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»Ich werde dich töten«, schnarrte die Stimme aus Tom Randoms kleiner Werkstatt. Der Fernsehtechniker spürte, wie sich vor Entsetzen seine Nackenhärchen aufrichteten. Völlig entgeistert ließ er das Whiskeyglas sinken. Am ganzen Körper zitternd, stand Tom auf, durchquerte den kleinen Wohnraum und öffnete die Tür zur Werkstatt. Im gleichen Moment begann die alte Standuhr zu schlagen.
Mitternacht...
Random tastete nach dem Lichtschalter neben der Tür und betätigte ihn. Sein Blick fiel auf den altersschwachen Fernsehapparat auf dem Tisch. Am Nachmittag hatte er ihn vergeblich zu reparieren versucht. Umso kälter kribbelte es in seinem Rücken, als der Bildschirm hell wurde... Plötzlich hörte Random wieder die unheimliche, kaum menschlich klingende Stimme. Zweifellos kam sie aus dem Lautsprecher des defekten Gerätes.
»Willst du nicht wissen, wie ich aussehe? Schau mich an!«
Tom Random tat, wie ihm geheißen. Er konnte gar nicht anders. Plötzlich sah er, wie sich auf der Mattscheibe Konturen bildeten, wie sie schärfer wurden und schließlich ein Gesicht ergaben...
Das Alptraum-Panoptikum von Diethard van Heese enthält drei Horror-Romane des Kult-Autors, die ursprünglich jeweils als Heftroman erschienen sind: Der Untote vom Kliff (Silber Grusel-Krimi Band 382/1982 – veröffentlicht unter dem Pseudonym John Spider), Meteorit des Grauens (Vampir-Horror-Roman Band 372/1980) und Gefangen am See des Grauens (Vampir-Horror-Roman Band 397/1980).
Der Apex-Verlag veröffentlicht diese Klassiker des deutschen Pulp-Horrors als durchgesehene Neuausgabe in einem Band in seiner Reihe APEX HORROR.
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DIETHARD VAN HEESE
Das Alptraum-Panoptikum
Roman
Apex Horror, Band 41
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
DAS ALPTRAUM-PANOPTIKUM
1. METEORIT DES GRAUENS
2. DER UNTOTE VOM KLIFF
3. GEFANGEN AM SEE DES GRAUENS
»Ich werde dich töten«, schnarrte die Stimme aus Tom Randoms kleiner Werkstatt. Der Fernsehtechniker spürte, wie sich vor Entsetzen seine Nackenhärchen aufrichteten. Völlig entgeistert ließ er das Whiskeyglas sinken. Am ganzen Körper zitternd, stand Tom auf, durchquerte den kleinen Wohnraum und öffnete die Tür zur Werkstatt. Im gleichen Moment begann die alte Standuhr zu schlagen.
Mitternacht...
Random tastete nach dem Lichtschalter neben der Tür und betätigte ihn. Sein Blick fiel auf den altersschwachen Fernsehapparat auf dem Tisch. Am Nachmittag hatte er ihn vergeblich zu reparieren versucht. Umso kälter kribbelte es in seinem Rücken, als der Bildschirm hell wurde... Plötzlich hörte Random wieder die unheimliche, kaum menschlich klingende Stimme. Zweifellos kam sie aus dem Lautsprecher des defekten Gerätes.
»Willst du nicht wissen, wie ich aussehe? Schau mich an!«
Tom Random tat, wie ihm geheißen. Er konnte gar nicht anders. Plötzlich sah er, wie sich auf der Mattscheibe Konturen bildeten, wie sie schärfer wurden und schließlich ein Gesicht ergaben...
Das Alptraum-Panoptikum von Diethard van Heese enthält drei Horror-Romane des Kult-Autors, die ursprünglich jeweils als Heftroman erschienen sind: Der Untote vom Kliff (Silber Grusel-Krimi Band 382/1982 – veröffentlicht unter dem Pseudonym John Spider), Meteorit des Grauens (Vampir-Horror-Roman Band 372/1980) und Gefangen am See des Grauens (Vampir-Horror-Roman Band 397/1980).
Der Apex-Verlag veröffentlicht diese Klassiker des deutschen Pulp-Horrors als durchgesehene Neuausgabe in einem Band in seiner Reihe APEX HORROR.
1.
Etwa ein halbes Jahr vor Beginn der ganzen grässlichen Angelegenheit, die es hier zu schildern gilt, gab es zwei eigentlich doch recht unbedeutende Unglücksfälle, die zwar in keinen Zusammenhang zueinanderstanden, aber am Ende dieser Geschichte zwei Männer zu Freunden gemacht haben würde. Beginnen wir mit der Schilderung dieser beiden Unfälle.
Es war der 17. April, ein Tag, der die Leute, soweit sie zwischen dem fünfundvierzigsten und dem sechzigsten Breitengrad beheimatet waren, zu Ausrufen wie verdammtes Aprilwetter! oder Scheißklima! hinreißen ließ. Das Wetter mit den nassen Überraschungen war weltweit. Es hagelte, regnete, schneite und nieselte zugleich, sowohl in den Vereinigten Staaten und Kanada wie auch in Europa. Sogar Italien meldete an diesem Tag Schneematsch in Milano.
Es war kurz vor siebzehn Uhr, als Professor Kurt Hoffmann, ein Namensvetter des bekannten Filmregisseurs, zum wohl zwanzigsten Mal aus dem Fenster seines Labors sah.
»Ekelhaft!«, murmelte er und schauderte zusammen. »Können wir anfangen?«
Sein Assistent, Doktor Heinz Lehmann, wie der Professor Kämpfer gegen den Krebs im Münchener Institut für angewandte Radiotherapie, zog die Rollladen herab und schaltete die Neonbeleuchtung ein.
In der Mitte des weiß getünchten Raumes stand ein summendes, blinkendes und knisterndes Maschinenungetüm. Professor Hoffmann, der eine Schwäche für zumeist blödsinnige Wortneubildungen besaß, hatte die tonnenschwere Apparatur erst vorgestern getauft. Antikrebsmonster nannte man nun die Weiterentwicklung der schon vor Jahren konstruierten Kobaltkanone, der verteufelt kostspieligen Apparatur, die sich nur wenige größere Kliniken leisten konnten.
Vor etwa einem Jahr hatte Professor Hoffmann zunächst seine Deltaschraube entwickelt, ein Gerät, das wie die Kobaltkanone mittels einer erst vor kurzem entdeckten Strahlung dem Krebs, den Sarkomen und Karzinomen also, zu Leibe rückte.
Leider jedoch nur in traurigen Grenzen. Der Wissenschaftler war dann von der Überlegung ausgegangen, dass sich die Wirkungen zweier Mittel potenzieren ließen, wenn man sie zu einem Mittel vereinigte. Das Problem hatte also darin gelegen, dass man es schaffen musste, die beiden verschiedenartigen Strahlungen störungsfrei zu überlagern.
Dieses Problem hatte Professor Hoffmann mit Hilfe seines Assistenten Doktor Lehmann gelöst. Das Ergebnis war das Antikrebsmonster, die Apparatur, die der Professor fast schon mit einem noch idiotischeren Namen ausgezeichnet hätte.
Heute war es nun soweit, dass man den ersten praktischen Versuch starten wollte.
»Tragen Sie bitte die genaue Uhrzeit ein, Herr Doktor Lehmann«, sagte der zweiundfünfzig jährige Wissenschaftler mit dem schwarzgrau melierten Haar und den buschigen Bräuen über den in tiefen Höhlen liegenden braunen Augen. »Es ist jetzt genau siebzehn Uhr und zwölf Minuten.«
Der Blick des Professors huschte über die verschiedenen Kontrollanzeigen. An dem Instrument, das die Stromspannung anzeigte, blieb sein Blick haften.
