Das Alte Ägypten - Sabine Kubisch - E-Book

Das Alte Ägypten E-Book

Sabine Kubisch

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Beschreibung

Zauberland am Nil: Seit der Entzifferung der Hieroglyphen im Jahr 1822 wurden noch viele große ägyptologische Rätsel gelöst. Dennoch hat das Alte Ägypten, die geheimnisvolle Welt der Pharaonen und Pyramiden, bis heute nichts von der enormen Faszination verloren, mit der es schon die Reisenden der vergangenen Jahrhunderte in seinen Bann zog. Die Basis für die Errungenschaften und kulturellen Meilensteine dieser alten Hochkultur waren der Nil und sein Hochwasser – ohne ihn und ohne die spezifischen geografischen und klimatischen Bedingungen hätte sich Ägypten niemals in der uns bekannten Art und Weise entwickelt. Die Ägyptologin Sabine Kubisch erzählt leicht verständlich und facettenreich die sagenhafte Geschichte Ägyptens von der Steinzeit bis hin zu Kleopatra und gibt spannende Einblicke in alle wesentlichen Bereiche der Hochkultur am Nil. Ein kompakter Führer durch 4000 Jahre Geschichte, durch alle Aspekte von Kultur und Politik, Kunst und Religion. Fundiert, umfassend und anschaulich lebendig.

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Sabine Kubisch

Das Alte Ägypten

Von 4000 bis 30 v. Chr.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Es ist nicht gestattet, Texte dieses Buches zu scannen, in PCs oder auf CDs zu speichern oder mit Computern zu verändern oder einzeln oder zusammen mit anderen Bildvorlagen zu manipulieren, es sei denn mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Alle Rechte vorbehalten

© by marixverlag in der Verlagshaus Römerweg GmbH, Wiesbaden 2017Lektorat: Stefan Gücklhorn

Covergestaltung: Karina Bertagnolli, Wiesbaden

Bildnachweis: Darstellung der Götter Isis und Horus in einem thebanischenBeamtengrab des Neuen Reiches (TT 265), © Eva Hofmann, HeidelbergDer Titel wurde in der Palatino Linotype gesetzt.

Gesamtherstellung: CPI books GmbH, Leck – Germany

eISBN: 978-3-8438-0558-2

www.verlagshaus-roemerweg.de

INHALT

VORWORT

I. EINLEITUNG

Geographische Voraussetzungen

Das Klima am Nil

Die jährliche Nilüberschwemmung

Das ägyptische Zeitverständnis und Geschichtsschreibung

Relative Chronologie

Annalenstein der 5. Dynastie

Turiner Königspapyrus

Die Königslisten von Abydos, Karnak und Saqqara

Manetho von Sebennytos

Griechische Historiker

Absolute Chronologie und Datierungsmethoden

Der Sonnenkalender und das Sothis-Datum

Mondkalender

II. PROLOG – DIE VORGESCHICHTE

Die ältesten Zeugnisse des Menschen im Niltal

Das Neolithikum in der Sahara

Neolithische Kulturen in Ägypten im Detail

Maadi und Badari in Unterägypten

Naqada in Oberägypten

Das »Grab U-j« in Umm el-Qaab

Frühe Schrift

Hierakonpolis

Töpferwerkstätten und die Brauerei

Das sogenannte ›Fort‹ von Hierakonpolis

Der Elitefriedhof

Das bemalte Grab von Hierakonpolis

Der Tempel mit dem Main Deposit

III. FRÜHZEIT (0.–2. DYNASTIE) – EIN STAAT ENTSTEHT

Das Prinzip des Dualismus im Alten Ägypten

Die ägyptischen Schöpfungslegenden

Die Reichseinigung

Die Prunkpalette des Narmer

Ein Staat entsteht

Die Thinitenzeit

Der Königsfriedhof von Abydos

Die 2. Dynastie

Die Königstitulatur

Deutung des nesu-bit-Titels

IV. ALTES REICH (3.–6. DYNASTIE) – ZEIT DER PYRAMIDEN

Die 3. Dynastie

Der Grabgedanke im Alten Ägypten

Private Grabanlagen im Alten Reich

Der Weg zur Stufenpyramide

Der Pyramidenbezirk des Djoser

Der Baumeister Imhotep

Die großen Pyramiden der 4. Dynastie

Aufbau eines Pyramidenbezirkes im Alten Reich

Die drei Pyramiden des Snofru

Die Pyramiden auf dem Plateau von Gisa

Privatfriedhöfe in Gisa

Das Ende der Ära der großen Pyramiden

Die »Sonnenkönige« der 5. Dynastie

Die Sonnenheiligtümer der 5. Dynastie

Das Konvolut der Abusir-Papyri

Die Pyramidentexte und die Vorstellungen von Tod und Jenseits im Alten Reich

Das Ende des Alten Reiches – die 6. Dynastie

Was ist eine altägyptische Biographie?

Die privaten Grabanlagen

Wirtschaftsprinzipien im Alten Ägypten

V. DIE ERSTE ZWISCHENZEIT (7.–10. DYNASTIE) – DAS LAND ZERFÄLLT

Rekonstruktion der historischen Abläufe

Die Quellen

Der Weg zur neuen Blütezeit

VI. DAS MITTLERE REICH – BLÜTEZEIT FÜR KUNST UND WISSENSCHAFT

Literatur und Politik

Amenemhet I. – ein Wesir wird Pharao

Die Frage der Koregentschaft

Die Geschichte des Sinuhe

Aufschwung unter Sesostris I.

Die Insel Elephantine

Stabilität unter Amenemhet II.

Sesostris II.

Privatgräber im Mittleren Reich

Expansion unter Sesostris III.

Die Rolle Nubiens

Die Porträts Sesostris’ III.

Amenemhet III.

Das Ende des Mittleren Reiches

VII. DIE ZWEITE ZWISCHENZEIT (13.–17. DYNASTIE)

Die Teilung Ägyptens in der 13. Dynastie

Die Fremdherrschaft der Hyksos

Tell el-Dab’a – Avaris, die Hyksoshauptstadt

Die Hyksosherrscher

Die Könige Oberägyptens

Die Nekropole der 2. Zwischenzeit

Die Vertreibung der Hyksos

Die Kamose-Stelen

Die endgültige Rückeroberung Ägyptens

VIII. NEUES REICH (18.–20. DYNASTIE) – ›IMPERIUM‹ ÄGYPTEN

Ein Trauma wird verarbeitet

Neuordnung des Landes

Blütezeit für Wissenschaft und Kultur

Totenbuch und Unterweltsbücher

Der Papyrus Ebers und die altägyptische Medizin

Ägypten expandiert

Das Tal der Könige

Thutmosis II.

Die Pharaonin Hatschepsut

Senenmut

Ägypten wird zur Großmacht

Der Wesir und seine Verpflichtungen

Amenophis II. und Thutmosis IV.

Die Voramarna-Zeit – Amenophis III.

Die Gemahlin Teje

Die Amarnakorrespondenz

Privatgräber im Tal der Könige

Amenophis, Sohn des Hapu

Die Amarna-Zeit

Amenophis IV. besteigt den Thron

Die neue Stadt

Die Religion des Echnaton

Das Ende der Amarna-Zeit und die Zeit der Restauration

Der Beginn der Zeit der Ramessiden

Der große König Ramses II.

Ramses und die Hethiter

Religion der Ramessiden – Amun als Nothelfer

Das Ende der 19. Dynastie

Die Seevölker

»Affären und Skandale« in der 20. Dynastie

Die letzten Ramessiden auf dem Weg zur Gottesherrschaft

IX. DIE DRITTE ZWISCHENZEIT (21.–24. DYNASTIE)

Der thebanische Gottesstaat

Die Herrschaft der Libyer

Tanis – »Theben des Nordens«

Die Gottesgemahlin des Amun

Nubien übernimmt das Ruder (25. Dynastie)

X. ÄGYPTISCHE RENAISSANCE – DIE SAITENZEIT (26. DYNASTIE)

Die Spätzeit – eine Renaissance

Das Ende der Spätzeit

XI. DIE PERSERHERRSCHAFT (27.–31. DYNASTIE)

Ägypten als persische Satrapie

Der Arzt und Flottenkommandeur Udjahorresnet

Dareios I.

Xerxes I. – ein Despot?

Der Aufstand des Inaros und die ägyptische Unabhängigkeit

Die zweite Perserherrschaft

Alexander der Große siegt über die Perser

XIII. DAS PTOLEMÄISCHE ÄGYPTEN UND DAS ENDE DES PHARAONENREICHES

Aufstieg der Ptolemäerdynastie

Der Satrap Ptolemaios

Innerägyptischer Widerstand unter Ptolemaios IV. und V.

Thronwirren (Ptolemaios VI.–Ptolemaios XI.)

Das Ende der Ptolemäerzeit (Ptolemaios XII.–Kleopatra VII.)

Die Priesterfamilie des Psenptah

ANHANG

Zeittafel

Literaturauswahl

Bildnachweis

Vorwort

In diesem Buch wird ein Überblick über die Geschichte des Alten Ägypten gegeben, indem die Zeit von der Entstehung des ägyptischen Staates bis zum Tod der letzten ptolemäischen Königin Kleopatra VII. betrachtet wird. Nach dem Tod Kleopatras war Ägypten kein eigenständiges Königreich mehr, sondern römische Provinz, aus diesem Grund wurde an dieser Stelle der Schlusspunkt gesetzt. Die Frage nach dem Ende der pharaonischen Hochkultur ist jedoch letztlich Auslegungssache, man kann dieses Ende ohne Zweifel früher oder auch später ansetzen.

Die Quellen, die für die Rekonstruktion der Geschichte des Alten Ägypten zur Verfügung stehen, sind in ihrer Aussagekraft und ihrem Charakter unterschiedlich und darüber hinaus lokal und chronologisch ungleich verteilt. Aus manchen Epochen existieren zahlreiche Textquellen, in anderen ist man auf die archäologischen Befunde und ihre Interpretation angewiesen. Beides ist in gewisser Hinsicht subjektiv und nur bedingt verlässlich.

