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Der Feind hat gesiegt und die Geister sind erzürnt. Das spürt auch Xander. Seit seiner Kindheit müssen er und andere vom Volk der Zharen für den Ruhm und den Wohlstand des Grafen Andavar in den Silberminen des Aschwallgebirges schuften. Als eines Tages ein Schacht einstürzt, werden die Karten plötzlich neu gemischt. Der dunkle Gott Sarduk offenbart sich Xander und bietet ihm große Kräfte im Austausch für seine Seele an. Doch das ist leider nicht der einzige Preis, den Xander für die Rettung seines Volks zahlen muss.
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Seitenzahl: 92
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Inhaltswarnungen
Karte von Mesembra
Das Blut der Sterne
Dramatis Personae
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Weitere Werke
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Über die Autorin
DAS BLUT DER STERNE
© 2022 Katharina Jach
ISBN: 978-3-7562-35254
Verlag: Katharina Jach, Baumwall 7, 20459 Hamburg
Lektorat: Nina C. Hasse, www.texteule-lektorat.com
Korrektorat: Sophie Jenke www.lektorat-weltenbau.de
Covergestaltung: Jesh Art Studio
Vertrieb durch: Books on Demand GmbH
Alle Orte, Personen und Namen in diesem E-Book sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder realen Orten sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Weitere Infos unter
www.dunkelwunder.de | [email protected]
Inhaltswarnungen
Diese Geschichte enthält explizite Darstellungen von Unterdrückung, Rassismus sowie körperliche und seelische Gewalt und Missbrauch.
Xander, Arbeiter (Zharen)
Reginald Elms, Stallmeister (Mensch)
Freyr, Kind (Zharen)
Barnabas, Arbeiter (Zharen)
Raxus, Arbeiter (Zharen)
Orla, Arbeiterin (Zharen)
Alis Petram, Kommandantin (Mensch)
Arminos Maas, Vorarbeiter (Mensch)
Sie weckten ihn im Morgengrauen.
»Hey, Grauer«, sagte der Soldat und leuchtete mit der Laterne in sein Gesicht. »Aufstehen!«
Xander blinzelte die Bilder des Albtraums fort, der ihn die ganze Nacht verfolgt hatte.
»Was ist passiert?«, fragte er schlaftrunken.
»Es gibt Arbeit für dich.«
Der Mann richtete sich auf und legte die freie Hand an den Griff des Rapiers, das am Gürtel seiner Uniform baumelte. Hinter ihm stand ein weiterer Soldat, der mit einem Messer den Dreck unter den Fingernägeln hervorholte und die Klinge anschließend an seiner Hose abwischte. Der übrige Raum war von Dunkelheit und dem leisen Atmen von zwei Dutzend schlafenden Zharen erfüllt. Xander musste den Kopf einziehen, um sich nicht an der oberen Koje zu stoßen, als er sich aufsetzte und die Beine über die Bettkante schwang. Über ihm hörte er ein leises Murmeln.
»Mach schon«, sagte der Soldat mit der Laterne und deutete mit einem Kopfnicken zum Tor. »Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
Die beiden Männer führten ihn hinaus der Baracke und hinein in einen kühlen Morgen. Der Himmel hatte gerade erst begonnen, sich aufzuhellen. Es würde noch einige Zeit dauern, ehe die Sonne über den Ebenen im Osten aufgehen würde.
Gemeinsam gingen die kleine Gruppe über den Platz zum Westtor, welches das Lager der Zharen von der Siedlung der Menschen trennte. Auf einen Wink des Mannes mit der Laterne hin öffneten die Wachposten das Tor und sie traten hindurch. Niemand schenkte ihnen besondere Beachtung.
»Was ist passiert?«, fragte Xander. »Wohin bringt ihr mich?«
»Das siehst du noch früh genug.«
Jenseits des Tors lag ein weiterer Platz, von dem drei Straßen abzweigten. In der Mitte, umgeben von einem Beet aus gelben Blumen, ragte die steinerne Statue des letzten Kaisers auf. Selbst im Dämmerlicht konnte Xander die Umrisse der schweren Krone erkennen, die man der Figur aufs Haupt gemeißelt hatte.
»Da lang«, blaffte der Soldat mit der Laterne und deutete auf die große Hauptstraße, die zu ihrer Rechten von dem Platz abzweigte. Xander folgte dem Befehl und marschierte vor den beiden Männern her. Auch in der Siedlung ließ die Geschäftigkeit des Tages noch auf sich warten. Außer Xander und den Soldaten war keine Menschenseele unterwegs und die Fenster der Häuser, die zu beiden Seiten die Straße säumten, waren dunkel. Merkwürdig. Und interessant. Offenbar sollten die Ereignisse des Morgens geheimbleiben, andernfalls hätte man einen der menschlichen Diener in die Angelegenheit eingeweiht. Doch da niemand einem Zharen sein Gehör, geschweige denn sein Vertrauen schenken würde, war Xander die bessere Wahl. Blieb nur die Frage, wofür?