»Die Spannung ist zu hoch«, stellte er mit ruhiger Stimme fest. »Gehen Sie bitte um dreihundert Ampere zurück, sonst fliegt uns das Ding noch um die Ohren. Gut, jetzt kann’s hinhauen. Achtung – ich schalte das Gerät jetzt ein!«
Ein Geräusch erklang, als hätte jemand wütend eine Metalltür hinter sich zugeworfen. Ein rotes Augenpaar begann unruhig zu zucken.
»Was macht unser kleiner Krebspatient?«, fragte Doktor Lehmann. »Es wird wohl am besten sein, wenn wir dem Kaninchen noch eine Beruhigungsspritze verpassen.«
»Nicht möglich«, entgegnete der Professor. »Dazu müssten wir die Apparatur noch einmal abschalten. Oder wollen Sie es riskieren, mit Ihrem Arm in den Strahlungsbereich einzudringen?«
»Unser kleiner Krebspatient wird schon nicht vor Angst sterben«, meinte Doktor Lehmann. »Kann ich jetzt mit der Spannung höher gehen?«
»Tun Sie es, Herr Kollege!«, entgegnete Professor Hoffmann. »Aber bitte langsam. Langsam bis zweitausend gehen.«
»Gut. Ich gebe die Werte durch. Los geht’s! Dreizehnhundert. Vierzehnhundert. Fünfzehnhundert jetzt!«
»Nicht ganz so schnell«, murrte der Professor. »Langsamer, schön langsam, damit uns nicht alles um die Ohren fliegt. Weiter, ganz langsam weiter...«
»Sechzehnhundert. Siebzehnhundert. Siebzehnhundertfünfzig.«
»Zurück!«, brüllte der Professor in diesem Augenblick. »Spannung voll zurück! Um Himmels willen, das Kaninchen! Ausschalten! Aus! Mein Gott – oh, mein Gott!«
»Spannung null!«, zitterte die Stimme Doktor Lehmanns. »Was, zum Teufel...«
»Sehen Sie es sich selber an!«, stöhnte der Graumelierte. »Sehen Sie sich die Bescherung an!«
»Das Kaninchen!«, entfuhr es Doktor Lehmann. »Es ist tot. Und... Oh Gott... es ist geschrumpft, ekelhaft. Um etwa die Hälfte zusammengeschrumpft, als hätte man Luft aus einem Gummitier gelassen.«
»Richtig«, stöhnte Professor Hoffmann. »Dieses verfluchte Antikrebsmonster hat nicht nur die krebsigen Geschwülste schrumpfen lassen, sondern auch die gesunden Zellstrukturen.«
»Betriebsunfall«, murmelte Doktor Lehmann lakonisch.
2.
Fast zur gleichen Zeit ereignete sich einige tausend Kilometer von München entfernt ein zweites Unglück. Eines, das nicht so relativ glimpflich verlief.
Ken Stavanger, der achtunddreißigjährige Biologielehrer aus Duluth im Staate Minnesota, befand sich mit seinem Buick Baujahr 1972 auf dem Heimweg. Es war zehn Uhr morgens. Es schneite, und Ken fluchte, weil der Schnee liegenblieb. Er wollte zu Hause bei seiner hübschen blondhaarigen Frau Susan das zweite Frühstück einnehmen, bevor er sich um etwa zehn Uhr fünfundvierzig wieder auf den Rückweg zur Schule machen wollte, um dort zwei weitere Stunden zu geben.
Ken kam auf der rechten Spur der City-Highway nicht schnell genug vorwärts und wechselte kurzentschlossen auf die linke Spur. Das war sein Fehler.
Der Buick geriet auf der glatten Fahrbahn ins Schleudern, prallte gegen einen von hinten kommenden Thunderbird, schlug mit dem Heck gegen die linke Leitplanke und überschlug sich.
»Teufel noch mal!«, wimmerte Ken und spürte, wie etwas Scharfes in sein rechtes Bein, dicht über dem Knie, drang. Dann registrierte er noch den dumpfen Schlag gegen die Stirn.
»Den hat’s ganz schön erwischt«, hörte Ken durch den Nebel, der sein Bewusstsein umwaberte, eine Stimme. »Ich glaube, dem kann nicht mehr geholfen werden. Cop, können Sie mal nach dem Ausweis des Mannes sehen?«
»Wird gemacht«, hörte Ken nun eine andere Stimme. »Notieren Sie mal bitte: Name: Ken Stavanger. Geboren...«
»Der lebt ja noch!«, wunderte sich in diesem Augenblick die erste Stimme. »Sehen Sie doch, Cop – er bewegt sich. Großer Gott, wie ist es nur möglich, dass sich ein derartig zugerichteter Körper überhaupt noch bewegen kann? He, Doc, kommen Sie mal hierher! Der Mann hier lebt noch!«
Mit Grauen nahm Ken wahr, dass er tatsächlich nur noch ein zerfetztes Bündel war. Er brachte es fertig, die Augen zu öffnen, sah in verschwommen wirkende Gesichter. Er versuchte, seine Arme zu bewegen. Da merkte er, dass sich nur noch der rechte Arm bewegen ließ. Er versuchte, die Beine zu bewegen. Beim linken klappte es. Das rechte... Er konnte es noch nicht einmal mehr fühlen. Dann ließen ihn die höllischen Schmerzen und die schreckliche Erkenntnis, dass er, falls er mit dem Leben davonkommen sollte, in Zukunft als Krüppel durch die Welt humpeln würde, in eine fast wohltuende Ohnmacht sinken.
3.
Ken Stavanger konnte am 23. August aus dem Hospital entlassen werden. Das Schicksal hatte ihm zwar das rechte Bein und den linken Arm genommen, aber nichts von seinem Lebensmut. Er verbat sich sämtliche Hilfestellungen, ließ sich für annähernd fünfzehntausend Dollar eine äußerst raffinierte Armprothese anfertigen, legte sich hingegen ein Holzbein für nur hundertfünfzig Dollar zu und begann wie ein Baby das Laufen zu lernen. Aber nicht nur das. Innerhalb weniger Wochen entwickelte er mit Hilfe seiner elektromagnetisch gesteuerten Armprothese eine derartige Fingerfertigkeit und Geschicklichkeit, dass er es schließlich mit jedem gesunden Natur-Arm hätte aufnehmen können.
Vom 24. Oktober an gab er wieder Unterricht an seiner alten Schule, liebte weiterhin seine hübsche junge Frau, spielte wieder mit seinem Kollegen Walter Stubbin die wöchentliche Schachpartie und bastelte in emsiger Kleinarbeit das Empire State Building aus Streichhölzern.
Am 28. Oktober geschah etwas, das ein kleiner Fingerzeig auf seine Zukunft hätte bedeuten können.
Es war kurz vor einundzwanzig Uhr. Das Wohnzimmerfenster stand offen, draußen war es stockfinster. Kein Wunder, denn der Mond war gerade erst wieder am Zunehmen, und das Häuschen der Stavangers lag am Stadtrand inmitten eines kleinen Wäldchens, sodass die Lichter der Stadt sie nicht erreichen konnten.
»Ken – schnell!«, rief plötzlich Susan und deutete in die Nacht hinaus. »Ein Meteorit!«
»Wünsch dir was!«, sagte Ken.
Susans Wunsch sollte tatsächlich etwa drei Wochen später in Erfüllung gehen. Seltsamerweise würde dabei ein Meteorit eine große Rolle spielen.
4.
Zieht man von Ken Stavangers Heimatstadt Duluth eine gerade Linie nach Monot, einer mittelgroßen Stadt im Norden von Dakota, so liegt exakt auf dem Mittelpunkt dieser Linie ein winziger Ort namens Nordville. So unbedeutend ist dieser Ort, dass man ihn nur auf Generalstabskarten entdecken würde.
Nordville hat dreihundertacht Einwohner, die sich auf knapp siebzig Häuser und Höfe verteilen. Die nächstgrößere Stadt ist Fargo, etwa hundert Kilometer südlich von Nordville gelegen. Die Straßenverbindungen nach draußen sind kläglich, die Straßen im Ort selbst noch kläglicher.