Zu vielen historischen Fragen über das Alte Ägypten gibt es auch heute noch kontroverse Forschungsmeinungen, manche Probleme werden sich vielleicht nie lösen lassen. Generell nimmt der Umfang der Textquellen im Laufe der Geschichte zu. Waren die Informationen aus der ägyptischen Frühzeit und dem Alten Reich noch sehr spärlich, so verfügen wir in der Ptolemäerzeit über eine Flut an Überlieferungen, die allerdings teilweise widersprüchliche Fakten liefern. Das gleiche Ereignis konnte von verschiedenen Autoren jeweils unterschiedlich dargestellt werden, je nachdem welche Intention dahintersteckte. Die königlichen Inschriften der pharaonischen Zeit dienten in der Regel dazu, den Pharao als erfolgreichen Herrscher zu repräsentieren und in ein positives Licht zu rücken. Dies war ihr Hauptzweck, und nicht eine objektive Berichterstattung. Die dokumentarischen Texte sind in dieser Hinsicht weniger beeinflusst, bieten aber vor allem Einblicke in die Verwaltungsstrukturen, weniger in die historischen Zusammenhänge. Die privaten biographischen Texte wurden ebenfalls aus bestimmten Gründen geschrieben, die sich auf ihren Grundtenor auswirkten, und so ist bei der Bewertung der Textquellen immer auch ihr jeweiliger Zweck in Rechnung zu stellen. Unter diesen Bedingungen steht aber für das Alte Ägypten dennoch ein breites Spektrum an materiellen und textlichen Quellen zur Verfügung, anhand derer sich die Geschichte rekonstruieren lässt.

Wenn es möglich war, habe ich die historischen Abläufe mit Auszügen aus relevanten Primärquellen untermauert. Der größte Teil dieser Quellen kann in den zitierten Textsammlungen, wie z. B. Texte aus der Umwelt des Alten Testaments, Urkunden oder Ramesside Inscriptions, nachgelesen werden. Die verwendeten Übersetzungen basieren ebenfalls auf diesen Anthologien.

Die angegebenen Jahreszahlen richten sich nach der aktuellsten Arbeit zur Chronologie (Hornung, Warburton, Kraus (Hgg.), Ancient Egyptian Chronology, New York 2005), auf diesem Gebiet gibt es allerdings weiterhin offene Fragen.

Die inhaltlichen Schwerpunkte, die ich in diesem Band gesetzt habe, sind sicherlich subjektiv gewählt, es sollte sich dennoch ein repräsentatives Bild der pharaonischen Geschichte abzeichnen.

I. Einleitung

Im Zuge der Entzifferung der Hieroglyphen im 19. Jahrhundert wurden viele große ägyptologische Rätsel gelöst, was eine große Begeisterung für die Auseinandersetzung mit der Kultur und Geschichte auf wissenschaftlicher Ebene entfachte. Seitdem hat das Alte Ägypten nichts von seiner enormen Faszination verloren, mit der es schon die Reisenden des 18. und 19. Jahrhunderts beeindruckte.

Aufgrund der sehr komplexen und langen Geschichte kann in diesem Buch nur ein Abriss der historischen Abläufe und somit ein Einstieg in die einzelnen Aspekte von Kultur und Politik, Kunst und Religion geboten werden. Ägypten steht für viele Errungenschaften, die die kulturelle Entwicklung der Menschheit entscheidend vorangebracht haben, z. B. die Erfindung der ägyptischen Schrift, der Kalender, die monumentale Architektur und nicht zuletzt das komplizierte und vielschichtige Verwaltungssystem.

Mit der Entwicklung des Schriftsystems wurde den Menschen im Alten Ägypten die Überlieferung historischer Ereignisse möglich – damit trat Ägypten aus dem diffusen Licht der Prähistorie heraus. Es beginnt die Zählung der 31 Dynastien, in die die ägyptische Geschichte eingeteilt ist.

Die Basis für all diese Errungenschaften und kulturellen Meilensteine war der Nil – ohne ihn und ohne die spezifischen geographischen und klimatischen Bedingungen hätte sich Ägypten sicherlich nicht in der uns bekannten Art und Weise entwickelt. Damals noch mehr als heute bestimmte der Nil das Leben der Menschen in Ägypten.

Geographische Voraussetzungen

Dies ist also die Gestalt dieses Landes. Von Heliopolis bis Theben fährt man neun Tage stromaufwärts. (Herodot II, 9)

Mit mehr als 6500 km Länge ist der Nil der längste Fluss der Welt, und man kann ihn ohne Übertreibung als Lebensader Ägyptens bezeichnen. Der Weiße Nil entspringt inmitten der Seen in Äquatorialafrika, im Sudan fließt bei Khartum der Blaue Nil hinzu. Im Norden Ägyptens mündet der Strom in Form eines Deltas ins Mittelmeer. Auf dem Weg durch Afrika trifft der Fluss auf sechs steinerne Schwellen, die sogenannten Katarakte. Sie bildeten jeweils eine natürliche Grenze durch ihre eingeschränkte und teilweise gänzlich unmögliche Schiffbarkeit. Dass man die Kataraktgegenden teilweise auch zu Fuß bewältigte und die Schiffe über Land wieder in besser schiffbares Gewässer transportierte, beweisen z. B. entsprechende Schleifspuren bei der Festung Mirgissa am zweiten Katarakt. Bei Grabungen der UNESCO in den 1960er-Jahren wurden Reste einer Schlammbahn entdeckt, die parallel zum Nil verlief und die eine Strecke von zwei bis vier Kilometern umging, auf der die Schifffahrt bestenfalls bei Hochwasser möglich, aber immer noch sehr riskant war. Auf dieser Gleitbahn wurden die Schiffe über Land an den Stromschnellen vorbeigezogen.

Der erste, nördlichste Katarakt bei Assuan ist eine große Granitbarriere, die schon im Alten Reich die natürliche Südgrenze Ägyptens bildete und seitdem durch Grenzfestungen und -posten gesichert war. Die Region des zweiten Kataraktes in der Nähe des Wadi Halfa gelangte im Mittleren Reich unter ägyptische Herrschaft und wurde ebenfalls durch eine Reihe von Grenzposten befestigt. Der dritte und vierte Katarakt liegen südlich der Stadt Nuri und nördlich der nubischen Residenz Kerma, nach der die Kerma-Kultur benannt wurde. Bis dorthin expandierte Ägypten erst im Neuen Reich und sicherte diese Region durch Festungen. Der fünfte und sechste Katarakt waren für das Alte Ägypten ohne Bedeutung und vielleicht noch nicht einmal bekannt.

Vom ersten Katarakt an war das Gefälle des Nil gering, sodass der Fluss seinen Weg gemächlich nehmen konnte und die Bedingungen in Ägypten für den Ackerbau sehr günstig waren. Das bewohn- und kultivierbare Land blieb dennoch auf das schmale Niltal beschränkt, der Rest des Landes war wenig fruchtbar. Der Rest, ca. 96 % des Landes, bestehen aus Wüsten, die eine Seite des Nil mit der Libyschen oder Westwüste, auf der anderen Seite erstreckt sich bis zum Roten Meer die Arabische oder Ostwüste.

Entlang der Küste des Roten Meeres zieht sich ein bis zu 2000 m hoher Gebirgszug, der weitgehend aus harten und kristallinen Gesteinen, wie z. B. Granit, Diorit, Gneis und Schiefer, besteht. Die Abhänge im Osten und Westen dieser Gebirgskette bilden Hochebenen aus Sand- oder anderem, weicheren Sedimentgestein, in die sich tiefe Täler, die sogenannten Wadis, eingegraben haben. Einige dieser Wadis der Ostwüste waren windgeschützt, zudem war das Klima damals ohnehin etwas regenreicher, sodass es in diesen eher steppen- als wüstenartigen Tälern auch Wasser und Pflanzenbewuchs gab. Diese geschützteren Wadis wurden im Alten Ägypten als Handels- und Expeditionsrouten in die Gebirge zur Steingewinnung und als direkte Verbindung zum Roten Meer genutzt.

Die Westwüste zeigt ein ganz anderes Bild. Sie besteht aus einem gewaltigen Kalksteinmassiv, völlig ohne Wasser und Vegetation. Dort finden wir keine Wadis, stattdessen einige Oasen in den Einschnitten am Südabhang der Hochebene. Die bedeutendsten und größten Oasen im Süden sind Dachla, Charga und Farafra. Die Oase Bahrija liegt weiter im Norden in einer Senke auf dem Plateau, während die vor allem in der Alexanderzeit bedeutende Oase Siwa weiter im Norden der Hochebene zu finden ist. Die wichtigste und größte Oase Fayum liegt im Osten der Libyschen Wüste, nur ca. 90 km südwestlich von Kairo. Ihre Größe, ihre fruchtbaren Ackerflächen und auch die Nähe zum Niltal machen ihre Bedeutung aus – alle anderen Oasen spielten durch ihre eher isolierte Lage nur eine untergeordnete Rolle in der pharaonischen Kultur. Im Fayum-Becken gibt es schon Siedlungsspuren aus dem Neolithikum, während Siwa offenbar erst ab der 26. Dynastie wahrgenommen wurde. Die fruchtbaren und landwirtschaftlich nutzbaren Flächen liegen im Delta sowie rechts und links des Nilufers. Die Wüste wurde im Ägyptischen Ta Descheret – das »Rote Land« genannt, das Fruchtland hieß Kemet – das »Schwarze Land«. Die Grenze zwischen beiden ist manchmal so scharf, dass sie wie mit dem Lineal gezogen wirkt. Gelegentlich ist das Niltal nur wenige Kilometer schmal. Im Norden, in Richtung des Mittelmeers wird das Gefälle des Nils immer flacher, bis er in einem Delta am Mittelmeer mündet. In alter Zeit teilte sich der Nil aber laut Herodot (Hdt. II 17, 3–6) in fünf Arme, laut Strabon (Strab. XVII 1, 18 (C 801)) sogar in sieben. Die Abweichung ist damit zu erklären, dass das Delta sich durch die jährliche Nilflut permanent veränderte, zumal zwischen Strabon und Herodot ein Zeitraum von ca. 400 Jahren liegt. Schon in der Antike begannen die Kanäle zu verlanden, und seit der islamischen Zeit bis heute gibt es nur noch die beiden Hauptarme bei Rosette und Damietta.

