Das Bildnis der Ahnin - Artur Landsberger - E-Book

Das Bildnis der Ahnin E-Book

Artur Landsberger

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Beschreibung

»Und doch ist es so!« beteuerte der Hausmeister. »Einer der Herren van Vestrum hat die Zigeunerin in der Nähe von Haarlem auf einem seiner Jagdzüge aufgegriffen, sie auf sein Pferd genommen und ist mit ihr in die Stadt geritten, um sie in ihren Lumpen, so, wie er sie fand, von Frans Hals malen zu lassen. Später hat er sie dann in kostbare Kleider gesteckt und ist mit ihr und dem Bilde nach Schloß Vestrum zurückgekehrt.« »Ein Märchen!« rief ein alter Beamter und schlug auf den Tisch; aber der Baumlange nickte und meinte: »Es kann stimmen! Etwas Zigeunerhaftes hat unsere junge Herrin an sich – etwas Wildes, Unbeherrschtes –

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Artur Landsberger

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Das Bildnis der Ahnin

idb

ISBN 9783961509997

Auftakt.

Johannes van Gudry kniff die Augen zusammen, stützte den Kopf in die Hand und spitzte die Ohren. Der schmutzigen Kellnerin, die sah, daß sein Glas leer war, und die Miene machte, an ihn heranzutreten, gab er ein Zeichen. Die trat behutsam an ein Grammophon, das wie eine von Absinth trunkene Grisette gröhlte, und stellte es ab.

Peter Last lächelte, neigte den Kopf noch ein wenig mehr zur Seite und verstand nun jedes Wort, das man am Nebentische sprach. Der niedere, langgestreckte Raum war dick verqualmt, und der üble Dunst von Rauch und Menschen nahm ihm den Atem.

Im Grunde interessierten ihn diese Menschen nicht. Aber es machte ihn stutzig, daß Gutsbeamte, die hier nach Feierabend ihren Lohn vertranken, sich über ein Gemälde unterhielten und dabei Frans Hals nannten, als wäre ihnen der Name geläufig wie der des grünen Giftes, das sie täglich tranken, oder des Tabaks, den sie mit schwarzen Fingern in die kurzen Pfeifen stopften.

»Frau Kornelia wird alle Tage blasser und schmaler,« rief ein baumlanger Kerl. »Sie steckt in keiner gesunden Haut!«

»Unsinn!« widersprach ein anderer, der glattrasiert war und einem herrschaftlichen Diener glich. »Das liegt viel tiefer.«

Und als die anderen verständnislos zu ihm aufsahen, hob er die rechte Hand und sagte geheimnisvoll: »Auf Frau Kornelia ruht der Fluch des Hauses Vestrum.«

Da wurden die Gesichter noch länger, die Augen noch größer. Sie starrten ihn an, und der Baumlange, der der Beherrschteste war, fragte: »Was für ein Fluch?«

»Mir hat mein Vater, der vor mir Hausmeister auf Schloß Vestrum war, erzählt, daß irgendwo im Schlosse das Bild einer Zigeunerin verborgen sei, das niemand anderen vorstelle als eine der Ahnen des Hauses Vestrum.«

»Eine Zigeunerin die Ahnfrau Frau Kornelias?« warf einer der verblüfften Leute ein, und die anderen schüttelten die Köpfe und riefen: »Nein! das glauben wir nicht!«

»Und doch ist es so!« beteuerte der Hausmeister. »Einer der Herren van Vestrum hat die Zigeunerin in der Nähe von Haarlem auf einem seiner Jagdzüge aufgegriffen, sie auf sein Pferd genommen und ist mit ihr in die Stadt geritten, um sie in ihren Lumpen, so, wie er sie fand, von Frans Hals malen zu lassen. Später hat er sie dann in kostbare Kleider gesteckt und ist mit ihr und dem Bilde nach Schloß Vestrum zurückgekehrt.«

»Ein Märchen!« rief ein alter Beamter und schlug auf den Tisch; aber der Baumlange nickte und meinte: »Es kann stimmen! Etwas Zigeunerhaftes hat unsere junge Herrin an sich – etwas Wildes, Unbeherrschtes – genau wie meine Zenta, von der auch niemand recht weiß, woher sie kommt.«

»Und dieser Zigeunerin lag der Trieb zum Stehlen so tief im Blute,« fuhr der Hausmeister fort, »daß sie sich selbst als spätere Herrin auf Vestrum noch an ganz wertlosen Gegenständen ihrer Gäste und eigenen Leute vergriff.«

»Na, stehlen tun sie heute noch auf dem Schloß wie die Raben,« meinte der Alte.