Die Umgebung von Nordville ist trocken, hügelig, fast vegetationslos. Nur im Südwesten gibt es ein etwa drei Quadratkilometer großes Gebiet, auf dem es einigermaßen üppig wuchert. Denn dort befindet sich die einzige Quelle des Distriktes – eine Quelle, die je nach Jahreszeit zwischen hundertzwanzig und achthundert Liter Wasser pro Minute ausspuckt. Im Oktober und November hat die Quelle ihren größten Wasserausstoß, sodass es nicht selten vorkommt, dass sich erst im Herbst die eine oder andere Pflanze aus dem Boden heraustraut. Aus diesem Grund nennen die Leute aus Nordville dieses Gebiet Autumn Flower Place, kurz auch Autplace.
Am 29. Oktober stand ein einzelner Wagen an der schmalen Straße, die durch den Autplace führt. Im Wagen, einem uralten Chevy, saßen der zweiundzwanzig jährige Clark Denver und seine Freundin Rita Lintby, beide in Nordville geboren und aufgewachsen. Die Dämmerung war fortgeschritten, vom klaren Himmel leuchtete die schmale Mondsichel.
»Du«, hauchte Clarks Mund an Ritas Ohr, »du, ich habe eine irre Lust, heute mit dir...«
»Bitte, nicht heute«, flüsterte er ebenso leise zurück. »Reicht es dir denn nicht, wenn wir uns küssen? Muss es denn immer gleich mehr sein?«
»Wofür sind wir denn dann überhaupt in diese Einöde gefahren?«, nörgelte Clark Denver und streichelte voller Sinneslust über die schlanken Schenkel seiner Angebeteten. »Ich dachte, du würdest gern...«
»Jetzt hör aber endlich mal auf, du Nervensäge!«, unterbrach Rita ihn. »Schau dir mal lieber die Sternschnuppe an!«
»Kein Ablenkungsmanöver!«, lachte Clark und versuchte, Rita erneut zu küssen.
»Lass doch!«, wehrte sich das Mädchen. »Sieh doch – die Sternschnuppe! Sie kommt direkt auf uns zu, wird immer größer. Nun sieh doch endlich hin!«
»Bei mir wird auch...«, begann Clark. Da hörte er das Pfeifen. Höher und höher wurde es, lauter und lauter, schwoll schließlich zu einem orkanartigen Wimmern und Tosen an, wurde von kleinen Detonationen begleitet.
»Clark!«, schrie Rita. »Clark, was ist das?«
»Ein Meteorit!«, brüllte der junge Mann und hielt sich die Ohren zu. Dann erschütterte eine mächtige Explosion den Autplace. Ein fünfzig oder sechzig Yard breiter Feuerstreifen pflügte über die Straße und verschwand hinter einer Anhöhe. Eine zweite explosionsartige Detonation ließ den Beton unter ihnen erzittern. Dann war Stille.
»Mein Gott!«, japste Clark. »Das kann doch kein Meteorit gewesen sein. Eher würde ich sagen, ein Flugzeug oder eine ausgebrannte Raketenstufe ist dort hinten runtergekommen. Rita-Liebling, hast du dich sehr...« Er merkte erst jetzt, dass seine Freundin das Bewusstsein verloren hatte.
In der Luft lag der Geruch von verbranntem Gummi und Schwefelwasserstoff...
5.
Griffin Laroby befand sich auf dem Heimweg. Es war kurz vor achtzehn Uhr und bereits so dunkel, dass er die Scheinwerfer seines alten Austin längst eingeschaltet hatte.
Er überlegte gerade, ob er die Abkürzung durch den Autplace nehmen sollte, als er erschrocken zusammenfuhr. Ihm war, als hätte ihn ein heißer Hauch gestreift. Gleichzeitig spürte er, wie sich seine Nackenhärchen aufrichteten. Zwei oder drei Sekunden lang war es eigenartig hell um ihn herum. Dann schien es ihm, als ob sein Wagen von einer Riesenfaust gepackt worden wäre und durchgeschüttelt würde.
Er brachte den Austin zum Stehen. Der vierunddreißigjährige Malermeister riss die Wagentür auf. Er schnupperte. Es roch nach verbranntem Gummi und faulen Eiern.
»Jetzt fangen diese verdammten Idioten auch noch an, hier herumzuballern!«, brüllte er in die beginnende Nacht hinaus. Mit seinen verdammten Idioten hatte er die etwa zwanzig Meilen von Nordville entfernt liegende Militärbasis Upriser gemeint, wo vor gut einem Monat Flugabwehrraketenversuche begonnen hatten.
Kaum zwanzig Sekunden nach seinem spontanen Ausruf musste er seine Vermutung revidieren. Denn er sah, halbwegs gelähmt vor Entsetzen, wie sich die von dem mattblauen Himmel abhebende Silhouette niedrigstehenden Gehölzes langsam, aber sicher nach oben hob. Die Bäume und Büsche, vielleicht hundert Yard von der Straße entfernt, begannen zu wachsen. Sie wuchsen, wie Griffin schätzte, pro Sekunde etwa ein Yard in die Höhe. Noch eine ganze Weile stand er wie zur Salzsäule erstarrt da und glotzte wie ein Schaf, das den Wolf erblickt hat, auf das, was nicht sein konnte – nicht sein durfte. Dann sprang er in den Wagen zurück, machte einige wilde Rangierversuche und schaffte es schließlich, den Austin so zu parken, dass die Scheinwerfer genau auf den immer noch emporwachsenden Wald gerichtet waren.
»Verdammt!«, entfuhr es ihm. »Ich spinne. Ich brauche einen Arzt!«
Die Bäume, normalerweise etwa sechs bis acht Yard hoch, waren inzwischen zu Mammutbäumen geworden. Die zwischen den einzelnen Bäumen liegenden Büsche waren zu einem gigantisch anmutenden Geflecht, zu einem wahren Berg aus Holz und Blättern gewachsen, die Baumstämme umwickelnd, sich immer mehr aufblähend. Und dann hörte Griffin Laroby das Krachen und Zersplittern von Astwerk, das Kreischen sich biegender, fünf und mehr Yard dicker Baumstämme, deren obere Hälften er nicht mehr sehen konnte, weil das Wagendach ihm die Sicht versperrte. Und er hörte auch das Zischen und Knistern, das Rauschen und Splittern, mit denen sich die schnell wachsenden Zweige, Blätter und Wurzeln einen Weg bahnten.
Im Licht der Scheinwerfer sah er nur den unteren Teil der explosionsartig auseinanderstrebenden Baumvegetation. Und er erkannte auch, wie sich der Boden von einer bestimmten Entfernung an hob. Zu diesem Zeitpunkt konnte er noch nicht wissen, dass es nicht der Boden, sondern Gräser, Blumen und Moose waren, die bis zur zwanzigfachen Höhe emporwuchsen, zu einem potenzierten Volumen von achttausendfacher Masse anschwollen. Und er konnte nicht wissen, dass die Bäume, die vorher höchstens acht Yard hoch gewesen waren, nun annähernd einhundertsechzig Yard hoch waren. Dass ein Grashalm, der vorher zehn Inches hoch gewesen war, nun zweihundert Inches maß, also so groß war die der Stab eines Stabhochspringers.
Nach etwa zwei Minuten endete das gigantische, unheimliche Wachstum. Aber immer noch schaute Griffin wie paralysiert aus dem Wagenfenster. Er registrierte zwar das Unmögliche, konnte es jedoch nicht verarbeiten. Es war, als hätte er irgendeinen Science-Fiction-Film gesehen, und nun wartete er darauf, dass sich dieser Spuk ganz plötzlich wieder auflösen würde.
Doch nichts geschah mehr. Da war und blieb eine etwa hundertfünfzig Yard hohe Wand, die sich im Abendwind leicht bewegte. Und Clark hörte das unheimlich klingende Knarren und Stöhnen der mächtigen Stämme sowie das Splittern und Rauschen des imposanten Buschtohuwabohus. Endlich brachte es Griffin fertig, seine Benommenheit abzuschütteln; kopfschüttelnd wendete er seinen Wagen.