Das Klima am Nil

Die Ägypter sind sonst nach den Libyern die gesündesten Menschen. Das liegt meiner Meinung nach am Klima, da die Jahreszeiten nicht wechseln. (Herodot II, 77)

In dieser Hinsicht gibt es erhebliche Unterschiede zwischen dem Norden und dem Süden des Landes. Im Delta und in Unterägypten herrschte ein eher gemäßigtes, vom Mittelmeer beeinflusstes Klima, auch im Sommer gab es keine extrem hohen Temperaturen. Es regnete zwar gelegentlich, für eine ertragreiche Landwirtschaft reichten diese Niederschläge jedoch nicht aus.

Oberägypten, also der Süden Ägyptens, gehört klimatisch schon zur Sahara, zur Klimazone des Wüstenklimas. Es herrscht oft über Monate hinweg große Hitze und Trockenheit, Niederschläge gibt es praktisch keine. Zum Vergleich seien hier einige Zahlen genannt: in Mitteleuropa gibt es durchschnittlich 750 mm Regen pro Jahr, in Alexandria am Mittelmeer sind es 190 mm pro Jahr, in Kairo nur noch 24 mm und in Luxor zu vernachlässigende 2 mm. Gelegentlich kommt es zwar auch im Süden zu wolkenbruchartigen Regengüssen, diese richten allerdings mehr Schaden an, als dass sie Einfluss auf den Wasserhaushalt hätten. Solche Wolkenbrüche füllen in kurzer Zeit die ausgetrockneten Flussbetten, das Wasser sammelt sich dort und schießt mit immenser Geschwindigkeit durch die Wadis aus den Bergen herunter. Dabei kann es große Zerstörungen anrichten, so wie z. B. im Jahre 1995 in Luxor. Die Schäden an den Lehmziegelhäusern waren noch Jahre nach dem Regenguss sichtbar, und auch die Monumente wurden durch die Wucht der Wassermassen stark beschädigt. Darüber hinaus sind die mitgeführten und abgelagerten Sandmassen zu salzhaltig, um einen nahrhaften Boden abzugeben, und nicht zuletzt verdunstet das Wasser ziemlich schnell wieder.

Die klimatischen Unterschiede zeigen sich auch angesichts der durchschnittlichen Jahrestemperatur: In Alexandria am Mittelmeer beträgt sie ca. 20°C, in Assuan an der nubischen Grenze etwa 25°C. Allerdings können die täglichen Temperaturunterschiede an einem Ort durchaus beträchtlich sein, ebenso wie die Differenz zwischen den Werten im Januar oder im Juli. Nachtfrost im Winter ist in der Wüste durchaus keine Seltenheit, auch wenn die Temperatur tagsüber bis weit über 20°C steigt.

In Ägypten lassen sich drei Vegetationszonen nachweisen, die mediterranen Küstengebiete, die Wüsten und das Niltal. Das Niltal war reich an üppiger Ufervegetation und an Wasserpflanzen. Es prägte die ägyptischen Vorstellungen von Fruchtbarkeit und Wiedergeburt nachhaltig, vor allem im radikalen Kontrast zur benachbarten Wüste. Das Klima war zu Beginn der ägyptischen Geschichte noch um einiges feuchter als jetzt, sodass an den Ufern des Nil in großflächigen und dicht bewachsenen Sumpfdickichten Papyrusstauden und Lotospflanzen wuchsen, die das Landschaftsbild maßgeblich bestimmten. Heute ist der Papyrus fast aus dem Erscheinungsbild der Flusslandschaft verschwunden, zum einen durch Raubbau für die Papierherstellung, zum anderen durch massive Veränderungen des Flusslaufes.

Im Delta waren weitaus größere bebaubare Ackerflächen zu finden als im Niltal. Unterägypten wurde bestimmt durch das weitläufige, von mehreren Flussläufen durchzogene und sehr fruchtbare Mündungsgebiet des Nil und die Küstengebiete am Mittelmeer. Die Gegend war von gemäßigtem Mittelmeerklima beherrscht und verfügte über weite Grasflächen als Viehweiden, über Äcker für die Nahrungsversorgung und über Papyrussümpfeals Lebensräume für viele Tiere. Damit war Unterägypten wirtschaftlich gesehen von kaum zu überschätzender Bedeutung und durch das angenehme Klima dicht besiedelt. Im Delta sind einige bedeutende Zentren der pharaonischen Geschichte zu finden, wie z. B. Buto, die Hauptstadt der Hyksos, Avaris oder die Ramsesstadt Piramesse. Die Erforschung dieser Siedlungen gestaltet sich jedoch schwierig, da der Grundwasserspiegel heute sehr viel höher liegt als in der Antike.

Die Gebiete östlich und westlich des Nils, die heute Wüsten sind, hatten in der Antike noch Savannencharakter und ließen die entsprechende Flora und Fauna erkennen. Der große Artenreichtum der dort lebenden Tiere, wie z. B. Nashörner, Elefanten, Giraffen und Löwen wurde allerdings im Laufe der Zeit durch die zunehmende Trockenheit und die Eingriffe des Menschen mehr und mehr dezimiert.

Die jährliche Nilüberschwemmung

Freilich ernten die Ägypter den Ertrag ihres Bodens heute recht mühelos wie kaum andere Menschen und die übrigen Ägypter. Sie haben es nicht nötig, mühevoll mit dem Pfluge Furchen zu ziehen, den Boden zu hacken oder sonst Feldarbeiten zu tun, womit sich andere auf dem Acker plagen. Der Strom kommt von selbst, bewässert die Äcker und fließt dann wieder ab. (Herodot II, 14)

Aufgrund der geringfügigen Niederschläge waren die Menschen in Ägypten vom Nil und seiner jährlichen Überschwemmung abhängig. Schon in der mittleren Altsteinzeit (ca. 90 000 bis 35 000 v. Chr.) gab es die Nilflut oder auch Nilschwemme, die seit dem Bau des Hochdammes bei Assuan von 1960–1971 allerdings blockiert ist.

Durch den jährlichen Monsunregen in den Tropen und in den äthiopischen Hochebenen im Sommer trat der Nil über seine Ufer und überschwemmte die tieferliegenden Felder. Es bildeten sich natürliche Bassins, in denen das Wasser stehenblieb und nach und nach vom Boden aufgenommen wurde. Durch die gewaltigen Regenfälle in Äthiopien wurden große Mengen der Sedimente talabwärts in die Flüsse geschwemmt. Diese konnten aufgrund ihrer sehr feinen Konsistenz über viele Kilometer vom Fluss transportiert werden. Die feinen Teilchen enthielten mineralische Nährstoffe und bildeten den fruchtbaren Nilschlamm. Er lagerte sich als natürlicher Dünger in flachen Becken und am Ufer ab. Damit wurde in der Regel, wenn die Überschwemmung hoch genug war, eine ausreichende Ernte gewährleistet, es konnte sogar teilweise ein erheblicher Überschuss erwirtschaftet werden. Da die alten Ägypter für fast alle Situationen im Leben einen Gott besaßen und der Nil eines der bedeutendsten Elemente in ihrer Kultur war, verwundert es natürlich keineswegs, dass auch der Nil in einer Gottheit personifiziert wurde. Dies war der Gott Hapi, er wurde in menschlicher Gestalt mit androgynen Eigenschaften dargestellt. Er hielt meist Pflanzen und Fische, also die Gaben des Flusses, auf einer Opfertafel vor sich. Auf dem Kopf trug er Papyruspflanzen, weiterhin wurde die Fruchtbarkeit des Nil mit einer weiblichen Brust, mit der der ansonsten männliche Gott dargestellt wurde, und durch Fettleibigkeit versinnbildlicht.

Nach dem Zyklus der Nilüberschwemmung teilten die Ägypter das Jahr in drei Jahreszeiten ein – es begann mit der Jahreszeit der Überschwemmung (Achet), setzte sich mit der Zeit der Aussaat und des Aufgehens der Saat (Peret) fort, und endete mit der Zeit der Hitze (Schemu) und der Ernte. Der Neujahrstag war der Tag, an dem üblicherweise die Nilüberschwemmung einsetzte – ein für jeden Ägypter lebenswichtiges Datum. Die Nilflut begann üblicherweise genau dann, wenn am Himmel kurz vor Sonnenaufgang das erste Mal nach mehreren Wochen wieder der Fixstern Sirius, der in Ägypten Sopdet und in gräzisierter Form Sothis genannt wurde, sichtbar wurde. Dieses astronomische Ereignis wurde daher genau beobachtet und dokumentiert und ist für die Chronologie Ägyptens von besonderer Bedeutung.

Das ägyptische Zeitverständnis und Geschichtsschreibung

Als erste unter den Menschen haben die Ägypter das Jahr erfunden und es in zwölf Monate aufgeteilt. Sie erzählen, die Sterne hätten sie auf diese Einteilung gebracht. (Herodot II, 4)

Für die Geschichte einer Kultur ist ihre Chronologie der wichtigste Stützpfeiler. Bei der Rekonstruktion der historischen Abläufe unterscheidet man die relative und die absolute Chronologie. Die relative Chronologie beschäftigt sich mit der Abfolge von historischen Ereignissen und ihrer Dauer, Regierungszeiten sowie der Abfolge von archäologischen Fundstücken. Es ist zunächst nicht relevant, wann genau ein Ereignis stattgefunden oder ein König regiert hat, sondern ob dieses Ereignis vor oder nach einem anderen einzuordnen ist, bzw. unter welchem Herrscher dies passierte. Mit den genauen Jahreszahlen dieser Ereignisse, den Möglichkeiten ihrer Rekonstruktion und ihren Schwierigkeiten beschäftigt sich die absolute Chronologie.

Für das Verständnis einer antiken Kultur ist es elementar, eine Vorstellung ihres Zeitbegriffs zu bekommen. Der ägyptische Zeithorizont ist sehr weit. Die Totentempel heißen Millionenjahrhäuser, der Pharao wünscht, nach einer Lebenszeit von einer Million Sed-Festen1 bestattet zu werden, und in einem Hymnus an den Sonnengott Re heißt es: »Mögest du dem König Millionen Sedfeste geben, viele und große.«2 Anchtifi – ein Fürst der 1. Zwischenzeit – blickt hoffnungsvoll in eine Zukunft von Millionen von Jahren. In der Ramessidenzeit steigert sich diese Vorstellung noch einmal, d. h. der Pharao wünscht, »Millionen von Millionen an Jahren auf Erden« zu verbringen.