Und der Baumlange stieß den Rauch aus der Pfeife und sagte: »Am Ende geht die Ahnfrau herum und stört Fräulein Kornelias Schlaf;« – dann brüllte er laut vor Lachen, schüttelte sich und rief: »Ammenmärchen! für Kinder! Fräulein Kornelia hat Liebeskummer! das ist es!«

Ein Dritter warf ein: »Der junge Advokat aus der Stadt, der ihr Vermögen verwaltet, hat es ihr angetan.«

»Mag sein,« erwiderte der Hausmeister. »Er und Fräulein Kornelia stimmen gut zueinander. Aber daß sie ihn nicht erhört, das eben hängt mit dem Fluch und dem Bilde zusammen und mit der Zigeunerin. Niemand hat das Bild gesehen; nur Fräulein Kornelia kennt es. Und es gibt Tage, an denen sie weiß wie der Tod ist und scheu wie ein Reh durch die Zimmer schwebt, niemanden ansieht oder empfängt. Selbst den Advokaten nicht. Das sind die Tage, an denen sie unter dem Einfluß des Bildes steht.«

»... das gar nicht existiert und nur in ihrer Vorstellung lebt,« fiel ihm der Lange ins Wort.

»Das Bild ist da!« entgegnete der Hausmeister. »Und Frans Hals schuf es so voller Leben und Bewegung, daß es jeden, der es betrachtet, in seinen Bann zieht.« – –

Peter Last verwickelte die Kellnerin in ein Gespräch. Sie erzählte ihm von der schönen Schloßherrin, die man nie sah; er erfuhr den Namen des jungen Advokaten aus der Stadt, stand auf, zahlte, bestellte am Büfett noch einen Likör und prägte sich, während er ihn langsam trank, genau die Gesichter der Leute ein, die um den Tisch herum saßen und sich um Kornelia, Frans Hals und die Zigeunerin stritten. Dann erst ging er.

Erstes Kapitel.

Es war sieben Uhr durch, und das Wartezimmer des Advokaten Dr. Kargert betraten noch immer neue Klienten, »Ob wir wohl heute noch herankommen werden?« war die Frage, die auf den Gesichtern aller Eintretenden zu lesen war.

Gegen halb acht hielt das Auto Johannes van Gudrys vor dem Hause.

»Bedaure,« empfing ihn der Diener, »die Sprechstunde ist vorüber.«

Johannes van Gudry lächelte, wies auf die Hüte und Mäntel, die im Vorraum hingen, zog seine Brieftasche heraus, gab dem Diener ein fürstliches Trinkgeld und wurde sofort vorgelassen. Dr. Kargert, dessen Jugend ihn überraschte, bot ihm einen Sessel an.

»Es handelt sich um die Veräußerung meiner Güter in Holländisch-Indien an eine Gruppe von Amerikanern,« log Johannes. »Ihr Name fiel in einem Klub. Ich müßte lügen, wollte ich sagen, wer ihn nannte. Jedenfalls merkte ich ihn mir« – er wies auf sein Notizbuch, in dem ganz etwas anderes stand – »und möchte, daß Sie mir die Verträge machen.«

Der Advokat schien etwas unsicher.

»Gewiß,« erwiderte er und bat um die Unterlagen.

Johannes nannte Namen und Zahlen, ohne daß der Advokat folgen konnte.

»Wann schließen Sie Ihr Bureau?« fragte Johannes.

»Gegen neun Uhr.«

»Gut! seien Sie um zehn Uhr mein Gast im Savoy. Derartige Geschäfte erledigt man erfahrungsgemäß am besten bei einer Zigarre und einem Glase Wein.«

Dr. Kargert war etwas überrascht. Aber da Johannes schon aufgestanden war und ihm die Hand hinstreckte und ein Riesengeschäft winkte, so schlug er ein.

Drei Abende hintereinander saßen sie bis in die Nacht hinein. Von Geschäften war kaum noch die Rede; und es paßte durchaus in die Stimmung, als Johannes aus Dr. Kargerts Äußerung: »Morgen können wir uns leider nicht sehen,« erwiderte: »5o schnell also werden Sie mir untreu!«

Kargert überlegte und sagte: »Kommen Sie mit!«

»Wohin?«

»Nach Schloß Vestrum, zu Fräulein Kornelia, von der ich Ihnen schon am ersten Abend erzählte.«

Johannes – obschon er es gewesen war, der damals dies Gespräch veranlaßt hatte – tat, als entsänne er sich nicht, antwortete ausweichend: er sei kein Gesellschaftsmensch und gegen herrenlose Schlösser habe er von vornherein eine Abneigung. Schließlich gab er nach, sagte aber, daß er es nur täte, um Kargerts Gesellschaft nicht zu entbehren, und fuhr mit ihm dann am nächsten Mittag nach Schloß Vestrum.

Zweites Kapitel.

