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Dieses Grundlagenwerk der Schwertkunst ist eine klassische Anleitung für strategisches Handeln: Entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung von Miyamoto Musashis Weisheiten ist nicht die Technik, sondern die innere Haltung, geprägt durch Entspannung, Offenheit und Klugheit des Herzens. Musashi zeigt in zahlreichen anschaulichen Beispielen und Geschichten, wie kluges strategisches Handeln auch in der heutigen Berufs- und Arbeitswelt zum Erfolg führt.
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Seitenzahl: 86
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Mit 23 Abbildungen
Übersetzung aus dem Japanischen von Taro Yamada
Vollständige E-Book-Ausgabe der im Piper Verlag erschienenen Buchausgabe
1. Auflage 2014
ISBN 978-3-492-96486-9
© 2003 Piper Verlag GmbH, München
Titel der japanischen Originalausgabe: »Gorin-no-sho«
Covergestaltung: Mediabureau Di Stefano, Berlin
Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell
Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.
Viele Jahre lang habe ich mich auf meinem Weg des Kriegers versucht, den ich Niten-ichryû nenne und hier zum ersten Mal schriftlich darlege. Ich habe heute, im Oktober 1643, den Berg Iwato in der Provinz Higo bestiegen, um den Himmel zu ehren, zu Kannon, der Göttin der Barmherzigkeit, zu beten und Buddha meine Referenz zu erweisen. Ich bin ein Krieger aus der Provinz Harima, mein Name ist Shinmen Musashi-no-kami Fujiwara-no-genshin und ich befinde mich in meinem sechzigsten Lebensjahr.
Seit meiner Jugend liegt mein Augenmerk auf dem Weg des Schwertes. Mit dreizehn Jahren hatte ich meinen ersten Kampf und besiegte Arima Kihei, einen Krieger der Shintô-Schule. Mit sechzehn bezwang ich einen weiteren kräftigen Kämpfer namens Tadashima Akiyama. Mit einundzwanzig ging ich in die Hauptstadt, wo ich auf viele Kämpfer traf und nicht ein Duell verlor. Danach zog ich von Dorf zu Dorf, maß mich mit Kriegern aller Schulen und errang in all meinen mehr als sechzig Kämpfen den Sieg. Das alles geschah zwischen meinem dreizehnten und neunundzwanzigsten Lebensjahr.
Als ich dreißig war, blickte ich auf mein Leben zurück. Meine Siege lagen freilich nicht darin begründet, dass ich den Schwertkampf vollendet beherrschte. Ich besaß wohl lediglich eine natürliche Begabung, das Schicksal war mir wohlgesonnen und meine Gegner waren schlecht ausgebildet. Darum suchte ich fortan von morgens bis abends nach der grundlegenden Wahrheit der Kampfkunst. Mit fünfzig Jahren erkannte ich schließlich das Wesen des Schwertes. Seitdem lebe ich, ohne einem bestimmten Weg zu folgen. Denn so kann ich auf der Grundlage der Tugenden der Schwertkampfkunst viele verschiedene Künste und Tätigkeiten ausüben, ohne dafür Lehrer zu benötigen.
Für dieses Buch habe ich weder Buddhas noch Konfuzius’ Lehren verwendet noch alte Chroniken oder Bücher über die Kampfkunst. Ich nehme den Pinsel in die Hand, um den wahren Geist des Niten-ichiryû zu erläutern, der sich im Weg des Himmels und in der Göttin Kannon widerspiegelt.
Die Kampfkunst ist das Gesetz der Samurai. Ihre Anführer müssen sie beherrschen, die Soldaten mit ihr vertraut sein. Doch in der heutigen Welt gibt es keinen Samurai, der die Kampfkunst wirklich versteht.
Es gibt viele Wege – den Weg der Erlösung in Buddhas Lehre, den Weg des Lernens bei Konfuzius, den Weg des Arztes, Krankheiten zu heilen, den des Dichters, das Verseschmieden zu lehren. Teetrinken und Bogenschießen haben ihren Weg. Jeder kann sich in dem üben, was seinem Talent entspricht. Doch nur wenige erfreuen sich am Weg der Kampfkunst.