Das heißt, der ägyptische Begriff von der Zeit beinhaltete vor allem die Ewigkeit. Es gibt zwei verschiedene Begriffe dafür – djet und neheh. Sehr deutlich wird die ägyptische Zeitvorstellung vor allem im Totenbuchspruch 62, in dem diese beiden Begriffe ebenfalls vorkommen: »… Mir ist Zeit ohne Grenze gegeben, denn ich bin ja der Erbe der Ewigkeit (neheh), dem Ewigkeit (djet) gegeben ist.«3 Auch bei dem Blick in die Vergangenheit war der Ägypter auf Unendlichkeit aus – die Quellen geben gerade für die frühen Epochen der ägyptischen Geschichte völlig unrealistische Zeiträume an. Später in diesem Kapitel wird es um den Turiner Königspapyrus gehen, in dem z. B. für die Zeit vor dem Beginn der ägyptischen Geschichte, also vor der 1. Dynastie und seinem legendären Gründer Menes, ein Zeitraum von ca. 37 000 Jahren angegeben wird. Herodot schreibt, ihm sei von den ägyptischen Priestern berichtet worden, die Linie der Vorfahren bestehe aus 341 Generationen, das wären immerhin noch mehr als 10 000 Jahre.

Dies macht die Rekonstruktion der Geschichte nicht leichter. Die alten Ägypter hatten offensichtlich einen ganz anderen, nicht historisierenden Umgang mit der Zeit, den es zu verstehen gilt und der bei der Auswertung der Quellen beachtet werden muss. Die alten Ägypter selbst datierten in der Regel nach den Regierungsjahren der jeweiligen Herrscher, mit der Thronbesteigung eines neuen Pharao begann die Zählung der Jahre von neuem. Der Träger der Geschichte war immer der König. Seine Taten wurden glorifiziert, von einer abstrahierten Überlieferung der Ereignisse im Sinne einer Historiographie kann nicht die Rede sein. In den Inschriften ging es immer eher um Kult und Religion bzw. um Politik und Repräsentation als um die historische Wahrheit.

Was die Abfolge der ägyptischen Pharaonen und die relative Chronologie angeht, blicken wir auf ein recht stabiles Gerüst. Problematisch wird es dann, wenn zwei Könige gleichzeitig regierten, da eine solche Koregentschaft in der Titulatur und in der Datierung nicht zwangsläufig kenntlich gemacht wurde. Außerdem gilt es zu beachten, dass das jüngste Datum eines Königs, das wir kennen, nicht unbedingt das letzte sein muss.

Die ägyptische Geschichte wird in der modernen Ägyptologie in mehrere Haupt- und Zwischenepochen gegliedert, denen auch dieses Buch folgt. Die drei Hauptepochen Altes, Mittleres und Neues Reich werden jeweils gefolgt von der 1., 2. und 3. Zwischenzeit, auf die 3. Zwischenzeit folgen die Spätzeit, dann die Perserzeit und schließlich die griechisch-römische Epoche des hellenistischen und kaiserzeitlichen Ägypten. Darüber hinaus wird die Geschichte der Pharaonen in 31 Dynastien eingeteilt – im Unterschied zu der modernen ägyptologischen Einteilung in Altes, Mittleres und Neues Reich beruhen diese Herrscherdynastien auf der historischen Überlieferung durch Manetho von Sebennytos, der im Verlauf dieses Kapitels noch in einem eigenen Abschnitt thematisiert werden wird.

Relative Chronologie

Für die relative Chronologie steht uns eine Reihe von Quellen zur Verfügung. Aus der pharaonischen Zeit stammen verschiedene Königslisten aus dem Alten und dem Neuen Reich, die in Hieroglyphenschrift in Stein gemeißelt waren, sowie ein hieratisch geschriebener Papyrus. Die Inschriften in Stein und Texte auf Papyrus unterscheiden sich in ihrem Charakter voneinander, wie man im Folgenden sehen wird. Außerdem gibt es nicht-zeitgenössische Quellen, die Schriften der griechischen und römischen Historiker.

Annalenstein der 5. Dynastie

Bei dem sogenannten Annalenstein handelt es sich um eine mit Hieroglyphen beschriftete Basaltplatte, die in mehrere Fragmente zerbrochen ist und die ursprünglich auf einen nicht sicher zu identifizierenden König der 5. Dynastie zurückgeht. Allerdings ist davon auszugehen, dass nur ein sehr kleiner Teil des Monumentes erhalten und der weitaus größere Teil verloren ist. Die einzelnen Fragmente werden in verschiedenen Museen aufbewahrt. Die beiden größten Teile werden nach ihrem jeweiligen Aufbewahrungsort »Kairostein« bzw. »Palermostein« genannt, weitere Bruchstücke befinden sich in London. Beide Seiten des Steins waren beschriftet. Für den Block lässt sich eine Breite von ca. 2 m und eine Höhe von ca. 1,40 m rekonstruieren, durch den äußerst fragmentarischen Zustand des Stückes muss dies aber eine Vermutung bleiben.

Auf dem Annalenstein werden die Namen und Regierungsdaten der ägyptischen Herrscher von der vorgeschichtlichen Zeit bis zur 5. Dynastie überliefert, daneben nennt der Text wichtige Ereignisse unter dem jeweiligen Herrscher und die zugehörigen Nilfluthöhen. Die Inschrift ist tabellenartig in rechteckigen Feldern angeordnet, in einem Feld findet sich der Name des Königs, seine Regierungsdauer sowie die Ereignisse jedes einzelnen Jahres, die man für erwähnenswert hielt. Solche Begebenheiten sind sowohl regelmäßig wiederkehrende als auch einmalige Ereignisse politischer, administrativ-wirtschaftlicher und religiöser Natur. So wird beispielsweise in der Regel die politisch relevante Thronübernahme des neuen Herrschers – sein »Erscheinen« – markiert, außerdem die Viehzählung und das sogenannte Horusgeleit, die von wirtschaftlicher Bedeutung waren. Anhand der gezählten Nutztiere wurde jeweils die Höhe der Abgaben berechnet. Als Horusgeleit wird die alle zwei Jahre stattfindende Barkenfahrt des Königs durch das ganze Land bezeichnet, auf der er die wichtigsten Verwaltungszentren besuchte, dort Gericht hielt und Steuern festsetzte. Die meisten Ereignisse waren jedoch religiöser oder kultischer Natur, wie z. B. das Sed-Fest, das »Umschreiten der Weißen Mauern« oder das Sokar-Fest. Die Weißen Mauern bezeichnen die Stadtmauern der Residenz Memphis, und das Ritual des Umschreitens dieser Mauern war mit der Übernahme des Thrones und des Regierungssitzes verbunden. Das Sokar-Fest wurde bei der Bestattung des verstorbenen Königs gefeiert und galt gleichzeitig der Gründung des Grabmales seines Nachfolgers. Einmalig auftretende Begebenheiten waren z. B. eine königliche Nilpferdjagd, ein Krieg mit einem Volk von Wüstennomaden, Geburten von Prinzen oder Prinzessinnen oder Gründungszeremonien von Bauwerken.

Darunter wird in einer Extrazeile die Höhe der Nilüberschwemmung des jeweiligen Jahres angegeben. Diese Informationensind für die Rekonstruktion der klimatischen Bedingungen von Bedeutung, und in der Tat kann damit ein Klimawandel während der vor- und frühdynastischen Zeit nachgewiesen werden.

Die Inschriften auf dem Annalenstein wurden vermutlich anhand von archiviertem Material zusammengestellt. Bei diesem Archivmaterial könnte es sich beispielsweise um die frühzeitlichen Annalentäfelchen handeln, deren Layout und Inhalt vergleichbar sind. Doch was war der Grund, ein solches Monument zu errichten und wo war es ursprünglich aufgestellt? Für die erste Frage gibt es in der Forschung mehrere Theorien, und sicherlich gab es nicht nur einen einzigen Hintergrund. Die Erfassung der jährlichen Nilstandshöhen sowie der regelmäßigen Steuererhebungen hatte zweifellos administrative Gründe, es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass diese Daten nur zu diesem Zweck in Stein angebracht wurden. Eine historische bzw. historisierende Dimension ist bei diesem Monument sicherlich nicht gegeben, vielmehr repräsentierte die in Stein gemeißelte Inschrift eine Dauerhaftigkeit, die für die Legitimation der ägyptischen Könige von größter Bedeutung war. Daneben spielte die Verehrung der Ahnen und Vorgängerkönige eine zentrale Rolle, die auf diese Weise ebenfalls gewährleistet wurde. Das heißt, im Vordergrund dürften nicht historische oder dokumentarische Gründe, sondern eher kultische bzw. politische Motive für die Errichtung des Annalensteins gestanden haben, womit sicher auch der Aufstellungsort in Zusammenhang steht. Für keines der Fragmente ist ein genauer Fundort dokumentiert. Für ein Fragment wurde überliefert, es sei in Memphis gefunden worden. Generell ist anzunehmen, dass das Monument im Tempelkontext errichtet worden ist, einerseits durch seinen politisch-legitimatorisch und kultisch relevanten Inhalt, andererseits durch die monumentalen Königslisten des Neuen Reiches, die ebenfalls im Tempel- oder Grabkontext angebracht wurden.

Aufgrund von Widersprüchen mit anderen Quellen und dem Fehlen von zeitgenössischen Quellen vor allem für die ägyptische Frühzeit darf der historische Wert dieses Monumentes nicht überschätzt werden, dennoch liefert er eine große Menge nützlicher Informationen über die Politik und Wirtschaft des ägyptischen Alten Reiches.

Turiner Königspapyrus

Eine weitere wichtige Quelle für die relative Chronologie Ägyptens ist der sogenannte Turiner Königspapyrus oder Royal Canon of Turin. Er wurde 1820 vom Bernadino Drovetti erworben und wenige Jahre später vom Ägyptischen Museum in Turin angekauft. Ursprünglich stammte er möglicherweise vom thebanischen Westufer, dies ist jedoch unsicher.

