Das Double der Prinzessin 1: Maskerade - Tanja Penninger - E-Book
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Das Double der Prinzessin 1: Maskerade E-Book

Tanja Penninger

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Beschreibung

**Wenn eine Maske zu deiner Bestimmung wird** Als die Wirtstochter Lona von ihrem Vater an den Königshof von Katerra verkauft wird, ist die lebenslustige junge Frau fassungslos. Noch bevor sie ganz realisieren kann, dass ihr bisheriges Leben vorbei ist, steht Lona vor dem Königspaar von Katerra und erfährt: Sie soll in die Rolle der Prinzessin schlüpfen, sich als diese ausgeben und einen Prinzen heiraten. Die Wirtstochter fügt sich ihrem Schicksal – zumindest in der Öffentlichkeit. Im Geheimen versucht sie das Rätsel um die wirkliche Prinzessin zu entschlüsseln und stößt dabei in den dunklen Untiefen des Schlosses auf Geheimnisse und Intrigen, die ganz Katerra zerstören könnten… //Dies ist ein Roman aus dem Carlsen-Imprint Dark Diamonds. Jeder Roman ein Juwel.// //Alle Bände der romantisch-düsteren Dilogie von Tanja Penninger:  -- Das Double der Prinzessin: Maskerade (Band 1)  -- Das Double der Prinzessin: Enthüllung (Band 2)//  Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Dark Diamonds

Jeder Roman ein Juwel.

Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.

Wer nach einer hochwertig geschliffenen Geschichte voller dunkler Romantik sucht, ist bei uns genau richtig. Im Mittelpunkt unserer Romane stehen starke weibliche Heldinnen, die ihre Teenagerjahre bereits hinter sich gelassen haben, aber noch nicht ganz in ihrer Zukunft angekommen sind. Mit viel Gefühl, einer Prise Gefahr und einem Hauch von Sinnlichkeit entführen sie uns in die grenzenlosen Weiten fantastischer Welten – genau dorthin, wo man die Realität vollkommen vergisst und sich selbst wiederfindet.

Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.

Tanja Penninger

Das Double der Prinzessin 1: Maskerade

**Wenn eine Maske zu deiner Bestimmung wird** Als die Wirtstochter Lona von ihrem Vater an den Königshof von Katerra verkauft wird, ist die lebenslustige junge Frau fassungslos. Noch bevor sie ganz realisieren kann, dass ihr bisheriges Leben vorbei ist, steht Lona vor dem Königspaar von Katerra und erfährt: Sie soll in die Rolle der Prinzessin schlüpfen, sich als diese ausgeben und einen Prinzen heiraten. Die Wirtstochter fügt sich ihrem Schicksal – zumindest in der Öffentlichkeit. Im Geheimen versucht sie das Rätsel um die wirkliche Prinzessin zu entschlüsseln und stößt dabei in den dunklen Untiefen des Schlosses auf Geheimnisse und Intrigen, die ganz Katerra zerstören könnten …

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Vita

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© privat

Tanja Penninger wurde 1992 in Oberösterreich geboren und tauchte schon als Kind gerne in die Welt der Bücher ein. Derzeit arbeitet sie als Erzieherin und als freie Mitarbeiterin bei einer regionalen Zeitung. In ihrer Freizeit spielt sie Querflöte und ist bei einem Musikverein tätig. Wenn sie also einmal nicht schreibt, dann bastelt oder musiziert sie sich durchs Leben. Zusammen mit ihrem Freund lebt sie nun im Bezirk Braunau (OÖ).

»Im Spiegel sehe ich mich selbst. Und ich werde auch niemals eine andere sehen, selbst wenn alle anderen es tun.«

PROLOG

»Bringt mich zu ihr!« Verstört und aufgebracht klangen die Worte der Königin, die des Nachts durch die langen Gänge des Schlosses hallten. Die Monarchin verstand nicht, warum man nicht sofort nach ihr hatte rufen lassen. Geschwind warf sie sich ihren dunkelroten Umhang über die Schultern, um ihre Schlafkleidung darunter zu verbergen, und lief den Rittern hinterher. Angst und Panik klopften im Rhythmus ihres wild schlagenden Herzens ein gespenstisches Duett, denn die Königin ahnte Fürchterliches.

»Wo hat man sie gefunden?«, fragte sie ängstlich, während sie sich bemühte mit ihren treuen Untertanen Schritt zu halten. Die Vorstellung, ihrer einzigen Tochter könnte ein Leid zugefügt worden sein, jagte der Herrscherin einen eisigen Schauder über den Rücken.