Fast hätte er beim Wenden eine kleine Mäuseherde überfahren, die schrill quiekend die schmale Straße überquerte. Sie war zweifellos aus dem Gebiet gekommen, dem Griffin nun möglichst schnell den Rücken zukehren wollte, und strebten wohl in weniger ungemütliche Gefilde. Die Mäuse, vielleicht zehn oder zwölf an der Zahl, besaßen ihre normale Größe.
Noch.
6.
Clark, der immer noch keine Ahnung hatte, was eigentlich geschehen war, versuchte mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, seine kleine Geliebte aus ihrer Ohnmacht zu erwecken.
Zunächst versuchte er es mit Küssen, die er wahllos auf ihrem blassen Gesicht verteilte. Dabei stöhnte sie einige Male leise auf, erwachte jedoch nicht. Dann versuchte er es mit einem mentholgetränkten Papiertüchlein, betupfte damit ihre Schläfen. Umsonst. Erst als er ihr einige Male nicht allzu sanft auf die Wangen schlug, seufzte Rita vernehmlich und kam zu sich.
»Grober Kerl, du!«, meinte sie, versetzte ihm einen Puff mit dem Ellbogen und kam in ihrem Sitz hoch. »Was stinkt hier so eigenartig nach verbranntem Gummi und Dung? Was...« Da fiel ihr wieder der Flammenschweif ein, der über ihnen hinweggetost war, und sie schmiegte sich, nachträglich noch einmal erschauernd, an Clarks Brustkorb.
»Was hältst du davon, wenn wir einmal nachsehen, was passiert ist?«, fragte Clark. »Vielleicht benötigt jemand unsere Hilfe. Wir können ja nicht ewig hier herumsitzen und Däumchen drehen.«
»Okay, schauen wir nach«, entgegnete Rita. »Meinst du, es könnte ein Flugzeug gewesen sein?«
»Eher ein Teil von irgendeinem Satelliten oder vielleicht gar eine ganze Raketenstufe«, mutmaßte Clark. »Oder es war doch nur ein Meteorit. Wir werden es hoffentlich bald festgestellt haben. Auf jeden Fall ist das Ding nicht weit von hier runtergekommen. Ich glaube, hinter der Anhöhe da hinten.« Damit öffnete er die Wagentür.
Sie wateten durch das niedrige, etwas feuchte Gras, erklommen die Anhöhe, die mit kümmerlichem Buschwerk bewachsen war, erreichten den höchsten Punkt des Hügels, blickten in die vermeintliche Tiefe – und erstarrten.
»Clark!«, wimmerte Rita. »Guter Himmel, was ist denn das?«
»Das... das gibt’s doch nicht!«, stammelte Clark. »Verdammt, spinnen wir denn?«,
Knapp vierzig Yard entfernt ragte eine dunkle, leicht hin und her schwankende Wand in den dunkelblauen Abendhimmel. Sie mussten die Hälse verrenken, um den oberen Rand dieser unheimlichen hölzernen Wand erkennen zu können. Aber nicht der Anblick des aus gigantischen Stämmen und Ästen bestehenden Irrsinns erschreckte die beiden jungen Leute am meisten, sondern das ächzende Dröhnen, das infernalische Rauschen und Tosen, das Knarren und Knirschen, das aus diesem Monsterwald drang.
»Ich weiß wirklich nicht, was hier geschehen ist«, sagte Clark. »Aber was es auch ist, wir machen am besten, dass wir schnell von hier fortkommen.«
Ihre Herzen hämmerten noch wie toll, als sie den Chevrolet erreicht hatten. Clark wollte gerade losfahren, um ganz Nordville hochzujagen, als er im Rückspiegel ein Scheinwerferpaar wahrnahm, das schnell näherkam. Der Wagen, ein Austin, hielt direkt neben dem Chevy. Clark erkannte Griff in Laroby, den Maler.
»Könnt ihr euch vorstellen, was passiert ist?«, fragte Griffin. »In meinem Leben habe ich so etwas...«
»Ein Meteor oder eine Raketenstufe ist abgestürzt«, entgegnete Rita mit ihrer hellen Kinderstimme, Griffin unterbrechend. »Und dort, wo sie abgestürzt sein muss, wächst auf mal ein Monsterwald oder so etwas.«
»Habe ich ebenfalls beobachtet«, sagte Griffin Laroby. »Zunächst habe ich ja angenommen, die Militärs würden wieder mal ihre albernen Versuche machen, aber... Wisst ihr, was ich glaube?«
»Du sagst es uns gleich«, entgegnete Clark, der Griffin nicht sehr mochte, weil er Rita schon einige Male schöne Augen gemacht hatte, obwohl er ihr Vater hätte sein können.
»Sicher sag ich’s«, erwiderte Griffin. »Ein UFO – ihr versteht?«
»Du meinst, hier ist eine Fliegende Untertasse abgestürzt?«, wunderte sich Rita. »Wo bleiben dann aber die kleinen grünen Monster?«
»Die werden den Absturz nicht überlebt haben, bestimmt nicht«, meinte der Maler. »Wahrscheinlich ist ihr Triebwerk explodiert, und die dadurch freigewordene, uns natürlich nicht bekannte Strahlung hat diesen wahnsinnigen Pflanzenwuchs bewirkt. Sogar die kleinen Pflanzen werden um das Zwanzigfache ihrer normalen Größe gewachsen sein, und das alles innerhalb von zwei oder drei Minuten.«
»Ich habe Angst«, sagte Rita. »Los, Clark, machen wir, dass wir hier wegkommen!«
Clark fuhr voraus, der klapprige Austin des Malers war kurz hinter ihnen.
Etwa zehn Minuten später erreichten sie Nordville. Sie hielten vor der kleinen Polizeistation, die von einer Menschentraube umlagert wurde. Als die aufgeregt palavernde Menge die beiden Fahrzeuge erblickte, teilte sie sich, um ihnen Platz zu machen. Einige Männer, zumeist jüngeren Alters, umlagerten kurz darauf die beiden Wagen.
»Es ist etwas Ungeheuerliches passiert«, rief ein junger Bursche in den Wagen Clarks hinein. »Ein Meteorit oder so etwas ist hier irgendwo in der Nähe abgestürzt. Billy ruft gerade den Stützpunkt an.«
Billy war der Sheriff. Er wusste zweifellos, was er tat. Clark verzog seinen Mund, als er daran dachte, was hier bald los sein würde.
»Dann habt ihr also auch schon von diesem seltsamen Wachstum gehört?«, fragte er. »Ich möchte nur wissen, warum Billy den Stützpunkt anruft. Das Ganze ist doch eher eine Sache für das biochemische Institut in Fargo.«
»Von was für einem Wachstum quatschst du denn?«, fragte Clarks Gesprächspartner. »Uns ist nur bekannt, dass vor etwa einer halben Stunde etwas über den Ort gerauscht und wahrscheinlich im Autplace niedergegangen ist. Billy hat schon ein paar Leute losgeschickt, um die Absturzstelle ausfindet zu machen.«
»Hätte er sich sparen können«, entgegnete Rita und zog einen Schmollmund. »Was glaubst du, woher wir kommen?«
»Sagt bloß vom Autplace?«
»Wir haben sogar die Absturzstelle gesehen«, erklärte Clark. »Und ich sage dir, Billys Leute werden sich ganz schön wundern.«
»Wundern – wieso?«, wollte der Mann wissen. Vor Neugierde wäre er fast durch das geöffnete Seitenfenster geklettert.
»Weil in einem Umkreis von etwa einer Viertelmeile alles ziemlich in die Höhe geschossen ist, wenn du begreifst, was ich meine«, entgegnete Clark. »Ins Kraut geschossen, als hätte jemand die ganze Gegend mit einer großen Gießkanne begossen.«
»Du spinnst, Mann!«, sagte der junge Mann und zwängte seinen Oberkörper aus dem Wageninneren zurück, wobei er sich drei oder vier Hemdenknöpfe abriss.
7.