Der Papyrus ist auf Hieratisch beschriftet und hatte vermutlich eine ursprüngliche Länge von ca. 2 m. Durch seinen stark fragmentierten und lückenhaften Zustand ist die Rekonstruktion dieses umfangreichen Textes sehr schwierig und spekulativ, und es gibt auch heute noch immer wieder Änderungsvorschläge und Korrekturen. Auf der Vorderseite des Papyrus befindet sich ein Abgabenregister mit Schatzhausabrechnungen aus der Zeit Ramses’ II. Als diese Abrechnungen nicht mehr benötigt wurden, wurde der Papyrus wiederverwendet und man schrieb auf der Rückseite die Königsliste nieder.

Diese umfasste insgesamt zehn oder elf Textkolumnen, in denen in drei verschiedenen Kategorien die ägyptischen Herrscher mit der Dauer ihrer Regierungszeit namentlich überliefert werden. Der Papyrus beginnt mit den »Königtümern der Götter und Dynastien der Geister« – dies ist die erste Kategorie, die noch in die mythische Vorzeit gehört und über die es keine schriftlichen Quellen gibt. Die Kolumne II nennt 30 Herrscher von This und zehn (?) von Memphis, was bedeutet, dass wir uns in der vordynastischen Zeit befinden und einige dieser Könige sicherlich als mythisch zu bezeichnen sind. In der dritten Kategorie ab Kolumne III werden dann alle tatsächlich historisch belegten Herrscher bis zum Ende der 17. Dynastie genannt. Es muss sich also bei dieser Königsliste um eine Abschrift handeln, denn sie ist unvollständig und endet ca. 300 Jahre vor Ramses II., unter dem das Abgabenregister auf der Vorderseite niedergeschrieben wurde.

Für jeden Herrscher werden sein Name und seine Regierungszeit in Jahren, Monaten und Tagen sowie sein Alter im Jahr seines Todes angegeben. Die Namen und Daten sind listenartig untereinander geschrieben, außerdem ist die Liste in verschiedene Abschnitte geteilt, an deren Ende die Regierungszeiten summiert wurden. Sie weist einige Ähnlichkeiten mit der Liste auf, die auf den schon erwähnten Manetho von Sebennytos zurückgeht.

Der Turiner Königspapyrus ist die einzige ägyptische Königsliste vor der Ptolemäerzeit, die allein zum Ziel hat, die Namen der Könige und ihre Regierungsdauer zu dokumentieren. Damit unterscheidet sie sich klar von den im Folgenden zu besprechenden Königslisten, die in Stein gemeißelt im Tempel- oder Grabkontext zu finden sind und aus kultischen oder Legitimationszwecken dort angebracht wurden.

Die Königslisten von Abydos, Karnak und Saqqara

Aus dem Neuen Reich kennen wir weitere monumentale Königslisten, die weniger Informationen liefern als der Annalenstein und der Turiner Papyrus, dennoch stellen sie als zeitgenössische historische Quelle ebenfalls ein wichtiges Hilfsmittel für die Chronologie und Datierung dar. Wir kennen solche Listen an mehreren Orten in Ägypten, in den Tempeln von Abydos, im Tempel von Karnak und in Saqqara.

Die Königsliste von Saqqara befand sich ursprünglich im Grab des Tjenry, heute wird sie in Kairo aufbewahrt. Tjenry war im Tempel des Ptah von Memphis tätig und verantwortlich für die Opfer an die verstorbenen Könige. So ist es vermutlich zu erklären, dass er in seinem Grab die Abschrift einer Königsliste anbringen ließ, die sich vielleicht im Tempel von Memphis befunden hatte. Dadurch erhoffte er sich die Fürbitte der verstorbenen Könige bei den Göttern. Die Liste nennt insgesamt 58 Könige, die von König Ramses II. verehrt wurden. Die Regierungsdauer findet keine Erwähnung, und es sind einige Namen nicht erhalten. Etliche andere Königsnamen wurden offenbar absichtlich ausgelassen, so z. B. einige Herrscher aus der 1. Zwischenzeit, die als illegitim angesehen wurden. Dies lässt darauf schließen, dass vermutlich eine historische Analyse und Wertung vorgenommen wurde, aufgrund der diese Herrscher aus der historischen Erinnerung gestrichen wurden.

In Abydos befinden sich zwei Königslisten, eine im Tempel Sethos’ I. und eine weitere im Tempel seines Sohnes Ramses’ II. Die Königsliste Sethos’ I. ist an der Wand eines langes Ganges im Tempel angebracht, der aufgrund dessen die Königsgalerie genannt wird. Die Königsnamen sind in zwei Reihen angeordnet und in Kartuschen geschrieben. Davor ist König Sethos I. dargestellt, wie er seinen Vorvätern und Ahnen seinen Sohn Ramses als Nachfolger präsentiert. Auch in dieser Liste wurden bewusst einige Herrschernamen ausgelassen, so z. B. wiederum die Könige der 1. und 2. Zwischenzeit, des Weiteren Hatschepsut und Echnaton.

Königsliste im Totentempel Sethos’ I. in Abydos

Die Liste Ramses’ II. ist ganz ähnlich gestaltet, allerdings ist ihr Erhaltungszustand wesentlich schlechter. Sie befindet sich heute nicht mehr in Abydos, sondern seit 1837 im British Museum in London.

Die Liste Thutmosis’ III. in Karnak unterscheidet sich hiervon in einigen Punkten. Sie ist ebenfalls eher schlecht erhalten und befindet sich heute nicht mehr am Fundort, sondern im Louvre in Paris. Die Darstellung ist in zwei Register (= Bildstreifen) geteilt, in jedem ist der König abgebildet, wie er vor insgesamt 61 sitzenden Königsfiguren, die jeweils wiederum in zwei Reihen untereinander angeordnet sind, Opfer darbringt. Diese Figuren sind mit Namenskartuschen versehen, die die Könige vergangener Zeiten nennen. Die Namen befinden sich nicht in chronologisch korrekter, sondern in scheinbar willkürlicher Reihenfolge, außerdem werden Könige aus der 1. und 2. Zwischenzeit genannt – was bei den Königslisten in Abydos und Saqqara nicht der Fall war. Daher nimmt u. a. von Beckerath an, dass es sich bei den Königsdarstellungen um Statuen handelte, die Thutmosis III. im Tempel von Karnak vorgefunden hat. Der Zweck dieser Auflistung hatte demnach keinen legitimatorischen Charakter, wie er bei den Listen aus Abydos zu vermuten ist, die nur diejenigen Herrscher verzeichnete, die als legitim angesehen worden waren.

Im Totentempel Ramses’ II., auf beschrifteten Stein- oder Keramiksplittern (sogenannte Ostraka), in thebanischen Gräbern und auf Papyri finden sich kürzere Abschnitte dieser Königslisten als Kopien, die jedoch weitgehend die Herrscher des Neuen Reiches nennen. Diese unterscheiden sich von den monumentalen Listen und sind vermutlich als Schreibübungen und Notizen zu interpretieren.

Diese Listen dienten dem Totenkult des Königs oder aber Legitimationszwecken, insofern war es in ihnen nicht nötig, Regierungszeiten der einzelnen Könige zu nennen. Wohl notwendig war dagegen ihre Monumentalität, und es ist bezeichnend, dass keine einzige dieser reliefierten Königslisten Herrscher nennt, die in der pharaonischen Zeit als illegitim angesehen worden waren.

Manetho von Sebennytos

Der Name, der in Verbindung mit der altägyptischen Chronologie an dieser Stelle nicht fehlen darf, ist der von Manetho von Sebennytos, soll auf ihn doch die heute noch gültige Einteilung der ägyptischen Herrscher in 31 Dynastien zurückgehen.

Manetho war ein Priester und unter Ptolemaios II. in Heliopolis tätig, seine Lebensdaten sind in keiner einzigen Quelle überliefert. Er verfasste für den makedonischen Herrscher die sogenannten Aegyptiaca – eine Geschichte Ägyptens in drei Bänden, in der er die einzelnen Herrscher mit ihren Residenzstädten in chronologischer Folge zusammenstellte. Manethos Geschichte beginnt bei dem legendären König Menes und endet nach 31 Dynastien bei Alexander dem Großen. Als Priester waren ihm die Tempelarchive zugänglich, und so konnte er als Basis die dort archivierten Königslisten aus pharaonischer Zeit benutzen. Dieses Werk bildet das Grundgerüst der ägyptischen Chronologie. Die Geschichte Manethos ist dem Turiner Königspapyrus sehr ähnlich, wie dort werden bei Mane-tho auch die sogenannten illegitimen Herrscher genannt, die Namen sind ebenfalls in Gruppen zusammengestellt und wie im Papyrus listenförmig angelegt. Manethos Werk selbst ist nicht mehr erhalten – und damit ist eine historische Unsicherheit verbunden. Keiner der bekannten griechischen Historiker wie Diodor, Plinius oder Strabo oder auch der alexandrinischen Gelehrten wie Eratosthenes schien Manethos Aegyptiaca gekannt zu haben, keiner der bekannten Autoren hat das Werk rezipiert. Der erste, über den wir von Manetho hören, ist der jüdische Historiker Flavius Iosephus (37–100 n. Chr.), weiterhin zitierten Sextus Iulius Africanus (160/70–ca. 240 n. Chr.) und Eusebios von Caesarea (263–339 n. Chr.) Manethos Werk. Daher wird in der Forschung die Frage diskutiert, ob es sich bei Manethos Schriften um ein sogenanntes Pseudepigraph handelt, ein dem Autor fälschlich zugeschriebenes Werk, das in der Tradition der ägyptischen Annalenlisten verfasst wurde, aber nicht zur Zeit der Ptolemäer, sondern sehr viel später.

Eratosthenes von Kyrene

Je weiter fortgeschritten die ägyptische Geschichte ist, desto mehr zeitgenössische Quellen stehen dem Ägyptologen zur Verfügung, sodass man Fehler und Ungenauigkeiten in Manethos Werk erkennen kann. Solche Ungereimtheiten wären nun in der Tat nicht erstaunlich, wenn das Werk wirklich erst nach Diodor verfasst worden wäre und nicht schon in der frühen Ptolemäerzeit. Daneben werden Manethos Angaben aber auch immer wieder durch neue Funde bestätigt.

Griechische Historiker

Viele Informationen, die wir über das alte Ägypten haben, kennen wir nicht aus der pharaonischen Kultur selbst, sondern von den griechischen und römischen Historiographen.

