.

Ihr Körper verwandelte sich innerhalb von Sekunden in eine dunkelbraune Wölfin mit moosgrünen Augen. Ein trauriges Lächeln huschte über mein Gesicht. Irgendwann könnte ich mich auch so schnell verwandeln wie sie.

»Bis in zwei Wochen, July.«

Die Augen der Wölfin funkelten.

Sie stieß ein leises Heulen aus und preschte zurück in den dunklen Wald. Nach wenigen Atemzügen verschwanden ihre Umrisse. Ich drehte mich seufzend zu dem Berg. Schnell sammelte ich die zerrissenen Kleider meiner Freundin auf und stopfte sie in meinen Rucksack. Danach machte ich mich an den Aufstieg zur Bergspitze.

Auf halbem Weg stützte ich die Hände auf die Knie und holte tief Luft. Ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals so außer Atem gewesen zu sein. In tierischer Gestalt schaffte ich es nicht, den Berg, ohne entdeckt zu werden, zu erklimmen. Meine Kleider würden bei der Verwandlung zerreißen und im Laufe der nächsten Woche von Ezras Spürnase aufgetrieben werden. Außerdem wollte ich nicht riskieren, mich nackt in mein Zimmer zu schleichen und erwischt zu werden. Lieber bekam ich den Muskelkater meines Lebens.

Nach zwei tiefen Atemzügen stapfte ich weiter durch den Schnee. Meine Fußspuren würden innerhalb einer Stunde wieder in der Landschaft verschwinden und mein körpereigener Duft von den Winden weggeweht werden. Es war sicher.

Der Anstieg wurde immer steiler und die Felsen zu beiden Seiten schärfer. Würde ich stürzen, konnte ich mich glücklich schätzen, wenn mich der Tod sofort ereilte.

Einen Fuß vor den anderen setzend, tauchten die ersten Tannen vor mir auf. Ich ging immer weiter geradeaus und schon bald fand ich mich in einem dicht bewachsenen Nadelwald wieder. Die Bäume standen eng. Ich musste mich seitwärts zwischen die dicken Stämme quetschen. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich endlich genug Raum zum Atmen und rieb mir erleichtert den Hals. Geschafft. Zumindest den ersten Teil. Die eigentliche Herausforderung bestand darin, ungesehen über ein fast hundert Meter langes Schneefeld zu laufen.

In den Schatten der letzten Baumreihe gehüllt, hielt ich die Luft an und beschwor meine Wolfsohren. Dank Delyths und Ezras Unterstützung bei meiner Verwandlung beherrschte ich meine Ohren und Krallen sogar in meinen Träumen. Der Rest meines tierischen Körpers …

Wir übten. Das war alles, was zählte.

Der heulende Wind fegte über das weite Feld, das sich wie eine Grenze rings um das Haus zog. Als ich mir sicher war, dass sich niemand in der Nähe befand, brach ich aus den Schatten und raste auf die Veranda zu. Mit jedem Atemzug kam die Haustür näher, und ehe ich mich versah, bremste ich und schlich auf Zehenspitzen um die knarrenden Dielen zum Eingang.

Ich sah mich eilig um.

Niemand hatte mich bemerkt.

Mit flinken Fingern öffnete ich die Tür und huschte in den dunklen Flur. Die Schuhe ließ ich im Eingangsbereich zurück, während ich in dicken Wollsocken die Treppe zu den Schlafräumen hinaufschlich. Meine Füße gaben kein Geräusch von sich und nur mein rasendes Herz verriet mich.

Vor dem Schlafzimmer von Delyth und Ezra verharrte ich. Ob sie schliefen? Das Ohr an die Tür gepresst, lauschte ich nach einem Geräusch. Doch durch die schwere Tür drang kein Laut. Erleichtert holte ich Luft. Ich wusste nicht, wie lange mir das Glück noch hold war.

Den Kopf schüttelnd, schob ich die quälenden Gedanken beiseite und ging zu meinem Zimmer am Ende des Flurs. Es lag gegenüber von Zanes Raum, den er belegte, wenn er zu Besuch kam. Die erste Nacht verbrachte er jedoch immer bei mir. Nicht, weil er mich vermisste oder mich liebte.

Ich bezweifelte sogar, dass er mich überhaupt mochte. Schließlich war er ein Vampir und hatte bei unserer ersten Begegnung mehr als deutlich gemacht, dass er nichts mit mir zu tun haben wollte. Nein, er schlief in der ersten Nacht eines jeden Besuches auf meiner Couch, um mich vor Angreifern schützen zu können, die ihm aus Danosc gefolgt sein könnten. Der Ruf nach Gerechtigkeit durch den Tod fand laut Zane immer mehr Beliebtheit auf dem Kontinenten.

Nichts an dieser Tat geschah aus Zuneigung. Zane beschützte mich aus reiner Ritterlichkeit, wegen seines Pflichtbewusstseins und seines Versprechens gegenüber dem Trio – meinen Brüdern.

Ich seufzte und öffnete leise knarrend die Tür zu meinem Zimmer. Der holzige Geruch der neuen Möbel stieg mir in die Nase und erinnerte mich stark an den Duft von Zuhause. Neros Haus im Wald – mein Zuhause – roch ebenso stark nach Holz. Wehmut füllte mein Herz und ließ meinen Blick zu dem Fenster über meinem Bett schweifen. Er hätte die Aussicht auf die Aurora Borealis geliebt. Jede Nacht beobachtete ich die schimmernden Lichter von meinem Bett aus.