Die Männer, die der Sheriff losgeschickt hatte, kamen eine Stunde später zurück. Auf dem Dach ihres alten VW-Busses wippte eine Stange von doppelter Mannslänge. Die Männer waren nassgeschwitzt, und man konnte ihnen ansehen, dass sie nicht von einer harmlosen Spazierfahrt zurückkamen.
»Es ist das Unheimlichste, das Unglaublichste, was ich in meinem Leben gesehen habe«, sagte einer der Männer zu Billy. »Wir haben tatsächlich Bruchstücke eines Meteoriten gefunden. Unglaublich heiß fühlten sie sich an. Sie liegen in kleinen Kratern, aber das Ungeheuerlichste ist die Tatsache, dass sich...« Hier versagte die Stimme des Mannes. Kopfschüttelnd und am ganzen Leib zitternd fiel er auf einen Stuhl.
»Billy, komm mit raus«, verlangte ein anderer Mann, dessen Nerven besser zu sein schienen. »Dann wirst du sehen, warum es manchen von uns die Sprache verschlagen hat.«
Zwei Männer hoben die immer noch leicht mit den beiden Enden auf- und abwippende Stange vom Wagendach und legte sie im Licht einiger Taschenlampen vorsichtig auf den Erdboden. Um den VW-Bus, den Sheriff und die beiden Männer bildete sich ein schweigender Menschenkreis.
»Weißt du, was das ist?«, fragte einer der Männer und zeigte auf die unterarmdicke Stange. An die Umstehenden gewandt, wiederholte er: »Wisst ihr, was das ist?«
»Nun sag’s schon, Henry«, forderte der Sheriff. »Mach’s nicht so spannend!«
»Das hier ist ein Grashalm«, entgegnete Henry.
»Und meine Oma kommt bald mit Zwillingen nieder«, meinte daraufhin jemand aus dem Menschenkreis.
»Rede keinen Unsinn!«, brüllte Henry in Richtung des Witzboldes. »Wenn du uns nicht glaubst, dann schau dich doch selbst mal im Autplace um. Ich verspreche dir, dass du dann vom Grauen gepackt werden wirst, mein Junge. Wir haben es genau ausgemessen: Alles in einem Umkreis von hundertsechzig Yard ist um das Zwanzigfache gewachsen. Bäume, Pilze, Moose, Farne, Gräser – einfach alles, was da so blüht und gedeiht.«
»Er hat recht«, pflichtete ihm der zweite Mann bei. »Was man sonst nur in irgendwelchen Gruselmagazinen oder Horrorfilmen gelesen beziehungsweise gesehen hat, ist im Autplace zur absurd anmutenden Realität geworden. Auf einer Fläche von etwa fünfundzwanzigtausend Square-Yard hat etwas stattgefunden, das eigentlich gar nicht möglich ist. Aber wir haben es mit unseren eigenen Augen gesehen.«
»Habt ihr auch Tiere gesehen?«, fragte der Mann, der soeben behauptet hatte, seine Oma sorge für Nachwuchs.
»Ein paar kleine Tiere wie Mäuse und Ratten haben wir auch gesehen«, gab der Gefragte schaudernd zurück. »Aber sie besaßen ihre ursprüngliche Größe.«
»Okay«, sagte der Sheriff. »Ich hoffe, dass sie bald einige Soldaten zum Autplace hergeschickt haben werden, um das fragliche Gebiet abzusperren.«
»Ich kann immer noch nicht verstehen, was die Militärs dort sollen«, wunderte sich einer der Männer. »Clark schlug eben vor, das biochemische Institut in Fargo zu benachrichtigen. Das Ganze sei ein Vorfall, um den sich Wissenschaftler...«
»Immer langsam«, unterbrach der Sheriff. »Ich habe mit Sean Douglas gesprochen, dem Chef vom Fort Upriser. Er will erst einmal zwanzig Mann zum Autplace rüberschicken, obwohl er meinen Ausführungen nicht ganz zu glauben schien. Wenn ich ihm jetzt allerdings noch berichte, dass alles im Umkreis des Meteoriteneinschlages mächtig ins Kraut geschossen ist, wird er mich für völlig übergeschnappt halten und statt seiner Männer einen Nervenarzt und zwei Pfleger losschicken. Im Übrigen habe ich tatsächlich auch in Fargo angerufen, allerdings nicht das Institut, sondern das FBI, ob ihr’s nun glaubt oder nicht. Das FBI will ebenfalls ein paar Leute herschicken. Ich bin also nicht untätig geblieben in der Zwischenzeit. Es passiert ja auch nicht jeden Tag, dass ein Stern vom Himmel fällt.«
»Weder das FBI noch die Soldaten werden etwas tun können«, meinte Griffin. »Bestenfalls werden sie nach irgendwelchen Spezialisten, Strahlenschutzleuten zum Beispiel, brüllen, falls sie nicht vorher angesichts unseres gigantischen Waldes einem Herzinfarkt erliegen.«
»Auf jeden Fall habe ich meine Pflicht getan und alle Stellen informiert, die man laut Vorschrift informieren sollte, wenn etwas Heißes vom Himmel fällt. Es hätte ja auch eine russische Weltraumstation oder ein marsianisches Raumschiff sein können.«
»Und was machen wir jetzt?«, fragte jemand.
»Wir hauen uns in die Falle und beruhigen unsere Frauen«, antwortete Billy. »In dieser Nacht können wir kaum noch etwas unternehmen. Warten wir erst einmal das Eintreffen der Soldaten und der Männer vom Federal ab. Gute Nacht, Leute!«
»Aber was geschieht, wenn jemand von uns auf eigene Faust loszieht und sich einen von den Meteoritenbrocken schnappt, um ihn sich in den Vorgarten zu legen?«, wollte noch jemand wissen.
»Dann bekommt er von mir eine Anzeige wegen Diebstahl und groben Unfug«, kam es spontan zurück. »Unternehmt bloß nichts auf eigene Faust. Alles, was vom Himmel fällt, geht automatisch in den Besitz desjenigen Staates über, auf dessen Territorium es fällt. Macht also keinen Unsinn und geht zu Bett, Männer!«
»Stellt euch vor, man würde so einen wachstumsfördernden Meteorbrocken in das Möhrenbeet seines Nachbarn werfen«, wagte noch jemand vorzuschlagen. »Oder – noch besser – man legt...«
»Schluss jetzt!«, wurde er vom Sheriff unterbrochen. »Du legst dich jetzt ins Bett, okay? Das ist alles, was hier noch gelegt wird.«
»Okay«, kam es kleinlaut zurück. Einige Männer lachten rau. Bald schon sollte ihnen das Lachen vergehen...
8.
»Ist jetzt alles klar?«, brüllte der sechsundvierzigjährige Oberst Sean Douglas eine halbe Stunde später. »Niemand weiß zwar, wonach wir eigentlich suchen sollen, aber ich denke, wir werden schon etwas finden, wenn der Sheriff in diesem kleinen Drecknest Nordville kein ausgesprochener Spinner ist. Immerhin haben auch noch andere Leute bei uns angerufen, die ebenfalls behaupten, sie hätten etwas vom Himmel fallen sehen. Noch irgendwelche Fragen?«
Ein Mann meldete sich, indem er die Hacken zusammenschlug und den Unterarm hob.
»Smithers?!«, brüllte der Oberst.
»Ich erlaube mir die Frage, ob zwanzig Mann ausreichen werden zur Objektsuche und zur Absperrung des Fundgebietes.«
»Lassen Sie das mal meine Sorge sein«, kam es zurück. »Ich kann ja schlecht die ganze Division losschicken, zumal das, was da vom Himmel gefallen sein soll, kaum größer als ein Medizinball sein kann. Ansonsten hätten wir es bei der kinetischen Energie, die ein in die Atmosphäre dringender Himmelskörper mitbringt, sogar noch hier im Stützpunkt ganz schön krachen gehört. Und was nicht größer ist als ein Medizinball, verdient es einfach nicht, dass man mehr als zwanzig Mann zur Objektsicherung losschickt – siehe Plan 14A der Sicherheitsbestimmungen. Noch irgendwelche weiteren Fragen?«
»Was geschieht, wenn sich unser Himmelsbaby als ganz normaler Meteorit entpuppt?«, wollte ein zweiter Mann wissen.