Kornelia van Vestrum führte auf ihrem Schlosse trotz Reichtums, Jugend und Schönheit ein völlig zurückgezogenes Leben. Teile des Schlosses, in denen sie mit ihrer, wie eine Mutter sie betreuenden Amme lebte, ganze Teile des Parkes, in denen sie spazieren ging und ritt, waren selbst der Dienerschaft verschlossen. Das gab Anlaß zu allerhand Mythen, die überall die Runde machten und bis in die Stadt drangen. Alte Frauen erzählten sich, daß ein unsichtbarer Gast, den niemand sähe als Kornelia selbst, im Hause herumginge und Gewalt über Kornelia besitze. Und Kindern, die man strafen wollte, drohte man mit dem unsichtbaren Gast vom Schloß Vestrum, das bald ein märchenhafter Schimmer von Mystik umwob.

Wenn, was oft geschah, die Kinder und die Armen der Gegend auf Schloß Vestrum beschenkt wurden, und wenn Fräulein Kornelia dann in dem enganliegenden, schwarzen Kleid, schlank wie eine Gerte, bleich wie Linnen, mit großen träumenden Augen, die mild und gütig blickten, in die weite Halle schwebte – – dann war den Kindern wohl zu Mute wie in der Kirche, wenn nach der Predigt sanft und weich die ersten Klänge der Orgel ertönten. Sie liebten sie Alle und drängten zu ihr – nicht der Geschenke wegen – weil zärtliche Güte von ihr ausging und sich wie die Hand einer liebevollen Mutter auf die empfänglichen Kinderseelen legte.

Außer ihrer alten Amme und dem jungen Advokaten, dessen Bekanntschaft ihr alter Oheim vermittelt hatte, besaß Kornelia niemanden, der ihr nahestand. Und sie sah es auch nicht gern, als Dr. Kargert ihr eines Tages seinen Freund, Johannes van Gudry, ins Haus brachte, dessen Selbstbewußtsein und bestimmtes Auftreten ihre Unsicherheit noch erhöhten.

»Warum kommen Sie nie mehr ohne diesen Herrn van Gudry?« fragte sie, als Kargert zum dritten Male mit seinem Freunde erschienen war. »Wir kommen überhaupt nicht mehr dazu, uns unter vier Augen zu sprechen.«

»Wenn Herr van Gudry wüßte, daß unser Verhältnis mehr ist als flüchtiger Verkehr, glauben Sie mir, Kornelia, daß er dann taktvoll genug wäre, sich zurückzuhalten.«

»Nein!« erwiderte Kornelia und ergriff seine Hand. »Sie dürfen ihm nie sagen, daß wir uns mehr sind, Robert – versprechen Sie mir das!«

»Fürchten Sie ihn?«

»Er ist mir unheimlich.«

»Er ist ein Aristokrat vom Scheitel bis zur Sohle.«

»Kennen Sie ihn so genau?«

Robert dachte einen Augenblick nach. Eigentlich waren es mehr Zahlen und Geschäfte, die für ihn in einem Zusammenhang mit Gudry standen. Von dem Menschen wußte er nicht viel.

Kornelia hielt noch immer seine Hand. Er sah sie an und sagte: »Was kümmern uns Dritte? – wo wir wissen, was wir uns sind! – Warum zögern Sie noch immer? Was hält Sie zurück? Fühlen Sie denn nicht, daß jede Stunde, die wir uns nicht gehören, für unser Leben verloren ist?«

Er fühlte den festen Druck ihrer Hand und sank vor ihr auf die Knie.

»Ja, Robert, ich fühle es, und Sie dürfen mir glauben, daß ich lieber heute als morgen Ihre Frau würde.«

Er sah nicht, daß ihre Augen voll Tränen standen, daß ihr Gefühl und ihre Gedanken anderswohin gingen – – daß sie unter einen Zwang geriet, dem sie sich widersetzte. Ihre Hand, die eben noch ihr Gefühl verriet, wurde kalt, spannte sich zur Abwehr. Ein kurzer Kampf, in dem sie unterlag. Sie beugte sich zu Robert herab – nicht um ihn zu umarmen. Der Mann, der ihr zu Füßen lag, war in diesem Augenblick für sie nicht Robert, sondern ein Objekt, an dem sich ein vererbter Trieb versuchte. – Als Kornelia sich aufrichtete, hielt sie in der schmalen, weißen Hand ein goldenes Etui, das sie mit zitternden Fingern irgendwo verbarg. Dann wankte sie, bleich wie der Tod, durch's Zimmer und stand, als sie eben auf die Tür zuschritt, dem lächelnden Johannes gegenüber, der zur Seite trat und die Entsetzte an sich vorübergleiten ließ. – Robert hatte sich erhoben.