Ich verzog den Mund zu einer geraden Linie. Komisch, in Danosc hatte ich sie jeden Tag vermisst, aber nun, da ich wieder hier lebte, konnte ich sie kaum ansehen, ohne in Tränen auszubrechen. Ich tastete nach meiner alten Gaslampe auf meinem Nachtisch und warf meinen Rucksack in die Ecke meines Zimmers. Goldenes Licht hüllte die dunkle Holzeinrichtung in einen warmen Schein, als ich den Hahn aufdrehte. Ich trat einen Schritt in Richtung meines Bettes und blieb wie angewurzelt stehen.

Irgendetwas stimmte nicht.

Vorsichtig tastete ich nach dem versteckten Messer in meiner Jacke und umgriff das Heft. Ein kalter Windzug strich warnend über meinen Nacken.

In einer fließenden Bewegung wirbelte ich herum, zog die Waffe aus seinem Versteck und rammte sie meinem Angreifer in die Brust. Ihm entkam ein leiser Schrei, der meine Armhärchen zu Berge stehen ließ. Mit einem kräftigen Tritt gegen die Kniescheibe brachte ich den großen Schatten zu Fall. Ich packte das Heft und drehte es in seiner Brust. Genauso, wie Ezra es mir gezeigt hatte.

»Stopp.« Blut spritzte mir ins Gesicht. Ich zog ein unscheinbares Taschenmesser aus meinem Stiefel und wollte es direkt in sein Herz jagen, um ihn ein für alle Mal ins Jenseits zu befördern. »Halt!« Ihm entkam ein Röcheln. »Alva!«

Ich erstarrte in der Bewegung, stoppte die scharfe Spitze nur Millimeter vor seinem Lebenszentrum. Langsam sah ich auf. Diese Stimme … Ich kannte sie, hatte mir oft genug gewünscht, meinen Namen über seine Lippen gleiten zu hören. Götter! Wenn ich nur daran dachte, fingen meine Wangen Feuer.

Als ich dem Blick meines Angreifers begegnete, durchbohrten mich zwei goldene Augen. Sie funkelten wie Bernstein und hielten mich sofort in einem steinharten Gefängnis fest. Ich sog scharf die Luft ein. Mein vermeintlicher Angreifer zog mit einer knirschenden Bewegung das Messer aus seiner Brust. Augenblicklich verebbte der Blutfluss.

Der Schatten überragte mich um mindestens zwei Köpfe und wirkte wie eine Wand aus stählernen Muskeln. Wenn er kämpfen wollte, hätte ich nicht den Hauch einer Chance. Meine Hände zitterten und ich krallte sie in meine Hose. Würde er mich jetzt töten?

Der Vampir schenkte mir ein teuflisches Grinsen und betrachtete die blutbesudelte Klinge. Sie wirkte wie Spielzeug zwischen seinen großen Händen.

Langsam sah er auf und jagte mir einen eiskalten Schauer über den Rücken. In seinen Augen glitzerte Mordlust. »Wie ich sehe, hast du geübt, kleine Wölfin.«

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 2

Kleine Wölfin …

Ohne es zu wollen, überzog ein Prickeln meine Haut. Ich war ihm so hilflos ausgeliefert wie seinem Verursacher. Zane. Er war hier. Aber sollte er nicht erst morgen kommen? Warum also heute Nacht? Mein Herz raste in meiner Brust. War etwas passiert? War jemand gestorben? Ging es meinen Brüdern gut? Oder Nyx oder Draven, den zwei vampirischen Freunden von Zane?

Ich trat einen Schritt zurück und räusperte mich leise. »Warum bist du jetzt schon hier? Was ist passiert?« Ich schluckte schwer. »Sind meine Brüder …«

Zanes Augen verloren an Härte, wirkten aber immer noch so kalt wie Granit. »Es geht ihnen gut. Allen geht es so weit gut.«

»Warum bist du dann so früh hergekommen?«

Er zuckte die Achseln und schlenderte an das Dachfenster über meinem Bett. Den Kopf in den Nacken gelegt, starrte er in das grünliche Licht der Polarnacht. »Die Frage ist wohl eher, warum warst du nicht hier gewesen?« Sein Blick schoss zu mir und durchbohrte mich wie Eiszapfen. »Wo warst du? Du weißt ganz genau, dass die Vampire nach dir suchen. Die Wölfe von Danosc mögen ihren Einfluss nicht im Norden gesichert haben, was aber nicht bedeutet, dass sie keine Späher einsetzen.«

»Ich bin nur kurz draußen gewesen«, log ich. Ich schluckte meine aufwallende Panik hinunter. Was würde Zane tun, wenn er erfuhr, dass ich mich heimlich mit einem Mitglied des Northcourt-Rudels traf? Was passierte mit July? Ich durfte ihr Leben nicht noch weiter gefährden. »Der Mond schien so schön und ich dachte, ich könnte am Waldring meine Verwandlung üben.«

Zane verengte die Augen und verzog den Mund zu einer harten Linie. Seine Hände ruhten in den glattgebügelten Anzugtaschen, während sein rabenschwarzes Haar nahezu perfekt auf seinem stolzen Haupt saß. Ich befeuchtete meine Lippen. Nichts an dem Vampirfürsten zeigte, dass er nicht Wert auf sein Aussehen legte.

Wenigstens stimmten diesmal die Gerüchte über die Vampire mit der Wirklichkeit überein: Sie waren eitel und nahezu besessen von Macht. Dass Vampire in der Sonne verbrannten, Knoblauch hassten und in Särgen schliefen, waren jedoch Gerüchte, die sie sich für die unwissenden Menschen ausgedacht hatten. Wirklich clever.