»Dann lasst ihr das Ding brav liegen, um es euch nicht mit den Wissenschaftlern zu verderben, stellt einige Markierungen und zwei Mann zur Wache auf und dampft wieder ab Richtung Stützpunkt. Oder noch besser – ihr wartet meine weiteren Befehle ab. Ich werde nämlich euren traurigen Haufen führen.«
Es wurden keine weiteren Fragen mehr gestellt. Einige Minuten später – es war genau zwanzig Uhr und drei Minuten – verließ eine sieben Jeep starke Wagenkolonne den Fuhrpark Richtung Osten.
9.
»Ich möchte eigentlich ganz gern eine Bestätigung der Nachricht bekommen, ehe ich nach Nordville aufbreche«, sagte Thomas Rochester, Chef der FBI-Dienststelle North Dakota in Fargo. »Noch viel lieber würde ich erst einmal den Morgen abwarten, bevor ich Richtung Norden fahre. Hundert Meilen Nachtfahrt, nur weil irgend so ein Hilfssheriff behauptet, etwas sei vom Himmel gefallen...«
»Wir könnten ja mal vorsichtig in Washington anfragen«, meinte sein Gesprächspartner, Sergeant-Detektiv Anton Cobatter.
»Damit man uns hinterher noch die Spesen streicht«, murrte Rochester. »Ich mache etwas Anderes. Ich rufe diesen obskuren Sheriff an und frage ihn mal, ob die Militärs schon die Absturzstelle erreicht haben. In diesem Fall hätte ich Rückendeckung, denn dort, wo sich Soldaten aufhalten, darf sich sicherlich auch das FBI tummeln.«
Cobatter, der wie sein Chef einen Vollbart trug und auch ansonsten wie jener nicht den FBI-Beamten verkörperte, wie man ihn sich normalerweise vorstellt, wählte die Nummer des Sheriffs von Nordville und reichte Rochester den Hörer.
Cobatter nahm die zweite Hörmuschel erst in dem Augenblick aus der Halterung, als das Gesicht seines Chefs rot anlief.
»...eigentlich nicht berichten«, vernahm der Sergeant-Detektiv. »Den Leuten vom Stützpunkt Upriser habe ich auf jeden Fall nichts von dem gigantischen Wuchs erzählt. Aber ich meine, das FBI ist etwas...«
»Spreche ich wirklich mit dem Sheriff Billy Puckman in Nordville?«, unterbrach Thomas Rochester seinen Gesprächspartner mit dröhnender Stimme.
»Selbstverständlich!«, kam es genauso laut zurück. »Halten Sie mich etwa für einen Psychopathen, der nichts anderes zu tun hat, als dem Federal Bureau Ammenmärchen zu erzählen?«
»Genau dafür halte ich Sie, wenn ich ehrlich sein soll«, entgegnete Rochester. »Oder aber Ihre Leute haben sich einen dummen Scherz mit Ihnen erlaubt. Wie kann man nur so dämlich sein anzunehmen, ein Meteorit würde mit Hilfe einer geheimnisvollen Strahlung alles munter in die Höhe sprießen lassen, Mann!«
»Lieber Mister Rochester«, betonte der Sheriff jedes einzelne seiner Worte, »ich persönlich habe einen Grashalm, den meine Leute vom Autplace mitbrachten, begutachten können. Es war ein Grashalm, daran besteht überhaupt kein Zweifel. Allein dieser Grashalm war etwa fünf Yard lang und armdick. Natürlich klingt das alles ungeheuerlich, das ist mir bewusst. Aus diesem Grund habe ich den Leuten von Upriser auch nichts von dem Wachstum erzählt. Aber Sie sollten doch so weltoffen sein, dass Sie nicht etwas von vornherein abtun, was nicht in den Schulbüchern beschrieben wird.«
»Also gut«, seufzte der Chef der Fargoer FBI-Dienststelle. »Wir kommen, aber erst morgen früh. Vielleicht werden wir bis dahin ja sogar eine Bestätigung vom Stützpunkt Upriser erhalten haben, falls man sich dort nicht zu einer totalen Nachrichtensperre entschließt, um alles in eigener Regie zu übernehmen. Bis morgen früh also, Sheriff!«
Kaum hatte Billy Puckman den Hörer auf die Gabel gelegt, als ihm der Gedanke kam, trotz Dunkelheit und seiner Müdigkeit selbst die Absturzstelle im Autplace aufzusuchen – ein Gedanke, der ihm eigentlich schon eher hätte kommen müssen.
Fünf Minuten später hatte er das Haus verlassen.
10.
Ungefähr dort, wo Clark seine Freundin Rita zu einem Schäferstündchen hatte überreden wollen, traf der Sheriff auf die Jeeps vom Fort, die aus der entgegengesetzten Richtung kamen. Es war zwanzig Uhr sechsunddreißig.
Oberst Sean Douglas hatte nichts dagegen, dass sich der Sheriff seinem Haufen anschloss. Nachdem die Soldaten die Jeeps verlassen hatten, übernahm er sofort die Führung. Billy Puckman blieb ihm dicht auf den Fersen.
Ein Dutzend starker Militär-Taschenlampen wies ihnen den Weg zu der Anhöhe und durch das spärlich wachsende Gras nach oben. Und dann hatten der Oberst und der Sheriff als erste den Kamm des etwa fünfzig Yard hohen Hügels erreicht.
Keuchend blieben die beiden Männer stehen. Die meisten anderen waren noch weit hinter ihnen.
»Wie weit reichen die Lampen Ihrer Leute?«, fragte Billy und schnappte nach Luft.
»Zwei, vielleicht auch dreihundert Yard«, lautete die Antwort des Obersts.
»Dann würde ich an Ihrer Stelle jetzt noch, einmal tief Luft holen«, sagte der Sheriff. »Es wird nämlich für Sie und Ihre Leute gleich eine Überraschung geben.«
Natürlich war sich Billy bewusst, dass auch er in dem Augenblick, wo die Lampen ihr Licht nach vorn werfen würden, stark sein musste. Aber noch waren die Soldaten mit den Taschenlampen etwa dreißig Yard hinter ihnen.
Oberst Douglas versuchte krampfhaft, irgendetwas vor sich auszumachen. Doch die Dunkelheit vor ihnen war undurchdringlich.
»Wie weit ist es wohl von hier bis zur eigentlichen Absturzstelle?«, fragte Douglas.
»Etwa zweihundert Yard, wenn sich meine Leute nicht geirrt haben«, entgegnete der Sheriff. »Allerdings dürfte das Gelände in etwa fünfzig Yard Entfernung sehr schwierig werden.«
»Schwierig? Wieso schwierig«, wollte der Oberst wissen. »Ich kenne diese Gegend, ziemlich steinig, ein wenig Buschwerk, ein kleines Wäldchen. Was soll daran schwierig sein?« Plötzlich hielt er inne und lauschte. »Sagen Sie mal, Sheriff«, fuhr er fort, »was ist das eigentlich für ein widerwärtiges Geräusch? Klingt ja, als wäre dort vor uns ein alter Viermastschoner in einen Sturm geraten. Das knarrt und ächzt – unheimlich!«
In diesem Augenblick traten die ersten anderen Männer neben den Sheriff und ihren Oberst. Sofort richteten sie ihre Taschenlampen nach unten. Doch das vermeintliche Unten bestand nur aus einem etwa fünfzig Yard breiten Streifen leicht abschüssigen Geländes. Dahinter stießen die Scheinwerferkegel auf eine senkrecht nach oben strebende schwarze Wand.
»Großer Gott!«, entfuhr es Sean Douglas. »Was ist denn das?«
»Das Wäldchen, das Sie soeben erwähnten, Oberst«, entgegnete der Sheriff. »Ich sagte Ihnen ja, Sie sollten sich auf eine Überraschung gefasst machen.«
Unter den Soldaten entstand Unruhe. Manche drängten ein paar Schritte zurück, andere, die kaltblütiger waren, ließen die Lichtkegel ihrer Lampen die leicht schwankende und unheimlich ächzende Wand hinaufgleiten.