Einer von ihnen war Hekataios von Milet (ca. 550–ca. 476 v. Chr.), der Ägypten möglicherweise noch vor der persischen Eroberung bereiste und einen Reisebericht verfasste. Sein Werk ist für andere Historiker eine wichtige Quelle, unter anderem finden sich bei Herodot Fragmente seines Berichtes. Abgesehen davon sind seine Schriften weitgehend verloren.

Der bekannteste griechische Historiograph ist zweifellos Herodot von Halikarnassos. Er lebte von 484–425 v. Chr. und besuchte Ägypten vermutlich während der Perserherrschaft etwa in der Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. Anhand seiner Studien und Erlebnisse verfasste er eine umfassende Geschichte des Alten Ägypten, seiner Bewohner und seiner Geschichte. Im ersten Teil beschreibt er die ägyptische Topographie und Natur sowie die Sitten und Gebräuche der Ägypter, allerdings zumeist »durch die Brille« der in Ägypten lebenden Griechen, für die vieles sicherlich fremd gewesen sein dürfte. Im zweiten Teil folgt ein Abriss der historischen Ereignisse, Herodot geht jedoch nur für die 26., die sogenannte Saïtische Dynastie (664–525 v. Chr.) wirklich ins Detail. Diese ist direkt vor der persischen Eroberung anzusetzen und lag somit noch nicht allzu lange zurück.

So informativ die Historien Herodots für die Forschung heute immer noch sind, auf dem Gebiet der Chronologie sind sie wenig hilfreich. Herodots Quellen waren vermutlich keine offiziellen Annalen oder Archivaufzeichnungen, sondern einerseits Berichte von Priestern mit Verweis auf Genealogien, die auf Statuen in Tempeln zu finden waren. Andererseits bezog er seine Informationen sicher auch aus volkstümlichen Sagen und Überlieferungen bzw. aus den Niederschriften von anderen griechischen Historikern, wie z. B. Hekataios von Milet. Für die 26. Dynastie überliefert Herodot die Namen und Regierungsdaten der Könige, über die davorliegende Zeit schreibt Herodot aber eher pauschal. Er nennt 330 Herrscher, und nur einige Namen, die er aufzählt, kennen wir tatsächlich aus der ägyptischen Überlieferung. Er erwähnt die Pyramiden von Gisa, schiebt deren Erbauer, die eigentlich in die 3. Dynastie gehören, zwischen Ramses III. aus der 20. Dynastie und die Spätzeit (25./26. Dynastie) ein. Die Reihenfolge der Ereignisse ist ebenfalls nicht korrekt, sodass Herodots Historien an sich für die Rekonstruktion der historischen Abläufe und der Chronologie wertlos sind.

Eratosthenes von Kyrene kam Mitte des 3. Jh.s v. Chr. nach Ägypten, um dort die berühmte Bibliothek von Alexandria zu leiten. Auf ihn soll eine Liste von 38 + 53 Namen zurückgehen, die allerdings nicht erhalten ist. Weitere Listen sind aus der Spätantike von Georgios Syncellos und Apollodoros überliefert. Die Vorlage für Georgios bildeten Africanus’ und Eusebios’ Kopien von Manethos Werk »Aegyptiaca«.

Auch bei dem griechischen Autor Diodor kann man die Geschichte Ägyptens nachlesen, seine Quelle dafür waren hauptsächlich die Schriften von Hekataios von Abdera. Hekataios von Abdera ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Autor aus Milet. Er war ein Zeitgenosse von Alexander dem Großen und Ptolemaios I. Das Hauptwerk des Hekataios war eine Geschichte Ägyptens im Auftrag Ptolemaios’ I., d. h. sie dürfte politisch motiviert und ausgerichtet sein. Hekataios lebte in Ägypten, er hat also in erster Linie sicherlich seine eigenen Beobachtungen niedergeschrieben, diese aber vermutlich mit älteren Überlieferungen vermischt. Nach seinen Schriften, die im Original allerdings nur in Fragmenten erhalten sind, war Ägypten die Quelle der Kultur.

Absolute Chronologie und Datierungsmethoden

Über die absolute Chronologie der altägyptischen Geschichte wird noch immer diskutiert, doch letzten Endes lassen sich dazu in vielen Fällen auch weiterhin keine genauen Angaben machen. Als Basis der absoluten Daten dienen vor allem astronomische Beobachtungen, genauer gesagt, das Datum, an dem der Fixstern Sirius das erste Mal wieder am Himmel sichtbar wird, d. h. der sogenannte heliakische oder Frühaufgang des Sirius. Er markierte, wie schon gesagt, den Beginn der Nilüberschwemmung und hatte deswegen große Bedeutung für die Landwirtschaft.

Die ägyptischen Kalenderdaten lassen sich in den julianischen Kalender unter Berücksichtigung bestimmter astronomischer Faktoren umrechnen, allerdings unterliegt das Ergebnis aufgrund von verschiedenen Unsicherheitsfaktoren, wie z. B. Luftverschmutzung, dunstige Wetterlage, Beobachtungsort u. a. dennoch relativ großen Schwankungen. Für manche Epochen und Ereignisse vor allem während des Alten und Mittleren Reiches lassen sich keine exakten Jahreszahlen, sondern nur Zeiträume von bis zu zehn Jahren angeben, genauere Angaben sind nicht möglich. Etwas stabiler wird das chronologische Gerüst dann erst in der griechisch-römischen Epoche.

Der Sonnenkalender und das Sothis-Datum

Die frühzeitlichen Elfenbeintäfelchen, wie man sie z. B. aus Abydos kennt, sind die frühesten Belege dafür, dass man in Ägypten nach Jahren rechnete. Die alten Ägypter beobachteten also schon sehr früh den Sonnenlauf und dokumentierten die Regelmäßigkeiten. Es wurde ein solarer Kalender entwickelt, der aus zwölf Monaten mit je 30 Tagen bestand, hinzu kamen fünf zusätzliche Tage, die sogenannten Epagomenen. Was man offenbar aber so früh noch nicht beobachten konnte, ist die Tatsache, dass das Jahr nach dem ägyptischen Kalender um einen Vierteltag kürzer ist als das Sonnenjahr. Damit ist es ein sogenanntes Wandeljahr: da der Kalender nicht alle vier Jahre einen Schalttag einfügt, wandert das Datum des heliakischen Aufgangs der Sothis alle vier Jahre um einen Tag weiter, bis es erst nach 1460 Jahren wieder am Beginn ankommt (der sogenannte Sothis-Zyklus).

Ptolemaios III. versuchte 238 v. Chr., den Kalender zu reformieren und einen Schalttag einzuführen, nach seinem Tod kehrte man aber wieder zum alten Kalender zurück. Caesar griff wohl für den Iulianischen Kalender auf das ptolemäische Vorbild zurück. Unter Augustus gab es dann eine weitere Kalenderreform. Der sogenannte Alexandrinische Kalender, der daraus hervorging, war bis zur Arabischen Eroberung in Gebrauch und findet sich bruchstückhaft auch heute noch, und zwar in Form des liturgischen Kalenders der äthiopischen und koptischen Kirche.

Mondkalender

Neben dem Verwaltungskalender, der sich nach dem Sonnenlauf richtete, gab es noch einen weiteren Kalender, einen Ritualkalender, der vor allem für den Kult und die religiösen Feste von Bedeutung war und der sich nach den Mondphasen richtete. Für die Chronologie birgt dieser Mondkalender zwei Schwierigkeiten. Zum einen war ein Mondmonat im Durchschnitt 29,5 Tage lang, das Jahr mit 354 Tagen also insgesamt elf Tage kürzer als das Sonnenjahr. Statt eines Schalttages muss in das Mondjahr sogar ein ganzer Monat eingeschoben werden. Zum anderen war im bürgerlichen Sonnenjahr dieser religiöse Mondkalender fest verankert. Das heißt, während die Daten im Sonnenjahr wanderten, blieben die Festdaten im Mondkalender fixiert, und das Mondjahr »wanderte« seinerseits durch das Sonnenjahr. Diese Tatsache führte wohl schon im Alten Ägypten zu Problemen, weswegen man in einer Reform den zivilen Kalender mit dem Mondkalender koordinierte und verband. Die Monate waren nun einheitlich 30 Tage lang und erhielten eigene Namen, die auf verschiedene Feste zurückgehen und aus denen die griechischen, koptischen und aramäischen Monatsnamen entstanden sind.

Sowohl die Monddaten als auch das Sothis-Datum werden in der Forschung oft für Berechnungen und chronologische Rekonstruktionen herangezogen.

1So wird das Regierungsjubiläum des Königs bezeichnet, das er zuerst nach 30 Regierungsjahren beging, danach auch in kürzeren Abständen. Die Rituale und Feierlichkeiten des Sedfestes dienten der Verjüngung und Regeneration des Königs. Durch Laufrituale stellte er unter Beweis, dass er noch die Kraft besaß, um die Herrschaft auszuüben.

2Assmann, Hymnen und Gebete, S. 83.

3Hornung, Totenbuch, S. 133.

II. Prolog – die Vorgeschichte

Von Menes, dem ersten König der Ägypter, erzählen die Priester, er habe Memphis durch einen Damm gesichert. Damals strömte der Fluss ganz an dem Sandgebirge entlang nach Libyen. Menes schuf etwa 100 Stadien oberhalb von Memphis durch Dämme die südliche Biegung des Stromes, trocknete das alte Flussbett aus und bewirkte, dass der Fluss mitten zwischen den Bergen in einem Kanal strömte. … Als Menes, der erste König, das abgedämmte Stück Land trockengelegt hatte, gründete er zunächst darauf diese Stadt, die heute Memphis heißt. (Herodot II, 99)

Die Epochen vor der sogenannten ägyptischen Frühzeit gehören in die prähistorische oder vorgeschichtliche Zeit, das heißt, aus dieser Zeit existieren noch keine schriftliche Aufzeichnungen. Die einzigen unmittelbaren Informationsquellen für historische und kulturelle Fragestellungen sind archäologische Funde und Befunde, allerdings stammen diese zumeist aus dem funerären4 Bereich. Wenn Bildquellen vorhanden sind, so sind sie zu dieser frühen Zeit nicht eindeutig interpretierbar. All diese Einschränkungen führen dazu, dass sich Rückschlüsse auf nicht-materielle Kulturbereiche wie z. B. die Religion oder die sozialen Strukturen nur schwer und mit größter Vorsicht ziehen lassen.