Die Menschen lebten in ihrer eigenen kleinen Blase und hatten von der Andersartigkeit in ihrer Welt keine Ahnung. Genau deshalb hielten sich die Wölfe in ihren eigenen Gemeinschaften auf und mischten sich selten in die Angelegenheiten der Sterblichen ein. Es erleichterte vieles. So wurden wir – Wölfe wie Vampire – nur noch von wenigen Jägern ins Visier genommen. Ich seufzte erleichtert in mich hinein. Diese Gruppen waren uns jedoch zahlenmäßig so weit unterlegen, dass sie von den Paranormalen als keine Gefahr eingestuft wurden. Der Rest der sterblichen Gemeinschaft betrachtete die Wölfe, wenn sie denn jemals einen von uns in ihrer tierischen Gestalt bemerkten, als etwas zu groß geratene Hunde.

»Du solltest wissen, Alva, ich weiß, wenn jemand lügt. Und dein Herz schlägt so schnell wie bei einem bevorstehenden Herzinfarkt«, bemerkte Zane. Er legte den Kopf schief und musterte mich aufmerksam. »Ich frage dich also nur noch einmal, bevor ich Delyth und Ezra hole.« Seine Augen blitzten und meine Nackenhaare stellten sich auf. »Wo warst du?«

»Im Wald.«

Im Prinzip log ich nicht. Auch er wusste das.

Er richtete sich auf und straffte die Schultern. »Wenn ich dich noch einmal erwische, wie du dich bei Nacht ins Haus schleichst, verspreche ich dir, werde ich dein kleinstes Problem sein.« Er wandte sich zur Tür. Katzengleich legte er die Hand auf die Klinke, als er den Kopf leicht zu mir neigte. »Was meinst du, wie enttäuscht deine Brüder sein werden, wenn sie von deinen kleinen Ausflügen erführen.«

»Das wagst du nicht«, knurrte ich. Meine Finger juckten und ich spürte, wie meine Wölfin sich an die Oberfläche drängte. Wenn es um die Familie ging, kannte sie keine Gnade.

Zanes Augen weiteten sich minimal, als silbriges Licht das kleine Zimmer flutete. Man könnte meinen, der Mond sei auf die Erde hinabgestiegen. Im Stillen wusste ich jedoch, dass es das urtümliche silbrige Glühen der Wölfin war, die vor Hunderten von Jahren im Krieg ermordet wurde. Sie hatte dieselben Fähigkeiten wie ich besessen.

Ich biss mir auf die Lippe. Mit dem Unterschied, dass sie ihre Magie einsetzen konnte, wann immer sie wollte. Bei mir war es jedoch umgekehrt. Meine Magie setzte mich ein, wann immer es ihr beliebte.

Zane erstarrte zu einer Statue. Sein Blick flog über mich. Von Kopf bis Fuß und wieder zurück. Erst bei meinen Augen hielt er inne.

»Interessant.« Sein Murmeln erinnerte mich an das eines Liebhabers. Allerdings verkörperten wir nicht mehr als Bekannte, die einst ihre Leidenschaft miteinander geteilt hatten.

Quälende Minuten, in denen wir uns in einem Gewirr aus Gliedmaßen wiedergefunden, den Moment genossen und die Zeit vergessen hatten, drängten an die Oberfläche meiner Gedanken. Damals hatte ich ihn so sehr gewollt. Ich hätte alles getan, um ihn zu bekommen. Das wurde mir erst im Nachhinein bewusst.

Ich seufzte leise und rieb mir die pochende Stirn. Doch nun wünschte ich mir, ich könnte diesen Moment vergessen. Ebenso alles danach.

Zane holte tief Luft, als hätte er meine Gedanken gehört. »Gute Nacht, Alva.« Um seine Schultern zirkulierte die Luft, bis er wie von Geisterhand verschwand und ich die Wand anstarrte. Arschloch.

Mein Herz wurde jedoch gleich um einiges leichter, als ich mich endlich aus dem Pelzmantel schälen konnte. Mit zwei großen Schritten stand ich am Bett und warf mich innerhalb eines Atemzuges auf die Matratze. Das Kissen kratzte über meine Wange.

Ich massierte mir langsam die Schläfen und zog die Decke über mich. Ich musste etwas wegen Zane unternehmen. Mit jedem Besuch distanzierte er sich immer mehr von mir, bis ich das Gefühl hatte, einem Fremden ins Gesicht zu blicken. Hatten ihm die Wochen in seinem Apartment nicht gefallen?

Ich blickte wehmütig zum Fenster hinaus, ließ den Blick über die in der Ferne liegenden Bergspitzen schweifen. Hatte er mir alles nur vorgespielt?

Mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb. Blind tastete ich auf dem Nachttisch nach einem Stift. Ich musste July eine Nachricht schreiben. Sie würde wissen, was ich tun musste, um Zane so weit von mir fernzuhalten, dass er mich nicht mehr weiter enttäuschen konnte.

Ich rappelte mich auf, fischte einen Schreibblock unter meinem Bett hervor und fand endlich einen Kugelschreiber. Die blaue Spitze flog über das Papier, bevor sie mitten im Satz innehielt. Machte es Sinn, an July zu schreiben?

Ich führte den Stift an meine Lippen und kaute auf der Plastikkappe herum. Wenn Zane von dem Brief erfuhr, würde er mich umbringen. Im schlimmsten Fall verletzte er July. An meinem ersten Tag in Zanes Apartment, nachdem ich vom Vampirrat den Auftrag bekommen hatte, den wahren Mörder von Amsfoort zu finden, hatte er mich beinahe erwürgt. Hätte Draven Zanes Kontrollverlust nicht verhindert, wäre ich schon lange unter der Erde.

Ich biss mir in die Wange und schob das Schreibmaterial unter das Bett. Später konnte ich mir immer noch Gedanken darum machen.

Seufzend rollte ich mich auf die andere Seite der Matratze und starrte an die Wand. Ich hatte noch ein paar Stunden Zeit, bevor ich aufstehen und mit Ezra trainieren musste. Ich stöhnte innerlich und vergrub den Kopf in den Kissen.

Zane würde mit Sicherheit auch beim Training sein. Wenn nicht, um meinen Trainingsstand zu begutachten, dann, um gegen mich anzutreten und mir wieder einmal zu beweisen, was für eine Versagerin ich in Wirklichkeit abgab. Ich knurrte leise und krallte die Finger in die Laken. Das letzte Mal hatte der Vampirfürst mich wortwörtlich durch den Dreck gezogen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 3

»Nicht langsamer werden!« Ezras Stimme donnerte über den Trainingsplatz. »Die Langsamen sterben zuerst!«

Damit meinte er mich.

An meinen Beinen hingen Zementklötze. Ich lief bereits meine vierte Runde und musste noch mindestens sechs weitere schaffen, um in seinen Augen ansatzweise kampfbereit zu sein. Ich schnaufte atemlos. Sein Aufwärmen glich jedoch meinem Total-erledigt-Level. Allerdings wusste er das zu gut, was ihn umso mehr befeuerte, mich absichtlich länger zu quälen.

Jeden verflixten Morgen trafen wir uns kurz nach Sonnenaufgang in schweren Stiefeln, dunklen Wollpullovern und Rangerhosen, um bis zum Mittagessen zu trainieren. Da Delyth und Ezra aller Zivilisation fern blieben und ihren Waldkreis nicht verließen, hatten wir demnach für andere Dinge mehr als genug Zeit. Denn nach dem Essen nahm er mich zum Holzhacken mit und danach half ich Delyth im Haus. Langeweile und Trägheit gab es auf der Bergspitze nicht.

»Noch fünf Runden, Alva!«, brüllte Ezra und schaute auf seine Stoppuhr. »Du hast dafür noch vier Minuten!«

Das schaffte ich nie im Leben. Die Kälte brannte in meiner Kehle und die ersten Tränen stiegen mir in die Augen. Ich schwitzte, obwohl ich fror.

Währenddessen lief Zane leichtfüßig an mir vorbei. Er warf mir einen Seitenblick zu, aber ich ignorierte ihn.

Stur rannte ich weiter und betrachtete seinen Rücken, der vor mir immer kleiner wurde. Arschloch. Wenn ich richtig gezählt hatte, war das seine elfte Runde. Ich ballte die Hände zu kugelrunden Fäusten. Das Schlimmste daran war, er zeigte nicht den geringsten Anschein von Erschöpfung. Er schwitzte nicht einmal.

Ein Knurren stieg in meiner Kehle auf und unwillkürlich wurde ich schneller. Der Vampir konnte mich mal.

»Alva, du sollst laufen! DU, nicht deine Wölfin!«, schallte Ezra. »Ruf sie zurück und schwing deinen Hintern allein durchs Ziel!«

Wenn er nur erfuhr, was ich ihm am liebsten an den Kopf werfen wollte, würde er mich mindestens zehn Runden extra laufen lassen. Allein bei dem Gedanken und Zanes makelloser Erscheinung rannte ich schneller. Zehn Minuten später hatte ich meine Aufwärmrunden geschafft und versuchte neben dem Wolf und dem Vampir leise zu keuchen. Was sich als deutlich schwieriger herausstellte, wenn man viel schärfere Sinne besaß.

»Heute fangen wir mit einer kleinen Herausforderung an und gehen danach in den eigentlichen Übungskampf über«, verkündete Ezra und führte uns hinter das Haus.

Dort wartete die mir altvertraute Terrasse mit den schwarzen Matten, die einen möglichen Fall beim Training mildern sollten. Als wir nähertraten, erkannte ich sofort die zahlreichen Waffen an den Wänden, die wie Gemälde aufgehängt und präsentiert wurden. Im morgendlichen Tau glänzend, wirkten sie wie teure Kostbarkeiten.

»Bevor wir zu den spaßigen Dingen greifen, kämpft ihr zuerst mit Körper und Verstand«, grummelte er leise und betrachtete mit funkelnden Augen den Morgenstern.

Mein Herz zog sich bitterlich zusammen. Bitte nicht! Der alte Wolf senkte den Blick auf den Boden. »Wer von euch zuerst mit dem Rücken auf der Matte liegt, hat verloren.«

Ich stöhnte innerlich. Als sich vier Augen auf mich richteten, biss ich mir auf die Zunge. »Was?«

»Du musst dein Missfallen nicht immer laut kundtun, Alva. Das schickt sich nicht.« Ezras grüne Augen durchbohrten mich kritisch. Meine Mundwinkel zuckten hinab. Er schüttelte tadelnd den Kopf und warf sich das lange Haar über die Schultern. Die Strähnen reichten ihm bis zur stahlharten Brust und leuchteten so weiß wie Schnee. Ein Vorteil, wenn er sich in den Bergen des Nordens versteckte. Er sah mich aus ruhigen Augen an. »Du kämpfst mit Zane und zeigst mir, was du in den letzten vier Wochen gelernt hast. Andernfalls kannst du Delyth im Gewächshaus helfen.«

»Aber ich …«

»Ich beiße nicht, Alva.« Zanes Stimme klang ruhig, viel zu gefährlich. »Muss ich dich etwa daran erinnern?«

Ich schluckte und drehte mich langsam um. Da stand er, direkt vor mir, und grinste von einem Ohr zum anderen. Am liebsten hätte ich ihm das dumme Lächeln aus dem Gesicht geschlagen. Allein die Tatsache, dass er meinen nächtlichen Ausflug für sich behalten hatte, ließ mich erneut die Hände zu Fäusten ballen. Ob er nur auf den richtigen Moment wartete, um mich zu verpetzen?

Zane trat vor und sah mir mit einem überheblichen Grinsen in die Augen. Einen Atemzug später flog sein Blick über mich hinweg und zu Ezra. »Bist du dir sicher?« Mein Onkel nickte und er richtete seinen Blick wieder auf mich. Seine Mundwinkel zuckten noch höher. »Gut.«

Ich band rasch mein blondes Haar zurück und wickelte mir die Bandagen um die Finger und Gelenke, die Ezra für Zane und mich bereithielt.

Mein Trainer nahm am Rande seine Position ein, stellte sich mit breiten Beinen an die Hauswand und verschränkte grimmig die Arme vor der Brust. Sein Schatten fiel wie ein dunkler Vorhang zwischen Zane und mich und schuf eine unsichtbare Grenze. Als ich meinen Blick auf meinen Sparringspartner richtete, duckte ich mich hastig und wich einem gezielten Schlag ins Gesicht aus.

Kaum stand ich wieder fest mit beiden Beinen am Boden, funkelte ich Zane wütend an. »Du mieses Stück …«

Er holte aus und ich warf mich bäuchlings auf die Matten. Mitten im Fall drehte ich mich und schlug ihm die Beine weg. Doch ich war eine Sekunde zu langsam. Rasch wich er zurück, gab mir jedoch genug Zeit, aufzuspringen und in Deckung zu gehen. Langsam taxierten wir uns, wobei ihm die Sonne ins Gesicht schien und er die Augen zusammenkniff. Ein entscheidender Vorteil.

Ich sprang vor, duckte mich unter dem Seitenhieb und trommelte auf seine Brust ein. Zane grunzte und wich blitzschnell zurück. Frustriert schlug ich ins Leere.

Meiner Kehle entwich ein tierisches Knurren, bevor sich meine Beine wie von allein in Bewegung setzten. Ich rannte ihm entgegen, hob die Hände und schlug zu. Ich zielte in die Luft und stolperte an den Rand der Matten.

Mit gefletschten Zähnen wirbelte ich herum und sah den Vampir an der anderen Seite der Terrasse lehnen. Er betrachtete gelangweilt die Waffen an den Wänden und würdigte mich keines Blickes. Als wäre ich keine Gefahr für ihn. Was im Grunde auch so war. Er war schließlich ein Vampirfürst und beherrschte ein ganzes Land. Allein sein flammender Blick konnte töten.

Im Vergleich zu ihm war ich nichts. Auch wenn er mir mehr als einmal gezeigt hatte, dass ich mindestens genauso gut sein konnte wie er. Wenn ich es wollte … und wenn er es zuließ. Das hatte er damals leider vergessen zu erwähnen.

Ich knirschte mit den Zähnen und warf einen verstohlenen Blick zu Ezra. Er stand unbewegt an der Hauswand und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Wie immer. Seine Frau und er ließen mich nie länger als fünf Minuten aus den Augen. Es kam einer heiligen Pflicht nah, wenn fremde Wölfe die Mitglieder einer anderen Familie beschützen durften. Sie würden sich nie erlauben, fahrlässig zu sein. Dafür waren wir zu stolz.

Zane stieß einen leisen Pfiff aus, lenkte meine Aufmerksamkeit in seine Richtung. »War das schon alles, kleine Wölfin?«

Ich presste die Lippen aufeinander. Natürlich wollte er meine Wut schüren, hoffte, dass ich unaufmerksam und impulsiv handelte. Damit er mir mit arroganter Lässigkeit in den Arsch treten konnte. Das wäre nicht das erste Mal. Ich verengte die Augen zu Schlitzen. Nein, heute würde er mit Schrammen an den Mittagstisch treten. Dafür würde ich sorgen.

Innerhalb von Sekunden hatte ich einen Plan.

Bedächtig schritt ich auf ihn zu und sofort galt Zanes volle Konzentration mir. Er schien meine Pläne zu erahnen. Ich erkannte es an seinen glühenden Augen, die jede meiner Bewegungen in sich aufsogen. Er suchte nach einer Schwachstelle, einer Dysbalance, einer Möglichkeit zum Angriff. Aber mein Vorhaben barg keine Lücken. Meine Miene glich kaltem Mondstein.

Ich spürte Ezras Blick in meinem Rücken, als mich nur noch wenige Schritte von dem Vampir trennten. Auch er erkannte die Veränderung. Meine Schritte gaben keinen Laut von sich. Vor Zane blieb ich schließlich stehen.

»Du bist ein richtiges Schwein«, entgegnete ich und wartete auf eine Reaktion. Er hob lediglich die Augenbraun, der Rest seines Körpers blieb unbewegt. Ich legte all meine Wut und Härte in meine Stimme. »Vielleicht wäre es besser gewesen, ich hätte dich damals nicht in mein Bett eingeladen.« Zane regte sich immer noch nicht. Ich hob langsam meinen Zeigefinger und stieß ihn in seine Brust. »Draven hatte recht, du hast keine Freunde und kein Herz. Du bist nichts als eine leere Hülle, die nicht sterben kann und von Luzifer persönlich verflucht wurde. Was sonst ist im Stande, seine eigene Familie umzubringen als ein Monster?«

In Zanes Kiefer zuckte ein Muskel. Er legte den Kopf schief und musterte mich kühl. Kälte erstickte die sonst so heißen Flammen in seinen Augen. Eisspeere durchbohrten meinen Körper und noch im selben Moment wusste ich, dass ich zu weit gegangen war. Er ballte die Hände zu Fäusten. Seine Macht brodelte wie in einem Hexenkessel, stand kurz vor dem Explodieren.

Ich schluckte schwer, wich einen Schritt zurück.

Der Boden zitterte unter meinen Füßen und ich hörte nur noch in der Ferne den Hall meines Namens.

»Du bist wütend, Alva. Das verstehe ich.« Goldene Flammen glühten in Zanes Augen. In jedem seiner Wörter schwang Rauch mit. Hitze schlug mir entgegen und bildete einen scharfen Kontrast zu der verschneiten Umgebung.

»Alva!« Ezras Stimme verschwand hinter einer dichten Nebelwand.

Ich warf einen Blick über meine Schulter und erkannte, dass Zane uns in einer Blase aus lebendiger Dunkelheit einhüllte. Zögernd sah ich zu ihm zurück, doch er verschwand ohne mit der Wimper zu zucken. Die Schwärze nahm er mit sich. Mein Kopf klärte sich und ich holte erleichtert Luft. Was zum Teufel war das? Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn ab. Doch als ich Ezras besorgtem Blick begegnete, wusste ich, es wäre besser gewesen, wenn der Vampir mich mit sich genommen hätte.

»Was sollte das?!« Er rauschte auf mich zu und baute sich zu seiner vollen Größe vor mir auf. »Du hättest uns sagen sollen, dass du mit ihm eine Beziehung geführt hast!«

Ich rollte die Augen. »Das ist Vergangenheit und ich spreche ganz sicher nicht mit euch darüber«, entgegnete ich scharf. Eigentlich wollte ich mit niemandem darüber reden.

Ezra packte mich am Kragen meines Wollpullovers und zog mich dicht an sich heran. Ein Knurren stieg in seiner Kehle auf. »Hast du etwa keine Ahnung, was das bedeutet, Alva?«

Verwirrt blickte ich zu ihm hinauf. Was sollte was bedeuten? Wovon redete er eigentlich?

Mit aller Kraft krallte ich mich in seine Handgelenke, vergaß alle Fragen, je länger ich unter der Wut seines Blicks schmolz. Er gab nicht einen Millimeter nach, schien nicht einmal meinen Widerstand zu bemerken.

»Nero, Rave und Jesse wissen davon. Sie hatten nie gesagt, dass es ein Problem darstellt«, versuchte ich ihn zu beschwichtigen.

Ezra schüttelte fassungslos den Kopf. Mit einem kräftigen Schubs stieß er mich von sich. »Mach, dass du Delyth hilfst«, brummte er und nahm eine Axt aus der Halterung an der Hauswand. »Ich will dich bis zum Mittagessen nicht mehr sehen.« Damit drehte er sich um und marschierte in den Wald.

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 4

Dass Wölfe ihre Familien über ihr eigenes Leben stellten und die Vampire nie ihren Hunger nach Blut aufgaben, entsprach Dingen, die jede Kreatur auf diesem Planeten von klein auf lernte. Es waren Tatsachen. Doch manche Arten vergaßen ihre inneren Triebe, bis nur noch das Flüstern des Windes an sie erinnerte. Die Evolution nahm ihren Lauf.

Doch Wölfe waren von Natur aus anders.

Sie liebten von ganzem Herzen und hassten voller Leidenschaft. Das Rudel hatte nie die Blutschuld der Vampire vergessen, genauso wie die Vampire sich immer an den ersten Zusammenstoß erinnern würden.

»Bist du dir sicher? Sie sind alle tot?« Meine Frage schwebte im Raum, bis die Luft zwischen Delyth und mir vor Anspannung surrte. Es war eine absurde Frage. Natürlich mussten alle Jäger tot sein. »Ich meine, die letzte Schlacht zwischen den Vampiren und Wölfen ist fast zweihundert Jahre her und theoretisch müssten die Jäger alle tot sein. Aber wäre es nicht möglich, dass sich ihre Nachkommen an das heilige Versprechen erinnern? Vielleicht spüren sie es in ihren Knochen? Vielleicht drängt es ihr Innerstes nach außen, wie unsere Wölfe an die Oberfläche treten.«

Delyth runzelte die Stirn und ein quälendes Schweigen breitete sich zwischen uns aus. Sie bestand darauf, mich in der Geschichte der Wölfe und Vampire zu lehren. Es sollte mir helfen, zu verstehen, warum ich so war, wie ich war. Noch viel mehr sollte ich so meine Gegner kennenlernen, die sich unweigerlich im Süden zusammentaten und gegen mich verschworen.

Ich spürte es. Etwas Schweres lag in der Luft. Täglich zogen sich die Gewitterwolken zusammen, als wollten Regen und Donner mich in die Knie zwingen.

Delyths rauchige Stimme füllte den Raum. »Es kann sein …« Sie stockte und rieb sich den Hals. »Es muss nicht sein … Aber es ist möglich, dass einige unserer vampirischen Jäger Nachkommen gezeugt haben, nachdem sie ihr Versprechen gesprochen und unsere Existenz verflucht hatten.« Sie warf mir vom Fenster aus einen flüchtigen Blick zu. Ich rutschte auf dem Sessel im Wohnzimmer umher, bis sie ihren Blick von mir löste und in den Wald starrte.

Delyth war rastlos, immer auf den Beinen und überaus wachsam. Ich wusste nicht, ob sie schon immer diese Eigenschaften an den Tag gelegt hatte oder ob meine Anwesenheit sie in diese starre Unruhe versetzte. Jedenfalls fühlte ich mich für ihr Unbehagen verantwortlich.

»Falls sie das Versprechen ihrer Ahnen fühlen, werden die Jäger einen stärkeren Drang verspüren, uns zu töten, als es für die Vampire üblich ist.« Sie rieb sich über die Ellenbogen, sodass ich das Kratzen des dicken Rollkragenpullovers über ihrer Haut hörte. Gänsehaut überfiel mich. »Sie werden uns jagen, dich jagen und vor nichts und niemandem haltmachen. Nicht einmal vor ihren Fürsten. Diese Vampire kennen keine Gnade, wenn diese Wesen sie überhaupt fühlen können. Sie scheuen keine Verluste. Sie sterben für das höhere Ziel und würden durch die Hölle gehen, nur um einen Wolf mit sich in den Abgrund der Verdammnis zu reißen.«

Mein Magen rumorte. Könnte es sein, dass ich in Danosc einem dieser Vampire begegnet war? Vielleicht im Rabbit?

In dem exklusivsten Club des Untergrundes residierte Rowena, die unabhängig von den Vampirfürsten agierte und verflucht mächtig und unheimlich wirkte. Vor etwa vier Monaten begegnete ich ihr zum ersten Mal. Sie hatte mir eine Aufgabe gestellt, damit ich mich vor ihr beweisen konnte und somit ihre Erlaubnis erhielt, im Untergrund nach Amsfoorts Mörder zu forschen. Allerdings hatten zwei ihrer Wächter mich getäuscht und ihre Herrin hintergangen, sobald einer von ihnen seine Zähne in mein Fleisch gerammt hatte. Meine Wangen brannten. Was das zur Folge hatte …

Ich wollte nicht an Zane denken. Doch es hinderte mich nicht daran, ihn zu spüren. Seine Zähne, die mit einem leisen Knacken meiner Haut in meinen Hals drangen, das leise Knurren und den scharfen Schmerz. Ich befeuchtete meine Lippen. Wie würde es sich wohl anfühlen, wenn er in mir war und mich biss?

Finger packten mein Kinn und drückten es hinauf. Waldbraune Augen starrten kalt auf mich hinab. »Egal, an was du denkst, denk gefälligst an etwas anderes und lass mich nicht deine götterverdammte Lust durch den ganzen Raum riechen«, zischte Delyth. Ihr Mund bildete eine harte Linie und ich zuckte unwillkürlich zusammen. Ihre Daumen bohrten sich jeweils rechts und links in meine Wangen.

Ich kniff die Augen zusammen und begrüßte den Schmerz.

»Gut.« Sie nickte langsam und entfernte sich augenblicklich von mir.

Langsam glaubte ich, sie zeigte mir wegen meiner Verbindung zu Zane eine eiskalte Schulter. Aber vielleicht irrte ich mich auch und die Wölfin legte immer und bei jedem ihre ruppige Seite an den Tag. Wie Ezra und sie wohl zusammengekommen waren? Ich lächelte verschmitzt. Mit Sicherheit hatte sie den armen Wolf durch den Dreck gezogen, bevor sie sich auch nur herabgelassen hatte, ihn anzusehen. Mit langen Schritten kehrte sie an ihren Fensterplatz zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

Sie verkörperte eine typische Wölfin – eine Kriegerin. Ihr rabenschwarzes Fell und ihre Scharfsinnigkeit hätten sie zu einer Alpha machen können, wenn sie nicht dem Rudel den Rücken gekehrt und sich auf dem höchsten Berg der Andralen verstecken würde. Warum war mir jedoch immer noch ein Rätsel. Aber ich war gewillt, es herauszufinden. Denn so wie es aussah, würde ich diesen Ort nicht so schnell wieder verlassen. Zumindest nicht, wenn es nach Zane und meinen Brüdern ging.

Bei dem Gedanken erinnerte ich mich daran, Delyth zu fragen, warum ihr Mann so reagiert hatte, als er herausfand, dass Zane und ich eine Beziehung oder etwas dergleichen geführt hatten. »Was passiert, wenn ein Wolf und ein Vampir sich Zuneigung schenken? Bedeutet das irgendetwas?«, fragte ich vorsichtig und lehnte mich in dem Sessel zurück.

Skeptisch drehte sie sich mit erhobenen Augenbrauen zu mir um. Ihre kalte Miene verbarg die Weichheit ihrer Züge, die sie nur Ezra oder ihrem Gewächshaus offenbarte. »Willst du mir damit etwas sagen?«, tastete sie sich vorsichtig vor.

Ich schüttelte den Kopf. »Nur reines Interesse. Ich glaube, ich habe zu diesem Thema etwas in den Bücherregalen auf dem Dachboden gefunden.« Ich wollte ihr nicht den wahren Grund sagen, aus Angst vor ihrer Reaktion.

Delyth wusste, wenn ich nachts nicht schlafen konnte, stöberte ich gerne in der dunklen Kammer über uns herum. Unter einer dicken Staubschicht verbarg sich eine ganze Wandseite von deckenhohen Bücherregalen. Ich hoffte nur, es barg Literatur, die über Vampire geschrieben wurde.

Sie nickte langsam und stierte wieder auf die verschneite Landschaft hinter die Glasscheibe. »Wenn beide Parteien, also Wolf und Vampir, die Verbindung zwischen ihren Herzen akzeptieren, entsteht ein Band. Es ist so rein wie Kristall und so selten wie Musgravit. Dieses Band zieht Herzen so eng zueinander, dass man die Gefühle des anderen zu spüren glaubt, wenn man seinem Herzschlag lauscht.« Ihr Blick richtete sich in die Ferne und wirkte beinahe träumerisch. »Hunderte von Kilometern können sie trennen, aber sie finden zueinander. Immer wieder. Ihre Unterschiedlichkeiten ziehen sie wie Magnete an, denn wenn einst die Verbindung besteht, kann sie nie wieder gebrochen werden. Nicht einmal der Tod vermag sie zu zerschneiden. Es ist wahrhaftig rein.«

Ich schluckte den Kloß in meiner Kehle hinunter, als Delyth wie in Trance über mich hinwegsah.

Bestand zu Zane eine solche Verbindung?

Unmöglich. Ich hatte dem nie zugestimmt und ziemlich sicher hätte der Fürst nie in Erwägung gezogen, uns für immer aneinander zu binden. Außerdem hätte ich es gespürt, wenn ein solches Band entstanden wäre – wenn es noch immer besteht. Oder nicht? Meine Hände fühlten sich feucht an. Zane wollte mich nicht. Natürlich hätte er nie zugelassen, dass ein ewiges Band unsere Seelen vereinte.

Ich holte Delyth aus ihrer Starre, indem ich fragte, »Und was ist mit körperlichen Verbindungen?«

Delyths Blick schoss zu mir und ließ mich tiefer in den Ledersessel rutschen. »Körperliche Verbindungen gehen normalerweise mit seelischen Verbindungen einher. Aber dieses Themengebiet ist so unerforscht, dass kaum eine geschriebene Buchseite besteht.«

Ich runzelte die Stirn. »Warum?«

Sie seufzte und stützte ihre Hände auf der Fensterbank ab. Eine Königin schaute auf ihr Reich. »Weil normalerweise entweder der Wolf den Vampir tötet oder der Vampir den Wolf. Intimer Kontakt endet im Blutrausch und in dem Verlangen, dem anderen die Kehle herauszureißen.« Ich riss schockiert die Augen auf. Delyth stieß jedoch nur ein krächzendes Lachen aus. »Das ist die Natur, Kind. Es ist so normal wie Atmen.«

Sie dachte wohl, dass ich mich in Grund und Boden schämte. Doch ich fühlte nicht einen Funken der leichten Panik auf meinem Gesicht, eher Entsetzen. Warum hatte ich früher nicht das Bedürfnis gehabt, Zane die Kehle zu zerfetzen? Ihn vollends zu zerstören und seine Innereien herauszureißen, um die weißen Laken in blutiges Rot zu tränken? Ich hatte nicht einmal daran gedacht. Damals wollte ich nichts anderes, als ihn noch intensiver zu spüren. Da war kein Gedanke an Mord oder Blutvergießen gewesen.

Ob ich kaputt war?

Oder war Zanes Wunsch, mich zu töten, so groß gewesen, dass er meine Gedanken in sich aufgesogen hatte wie ein Staubsauger? Doch er hatte mich im Kampf gegen die Vampirfürsten und mein eigenes Rudel verteidigt und mich danach in Sicherheit gebracht. Er würde nicht jeden Monat in den Norden reisen und sein Herrschaftsgebiet ungeschützt zurücklassen, wenn er mich umbringen wollte.

Ob sein Versprechen, mich zu schützen, ihn dazu zwang?

Ich wollte lieber nicht daran denken und widmete meine Aufmerksamkeit wieder der Frau am Fenster. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich ihren verkrampften Kiefer und die hochgezogenen Schultern.

Sie wappnete sich zum Kampf.

Deswegen trainierte ich jeden Tag mit Ezra.

Es war zu lange zu ruhig geblieben. Allein im ersten Monat hatten uns drei Vampire gefunden. Im zweiten Mondzyklus verminderte sich der Wildbestand erheblich. Die Adler hatten aus unerklärlichen Gründen die Berge verlassen. Ein größeres Raubtier trieb sich daher im Wald herum.

»Lass uns zu den Jägern zurückkommen«, bestimmte Delyth und nickte zu dem Buch auf meinem Schoß.

Ich seufzte schwer und begann dort weiterzulesen, wo ich aufgehört hatte. Leise räusperte ich mich. »Das Rudel von Bengalen zog sich nach der gescheiterten Schlacht am Fuße der südlichen Ausläufer der Andromedosberge in sein Hauptquartier zurück. Sie verloren in diesen Tagen einhundertdrei Mitglieder. Die Verluste der Schwarzen Klaue, einer der einflussreichsten Vampirclans, sind unbekannt. Die Summe der Toten wird auf etwa fünfzig Vampire geschätzt. Es folgte eine Phase der Aufrüstung, auf beiden Seiten. Die Wölfe suchten bei den menschlichen Vampirjägern nach Unterstützung und gewannen ungefähr einhundert Sterbliche dazu, die sie zum Töten von Vampiren ausbildeten. Es entstand erstmals eine Allianz zwischen Wandlern und Sterblichen. Gleiches geschah auf der Seite der Vampire, wobei die hohen Häuser ihre Überzeugungsfähigkeiten einsetzten und somit die Anzahl an Kriegern verdoppelten. In den darauf folgenden Konflikten mit der Schwarzen Klaue war das Rudel von Bengalen zahlenmäßig so weit unterlegen, dass sie beinahe vollständig ausgelöscht wurden. Nur wenige Wölfe entkamen den Vampiren und ihren Verbündeten.«

»Stopp.« Ich seufzte schwer und sah Delyth in die Augen. Nie konnte ich eine Seite beenden, ohne dass sie mich vorher unterbrach. »Was passierte mit den Wölfen, die entkamen?«

Ich biss mir auf die Lippe, als meine Finger über das alte Papier fuhren. Ich kannte die Antwort. Letzte Woche hatte sie mir von den Überlebenden erzählt. Ich wusste es, ich brauchte nur mehr Zeit.

Delyth zog die Nase kraus. »Und?« Ihre langen Finger trommelten auf ihre Ellenbogen. Das dumpfe Geräusch dröhnte in meinen Ohren.