»Das sind ja mindestens hundert Yard«, stöhnte ein Mann, und man konnte merken, dass er sich zusammenreißen musste, um seiner Stimme einen nicht noch zittrigeren Klang zu geben. »Kann mir jemand verraten, was das ist?«
Billy entschloss sich, den Oberst und seine Männer nicht länger im Ungewissen zu lassen.
»Zwei von meinen Leuten, die ich vor wenigen Stunden losgeschickt hatte, berichteten mir, dass es eine Möglichkeit gäbe, einen Weg durch die mächtigen Stämme dieses Waldes zu finden«, sagte er. »Es wäre auch nicht allzu schwierig, dem monströsen Buschwerk aus dem Weg zu gehen. Strapaziös wird es allerdings sein, einen Weg durch das lanzenhohe Gras zu finden. Hat man erst den Wald erreicht, wird es wieder leichter, denn dort ist der Boden graslos. Wollen wir zur Absturzstelle gelangen, müssen wir etwa hundertfünfzig Yard durch den Wald, und zwar in südwestlicher Richtung. Dort treffen wir auf mehrere kleine Krater, in denen es sich die Bruchstücke des Meteoriten, dem wir anscheinend dieses teuflische Wachstum verdanken, bequem gemacht haben.«
»Sie meinen, diese knarrende Riesenmauer, dieses ächzende Teufelswerk vor uns ist ein Wald?«, fragte der Oberst. »Und ein Meteorit soll das alles hervorgerufen haben? Verstehe ich nicht, tut mir leid. Ich begreife überhaupt nichts mehr.«
»Es muss sich um irgendeine Strahlung handeln«, erklärte der Sheriff. »Ich stelle mir vor, dass der Meteorit beziehungsweise seine einzelnen Bruchstücke eine Strahlung aussenden, die uns unbekannt ist, deren Wirkung mich aber an irgendwelche geheimnisvollen Alpha- oder Gammastrahlen der Science-Fiction-Literatur erinnert. Vielleicht sendet der Meteorit etwas aus, das die Molekularstruktur verändert oder die Pflanzenzellen zu einer unglaublich schnellen Teilung animiert.«
»Könnte es nicht sein, dass auch Tiere...«, begann der Oberst.
»Achtung!«, brüllten mehrere Soldaten gleichzeitig. »Zurück!«
Ein trommelfellzerberstendes Kreischen und Krachen begann, von salvenartig aufeinanderfolgenden, seltsam hölzern klingenden Explosionen begleitet. Die in den schwarzen Abendhimmel ragende Wand bebte langsam nach vorn, senkte sich donnernd herab, fiel schneller und schneller werdend Richtung Hügel.
»Volle Deckung!«, schrie Douglas mit überschnappender Stimme. »Runter, ihr Idioten! Runter!«
Die Schreie der Soldaten gingen unter in dem unbeschreiblichen Lärm der niedertosenden Stämme. Doch es geschah etwas, das ein Mathematiker hätte vorausberechnen können: Die mächtige Wand, deren gigantisches Wurzelwerk selbst der harte Boden des Autplace nicht dauerhaft hatte halten können, kam derartig auf den Hügelkamm herab, dass die vorderen Stämme denselben mit ihrem Massenmittelpunkt tangierten. Die nachfolgenden Stämme fielen auf die ersten, die daraufhin einige Male wie riesige Schaukeln auf dem Hügelkamm auf- und abwippten, um dann durch das immer größer werdende Gewicht weiterer Stämme zwanzig oder dreißig Yard zurückzuschleudern.
Den Männern, die sich nach hinten gehechtet hatten, war nichts geschehen. Sie wurden nur von einer Blätterlawine bedeckt, aus der sie sich schnell befreit hatten, obwohl die einzelnen Blätter bis zu zwei Yard Durchmesser besaßen und fingerdick waren, jedoch so weich wie Daunendecken.
11.
Billy Puckman, der Sheriff von Nordville, schlief in dieser Nacht sehr unruhig, was ja nun durchaus verständlich war. Immer wieder schreckte er hoch, da er wieder und wieder die gigantische Holzwand auf sich zufallen sah. Endlich gab er es auf, ruhigen Schlaf zu finden und knipste das Licht an. Dann rekapitulierte er noch einmal.
Ein Meteorit war vom Himmel gefallen. Er sendete eine noch nicht identifizierte Strahlung aus, die in einem Umkreis von etwa hundertsechzig Yard und innerhalb weniger Minuten zu einem irrwitzig schnellen Wachstum von sämtlichen Pflanzen geführt hatte. Die Militärs hatten das besagte Gebiet abgeriegelt, nachdem Oberst Sean Douglas um Verstärkung gebeten hatte. Die strikte Überwachung des Autplace war schon allein aus dem Grund erforderlich, weil es tatsächlich Zeitgenossen geben mochte, die ein Bruchstück des Meteoriten zu stibitzen gedachten, um damit das Wachstum ihrer Radieschen anzuregen. Dabei würde natürlich auch alles andere in einem Umkreis von hundertsechzig Yard zur zwanzigfachen Größe und zu einem achttausendfachen Volumen anwachsen.
Ein wissenschaftliches Sonderkomitee würde am nächsten Morgen in Nordville auftauchen, ebenso das FBI und der Gouverneur des Staates North Dakota. Die Presse und die anderen Medien waren bislang noch nicht informiert worden. Die Gründe dafür lagen auf der Hand. Bevor das wissenschaftliche Sonderkomitee unter der Leitung eines gewissen Professor Robert Stanton, dem Dozenten des Biochemischen Instituts von Fargo, nicht seine Untersuchungen abgeschlossen haben würde, mochten allzu viel Schaulustige nur stören. Und das FBI hatte schon immer etwas gegen eine allzu schnelle und unüberlegte Informierung der Massenmedien gehabt. Außerdem hatte Oberst Douglas vom Stützpunkt die ganze Sache unter den Schutz des Begriffes Streng geheim gestellt.
Billy würde morgen in aller Herrgottsfrühe aufstehen müssen, um die FBI-Leute Thomas Rochester, Anton Cobatter sowie einen dritten Mann namens Al Jordan zu begrüßen und um ihnen gleich eine Kanne heißen Kaffee unter die Schnüffelnasen zu halten, ohne die diese Männer nie und nimmer ihre Arbeit im Autplace beginnen würden.
Es war fast zwei Uhr morgens, als Billy endlich wieder das Licht ausknipste und einen weiteren Schlafversuch unternahm.
12.
Das Klingeln an der Haustür weckte ihn, noch bevor der Wecker eine Chance dazu gehabt hätte. Gähnend und fluchend ging Billy in die Senkrechte. Der Wecker zeigte an, dass es vier Uhr fünfundvierzig war.
»Affen!«, schimpfte der Sheriff, zog sich den Bademantel über und schlurfte schlaftrunken zur Tür. Natürlich waren es bereits die Männer vom FBI.
»Machen Sie uns jedem eine Kanne Kaffee«, war das erste, was sie sagten. »Aber stark wie Noahs Glaube!«
»Sie sind ziemlich pünktlich, nicht wahr?«, zischte der Sheriff.
»Für einen anständigen Kaffee immer«, entgegnete Vollbart Rochester. »Darf ich übrigens vorstellen, Sheriff – meine linke Hand, Anton Cobatter. Al Jordan, unser Bioexperte.«
»So etwas gibt’s also auch beim Federal?«, fragte Billy.
»Von den Bioleuten gibt es bei uns mehr als genug«, sagte Rochester grinsend.