Der Weg eines Kriegers ist der des Schwertes und des Pinsels. Selbst ein Mann ohne Begabung wird zum Krieger, wenn er sich beharrlich in beidem übt. Der Weg des Kriegers besteht in der unbedingten Bereitschaft zu sterben. Nicht nur Soldaten, auch Priester, Frauen und Bauern sind aus Ehrgefühl in der Lage, in den Tod zu gehen. Was den Krieger von den anderen unterscheidet, ist das Ziel, seine Gegner zu bezwingen. Ob im Kampf gegen einen oder mehrere Gegner, der Krieger trachtet danach, für sich oder den Herrn, in dessen Dienst er steht, Ruhm und Ansehen zu erwerben und sich in der Schwertkunst zu vervollkommnen.
In China und Japan wurden Männer, die diesen Weg beschritten, von jeher als Meister der Kampfkunst bezeichnet. In der jüngsten Zeit traf man jedoch auf Lehrer des Schwertkampfes, die bloß Fechter waren und sich damit ihren Lebensunterhalt verdienten. Dazu gehören leider auch die Schüler der Kashima- und Katori-Schreine1 in der Provinz Hitachi, deren Lehren sich auf Götter berufen und die herumreisen, um andere Männer auszubilden.
Seit alters her wird der Schwertkampf zu den »Zehn Fertigkeiten« und »Sieben Künsten« gezählt. Er ist zweifellos eine Kunst, die sich jedoch nicht auf den Kampf allein beschränkt. Sein wahrer Wert geht über die reine Technik hinaus. In unserer Zeit neigt man dazu, Künste, Fertigkeiten und Werkzeuge, ja, mit ihnen gar sich selbst zu verkaufen. Mehr als die Frucht zählt die Blüte, der schöne Schein. Der Weg des Schwertes dient einigen Lehrern nur noch zur Selbstdarstellung. Sie sprechen von dieser und jener Schule, suchen dabei aber nur den schnellen Erfolg und Gewinn. Wie wahr ist der Ausspruch: »Mittelmäßige Schwertkunst hinterlässt oft große Wunden bei den Übenden.«
In dieser Welt gibt es vier Stände: Samurai, Bauern, Handwerker und Kaufleute. Der Weg des Bauern ist, im Wechsel der Jahreszeiten sein Arbeitsgerät zu benutzen und das Feld zu bestellen. Der Weg des Kaufmanns ist zum Beispiel der eines Reisweinhändlers: Er kauft Zutaten und vertreibt das fertige Produkt, um so seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Der Weg des Kaufmanns besteht darin, Gewinn zu machen. Der Weg des Handwerkers beruht auf der richtigen Anwendung seiner Werkzeuge. Ein Zimmermann muss mit dem Maßstock einen Entwurf machen und diesen sorgfältig umsetzen. Der Weg des Samurai besteht darin, zweckmäßige Waffen zu tragen, sie benutzen zu können und stets den Weg des Kriegers zu gehen.
Man kann die Schwertkunst am Weg des Zimmermannes verdeutlichen. Beide Dinge haben mit Häusern zu tun. Es gibt die Häuser im Sinne von Familien – die des Hofadels, die Häuser der Krieger, die vier Häuser der Teeschulen. Sie vergehen oder gedeihen und sind von unterschiedlichem Stil und Ruf. Das Wort »Haus« kann aber auch Gebäude bedeuten. Hiermit hat der Zimmermann zu tun, dessen chinesische Schriftzeichen bedeuten: »im Großen planen« – und genau das tut ja auch ein Krieger. Wer die Kampfkunst erlernen will, höre genau zu. Lehrer und Schüler müssen sich zueinander verhalten wie Nadel und Faden.
Ein General sollte sich mit dem Zustand der Nation so vertraut machen wie der Zimmermann mit den Maßen eines Gebäudes. Der Zimmermeister sollte den Aufbau von Türmen und Tempeln und die Architektur von Palästen kennen. Er leitet andere beim Bau von Häusern an. Die gleiche Fähigkeit sollte ein General bei der Aufsicht über Kriegshäuser, also die Familien der Samurai, an den Tag legen. Für den Bau eines Hauses muss man verschiedene Holzarten unterscheiden können. Gerade gewachsenes, schön gemasertes Holz wird für die sichtbaren Pfeiler verwendet, Holz mit kleinen Unebenheiten für die nicht sichtbaren Pfeiler. Die schönsten Hölzer werden für Schwellen und Schiebetüren benutzt. Kräftiges, aber verzogenes Holz kann an versteckten Stellen verbaut werden. Schwaches oder verästeltes Holz dient als Baugerüst und später als Brennholz.
