Das Denken der anderen - Daniel-Pascal Zorn - E-Book

Das Denken der anderen E-Book

Daniel-Pascal Zorn

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Beschreibung

Der Westen protzt. Der Westen stellt sich in Frage. Einerseits EU-Schulterschluss im Angesicht des Ukrainekrieges. Selbstzweifel, Selbstkritik und Selbstdementierung auf der anderen Seite. Zur europäisch-nordamerikanisch-westlichen Praxis gehört eben nicht nur die Erfindung der Demokratie und der Menschenrechte, nicht nur die Idee der Gleichheit der Menschen und die Idee pluralistischer Ordnungen, der Gewaltenteilung und des vernünftigen Interessenausgleichs, sondern auch seine radikale Dementierung. Kolonialismus, Faschismus und Nationalsozialismus, Imperialismus und Rassismus sind ohne Zweifel keine nicht-westlichen, keine nicht-modernen Erscheinungen. Sie gehören konstitutiv zur westlichen Moderne dazu. Das Kursbuch 211 stellt sich dieser Ambivalenz auf vielfältigste Weise. Daniel-Pascal Zorn nimmt in seinem Beitrag eine nicht westliche Perspektive ein, um den Universalismus des Westens zu verstehen. Er kommt zu der These, der Westen sei nur mit sich selbst beschäftigt. Philosophisch tue er so, als beginne das Denken (Griechenlands) bei sich selbst, statt zu sehen, wie sehr dieses Denken bereits an anderes anschließt.

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Inhalt

Daniel-Pascal ZornDas Denken der anderenEine kurze Geschichte westlicher Hegemonie

Der Autor

Impressum

Daniel-Pascal ZornDas Denken der anderenEine kurze Geschichte westlicher Hegemonie

1. Das Erbe Alexanders des Großen

Als Alexander der Große auf seinem Feldzug im Frühling 326 v. Chr. den Indus erreicht, kommt ihm eine Gesandtschaft der Stadt Taxila entgegen, die ihn freundlich begrüßt. Die Hauptstadt der Region Gandhara, in der Nähe des heutigen Islamabads, will sich die Gunst des makedonischen Heerführers gegen die eigenen Feinde sichern. Alexander nimmt Taxila kampflos ein. In seinem Gefolge sind drei Philosophen mit nach Indien gezogen: der Kyniker Onesikritos, der Demokriteer Anaxarch von Abdera und dessen Schüler, ein ehemaliger Maler aus der Stadt Elis, der über die Philosophenschule in Megara zur Philosophie Demokrits gefunden hat. Die Philosophen treffen in Taxila unter anderem auf »Gymnosophisten«, nackte Weise also, die dort auf den Plätzen und in den Tempelanlagen lehren. Zu dieser Zeit stehen der orthodoxen Lehre der Brahmanen eine Reihe von heterodoxen Lehren kritisch gegenüber, zu denen auch die ersten Lehrer der späteren Weltreligionen Buddhismus und Jainismus gehören.

Die sogenannten Śraman.a- oder Asketen-Bewegungen verneinen die positive Lehre der Veden, weswegen sie mit dem Begriff Nāstika (Sanskrit für »es ist nicht«) zusammengefasst werden, gegenüber der brahmanischen Lehre, die unter den Begriff Āstika (»es ist«) fällt.1 Die Heterodoxie der Asketen zeichnet sich also vor allem durch Verneinung und Skepsis aus, die sich gegen die Sinngebung brahmanischer Weisheit und dem daraus folgenden intellektuellen Herrschaftsanspruch richten. Als Pyrrhon von Elis nach Griechenland zurückkehrt, begründet er eine eigene philosophische Richtung, die pyrrhonische Skepsis. Sie gilt als radikale Skepsis gegenüber anderen, positiven Philosophien, aber auch den eigenen Annahmen. Ihr Ziel, vorgelebt von ihrem Begründer, ist dabei kein bloß theoretischer Erkenntnisanspruch, sondern eine Leib und Seele umfassende Haltung der Unerschütterlichkeit.

Doch dieses Ziel kann, paradoxerweise, von ihnen nicht angestrebt werden. Das würde ihrer skeptischen Haltung widersprechen. Der im zweiten Jahrhundert lebende Arzt Sextus Empiricus, dem wir wesentliche Einsichten in die Lehren der pyrrhonischen Skepsis verdanken, schreibt: »[D]ie Skeptiker hofften, die Seelenruhe dadurch zu erlangen, dass sie über die Ungleichförmigkeit der erscheinenden und gedachten Dinge entschieden. Da sie das nicht zu tun vermochten, hielten sie inne. Als sie aber innehielten, folgte ihnen wie zufällig die Seelenruhe wie der Schatten dem Körper.« 2 Der Skeptiker sei wie der Maler, der das schäumende Maul eines Pferdes malen will, dem es misslingt und der wütend den Pinsel an die Leinwand wirft, die verlaufene Farbe mit einem Schwamm abwischt – und dadurch das schäumende Maul zustande bringt. Was die pyrrhonische Skepsis anstrebt, lässt sich nicht wie ein angepeiltes Ziel oder ein angestrebtes Ergebnis erreichen. Sie wird erreicht, indem sie nicht erreicht werden soll, indem das Begehren nach einem Ziel aufhört.

Davon kann bei der East India Company