Kornelia stand in der Bibliothek und hatte hinter sich die Türen verschlossen. An den Wänden hingen die Bilder ihrer Ahnen; hier und da durch ein Altarstück, einen Spiegel, einen alten Gobelin unterbrochen. Sie schloß für einen Augenblick die Augen, holte Atem, fuhr sich über die Stirn, lächelte und überzeugte sich, daß die Portieren an den Fenstern fest geschlossen waren. Dann ging sie an den Spiegel heran, drückte irgendwo auf einen geheimen Knopf und verfolgte, wie hinter dem Spiegel, der langsam in das Mauerwerk hinabglitt, das Bild einer Zigeunerin sichtbar wurde. In Lumpen gekleidet, mit kurzem Haar, einem spöttischen Lächeln um den breiten Mund, die Augen halb geschlossen, zeigte die Zigeunerin doch Züge, die denen der Kornelia ähnlich waren. Zumal jetzt, wo von Kornelia letzte Furcht gewichen war und sie fast heiter blickte, war diese Ähnlichkeit unverkennbar. Kornelia sah zu dem Bilde auf, zog das Etui hervor und lächelte – lächelte genau wie diese Zigeunerin, die jetzt zu leben schien. Eine Zeitlang noch stand sie in Betrachtung des Bildes. Bald schien es, als suche sie sich seinem Einflusse zu entziehen; dann aber wieder brach verhaltene Freude durch, bis sie, unzufrieden mit sich und von den mannigfachsten, einander widerstrebenden Gefühlen bewegt, an die Stelle des Bildes wieder den Spiegel treten ließ.

Robert, an ein sonderbares Wesen Kornelias gewöhnt, schüttelte den Kopf und sah ihr nach. Da stand Johannes schon neben ihm: »Fräulein Kornelia ist ebenso reizvoll, wie eigenartig,« sagte er und sah ihn scharf an.

»Sie haben Interesse an ihr?«

»Wie an jeder schönen Frau! Und in diesem Falle ganz besonders, wo es sich um die Freundin Ihres Herzens handelt.«

»Habe ich Ihnen davon gesprochen?«

Johannes lächelte.

»Sie? Nein! Aber, wenn man zwanzig Jahre lang die Frauen aller Erdteile studiert hat, genügt ein Blick.«

»Und Sie glauben wirklich?« fragte Robert interessiert.

»Glaube?« erwiderte der. »Ich weiß!« – – Er zog sein Zigarettenetui aus der Tasche und bot es Robert an. Der lachte; das Etui war leer. Johannes tat erstaunt; Robert griff in die Weste und suchte alle Taschen ab.

»Aber ich hatte es doch nach vor einer Viertelstunde.«

»Ich selbst habe es gesehen,« bestätigte Johannes.

»Rätselhaft!«

»Wie manches in diesem Hause!«

Robert zog den alten Diener ins Vertrauen. Dessen Gesichtsausdruck verriet einen Schreck, der weniger Erstaunen, mehr Bestätigung einer ständigen Furcht war.

Kornelia ließ die Herren in den Salon bitten. Sie plauderten noch eine Weile; eine Stimmung wollte aber nicht recht aufkommen. Johannes erzählte von seinen Reisen, den Kunstschätzen in fremden Ländern, flocht unauffällig Bemerkungen über bekannte Werke alter Meister ein, deren Aufenthaltsort unbekannt sei, rechnete mit einer unbeherrschten Geste Kornelias, die ihm etwas verraten könnte – aber nichts von alledem geschah, sie schien, ebenso wie Robert, mit ihren Gedanken ganz wo anders und forderte ihn auch nicht auf, zu bleiben, als er sich jetzt erhob und sagte: »Gnädiges Fräulein, es ist Schlafenszeit! Vielen Dank für den anregenden Abend!«

Dabei drückte er ihre schmale Hand stärker als es nötig war und sah ihr in die Augen, als wenn ein geheimes Einverständnis zwischen ihm und ihr bestände. Kornelia wurde unsicher, zitterte, zog die Hand zurück, und zu Robert sagte sie, als auch er sich verabschiedete und Johannes eben draußen war: »Ihr Freund hat etwas Unheimliches.«

Robert erwiderte: »Ich glaube, Sie dürfen sich ihm in Allem anvertrauen, Kornelia, genau wie mir! Er ist sehr klug!«

»Niemals!« erwiderte sie bestimmt.

Drittes Kapitel.

Es war mitten in der Nacht, als Johannes van Gudry nach Haus kam. Umso erstaunter war er, von seinem Diener zu hören, daß Frau van Jörgens, die gegen Abend gekommen sei, noch immer im Herrenzimmer sitze und auf ihn warte.

»Lächerlich!« sagte er halblaut. »Ist Peter Last zurück?« »Seit acht Uhr. Ich helfe ihm gerade Kisten und Koffer auszupacken, die er mitgebracht hat!«

»Bilder?«

»Auch Folianten – ganze Stöße – ich glaube, aus Haarlem.«

Johannes lächelte befriedigt.

»Ich komme gleich zu Euch herunter! packt nur weiter.« – – Dann ging er durch die Halle ins Herrenzimmer, in dem die schöne, elegante Frau van Jörgens ihn erwartete.

»Johannes!« rief sie, als er ins Zimmer trat, und warf sich ihm an den Hals. – – Er stand und bewegte sich nicht.