Am Ende der Straße stand ein größerer Bau, der von einer Vielzahl angrenzender Häuser umgeben war. Die Garnison von Silbers Ende. Sofern Xander wusste, schliefen die Wachkräfte in den kleineren Gebäuden, während in den übrigen Waffen geschmiedet, Uniformen gereinigt oder die Lebensmittel gelagert wurden, mit denen man die Streitkräfte, die menschlichen Arbeiter und die Zharen im Lager gleichermaßen versorgte. Doch keines dieser Häuser schien ihr Ziel zu sein. Stattdessen befahl man Xander, kurz vor dem Ende der Straße in eine enge Gasse zwischen zwei Wohnhäusern einzubiegen. Er tat wie geheißen und fand sich kurz darauf neben einer eingezäunten Pferdekoppel wieder.
Sie umrundeten den Zaun und erreichten eine Rotunde, die den vor Ort stationierten Soldaten als Stall diente. Davor saß ein alter Mann mit buschigem Bart und dichten Augenbrauen auf einer Bank und rauchte eine Pfeife. Xander kannte ihn. Er war der Stallmeister von Silbers Ende und kümmerte sich um die Reittiere des Regiments. Es war eine Weile her, seit Xander ihn das letzte Mal gesehen hatte, doch er erinnerte sich gut an die grollende Stimme und seine zupackende Art. Er war kein netter Mann, nicht im eigentlichen Sinne, aber er war anständig für einen Menschen. Vor einiger Zeit hatte Xander ihm dabei geholfen, die Pferde einzufangen, nachdem diese während eines Gewitters Reißaus genommen hatten. Er hatte ihm die Mühe mit einem Korb voll Lebensmittel vergolten, der eigentlich für ihn und seine Familie bestimmt gewesen war.
»Hier ist er, Reginald«, sagte der Soldat und nickte in Xanders Richtung.
Der Stallmeister zog nachdenklich an seiner Pfeife. »Wurde aber auch Zeit«, brummte er und stieß dabei dicke Rauchschwaden aus. Mit einem Grunzen stemmte er sich in die Höhe. »Danke, Leutnant, Sie werden hier nicht mehr gebraucht.«
Der Soldat mit der Laterne verengte die Augen zu Schlitzen, sagte jedoch nichts. Stattdessen machte er auf dem Absatz kehrt und stapfte davon. Sein Kamerad folgte ihm dichtauf, ohne die Miene zu verziehen. Xander sah den beiden nach.
»Komm mit, Grauer«, sagte Reginald und schob sich die Pfeife in einen Mundwinkel. »Ich brauche deine Hilfe.«
Xander folgte ihm in den Stall. Im Inneren wäre es stockfinster gewesen, hätte der Stallmeister nicht die Laternen angezündet. Er konnte nervöses Schnauben und scharrende Hufen hören. Der Geruch von frischem Schweiß klebte ihm in der Nase.
»Die Pferde sind unruhig«, stellte Xander fest.
»Haben sie auch allen Grund zu.«
Reginald führte ihn zu einem Verschlag links von ihnen. Darin lag eine Kreatur, von der Xander niemals gedacht hätte, sie eines Tages mit eigenen Augen zu sehen. Sie hatte die Größe und Gestalt eines weißen Pferdes, doch damit endeten die Ähnlichkeiten bereits. Wo gewöhnliche Pferde Fell besaßen, war dieses Wesen mit einer Schicht heller Schuppen überzogen, die sanft im Licht der Laterne funkelten. Selbst die Hufe schimmerten wie poliertes Elfenbein. Nur an den Fesseln zeigten sich kleine Büschel aus schwarzem Fell. Mähne und Schweif der Kreatur bestanden hingegen aus einem dichten schwarzen Gefieder.
Vor Urzeiten hatten ganze Herden dieser Kreaturen die Länder von Mesembra durchstreift, lange bevor das Reich der Zharen zerfallen war und die Menschen die Macht übernommen hatten. Lange bevor der Himmel sich verdunkelt hatte und die Geister verstummt waren. Man hatte sie wegen ihrer schimmernden Schuppen und glänzenden Federn gejagt, bis sie beinahe vollständig vom Antlitz der Erde verschwunden waren. Nun lebten nur noch wenige in den öden Weiten der Weißen Wüste, weit im Westen, jenseits des Aschwallgebirges.
Sein Volk hatte ihnen einen eigenen Namen gegeben, doch auch der war schon lange vergessen. Und so musste er auf jenes Wort zurückgreifen, welches die Menschen diesen majestätischen Kreaturen einst gegeben hatten.