»Am See, Eure Hoheit«, antwortete einer der beiden Ritter und hielt schließlich vor den Gemächern der Thronfolgerin an, wo bereits der Hofarzt auf die nervöse Monarchin wartete. Hinter dieser Tür, so wusste die Königin, befand sich ihre Tochter, die nach langer Suche endlich gefunden worden war. »Wie geht es ihr?«, erkundigte sie sich nach dem Befinden der Prinzessin und unterdrückte dabei den Drang, einfach in die Räumlichkeiten hineinzustürmen.

»Ich würde Euch raten, Euch auf das Schlimmste vorzubereiten, Eure Hoheit«, flüsterte der Hofarzt vorsichtig und wurde dabei ganz blass. In seinen Gesichtszügen konnte die Monarchin ablesen, dass mit ihrer Tochter etwas Grausiges geschehen sein musste. Das Blut rauschte der Herrscherin in den Ohren, sodass sie die vielen weiteren Warnungen des Arztes gar nicht gewahrte. Sie konnte sich nicht länger zurückhalten, musste wissen, was mit ihrer geliebten Tochter geschehen war. Ohne auf die Worte ihrer Untergebenen zu hören, drängte sie sich an den Männern vorbei und öffnete die Tür zum Gemach der Prinzessin.

Was die Monarchin dort sehen musste, jagte ihr entsetzliche Angst ein. Voller Grauen starrte sie auf das Gesicht ihrer Tochter, das nichts mehr mit den lieblichen Zügen von früher gemein hatte.

Die Königin konnte sich einen spitzen Schrei nicht verkneifen, schlug anschließend sofort die Hände auf den Mund und brach in Tränen aus. Kalter Schweiß klebte der Monarchin an Rücken und Stirn. Der Fluch hatte die Prinzessin schlimmer getroffen, als es die Königin je für möglich gehalten hätte.

DIE GLÄNZENDE

Normalerweise kannte ich alle Gäste in der Wirtshausstube meines Vaters. Selten hatte ich ein neues, fremdes Gesicht entdeckt. Während ich singend mit meiner Laute zwischen den Tischen hindurch tänzelte, glitt mein neugieriger Blick immer wieder in dieselbe Richtung. Eine Richtung, in der ich für gewöhnlich meinen Freund Lex und seine Kumpels beim Kartenspielen ins Blickfeld bekam. Heute aber war alles anders.

Gekonnt glitten meine Finger über die Saiten meines Instruments und zupften verspielt daran herum. Es war eine bekannte Volksmelodie, die ich den Stammgästen beinahe täglich zum Besten gab. Selbstverständlich wusste ich ganz genau, dass meine Stimme engelsgleich klang und selbst das kälteste Herz zum Glühen bringen konnte. Mein Vater sagte mir stets, dass ich ein Goldkehlchen sei und mein Ton mit dem einer Nachtigall verglichen werden konnte. Außerdem war er der Ansicht, dass ich dieses einzigartige Talent wohl meiner Mutter zu verdanken hatte. Dessen war ich mir jedoch nicht so sicher. Meine Mutter war eine sehr stille Person und sprach nie sehr viel – von Singen konnte also gar keine Rede sein. Im Grunde war sie eher das Gegenteil von Vater und mir, da es uns einfach im Blut lag, eine freche, flotte Zunge zu haben. Sie aber handelte stets besonnen und bedacht.

Der Geruch nach Zigarrenqualm und Alkohol hing in der Luft. Ein Duft, der täglich in meine Nase drang und mich so lange kitzelte, bis ich Teil der betrunkenen Atmosphäre wurde. Wie so oft trug ich auch heute eines meiner freizügigen roten Kleider und huschte wie ein bunter Farbklecks zwischen den graubraunen Gestalten herum. Schweiß perlte von meiner Stirn, sammelte sich zwischen meinen Brüsten. Und dennoch hielt ich keinen Moment inne, sondern tanzte und sang, als wäre es die letzte Gelegenheit, als würde morgen die Mauer fallen.

Niemand wusste so genau, was wirklich geschehen würde, wenn es soweit käme. Tatsächlich spielte unser König ja Gerüchten zufolge immer wieder mit dem Gedanken, selbst die steinerne Grenze zwischen dem magischen Reich und Nhao niederzureißen, um mit seiner Armee in das dunkle Land einzumarschieren. Ich selbst war noch niemals hinter der Mauer gewesen.

Keiner hier war das.

Was sich dahinter verbarg, wusste ich nur aufgrund von Erzählungen. Lebende Bäume, so hieß es, warteten nur darauf, ihre spitzen Äste, die mit Widerhaken versehen waren, durch zarte Menschenkörper zu bohren. Männer mit dem Körper eines Pferdes lechzten dort nach Blut und bekämpften sich gegenseitig mit Speeren.

Wer würde bei solchen Schilderungen schon freiwillig über die Grenze treten? Die Grenze zum dunklen, magischen Reich.