»Warum habe ich nichts von dir gehört?«

»Sie sollten mehr auf Ihren guten Ruf achten, gnädige Frau.«

»Johannes! Was ist das für eine Sprache, was bedeutet das?«

»Wenn du's denn hören willst – ich bin deiner überdrüssig!«

»Das ist nicht wahr!«

Johannes trommelte nervös mit den Fingern auf dem Tisch.

»Ich brauche dich nicht mehr l«

»Brauchst – – mich – – nicht – – mehr?« wiederholte sie und traute ihren Ohren nicht.

»Ich habe etwas Besseres gefunden!«

Sie sah ihn starr und verständnislos an.

»Du willst mich quälen, Johannes! – Ich bin doch keine – –«

»Mittel zum Zweck warst du mir – wie jede Frau oder habe ich dir jemals Liebe vorgeheuchelt?«

»Ich habe dir alles geopfert.«

»Ich habe dich nicht darum gebeten.«

»Was brauchst du?« – Sie nahm hastig ihre Perlenkette ab und legte sie ihm in die Hand.

Johannes spielte damit, lächelte und ließ sie gleichgültig auf den Tisch fallen.

»Damit du im Bilde bist; in vier Wochen wird die reichste Erbin und das schönste Schloß Hollands mir gehören!«

»Die Ärmste!« sagte Frau van Jörgens vor sich hin.

»Du siehst,« fuhr Johannes fort, »ich spiele mit offenen Karten, und du weißt nun, daß du hier überflüssig bist.«

Frau van Jörgens wankte zum nächsten Sessel, auf dem sie zusammenbrach, während Johannes, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen, aus dem Zimmer ging.

Peter Last hatte inzwischen alle Kisten geleert und die ganze Halle, die zum Garten führte, mit Bildern und Folianten belegt.

»Du gibst mir ja ordentlich zu tun!« sagte Johannes, als er in die Halle trat.

»Ich habe zusammengerafft, was ich bekommen konnte; Familienchroniken, wie du mir aufgabst. Ob die darunter ist, die du suchst, weiß ich nicht!«

»Ich werde auch ohne sie auskommen. – Hier!« er warf ihm seine Brieftasche zu, nachdem er das Geld und die Papiere herausgenommen und in die Tasche gesteckt hatte – »wirf das in den Ofen!«

» Wie? – wa...?«

»und gewöhn' dir das Fragen ab!«

Peter Last machte ein verdutztes Gesicht, gehorchte und warf die Tasche in den Kamin.

»Diese Brieftasche ist mir heute abend auf Schloß Vestrum gestohlen worden.«

»Wa...?«

»Verstanden? – Ich bin sehr erregt – du siehst es – nach Hause gekommen, habe noch einmal alle Taschen durchsucht, obschon ich genau wußte, daß es nur dort geschehen sein konnte.«

»Was da wohl wieder dahintersteckt!«

»Das geht nur mich an! Du hast zu gehorchen und nicht nachzudenken.«

»Ist mir auch lieber!«

Johannes besah sich die Gegenstände, blätterte in den Folianten, fand aber nichts, was auf den Gegenstand, den er suchte, Bezug hatte.

»Mein Auto!« rief er ärgerlich und fuhr mitten in der Nacht zu Kargert, dem er erregt von dem Diebstahl seiner Brieftasche Mitteilung machte.

»Es ist nicht des Geldes wegen,« sagt« er. »Ein Schein ist wie der andere und läßt sich ersetzen. Aber es waren alte Dokumente darin über die Echtheit von Bildern, die unersetzbar sind.«

»Wir müssen sofort hin!« drängte Robert, der ganz verzweifelt war.

Auf Schloß Vestrum hatte der alte Hausmeister, als Fräulein Kornelia in ihrem Zimmer war, die Dienerschaft zusammengerufen und ihr von dem Verlust des Etuis Kenntnis gegeben.

»Das ist in drei Wochen der vierte Fall!«

Alle beteuerten ihre Unschuld. Man beargwöhnte eine junge Zofe, die noch nicht lange im Hause war.

»Ich will Sie nicht verdächtigen,« sagte der Alte, »aber wenn es wahr ist, daß Sie schon des Nachts aus dem Hause waren, dann dürfen Sie sich auch nicht wundern, wenn man Ihnen so etwas zutraut.«

Das Mädchen fing an zu heulen, so daß der Schäferhund, der vor Kornelias Tür Wache hielt, aufsprang und Laut gab. Kornelia richtete sich hoch, sprang aus dem Bett, warf sich eine Matinée über und eilte, gefolgt von dem Dackel, der bei ihr schlief und stets um sie war, auf den Flur. Unten in der Halle standen die Leute, heulte das Mädchen, vom Geländer aus beobachtete Cornelia unbemerkt eine Zeitlang den Vorgang. Dann rief sie, während sie hastig die Treppen hinabstieg, ihnen zu: »Sie ist unschuldig!« stellte sich schützend vor das Mädchen, nahm es bei der Hand und führte es, während die Dienerschaft erstaunt zurückblieb, aus der Halle. Liebevoll nahm sie sich des Mädchens an, tröstete und beschenkte es und ging dann, da sie zu erregt war, um zu schlafen, in die Bibliothek. Die Amme, die erst im Schlafzimmer suchte, fand sie über einen alten Folianten gebeugt, so vertieft in die Lektüre, daß sie ihr Kommen garnicht bemerkte.

»Kornelia!« rief die Amme mit einem leisen Vorwurf in der Stimme. »Mitten in der Nacht!«

Sie stand jetzt dicht bei ihr.

»Gibt es eine Möglichkeit, daß man das, was hier steht,« – und dabei wies sie auf den Folianten, der vor ihr lag, »öffentlich bekannt gibt?«

»Was soll das?« fragte die Amme.

»Die Chronik unserer Familie, die beweist, daß es nicht wahr ist!«

»Was ist nicht wahr?«

»Daß eine Zigeunerin – – hier lies: nicht wahr, eine Chronik lügt nicht?« Und die Amme beugte sich über das Buch und las:

»Im Jahre 1628 hat nach einer alten Chronik der Gilde der Tucharbeiter in Haarlem ein durchreisender Fremder bei dem Maler Frans Hals, dem Sohn des Tuchmachers Hals, das Porträt einer gewöhnlichen Zigeunerin, die er in einer Vorstadt Haarlems aufgefunden hatte, bestellt. Der Maler malte das lachende junge Mädchen, ohne ihr ein schönes Kleid anzuziehen, in den Lumpen, wie der fremde Durchreisende sie zum erstenmal gesehen hat.

Der Fremde hatte die verlumpten Kleider mitgebracht und das Mädchen, das herrlich gekleidet war, veranlaßt, ihre schönen Kleider auszuziehen und die verlumpten Zigeunerkleider wieder anzuziehen. Der Fremde verließ bald mit seinem Mädchen die Stadt, unter Mitnahme des wohlgelungenen großen Bildes. Der Fremde war unser Vorfahr Dirk Pieters van Vestrum. Das Mädchen hieß Kornelia Druyvesteyn. Alle Nachforschungen nach dem Verbleib dieses Bildes sind erfolglos geblieben, das Bild ist in unserer Ahnengalerie nicht vorhanden und damit ist die alte Erzählung hinfällig, daß unser Vorfahr Dirk Pieters van Vestrum das Zigeunermädchen geheiratet hat und daß wir in unserer Ahnenreihe den Fleck hätten, eine Zigeunerin aufgenommen zu haben. Im Schloß von Vestrum hängt das Bild der rechtmäßigen Gemahlin des Dirk Pieters van Vestrum, genannt Brehtje Voogt van der Eem. Dieses Bild ist aber nicht von Frans Hals gemalt, sondern von einem unbekannten späteren Maler aus Köln.«

»Ich begreife nicht, daß dich diese Geschichte derart beschäftigen kann,« erwiderte die Amme. »Wen kümmert das? wer fragt danach?«

»Du meinst, es weiß es niemand?« fragte Kornelia, und die Furcht, die eben noch in ihrem Gesicht stand, schien geschwunden.

»Kein Mensch hat Interesse daran!« beteuerte die Amme, woraufhin Kornelia aufsprang, die Amme bei den Händen nahm und ausgelassen wie ein Kind mit ihr herumtollte. Dann sagte sie übermütig: »Übrigens, dir verrat' ich's; so ganz stimmt es nicht, was in der Chronik steht. Sieh' mal!« Und sie kramte in einer ihrer Taschen, holte ein Bronzeschildchen heraus, wie es an Bilderrahmen angebracht ist, hielt es ihr – nur einen Augenblick lang – vor's Gesicht, aber doch lange genug, daß die Amme lesen konnte: Kornelia Druyvesteyn – »Diese Kornelia,« rief sie übermütig, »bin ich! Aber sag' es niemandem!«

Die Amme schüttelte den Kopf und sah beunruhigt, daß Kornelias Lustigkeit, wenn auch nicht gerade gezwungen, so doch die Reaktion eines durchaus nicht freudigen Vorganges war.

Draußen schlug der Barsoi an, und der Dackel, der zu Kornelias Füßen saß und sich nicht leicht aus der Ruhe bringen ließ, lief an dem Hausmeister, der eben eintrat, vorbei und stürzte kläffend auf Johannes zu, der gerade mit Dr. Kargert Hut und Mantel ablegte.

Kornelia sprang erschrocken auf, und auch die Amme begriff nicht, was Robert und Johannes mitten in der Nacht im Schlosse suchten.

»Wir glaubten nicht, Sie noch aufzufinden,« begann Robert, »wir suchten den Hausmeister, da wir wichtige Dinge hier zurückgelassen hatten.«

Kornelia wurde bleich, zitterte und hielt sich am Rande des Tisches fest.

»Ich habe bereits gehört,« brachte sie mühsam hervor, »und komme natürlich für den Verlust auf.«

»Wie?« erwiderte Robert und wich einen Schritt zurück. »Wollen Sie mich kränken, Fräulein Kornelia? Für meine Unachtsamkeit bin allein ich verantwortlich. – Uns führt etwas anderes her. Herr van Gudry vermißt seine Brieftasche mit sehr wichtigen Dokumenten und behauptet, daß er sie nur hier habe liegen lassen können.«

»Nein!« rief Kornelia bestimmt – »das ist unmöglich!« und wandte sich an Johannes. An seinem spöttisch triumphirenden Lächeln erkannte sie, daß die Bestimmtheit ihres Widerspruchs mehr eine Selbstbezichtigung als eine Verteidigung war.

»Der Hausmeister meinte, es sei nicht das erstemal,« fuhr Johannes fort und ließ Kornelia nicht aus den Augen, »man sollte daher, – schon Ihrer eigenen Sicherheit wegen – versuchen, dem Diebe auf die Spur zu kommen.«

Kornelia wandte den Blick ab und sagte: »Gewiß! aber wie?«

»Nun, wenn ich mir als Leidtragender einen Vorschlag erlauben darf...«

»Bitte!«

»Man sollte, und zwar möglichst unauffällig, einen tüchtigen Detektiv hier ins Schloß setzen.«

Johannes nahm deutlich wahr, wie Kornelia bei diesem Vorschlag zusammenzuckte.

»Ich möchte das nicht,« sagte sie zaghaft.

Aber sowohl die Amme wie Robert stimmten dem bei und suchten Kornelia von der Notwendigkeit energischer Abwehr zu überzeugen. Es blieb ihr schließlich nichts anderes übrig, als einzuwilligen.

Viertes Kapitel.

Schon am nächsten Vormittag erschien ein Herr mit blauer Hornbrille, ungepflegtem Bart, einer Handtasche und einer deutschen Schäferhündin, und verlangte, Fräulein Kornelia vorgeführt zu werden. Der alte Hausmeister lehnte das alter Weisung zufolge rundweg ab. Auch der Hinweis, daß er im Auftrage des Dr. Kargert komme, verschaffte ihm keinen Einlaß. Er tat daraufhin seine Visitenkarte in ein Kuvert, schloß es und trug dem Alten auf, sofort damit zu seiner Herrin zu gehen.

Kornelia saß mit ihrer Amme beim Morgenkaffee, hastig öffnete sie und las

Dr. N. F. Sievers von der Detektei Smith & Co.

Sie schien anfangs ablehnend, überlegte, lächelte. Es schien sie plötzlich zu reizen; auf alle Fälle wollte sie den Mann sehen. Doch als Dr. Sievers gleich darauf eintrat, erschrak sie und bereute im selben Augenblick auch schon, ihn empfangen zu haben.

Sievers stellte sich vor und sagte: »Ich glaube versichern zu können, daß ich in drei Tagen den Dieb entlarvt habe.«

Kornelia schloß die Augen, wurde blaß.

In einem Spiegel, der sich im Hute des Detektivs befand, beobachtete dieser genau jede Veränderung in dem Gesicht Kornelias.

»Sie versprechen viel!« sagte sie.

»Nicht mehr als ich halten kann.«

Ihre Angst wich jetzt der Lust am Abenteuer.

»Und wie beabsichtigen Sie, das anzustellen?«

»Das freilich muß mein Geheimnis bleiben.«

»Mir dürfen Sie es wohl verraten.«

»Bedaure! – das ist nicht etwa Mißtrauen ...«

»Sie vergessen, daß ich hier Herrin bin!«

»Durchaus nicht! Aber nach Allem, was ich höre, handelt es sich hier um eine mit äußerstem Geschick und Geist arbeitende Person, die möglicherweise in Ihrer nächsten Umgebung ist und Ihnen alles, was Sie wissen, vom Gesicht abliest. Derartige Fälle von Gedankenübertragung ...«

Außer meiner Amme ist niemand um mich.«

»Da ich in drei Tagen bereits in ähnlicher Mission in Paris sein muß, so bitte ich, sofort an die Arbeit gehen zu dürfen.«

»Dem steht nichts im Wege.«

»Wollen Sie Ihren Diener bitten, mir ein Zimmer anzuweisen?«

»Wie? – Sie wollen hier wohnen?«

»Selbstverständlich! – Und zwar ganz offiziell – als Ihr Gast.«

»Unmöglich!«

»Verzeihung! – Ich habe einen bestimmten Auftrag. Wie ich mich dessen entledige, ist meine Sache.«

»Hier geschieht, was ich will!«

»Nehmen Sie mir meine Offenheit nicht übel, aber vergessen Sie nicht, daß jede Behinderung in meiner Arbeit, den Dieb zu entlarven, ungünstig auf das bereits gefährdete Renommée des Schlosses Vestrum wirken würde.«

»Das geht lediglich mich an!«

Der Detektiv verbeugte sich und sagte: »Verzeihung!«

Kornelia läutete und trug dem eintretenden Diener auf, dem Detektiv ein Zimmer anzuweisen.