Seit Beginn der Besiedlung des Niltals (ca. 500 000 v. Chr.) im Paläolithikum wurden nach und nach die Grundlagen für die ägyptische Hochkultur geschaffen, erst in der frühdynastischen Zeit, die etwa den Dynastien 0–2 (3150–2600 v. Chr.) entspricht, wurde der ägyptische »Staat» gegründet. Die politische Struktur im Alten Ägypten wird gemeinhin so bezeichnet, auch wenn die moderne Definition für einen Staat nicht in allen Punkten zutrifft.

Die ältesten Zeugnisse des Menschen im Niltal

Im Detail betrachten wir mit der Geschichte des pharaonischen Ägypten einen Zeitraum von mehr als 3000 Jahren. Die Vorgeschichte der altägyptischen Kultur beginnt jedoch schon sehr viel früher in der Altsteinzeit bzw. dem Paläolithikum (ca. 500 000–10 000 v. Chr.). In dieser Zeit fanden tiefgreifende klimatische Veränderungen statt. Die Landschaft am Nil wurde durch Erosion und Sedimentation überformt, die ihr seine heutige Gestalt verliehen. Durch starke Regenfälle war außerdem das Niltal selbst zunächst nicht zugänglich oder gar bewohnbar. Früheste Spuren menschlichen Lebens finden sich nur in den direkt angrenzenden Wüstenhochländern und den Oasen. Diese Spuren bestehen vor allem aus einfachen Geräten aus Feuerstein, andere menschliche oder strukturelle Überreste finden sich aus dieser Zeit noch nicht. Dies ist mit der Lebensweise dieser Menschen zu begründen: Sie waren nicht sesshaft, lebten als Jäger und Sammler und führten ein Nomadendasein. Erst in der Endphase dieses Zeitalters, im späten Paläolithikum (ca. 25 000–10 000 v. Chr.) begannen sich bestimmte Charakteristika und lokale Eigenheiten einer eigenen Kultur herauszubilden. Es lassen sich nun Bestattungen archäologisch nachweisen und auswerten, es gibt Hinweise auf saisonale Siedlungen und Anfänge von Subsistenzwirtschaft. Die Menschen beobachteten den Wechsel der Jahreszeiten, wanderten zwischen verschiedenen, je nach Jahreszeit günstigen Siedlungsplätzen hin und her und wurden so zu Halbnomaden. Diese partielle Sesshaftigkeit führte zu einem starken Anstieg der Bevölkerungsdichte, die sich in einer größeren Konzentration von Siedlungsplätzen niederschlug. Die Menschen lebten hauptsächlich immer noch vom Jagen und vom Sammeln von Wildpflanzen und -früchten, hinzu kam nun noch der Fischfang. Für uns heute noch sichtbare Belege ihres Lebens sind weiterhin vor allem die Steingeräte, sogenannte Silexwerkzeuge. Diese, durch das Behauen von Feuerstein- oder Obsidianknollen entstandenen, sehr scharfkantigen Abschläge verwendeten die Menschen als Messer, Speer- und Pfeilspitzen, Angelhaken oder Harpunen. Die behauenen Knollen, sogenannte Silexkerne, wurden zu Hämmern, Faustkeilen oder Schabern. Mithilfe dieser Werkzeuge konnten die Menschen ihre Nahrung wesentlich effektiver beschaffen, außerdem begannen sie, die Lebensmittel durch Trocknen haltbar zu machen. So konnte man Vorräte anlegen und sogar Überschüsse produzieren.

In den Jahrtausenden zwischen ca. 25 000 und 10 000 v. Chr. liegt die »Geburtsstunde« der ägyptischen Kultur. Ein weiterer Klimawandel und extreme Dürre führten zur Austrocknung der Sahara, sodass sie nicht mehr bewohnbar war und die zentralafrikanischen Nomadenstämme gezwungen waren, von den Hochebenen herab ins Niltal zu steigen und das Leben als Jäger und Sammler gegen die Sesshaftigkeit von Ackerbauern und Viehzüchtern einzutauschen. Es bedurfte jedoch noch vieler Schritte auf der Leiter der Zivilisation, bis die ersten Äcker bestellt und Tiere domestiziert waren.

Das Neolithikum in der Sahara

In der Neusteinzeit bzw. dem Neolithikum (10 000–4400 v. Chr.) machte die Entwicklung der Menschheit nicht nur im nordafrikanischen Raum einen gewaltigen Sprung, sondern auch in vielen anderen Gegenden der Welt.

Die Sahara wird am Beginn dieser Epoche durch einen erneuten Wechsel der klimatischen Bedingungen wieder bewohnbar. Dort finden sich nun die am weitesten entwickelten Siedlungsplätze Nordafrikas. Im Niltal selbst dagegen verzögerte sich die Entwicklung erstaunlicherweise, und vielfältige Errungenschaften des 8. und 7. Jahrtausends v. Chr. gingen an den Menschen am Nil vorerst vorüber. Nicht nur in der Sahara, sondern auch im Vorderen Orient lässt sich ein rasanter kultureller Fortschritt beobachten. Schon im sogenannten präkeramischen Neolithikum (10 200–8800 v. Chr.) finden wir in Orten wie Göbekli Tepe in Anatolien, Jericho in der Levante u. a. m. domestizierte Tiere, Landwirtschaft, verzierte Steingefäße und feste Hütten aus Stein oder Lehmziegeln – Errungenschaften, die wir im Niltal noch für mehrere Jahrtausende vermissen. Dies lässt sich vielleicht mit den überaus günstigen Lebensbedingungen, die der Fluss und seine Ufer boten, begründen. Allein durch die Jagd und das Sammeln von Früchten und Pflanzen konnten sich die Menschen ohne große Mühe mit fast allem versorgen, was sie zum Leben benötigten. Sie waren nicht darauf angewiesen, sich um die Optimierung der Erträge oder um die Lagerung von Vorräten für schlechte Zeiten zu kümmern, sodass sie zunächst in ihrem halbsesshaften Leben mit saisonalen Siedlungen verharrten.

Eine weitere Phase der Austrocknung zwang die Bewohner der Sahara im 6. Jahrtausend v. Chr. wieder ins Niltal zurück, wo sich die Völkerstämme der zentralafrikanischen Hochebenen und die im Niltal ansässigen Stämme vermischten. Am Ende des 6. Jahrtausends v. Chr. finden wir nun auch am Nil die ersten neolithischen Kulturen. Generelle Merkmale neolithischer Siedlungen sind die Kultivierung verschiedener Getreidesorten, an die Jahreszeiten angepasste Subsistenzwirtschaft und die Domestizierung von Rindern, Schweinen und Schafen bzw. Ziegen. Daneben nutzten die Menschen weiterhin Wildpflanzen, Früchte und Fisch, sie lebten in halb unterirdisch angelegten runden oder ovalen Hütten mit Wänden aus Mattenkonstruktionen. Die Hütten waren in kleinen Gruppen oder Reihen mit Pfaden dazwischen angelegt, nicht weit davon fanden sich häufig Getreidesilos. Die Bestattungen waren ebenfalls oval oder rund, es waren einfache Gruben, in die der Verstorbene in seitlicher Hockerstellung und in eine Matte oder ein Fell gewickelt beigesetzt wurde. Beigaben finden sich gelegentlich, sie bestanden zum größten Teil aus Keramikgefäßen. Die Keramik, die man im Neolithikum herstellte, war noch nicht auf der Töpferscheibe gedreht, sondern handgeformt. Die Oberfläche wurde gut geglättet und bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen gebrannt. Die Gefäße hatten zu dieser Zeit noch wenig charakteristische Formen, sie wurden gelegentlich mit eingeritzten Linien oder aufgesetzten kleinen Knöpfen dekoriert. Man stellte Geräte und Werkzeuge aus Knochen her, außerdem entstanden erste Bildwerke aus Ton oder Stein, wie z. B. kleine weibliche Figurinen aus Ton mit erhobenen Armen und deutlich ausgeprägten Geschlechtsmerkmalen.

Aus Silex wurden scharfkantige Werkzeuge wie Pfeilspitzen, Messer- und Sichelklingen hergestellt, daneben birnenförmige Keulenköpfe aus verschiedenen Hartgesteinen und polierte Äxte aus Silex. Die Herstellungstechnik sowohl der Steingeräte als auch der Keramik war inzwischen deutlich elaborierter, das Spektrum der verschiedenen Geräte und Formen größer. Der materielle Befund der ägyptischen Kulturen des frühen Neolithikums (5. Jahrtausend v. Chr.) belegt eine sich entwickelnde soziale Schichtung und technischen Fortschritt auf allen Gebieten. Schmuck und individuelle Dekoration von Alltagsgegenständen und damit eine persönliche Identität spielten offensichtlich eine immer größere Rolle, wie man an der Zusammensetzung der Grabbeigaben gut erkennen kann. Daneben entwickelten sich differenzierte Vorstellungen von einem Jenseits und einer Götterwelt. Das Land war in Kulturgruppen oder Häuptlingstümer gegliedert, deren Oberhäupter die politische Macht auf ihre Person konzentrierten. Durch die Verschmelzung mit den Merkmalen der aus der Sahara zugewanderten Gruppen entstand eine eigenständige Kultur, die sich zwar vergleichsweise spät, dafür umso dynamischer entfaltete und schließlich in der ägyptischen Hochkultur gipfelte.

Neolithische Kulturen in Ägypten im Detail

Die frühesten, voll entwickelten neolithischen Fundorte Ägyptens liegen in Merimde-Benisalame, im Fayum, in El-Omari und Maadi in Unterägypten sowie in Badari und Naqada in Oberägypten. Jede dieser Kulturen hatte ihre ganz eigenen charakteristischen Merkmale, die sie von den anderen unterschied und damit unverwechselbar machte. Solche Charakteristika bestanden zum Beispiel darin, Tongefäße unterschiedlich zu bearbeiten, ihnen verschiedene Formen zu geben und sie auf individuelle Weise zu dekorieren. Unterschiede solcher Art machen die einzelnen Kulturen identifizierbar und bezeugen gleichzeitig Handelsbeziehungen der Orte untereinander.

Aus Merimde-Benisalame stammen die ältesten Funde, die bis an das Ende des 6. vorchristlichen Jahrtausends zurückreichen. Die Menschen lebten nunmehr in festen Behausungen, sie legten Getreidespeicher an und hielten Haustiere (Schafe, Ziegen, Schweine). Ihre Verstorbenen setzten sie in Hockerstellung in flachen Gruben bei, die Gräber blieben weitgehend ohne Beigaben. Charakteristisch ist neben den normalen, eher groben und leicht gebrannten Haushaltsgefäßen eine eigenständige, mit Fischgratmuster dekorierte Keramik. Daneben stellte man Geräte, Schmuck und Accessoires aus Knochen sowie Figurinen aus Ton her. Eins der eindrücklichsten frühen Bildwerke ist sicher der sogenannte Idolkopf aus Merimde-Benisalame. Er besteht aus grobem Nilton und ist sehr einfach gestaltet. Kleine Vertiefungen rund um das Gesicht deuten darauf hin, dass Haare und Bart mit Hilfe von organischem Material, wie z. B. echtem Haar oder dünnen Zweigen dargestellt worden sein könnten. Der Kopf war möglicherweise auf einem Pfosten als Idol o. ä. aufgestellt. Durch die Lage am Wüstenrand und das starke Vorkommen von Feuerstein in der Wüste produzierten die Menschen in Merimde Benisalame in großem Umfang Steingeräte. Diese Geräte wurden nun nicht mehr nur für den Eigenbedarf hergestellt, sondern waren auch Tauschobjekte.

Maadi und Badari in Unterägypten

Die etwas jüngere Maadi-Kultur (4000–3400 v. Chr.) zeichnet sich neben alledem, was für die Merimde-Kultur galt, durch die Nutzung von Kupfererz aus. Das Erz wurde in der näheren Umgebung von Maadi gefunden und zur Herstellung von Nadeln, Angelhaken und Werkzeugen, aber auch als Farbstoff verwendet. Es gibt Hinweise auf Handelskontakte und kulturellen Austausch mit dem Vorderen Orient, genauer gesagt mit dem Süden Palästinas. Die Bewohner des Niltals importierten und exportierten zumeist Verbrauchsgüter, von denen uns heute nur noch die »Verpackungen« – die Keramikgefäße – erhalten geblieben sind. Sowohl in Maadi als auch in einzelnen Siedlungen Palästinas finden sich typische Gefäße aus der jeweils anderen Kultur sowie Rohstoffe und Hinweise auf Einwanderer aus dieser Region (z. B. palästinensische Gefäße aus ägyptischem Nilton). Bei den Einwanderern könnte es sich um Händler handeln. Die Beziehungen zu Palästina brechen mit dem Ende der Maadi-Kultur ab (ca. 3500 v. Chr.), in Oberägypten finden wir zu dieser Zeit keine vergleichbaren Handelsstrukturen.

In Oberägypten wird die älteste neolithische Kultur nach ihrem Hauptort Badari (4400–3800 v. Chr.) benannt. Die Menschen wohnten in kleinen Dörfern und lebten ebenfalls von Viehzucht, Ackerbau, Jagd und Fischfang. Die Bedingungen für die Landwirtschaft waren günstig, durch das geringe Gefälle des Flusslaufes formten sich in den Talebenen des Nils natürliche Becken und Dämme, die die Grundlage für die spätere Bassinbewässerung bildeten. Die Menschen in Badari trieben Handel mit Siedlungen in Vorderasien, daneben mit ihren Nachbarn im südlich gelegenen Nubien auf dem Gebiet des heutigen Sudan, allerdings nur sporadisch. Es fanden sich in Bestattungen einzelne Gefäße aus dem palästinensischen Raum sowie Türkisperlen und Muscheln in geringer Zahl. In den Bestattungen finden wir nun auch Grabbeigaben, an denen soziale Unterschiede und individuelle Geschmäcker deutlich sichtbar werden. Solche Beigaben sind z. B. polierte Gefäße aus einem sehr feinen, roten oder braunen Ton, deren unregelmäßiger schwarzer Rand und die schwarze Innenfläche charakteristisch für die Badari-Kultur sind. Diese sogenannte »black topped ware« zeigt, dass die Töpfer ihr Handwerk beherrschten – das charakteristische zweifarbige Design dieser Gefäße kann nur durch unterschiedliche, genau kalkulierte Brenntemperaturen und kontrollierte Sauerstoffzufuhr entstehen. Durch ihre auffällige Herstellungstechnik und Optik lässt sich sehr gut beobachten, dass diese Gefäße über ganz Ägypten und darüber hinaus verbreitet waren. Diese Ware blieb bis zum Ende der prähistorischen Epoche in Gebrauch, es veränderten sich aber die Qualität und das Formenspektrum hin zu eher standardisierten Formen. Beides deutet darauf hin, dass die Handwerker sich im Laufe der Zeit immer weiter spezialisierten und die Herstellungstechnik immer mehr verbesserten.

Weiterhin sind Gefäße mit einer gewellten Oberfläche typisch für die Badari-Kultur. Im lederharten Zustand bearbeitete man offenbar die Oberfläche des Gefäßes rundum mit einer Silexklinge, um eine sehr dünne Wandung und das typische Rillenmuster zu erhalten. Danach wurde die Oberfläche noch einmal geglättet, mit einem roten Überzug versehen und poliert.

Die Silexindustrie entwickelte ein immer größeres Spektrum an Geräten, die auf die speziellen Bedürfnisse und Gebrauchsfelder abgestimmt waren. Wir finden Schaber, Bohrer, Messer- und Sichelklingen, Speer- und Pfeilspitzen.

Die Herstellung von Steingeräten befand sich ebenfalls auf einem hohen Niveau. Äußerlich ähneln die Formen denen der Tongefäße, wobei aber die Herstellung von Steingefäßen völlig andere Technologien und anderes Fachwissen erforderte. Ein Zentrum der Steingefäßherstellung war in Maadi in Unterägypten, wo die entsprechenden Hartgesteine wie z. B. Basalt vorkamen und man so keine langen Wege vom Steinbruch in die Werkstatt in Kauf nehmen musste. Maadi war wie schon in der vorangegangenen Zeit ein Zentrum der Metallverarbeitung, die nun aber auf viel höherem Niveau erfolgte. Im frühen Neolithikum fanden wir Gegenstände aus kalt gehämmertem Kupfer, mittlerweile war man aber auch in der Lage, im Schmelzofen Temperaturen von ca. 1200°C zu erreichen und damit Kupfererz zu schmelzen. Dies erforderte hohes technisches Fachwissen und einen hohen Grad an Spezialisierung. Dieser Fortschritt lässt sich an vielen Orten beobachten und ist für die Epoche namengebend: Kupfersteinzeit (Chalkolithikum).

An den Grabausstattungen wird – wie eben schon angedeutet – die persönliche Identität deutlich. Die Gräber unterscheiden sich zum einen in der Größe voneinander, wodurch eine soziale Hierarchie deutlich wird. Daneben können sie nun unterschiedliche und ganz persönliche Gegenstände wie Schmuck, Kämme, Kosmetikutensilien, Elfenbein- und Kupfernadeln, geschnitzte Löffel aus Knochen oder Elfenbein sowie Tonfigurinen enthalten, außerdem Werkzeuge und Waffen. Letzteres weist wiederum auf eine professionelle Spezialisierung hin, abgesehen davon zeigen diese Beigaben den Beginn des für Ägypten so typischen, aufwendigen Totenkultes an. Dass man dem Verstorbenen bestimmte Gegenstände ins Grab mitgab, zeigt, dass man eine bestimmte Vorstellung davon hatte, wie die Existenz nach dem Tod aussah und dass der Verstorbene diese Gerätschaften dafür brauchen könnte.

Am Übergang vom 5. zum 4. Jahrtausend v. Chr. fanden im prähistorischen Ägypten tiefgreifende Veränderungen in der Versorgung, Wirtschaft und der sozialen Organisation statt – wie an dem immer breiter werdenden Spektrum an Gefäßformen und Steingeräten sowie an der technischen Weiterentwicklung in der Textilproduktion und Metallbearbeitung deutlich zu sehen ist. Die Verbreitungsmuster der Keramik, die technologische Konsistenz und die standardisierten Formen lassen auf eine Spezialisierung des Handwerks innerhalb einer wirtschaftlich tragfähigen Gesellschaft schließen. Die Gesellschaft differenzierte sich nicht mehr nur durch Alter und Geschlecht, sondern auch durch professionelle Fähigkeiten.

Naqada in Oberägypten

Den Schlüssel zur ägyptischen Hochkultur finden wir in Naqada, dem Ort der bedeutendsten neolithischen Kultur Ägyptens. Naqada liegt etwas südlich von Badari und ca. 45 km nördlich von Luxor in Mittelägypten. Zunächst bestanden die Badari- und die Naqada-Kultur gleichzeitig, dann wurde die Badari-Kultur von Naqada überlagert und schließlich ganz abgelöst. Es werden drei Hauptepochen innerhalb der Naqada-Kultur unterschieden – Naqada I, II und III, wobei sich die Naqada-III-Phase noch feiner unterteilen lässt.

Mit der Naqada-I-Stufe springen wir zeitlich noch einmal ein Stück zurück, sie ist von ca. 4500 bis 3500 v. Chr. anzusetzen. Die typische Keramik weist eine rote, polierte Oberfläche und darauf weiße oder cremefarbene Linienmuster auf, später findet sich figürliche Dekoration. Das Dekorationsspektrum umfasst dabei Tier-, Jagd-, Kult- und Kampfszenen sowie vereinzelt Schiffe, die ein Symbol für Mobilität, Expansion und Handel sind. Genau dafür steht die gesamte Epoche. Schon die Naqada-II-Kultur (ca. 3500–3300 v. Chr.) breitete sich nach Norden bis an den Südrand des Fayum-Beckens aus und assimilierte schließlich auch die unterägyptischen Kulturen, sodass sich ab der Phase Naqada III (ca. 3300–3000 v. Chr.) in ganz Ägypten ein einheitliches kulturelles Bild zeigte.