»Hoffentlich kommt es zu keinen Kompetenzstreitigkeiten«, gab der Sheriff zu bedenken und forderte die drei Männer auf, Platz zu nehmen. »Wir erwarten nämlich noch einige Herrschaften vom Biochemischen Institut Fargo, und die Militärs wollen auch einige Biologen herschicken. Nun, das alles soll nicht meine Sorge sein.«
»Unsere Bio-Fachleute werden sich schon gegenseitig auf die Hühneraugen treten«, sagte Cobatter, die linke Hand seines Chefs. Billy fragte sich, ob das mit der linken Hand vorhin ein Witz gewesen sein sollte oder ob Rochester Linkshänder war. Als der FBI-Mann dann aber mit der rechten Hand nach der Kaffeetasse griff und sie sogleich umstieß, ahnte Billy, dass er sogar drei linke Hände hatte.
13.
Um neun Uhr zwanzig kam Robert Stanton, Professor des Biochemischen Instituts, mit seinen Leuten. Und seinen Apparaturen. Auf jeden der Biologen, Chemiker, Strahlenforscher sowie einem kleinen Heer von Assistenten, denen man die Studenten aus hundert Yard Entfernung ansehen konnte, kamen zwei Geräte, Apparaturen oder Stative. Das Büro des Sheriffs und die anliegenden Privaträume sahen bald aus wie das Lager einer Etappenunterkunft.
Selbst einen Namen hatte man bereits für die ganze Operation gefunden:
AGM – Aktion geheimnisvoller Meteor
Professor Stanton entpuppte sich bald als ein Mann, der mehr Elan besaß als ein zwanzigjähriger Football-Champion. Er sprudelte fast über von Energie und Hektik, und es schien, als ob er schon bald einige Nervenzusammenbrüche bei seinen Leuten provoziert haben würde. Trotz seiner dreiundsechzig Jahre machte er so gut wie alles im Laufschritt, wobei ihm jeweils einige Haarsträhnen vor die Augen fielen.
Um zehn Uhr brach die Horde der Wissenschaftler und Studenten Richtung Autplace auf. Um achtzehn Uhr kehrten sie sichtbar erschöpft zurück, quartierten sich wie auch die drei FBI-Männer im einzigen Hotel des Ortes ein und bestellten sich erst einmal das wohlverdiente Bier.
Um zehn Uhr sah der kleine Konferenzraum des Hotels wie ein wissenschaftliches Labor aus. Neben Unmengen von Bierflaschen und Bierdosen fand man Infrarotstrahler, Fixierbäder, Tabellen und wissenschaftliche Fachbücher, Projektoren, Dutzende von Pflanzenproben, sowohl normalwüchsige als auch strahlenverseuchte, verschiedene Metallplatten, deren Sinn man nicht erraten konnte, Waagen, Mikroskope, Kameras und Belichtungsmesser und so weiter und so weiter...
Etwas fand man allerdings nicht in dem Konferenzraum des Hotels: Ein Teil des Babys, das es zu untersuchen galt. Das hatte natürlich seinen Grund.
Man hatte festgestellt, dass selbst das kleinste Bruchstück des Meteoriten innerhalb von wenigen Minuten zu dem unheimlichen, immer noch völlig rätselhaften Wachstum bei Pflanzen führte, und zwar genau in einem Umkreis von einhundertvierundsechzig Yard. Versuche hatte man im Autplace mehr als genug unternommen, und die Militärs sowie die Männer vom FBI hatten dabei genau aufgepasst, dass sich niemand etwas von den Bruchstücken des Meteors in die Tasche schmuggelte. Man hatte sich also auf Messungen, Fotografieren und Wiegungen beschränken müssen, was man nun im Hotel auswertete. Außerdem besaß man ja die verschiedenen Pflanzenproben, die unter dem Mikroskop sicherlich allerhand Interessantes über die Strahlung verraten würden.
Noch um vier Uhr in der Früh hockten Professor Stanton und einige weitere Wissenschaftler über den Messgeräten und Mikroskopen. Endlich, um vier Uhr fünfzehn, entschlossen sich auch diese letzten Unermüdlichen, für drei oder vier Stunden ihre Betten aufzusuchen. Sie schliefen traumlos.
14.
Noch bevor die Leute der AGM, der Aktion geheimnisvoller Meteor, sich den Schlaf aus den Augen reiben konnten, trat ganz überraschend ein weiterer munterer Haufen in Erscheinung. Wieder wurde Sheriff Billy Puckman aus dem Schlaf geläutet. Diesmal von Männern eines Strahlenschutz- und Räumkommandos des Zivilschutzes. Auch ihnen machte Billy Kaffee und zeigte ihnen den Weg zum Autplace.
Die drei schweren, mit Bleiplatten geschützten Lastkraftwagen des Räumkommandos hielten kurz darauf in der Nähe der Anhöhe, über der noch immer die mächtigen Stämme lagen, die einigen Männern fast das Leben gekostet hatten. Schon jetzt, um sieben Uhr dreißig, wimmelte die ganze Gegend von Soldaten und Sicherheitsbeamten. Riesige Scheinwerfer sandten immer noch ihr Licht in die beginnende Morgendämmerung. Unterwegs waren die drei Fahrzeuge insgesamt viermal angehalten worden. Die Sperrposten hatten sie aber jeweils schnell passieren lassen, nachdem man diverse Papiere geprüft hatte.
Kurz vor Mittag hatten die Männer vom Räumkommando insgesamt vierzehn Trümmerstücke des Meteoriten, zwischen einem halben und acht Inch groß, sowie etwa eine Tonne Erde, in denen weitere Splitter des Meteoriten steckten, in zwei Dutzend Bleibehältern verfrachtet. Schon gestern hatte man festgestellt, dass bereits die Stärke von einem Zehntel Inch Blei ausreichte, um die noch zu identifizierende Strahlung zu absorbieren.
Erst um siebzehn Uhr gab man die Suche nach einem letzten Bruchstück des Meteoriten auf, das die Messgeräte angezeigt hatten. Dieses nicht auffindbare Bruchstück, das nach den Berechnungen der Wissenschaftler kaum größer als eine Haselnuss sein konnte, ließen die Leute des Räumkommandos in der Hoffnung zurück, dass es sich irgendwann von selbst ausgestrahlt haben würde. Es gab ja noch die Militärs, die aufpassen konnten, dass sich niemand, der mehr Glück beim Suchen haben würde, dieses winzige Stück Weltraummaterie aneignete.
Das war der erste gravierende Fehler, den man in der AGM-Sache machte. Der zweite Fehler lag in dem Vortrag, den Professor Stanton einen Tag später vor einem ausgesuchten Gremium sämtlicher an der Aktion beteiligten Wissenschaftlern, Geheimdienstlern, Offizieren und Beauftragten des Staates North Dakota samt Gouverneur geben sollte.
15.
Der Vortrag, nichts anderes als die Zusammenfassung sämtlicher Untersuchungsergebnisse in dieser AGM-Sache, inklusive Hypothesen und Theorien, fand in dem kleinen Hotel statt, in dem die Männer des Biochemischen Instituts Quartier bezogen hatten. Presse, Rundfunk und Fernsehen hatte man noch immer nicht informiert; die Geheimhaltung schien perfekt.
Nur ein Tonbandgerät nahm den Vortrag des Professors auf, gefühl- und kommentarlos, unbestechlich.
»Wir haben folgendes festgestellt«, erklärte Professor Stanton. »Der Meteorit muss vor dem Eintauchen in die Erdatmosphäre etwa so groß wie eine Musikbox gewesen sein. Auf dem Boden sind dann nur noch Bruchstücke angekommen, die – zusammengefügt – etwa die Größe eines Medizinballes ergeben würden. Unser Forschungsobjekt besteht ausschließlich aus uns bekannten Metallen und weiteren Elementen, genauer gesagt aus Eisen, Nickel, Kupfer, Aluminium, Spuren von Silber und verschiedenen Silikaten. Wir haben ferner festgestellt, dass die Strahlung, die wir zwar messen, aber immer noch nicht exakt analysieren können, da sie unglaublich feinwellig zu sein scheint, aus dem Eisen des Meteoriten stammt. Das Eisen selbst zeigt erstaunlicherweise nicht die geringste Oxydierung, woran wohl ebenfalls die Strahlung schuld sein mag.