»Im Übrigen hat der Herr Zutritt zu allen Räumen, in und außerhalb des Schlosses; sagen Sie das den Leuten.«

Dr. Sievers ging mit dem Diener hinaus. Der Dackel, der sich knurrend verkrochen hatte, kam unter der Chaiselongue hervor und ging an Kornelia hoch. Der Barsoi Ivan aber, der sonst auf's Wort parierte, hob wohl den Kopf und spitzte die Ohren, als Kornelia rief, wich aber nicht von der Seite der Schäferhündin, die dem Detektiv die Treppe hinauffolgte. Dieser Ungehorsam Ivans, der ihr im Kampfe mit dem Detektiv ein Bundesgenosse sein sollte, verstimmte Kornelia.

Den ganzen Tag nahm der Detektiv Besichtigungen in und außerhalb des Schlosses vor, machte sich Notizen und erzählte den Leuten, daß er an einem Werke über alte Schlösser arbeite. Besondere Aufmerksamkeit schenkte er den Gewölben im Keller, die kein Ende nahmen, deren Wände und Böden er beklopfte, so daß der Hausmeister, der stets in seiner Begleitung war, ihn fragte, ob er etwa einem verborgenen Schatze auf die Spur zu kommen hoffe.

Gegen Mittag erschien er wieder im Salon Kornelias und wurde übermütig von ihr empfangen: »Nun? haben Sie ihn?«

»Beinahe!«

Wieder erschrak Kornelia, wieder nahm der Detektiv es wahr.

»Aber bezichtigen Sie keinen Falschen!«

»Ich bezichtige nicht, ich überführe!«

»Eine Tätigkeit haben Sie, die mich reizen könnte.«

»Ich nehme Ihre Hilfe gern an.«

»Verfügen Sie über mich!«

»Sie dürfen sich darauf verlassen, daß ich Sie in Anspruch nehme.«

Kornelia brachte im Spiegel ihr Haar, das sich gelockert hatte, in Ordnung.

»Würden Sie mir diese kostbare Spange auf kurze Zeit überlassen?« fragte der Detektiv.

»Aber mit Vergnügen!« erwiderte sie und zog die Spange aus dem Haar.

»Wir wollen sie hier in diese Schachtel tun und sehen, ob sie morgen noch an derselben Stelle liegt.«

Ein Lächeln zog über Kornelias Gesicht.

»Und wer ersetzt mir die Spange, wenn sie fehlt?«

Der Detektiv verbeugte sich und sagte: »Ich!«

Diese Bewegung, die etwas Charakteristisches hatte, kam Kornelia bekannt vor. Sie fuhr zusammen, sah ihn groß an und sagte: »Sind wir uns nicht schon einmal begegnet?«

»Im Büro Dr. Kargerts,« erwiderte er.

»Mag sein!« sagte Kornelia und beruhigte sich. –

Als Kornelia spät abends in ihrem Schlafzimmer war und den Dackel zu sich auf den Schoß nahm, hinterließen seine Pfoten weiße Flecke auf ihrem dunklen Kleide. Sie sprang auf, ging auf den Korridor und nahm wahr, daß von der Bibliothek aus, den ganzen Flur entlang, Mehl gestreut war. Ins Schlafzimmer zurückgekehrt, überzeugte sie sich zunächst, daß alles wie sonst an Ort und Stelle lag. Während sich der Barsoi teilnahmslos an der Tür niedergelegt hatte, schnüffelte der Dackel an den Vorhängen des Fensters herum und erregte damit Kornelias Aufmerksamkeit. Sie trat heran und nahm zu ihrem Erstaunen wahr, daß die Vorhänge, obgleich sie zugezogen waren, nicht ganz schlossen, und eine nähere Beobachtung ergab, daß der Rand des Vorhangs an einer Stelle mit Gummiarabikum umklebt war.

Einen Augenblick lang stand ihr Herz still. Also verdächtigte der Detektiv auch sie! Zum ersten Male kam ihr zum Bewußtsein, in welche Situation sie zu geraten drohe, erkannte sie die Gefahr, in der sie schwebte, und alles in ihr drängte zur Abwehr. Unten am Schloß lagen hohe Kieferstämme, die vor kurzem gefällt waren, schon dieser Tage, als sie daran vorüberging, war ihr der Gedanke gekommen, daß diese Stämme aufgerichtet bis an ihr Fenster reichen würden. Sie kombinierte eben, da sah sie auch schon im Spiegel des Schrankes, der gegenüber dem Fenster stand, die Hälfte des Gesichts eines Mannes, das niemand anderem gehörte als dem Detektiv.