Der Zimmermeister setzt seine Gehilfen nach ihren Fähigkeiten ein: die Tüchtigsten für sichtbare Fußböden, Schiebetüren, Schwellen und Decken; die weniger Geschickten für Unterdielen, die am wenigsten Talentierten zum Spalten und Sägen. Kennt der Zimmermeister seine Gehilfen genau und teilt die Arbeiten entsprechend ihren Talenten auf, werden sie gute Dienste leisten. Der Zimmermeister sollte stets die folgenden Punkte bedenken:
• Man soll seine Arbeiten gründlich erledigen.
• Man soll nichts auf die leichte Schulter nehmen.
• Man soll Prioritäten setzen.
• Man soll die Stimmungen der Mitmenschen erspüren.
• Man sollte erkennen, wenn etwas unmöglich ist.
Diese Grundsätze lassen sich auch auf die Kampfkunst anwenden.
Wie der einfache Samurai schärft der Zimmermann seine Werkzeuge selbst. Er hat sie stets dabei und verwendet sie nach Anleitung seines Meisters. Er schlägt Pfeiler und Balken mit der Axt zurecht, hobelt Dielenbretter, schnitzt Verzierungen und lackiert und poliert Oberflächen so sauber und genau, wie es in seinen Kräften steht. Stete Übung und der gewandte Umgang mit dem Maßstock können ihn schließlich selbst zum Meister machen.2 Der Zimmermann benötigt Werkzeuge, die gut schneiden, und muss sie stets nachschärfen. Er muss damit Möbel, kleine Hausschreine, Bücherregale, Tische, Laternen und sogar Hackbretter und Topfdeckel sauber zuschneiden können. Auch der Krieger muss mit seinem Werkzeug genau umgehen können. Wie der Zimmermann muss er darauf achten, dass sein Wirken kein Stückwerk bleibt und nicht krumm und verbogen erscheint. Wer den Weg des Kriegers gehen will, der bedenke sorgsam diesen Vergleich.
Ich stelle die Prinzipien der Schwertkunst in fünf Kapiteln dar, die ich nach den fünf Elementen benenne: Erde, Wasser, Feuer, Wind und Leere. Im Kapitel »Erde« erkläre ich die Anschauungen meiner eigenen Schule: Der wahre Weg des Schwertes kann nicht allein im Üben des Schwertkampfes liegen. Man soll vielmehr vom Kleinen zum Großen, vom Seichten zum Tiefen vordringen. Dieses Kapitel heißt »Erde«, weil es die Grundlage für einen geraden Weg darstellt.
Der zweite Teil heißt »Wasser«. Das Herz soll wie Wasser werden: Formlos verändert es seine Gestalt, je nachdem, in welcher Art Gefäß es sich befindet. Mal erscheint Wasser als einzelner Tropfen, mal als ganzer Ozean. Die blaue und klare Natur des Wassers soll für weitere Erklärungen meines Stiles stehen. Meistert man dessen grundlegende Prinzipien, kann man leicht jeden Gegner in der Welt besiegen. Ob es ein Gegner ist oder zehntausende, die Grundlagen hierfür sind dieselben.
Ein General muss vom Kleinen aufs Große schließen können, so wie man von einem Miniaturmodell eine große Buddhastatue herstellt. Das Prinzip der Kampfkunst ist schwer zu beschreiben. Es geht darum, von einer kleinen Sache ausgehend alle anderen zu verstehen. Das wird im Kapitel »Wasser« erläutert.
Der dritte Teil heißt »Feuer« und handelt von tatsächlichen Kämpfen. Weil Feuer wild oder auch ruhig sein kann, ist es eine gute Metapher für den Kampf. Das Prinzip dahinter gilt sowohl für den Zweikampf als auch für die Schlacht von Armeen. Man muss es erfassen, indem man gleichzeitig die Gesamtsituation wie auch ihre einzelnen Bestandteile erkennt.
Es ist leicht, Großes zu erkennen, doch anstrengend, etwas Kleines zu sehen. Mit anderen Worten, eine große Gruppe Männer wird sich nur langsam bewegen und nicht leicht zu führen sein. Der Geist des Einzelnen hingegen kann sich schnell und unauffällig ändern und ist daher nur schwer zu fassen. Diesen Punkt sollte man sorgfältig bedenken.
Das Kapitel »Feuer« behandelt Notfälle. Man soll seinen Geist so üben, dass er in Notfällen nicht aus der Ruhe gerät. Darum erkläre ich in diesem Teil echte Schlachten.
Ende der Leseprobe