Das Lachen meines Vaters riss mich aus meinen Gedanken. Sein Grunzen schallte laut und aufdringlich durch die Stube und übertönte meinen Gesang zur Gänze. Mit einem riesigen Tablett voller Bierkrüge bahnte er sich seinen Weg zwischen den Tischen hindurch und begrüßte all seine Gäste persönlich. Hier, in diesen heruntergekommenen vier Wänden, war mein Vater der König, der gönnerhaft seine Untertanen willkommen hieß.

Ich musste grinsen, als sich unsere Blicke trafen. Es war wieder einmal, als würden wir uns ohne Worte verstehen.

»Heute machen wir wieder ein gutes Geschäft«, sagte sein Zwinkern.

»Kennst du diese Leute dort hinten?«, fragte mein Blinzeln in die besagte Richtung.

»Nein, aber sie beobachten dich wohl«, verriet das Stirnrunzeln in dem ohnehin schon mit Falten durchzogenen Gesicht meines Vaters.

Diese Mimik war es, die mir mein Gefühl, schon den ganzen Abend beäugt worden zu sein, restlos bestätigte. Während ich weiterhin munter meine Lieder schmetterte und mein Vater wieder in seine Rolle als Wirt zurückschlüpfte, nahm ich mir vor, die unbekannten Gäste nun ebenfalls im Blick zu behalten. Ihre Gewänder zeugten von adeliger Herkunft, möglicherweise waren sie Boten eines Königs. Vielleicht waren sie ja auf dem Weg zur Mauer! Allerdings … was hatten derart edle Herren an einem solch gottlosen Ort verloren? Unser Dorf lag schon erschreckend nahe an der Grenze.

»Komm doch mal her, Kleine!« Utt, der Metzger, grapschte nach meinem Rock und zog mich zu sich auf den Schoß. Sein Atem stank entsetzlich nach Rum und Fäule. Sicherlich betrank er sich wieder, um seine Zahnschmerzen zu vergessen. Erst vor ein paar Monaten hatte ihm jemand einen seiner Backenzähne ziehen müssen. Wahrscheinlich war nun das nächste Exemplar fällig.

Natürlich mochte ich es nicht, wie ein Bierkrug herumgereicht zu werden. Allerdings waren Utt und seine Freunde gute Kunden des Hauses und ich wollte sie auf keinen Fall verärgern oder gar vergraulen. So lachte ich laut auf, winkte übertrieben gut gelaunt in die Runde und riss mich anschließend wieder geschickt mit den Worten »Jetzt besinge ich deine Weisheit« von ihm los. Die Männer lachten, Utt gab mich frei und lauschte meinem Gesang, als würde der Text tatsächlich von ihm handeln. Eigentlich gab ich gerade nur eine bekannte Ode an den König zum Besten, unseren König, der vor etwa 30 Jahren die Mauer errichten hatte lassen.

Offenbar waren nicht nur Utt und seine Saufkumpane an meinem Lied interessiert. Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete ich die fremden Männer, die nun miteinander zu tuscheln begannen wie Marktweiber. Ehe ich jedoch zu Ende singen oder mir gar einen Reim auf die Unbekannten machen konnte, baute sich plötzlich jemand vor mir auf. Der Gestank nach Rum verschwand und wurde durch Wein ersetzt. Lex griff in mein Haar und zog meinen Kopf zu sich heran. Gerade hatten meine Lippen noch den Liedtext geformt, schon vereinten sie sich mit denen meines Liebsten.

Lex war der Sohn des Schusters und wollte eines Tages in die Fußstapfen seines Vaters treten. Schon jetzt half er fleißig im Laden und konstruierte die schönsten Pantoffeln im ganzen Land. Im Grunde rechnete ich beinahe stündlich mit einem Heiratsantrag, schließlich waren wir seit jeher ein Paar. Schon als Kinder waren wir händchenhaltend durch die taufeuchten Wiesen gelaufen und hatten versucht uns gegenseitig in die Margeritenfelder zu schubsen. Inzwischen tollten wir zwar nicht mehr in den Feldern der Bauern herum, hatten aber dennoch nach wie vor jede Menge Spaß zusammen.

»Lona«, hauchte er erregt in mein Ohr und knabberte anschließend an meinem Ohrläppchen herum, was mich zum Kichern brachte.

Lona, das war mein Name. Eine alte Frau aus dem Dorf hatte mir verraten, dass mein Vorname so viel wie »die Glänzende« bedeutete und eigentlich ein magischer Mädchenname war. Früher, so hieß es, trugen viele Zauberinnen diesen Namen. Selbstverständlich habe ich daraufhin meine Eltern zur Rede gestellt, schließlich wollte ich wissen, weshalb ich in einem Land, in dem die Zauberei seit Jahren verboten war, einen Hexennamen erhielt.

»Davon habe ich noch nie gehört«, hatte daraufhin mein Vater nur lachend gemeint und abgewinkt. Allerdings konnte ich mich noch ganz genau an das aufgeregte Funkeln in seinen Augen erinnern, das aufloderte wie züngelnde Flammen, die soeben mit Öl genährt worden waren.

Lex war seit jeher ein ungestümer Bursche gewesen. Auch jetzt hob er mich mit einem Ruck hoch, schleuderte mit der anderen, freien Hand leere Krüge von einem Tisch und bettete mich anschließend auf das dunkle Holz, aus dem die gesamte Wirtshauseinrichtung bestand. Ich liebte die romantischen Blitzaktionen meines Freundes. Doch mich hier in aller Öffentlichkeit von ihm beinahe auffressen zu lassen, war mir dann doch zu viel des Guten, besonders, da ich wieder die eigenartigen Blicke der fremden Gäste im Nacken spürte.

Es schien die feinen Herren wohl sehr zu interessieren, was Lex und ich hier taten. Anders konnte ich mir ihr ungeniertes Starren nicht erklären. Möglicherweise waren sie ja doch von der Mauerwache und suchten noch stramme Typen wie meinen Liebsten, die das Land vor den dunklen Kreaturen schützen konnten. Wie viel sie wohl für solch einen Job zahlen würden? Wie viel Lex ihnen wohl wert wäre?

Allerdings würde ich niemals zulassen, dass mir diese vier aufgeblasenen Herrschaften meine Zukunft stahlen. Meine Zukunft, die ich wie einen goldenen Teppich vor mir ausgerollt sah. Viele Kinder wollten wir haben, Lex und ich. Darüber hatten wir sogar schon einmal gesprochen. Meine Mutter war zwar der Ansicht, dass ich mit derartigen Plänen ruhig noch ein paar Jahre warten sollte, doch ich war mir ganz sicher, was ich vom Leben wollte. Ich wollte Lex – den Mann, der mich mit derart verliebten, hungrigen Augen ansah, als wolle er mir im nächsten Wimpernschlag schon die Kleider vom Leib reißen. Obwohl ich fast zwanzig Jahre alt war, sah ich mich bereits als Großmutter zusammen mit Lex auf einer Veranda sitzen. Und diese Vorstellung, dieser Traum war es, den ich hütete wie einen Schatz. Da konnten selbst diese vier Fremden nichts dagegen tun.

Erst jetzt registrierte ich auch, dass diese Gäste wohl gar nicht aus unserem Königreich stammten. Sie trugen die Wappenfarben des benachbarten Landes, Gold und Schwarz. Was aber wollten Männer des Königs von Katerra hier bei uns? Des Rätsels Lösung kam näher, das spürte ich. Just in dem Moment, als sich einer der Unbekannten erhob, begann es in meinem Bauch schmerzhaft zu ziehen. Warum das so war, konnte ich zunächst nicht begreifen. Als jedoch dann deutlich wurde, dass der Herr auf meinen Vater zu marschierte, flatterten die unmöglichsten Gedanken in meinem Kopf herum, wie durch einen Windstoß zerstobene Blätter. Meine Kreativität kannte mal wieder keine Grenzen und errichtete die albernsten Szenarien. Alles kam in meiner Fantasie vor: Mord, Erpressung, Diebstahl.

Längst hatte Lex meine Aufmerksamkeit verloren, ich starrte an ihm vorbei und wühlte mehr aus Nervosität als aus Leidenschaft in seinem Haar herum. Seine sanften Küsse am Hals spürte ich kaum noch. Was ich jedoch immer deutlicher spürte, war das Stechen in meinem Bauch, die Angst, was die vier Herren wohl von meinem Vater wollten.

Forschend kniff ich die Augen zusammen und musterte jede Bewegung des Herren, der auf meinen Vater zuschritt. Es wunderte mich nicht, dass mein Vater den bärtigen Fremden aufs Höflichste begrüßte, das lag schließlich in seiner Wirtsnatur. Dass jedoch von einem Moment auf den anderen sein Lächeln erstarb und sein Blick in meine Richtung wanderte, verwirrte mich. Zuerst bildete ich mir noch ein, dass sie vielleicht doch Lex als Mauerwächter haben wollten, schließlich arbeiteten die beiden Königreiche Nhao – unseres – und Katerra – das Nachbarland – bei der Verteidigung gegen die Wesen hinter der Mauer seit Jahren zusammen, doch das war Unsinn. Sie waren nicht an Lex interessiert. Das Augenmerk des Fremden ruhte auf einer anderen Person. Auf mir.

Als mich mein Vater herbeiwinkte und ich mich aus meiner liegenden Position am Tisch erhob, spürte ich, wie wackelig und weich meine Knie geworden waren. