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Dantons Tod ist ein Drama in vier Akten von Georg Büchner. Den historischen Hintergrund des Stückes bildet die Französische Revolution, sodass zumindest eine grobe Übersicht über den Verlauf der Revolution und ein Verständnis der darin handelnden politischen Gruppierungen und der zwischen ihnen auftretenden Konflikte für das Verständnis des Dramas entscheidend sind. Der eigentliche Handlungsrahmen des Dramas umfasst allerdings nur eine kurze Zeitspanne vom 24. März bis zum 5. April 1794, mithin einen Höhepunkt der so genannten Schreckensherrschaft (Terreur), in welche die Revolution gemündet war. (aus wikipedia.de)
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Seitenzahl: 105
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Dantons Tod
Georg Büchner
Inhalt:
Georg Büchner – Biografie und Bibliografie
Dantons Tod
Personen:
Erster Akt
Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene
Sechste Szene
Zweiter Akt
Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene
Sechste Szene
Siebente Szene
Dritter Akt
Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene
Sechste Szene
Siebente Szene
Achte Szene
Neunte Szene
Zehnte Szene
Vierter Akt
Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene
Sechste Szene
Siebente Szene
Achte Szene
Neunte Szene
Dantons Tod, Georg Büchner
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849605506
www.jazzybee-verlag.de
Talentvoller Dichter, geb. 17. Okt. 1813 in Goddelau unweit Darmstadt, gest. 19. Febr. 1837 in Zürich, besuchte das Gymnasium zu Darmstadt und studierte in Straßburg Naturwissenschaften, namentlich Zoologie und vergleichende Anatomie, seit 1833 in Gießen auch Medizin. Bei den politischen Umtrieben und Geheimbünden jener Jahre beteiligt und als Verfasser einer Flugschrift, betitelt: »Der hessische Landbote« (Neudruck von E. David, Münch. 1896), mit dem der französischen Revolution von 1789 entlehnten Motto: »Friede den Hütten, Krieg den Palästen«, verdächtig, wusste er sich der Untersuchung 1835 durch die Flucht zu entziehen und widmete sich darauf in Straßburg dem Studium der neuern Philosophie, besonders der des Descartes und Spinoza. Im Oktober 1836 begab er sich nach Zürich, wo er sich als Privatdozent an der Universität habilitierte, bald aber von einem Nervenfieber dahingerafft wurde. Noch in Darmstadt hatte er sein dramatisches Gedicht »Dantons Tod« in wenigen Wochen vollendet. Es erschien, von K. Gutzkow warm empfohlen, zu Frankfurt a. M. 1835 und bildet einen Torso voller Phantasie, charakteristischer Kraft und gewaltiger historischer Wahrheit, um der letzteren willen auch voll Zynismen und Greuelszenen. In Straßburg übersetzte er Vietor Hugos Dramen: »Lucrèce Borgia« und »Marie Tudor«. Als Manuskript hinterließ er ein Lustspiel: »Leonce und Lena«, voll Geist, Witz und kecker Laune; ferner eine »Geschichte der philosophischen Systeme von Cartesius bis Spinoza« und eine »Geschichte der ältern griechischen Philosophie«. Eine kritische Gesamtausgabe von Büchners »Werken nebst dem handschriftlichen Nachlass« wurde von K. E. Franzos (Frankf. a. M. 1879) veranstaltet.
Deputierte des Nationalkonvents: Georg Danton Legendre Camille Desmoulins Hérault-Séchelles Lacroix Philippeau Fabre d'Eglantine Mercier Thomas Payne
Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses: Robespierre St. Just Barère Collot d'Herbois Billaud-Varennes
Chaumette, Prokurator des Gemeinderats
Dillon, ein General
Fouquier-Tinville, öffentlicher Ankläger
Amar und Vouland, Mitglieder des Sicherheitsausschusses
Herman und Dumas, Präsidenten des Revolutionstribunales
Paris, ein Freund Dantons
Simon , Souffleur
Weib Simons
Laflotte
Julie, Dantons Gattin
Lucile , Gattin des Camille Desmoulins
Rosalie, Adelaide und Marion, Grisetten
Damen am Spieltisch, Herren und Damen sowie junger Herr und Eugenie auf einer Promenade, Bürger, Bürgersoldaten, Lyoner und andere Deputierte, Jakobiner, Präsidenten des Jakobinerklubs und des Nationalkonvents, Schließer, Henker und Fuhrleute, Männer und Weiber aus dem Volk, Grisetten, Bänkelsänger, Bettler usw.
Hérault-Séchelles, einige Damen am Spieltisch. Danton, Julie etwas weiter weg, Danton auf einem Schemel zu den Füßen von Julie.
Danton.Sieh die hübsche Dame, wie artig sie die Karten dreht! Ja wahrhaftig, sie versteht's; man sagt, sie halte ihrem Manne immer das coeur und anderen Leuten das carreau hin. – Ihr könntet einen noch in die Lüge verliebt machen.
Julie.Glaubst du an mich?
Danton.Was weiß ich! Wir wissen wenig voneinander. Wir sind Dickhäuter, wir strecken die Hände nacheinander aus, aber es ist vergebliche Mühe, wir reiben nur das grobe Leder aneinander ab – wir sind sehr einsam.
Julie.Du kennst mich, Danton.
Danton.Ja, was man so kennen heißt. Du hast dunkle Augen und lockiges Haar und einen feinen Teint und sagst immer zu mir: lieber Georg! Aber (er deutet ihr auf Stirn und Augen) da, da, was liegt hinter dem? Geh, wir haben grobe Sinne. Einander kennen? Wir müßten uns die Schädeldecken aufbrechen und die Gedanken einander aus den Hirnfasern zerren. –
Eine Dame(zu Hérault). Was haben Sie nur mit Ihren Fingern vor?
Hérault.Nichts!
Dame.Schlagen Sie den Daumen nicht so ein, es ist nicht zum Ansehn!
Hérault.Sehn Sie nur, das Ding hat eine ganz eigne Physiognomie. –
Danton.Nein, Julie, ich liebe dich wie das Grab.
Julie(sich abwendend). Oh!
Danton.Nein, höre! Die Leute sagen, im Grab sei Ruhe, und Grab und Ruhe seien eins. Wenn das ist, lieg ich in deinem Schoß schon unter der Erde. Du süßes Grab, deine Lippen sind Totenglocken, deine Stimme ist mein Grabgeläute, deine Brust mein Grabhügel und dein Herz mein Sarg. –
Dame.Verloren!
Hérault.Das war ein verliebtes Abenteuer, es kostet Geld wie alle andern.
Dame.Dann haben Sie Ihre Liebeserklärungen, wie ein Taubstummer, mit den Fingern gemacht.
Hérault.Ei, warum nicht? Man will sogar behaupten, gerade die würden am leichtesten verstanden. – Ich zettelte eine Liebschaft mit einer Kartenkönigin an; meine Finger waren in Spinnen verwandelte Prinzen, Sie, Madame, waren die Fee; aber es ging schlecht, die Dame lag immer in den Wochen, jeden Augenblick bekam sie einen Buben. Ich würde meine Tochter dergleichen nicht spielen lassen, die Herren und Damen fallen so unanständig übereinander und die Buben kommen gleich hintennach.
(Camille Desmoulins und Philippeau treten ein.)
Hérault.Philippeau, welch trübe Augen! Hast du dir ein Loch in die rote Mütze gerissen? Hat der heilige Jakob ein böses Gesicht gemacht? Hat es während des Guillotinierens geregnet? Oder hast du einen schlechten Platz bekommen und nichts sehen können?
Camille.Du parodierst den Sokrates. Weißt du auch, was der Göttliche den Alcibiades fragte, als er ihn eines Tages finster und niedergeschlagen fand: »Hast du deinen Schild auf dem Schlachtfeld verloren? Bist du im Wettlauf oder im Schwertkampf besiegt worden? Hat ein andrer besser gesungen oder besser die Zither geschlagen?« Welche klassischen Republikaner! Nimm einmal unsere Guillotinenromantik dagegen!
Philippeau.Heute sind wieder zwanzig Opfer gefallen. Wir waren im Irrtum, man hat die Hebertisten nur aufs Schafott geschickt, weil sie nicht systematisch genug verfuhren, vielleicht auch, weil die Dezemvirn sich verloren glaubten, wenn es nur eine Woche Männer gegeben hätte, die man mehr fürchtete als sie.
Hérault.Sie möchten uns zu Antediluvianern machen. St. Just säh' es nicht ungern, wenn wir wieder auf allen vieren kröchen, damit uns der Advokat von Arras nach der Mechanik des Genfer Uhrmachers Fallhütchen, Schulbänke und einen Herrgott erfände.
Philippeau.Sie würden sich nicht scheuen, zu dem Behuf an Marats Rechnung noch einige Nullen zu hängen. Wie lange sollen wir noch schmutzig und blutig sein wie neugeborne Kinder, Särge zur Wiege haben und mit Köpfen spielen? Wir müssen vorwärts: der Gnadenausschuß muß durchgesetzt, die ausgestoßnen Deputierten müssen wieder aufgenommen werden!
Hérault.Die Revolution ist in das Stadium der Reorganisation gelangt. – Die Revolution muß aufhören, und die Republik muß anfangen. – In unsern Staatsgrundsätzen muß das Recht an die Stelle der Pflicht, das Wohlbefinden an die der Tugend und die Notwehr an die der Strafe treten. Jeder muß sich geltend machen und seine Natur durchsetzen können. Er mag nun vernünftig oder unvernünftig, gebildet oder ungebildet, gut oder böse sein, das geht den Staat nichts an. Wir alle sind Narren, es hat keiner das Recht, einem andern seine eigentümliche Narrheit aufzudrängen. – Jeder muß in seiner Art genießen können, jedoch so, daß keiner auf Unkosten eines andern genießen oder ihn in seinem eigentümlichen Genuß stören darf.
Camille.Die Staatsform muß ein durchsichtiges Gewand sein, das sich dicht an den Leib des Volkes schmiegt. Jedes Schwellen der Adern, jedes Spannen der Muskeln, jedes Zucken der Sehnen muß sich darin abdrücken. Die Gestalt mag nun schön oder häßlich sein, sie hat einmal das Recht, zu sein, wie sie ist; wir sind nicht berechtigt, ihr ein Röcklein nach Belieben zuzuschneiden. – Wir werden den Leuten, welche über die nackten Schultern der allerliebsten Sünderin Frankreich den Nonnenschleier werfen wollen, auf die Finger schlagen. – Wir wollen nackte Götter, Bacchantinnen, olympische Spiele, und von melodischen Lippen: ach, die gliederlösende, böse Liebe! – Wir wollen den Römern nicht verwehren, sich in die Ecke zu setzen und Rüben zu kochen, aber sie sollen uns keine Gladiatorspiele mehr geben wollen. – Der göttliche Epikur und die Venus mit dem schönen Hintern müssen statt der Heiligen Marat und Chalier die Türsteher der Republik werden. – Danton, du wirst den Angriff im Konvent machen!
Danton.Ich werde, du wirst, er wird. Wenn wir bis dahin noch leben! sagen die alten Weiber. Nach einer Stunde werden sechzig Minuten verflossen sein. Nicht wahr, mein Junge?
Camille.Was soll das hier? Das versteht sich von selbst.
Danton.Oh, es versteht sich alles von selbst. Wer soll denn all die schönen Dinge ins Werk setzen?
Philippeau.Wir und die ehrlichen Leute.
Danton.Das »und« dazwischen ist ein langes Wort, es hält uns ein wenig weit auseinander; die Strecke ist lang, die Ehrlichkeit verliert den Atem, eh' wir zusammenkommen. Und wenn auch! – den ehrlichen Leuten kann man Geld leihen, man kann bei ihnen Gevatter stehn und seine Töchter an sie verheiraten, aber das ist alles!
Camille.Wenn du das weißt, warum hast du den Kampf begonnen?
Danton.Die Leute waren mir zuwider. Ich konnte dergleichen gespreizte Katonen nie ansehn, ohne ihnen einen Tritt zu geben. Mein Naturell ist einmal so. (Er erhebt sich.)
Julie.Du gehst?
Danton(zu Julie). Ich muß fort, sie reiben mich mit ihrer Politik noch auf. – (Im Hinausgehn:) Zwischen Tür und Angel will ich euch prophezeien: die Statue der Freiheit ist noch nicht gegossen, der Ofen glüht, wir alle können uns noch die Finger dabei verbrennen. (Ab.)
Camille.Laßt ihn! Glaubt ihr, er könne die Finger davon lassen, wenn es zum Handeln kömmt?
Hérault.Ja, aber bloß zum Zeitvertreib, wie man Schach spielt.
Eine Gasse
Simon. Sein Weib.
Simon(schlägt das Weib). Du Kuppelpelz, du runzlige Sublimatpille, du wurmstichiger Sündenapfel!
Weib.He, Hülfe! Hülfe!
(Es kommen Leute gelaufen.)
Leute.Reißt sie auseinander, reißt sie auseinander!
Simon.Nein, laßt mich, Römer! Zerschellen will ich dies Geripp! Du Vestalin!
Weib.Ich eine Vestalin? Das will ich sehen, ich.
Simon. So reiß ich von den Schultern dein Gewand. Nackt in die Sonne schleudr' ich dann dein Aas.
Du Hurenbett, in jeder Runzel deines Leibes nistet Unzucht. (Sie werden getrennt.)
Erster Bürger.Was gibt's?
Simon.Wo ist die Jungfrau? Sprich! Nein, so kann ich nicht sagen. Das Mädchen! Nein, auch das nicht. Die Frau, das Weib! Auch das, auch das nicht! Nur noch ein Name; oh, der erstickt mich! Ich habe keinen Atem dafür.
Zweiter Bürger.Das ist gut, sonst würde der Name nach Schnaps riechen.
Simon.Alter Virginius, verhülle dein kahl Haupt – der Rabe Schande sitzt darauf und hackt nach deinen Augen. Gebt mir ein Messer, Römer! (Er sinkt um.)
Weib.Ach, er ist sonst ein braver Mann, er kann nur nicht viel vertragen; der Schnaps stellt ihm gleich ein Bein.
Zweiter Bürger.Dann geht er mit dreien.
Weib.Nein, er fällt.
Zweiter Bürger.Richtig, erst geht er mit dreien, und dann fällt er auf das dritte, bis das dritte selbst wieder fällt.
Simon.Du bist die Vampirzunge, die mein wärmstes Herzblut trinkt.
Weib.Laßt ihn nur, das ist so die Zeit, worin er immer gerührt wird; es wird sich schon geben.
Erster Bürger.Was gibt's denn?
Weib.Seht ihr: ich saß da so auf dem Stein in der Sonne und wärmte mich, seht ihr – denn wir haben kein Holz, seht ihr –
Zweiter Bürger.So nimm deines Mannes Nase.
Weib.Und meine Tochter war da hinuntergegangen um die Ecke – sie ist ein braves Mädchen und ernährt ihre Eltern.
Simon.Ha, sie bekennt!
Weib.Du Judas! hättest du nur ein Paar Hosen hinauf zuziehen, wenn die jungen Herren die Hosen nicht bei ihr hinunterließen? Du Branntweinfaß, willst du verdursten, wenn das Brünnlein zu laufen aufhört, he? – Wir arbeiten mit allen Gliedern, warum denn nicht auch damit; ihre Mutter hat damit geschafft, wie sie zur Welt kam, und es hat ihr weh getan; kann sie für ihre Mutter nicht auch damit schaffen, he? und tut's ihr auch weh dabei, he? Du Dummkopf!
Simon.