Drachenblut.
Es handelte sich um eine junge Stute, die sich auf einem Bett aus trockenem Stroh ausgestreckt hatte und keuchend atmete. Xander spürte ihre Angst wie einen kalten Luftzug. Der Leib der Stute war geschwollen. Ihr Bauch hob und senkte sich mit jedem zittrigen Atemzug.
Der Stallmeister nahm die Pfeife aus dem Mund und legte sie auf einen Schemel, auf dem bereits eine Schüssel mit klarem Wasser stand. Er wusch sich die Hände. Dann öffnete er den Verschlag und ging hinein. Xander folgte ihm vorsichtig.
»Die Geburt hat schon vor einer Weile begonnen«, erklärte Reginald und legte eine Hand auf den geschwollenen Leib der Stute. »Aber das Fohlen will einfach nicht heraus.«
»Und wie soll ich da helfen, Herr?« Xander sah von der Stute zum Stallmeister und wieder zurück. »Sicher habt Ihr schon Jungtiere auf die Welt geholt?«
Reginald schnaubte. »Selbstverständlich, aber keines war wie dieses«, meinte er und tätschelte das Drachenblut. »Wenn ich ihren Bauch betaste, spüre ich absolut nichts. Muss an den Schuppen liegen. Sei’s drum, hier ist mehr als Fingerspitzengefühl und gesunder Menschenverstand gefragt. Außerdem redest du nicht so viel. Eine Eigenschaft, die ich bei jedem Lebewesen schätze. Und jetzt komm her und sag mir, was mit ihr nicht stimmt.«
»Ja, Herr.«
Xander kniete sich neben dem Kopf der Stute ins Stroh und legte eine Hand auf ihre Stirn, die andere auf ihren Hals. Ihre Augen waren geweitet, ihr Geist fieberte. Er flüsterte dem Tier beruhigende Worte zu und folgte der brennenden Angst zu ihrem Ursprung. Sie war wie ein heißer Knoten, der tief im Inneren des Tiers saß und heftig pulsierte. Xander konnte spüren, wie sich der Knoten mit jeder verstreichenden Sekunde weiter verhärtete. Ruhig, dachte er und hoffte, dass die Stute seinen Gedanken empfing. Alles wird gut.
»Also?«, fragte Reginald.
»Das Fohlen ist in Querlage«, verkündete Xander, ohne den Blick von der Stute zu nehmen. »Ihr müsst es drehen, damit es herauskommen kann.«
»Bist du dir sicher?«
Xander blieb stumm. Das war Antwort genug. Der Stallmeister verstand auf der Stelle und stellte keine weiteren Fragen, sondern machte sich gleich an die Arbeit. Das musste man dem Mann lassen. Er war nicht zimperlich und scheute sich nicht davor, sich die Hände schmutzig zu machen. In all den Jahren, die Xander nun schon in Silbers Ende lebte, hatte es nicht viele Menschen gegeben, von denen er das gleiche hätte behaupten können.
Eine halbe Ewigkeit verging, bis Reginald das Fohlen im Leib der Mutter gedreht hatte. Die ganze Zeit über sprach Xander auf die Stute ein und versuchte, der Unruhe in ihrem Geist mit Sanftmut zu begegnen. Und bis zu einem gewissen Grad gelang ihm das auch. Nicht nur das Drachenblut, auch Xander entstammte einem alten Geschlecht. Vermutlich erkannte die Stute ein wenig von sich selbst ihn ihm wieder.
»Es kommt!«
Xander hielt die Luft an. Unter seinen Fingern bäumte sich die Stute unter einer weiteren Presswehe auf.
Ruhig, dachte er. Ganz ruhig…
Dann war das Fohlen da.
Das Drachenblut richtete sich auf und die Nabelschnur riss. Die Angst, die das Tier geplagt hatte, löste sich auf und Xander spürte eine Welle der Dankbarkeit, die von der Stute ausging. Er zog sich vorsichtig an den Rand des Verschlags zurück, um Mutter und Jungtier mehr Raum zu geben, und wartete ab, was als Nächstes geschehen würde. Reginald tat es ihm gleich. Sogleich machte sich die Stute daran, ihren Nachwuchs von der glänzenden Hülle zu befreien, die es umgab. Darunter war das Neugeborene mit einer Schicht weicher Schuppen bedeckt, die seidig im Laternenlicht schimmerten. Federn und Fell fehlten noch, doch Xander hatte keinen Zweifel daran, dass sich beides mit der Zeit zeigen würde. In wenigen Monaten würde das Jungtier seiner Mutter in allen Belangen ähneln.
»Es geht ihm gut«, sagte Reginald und fasste sich vor Erleichterung an die Brust. »Den Sternen sei Dank!«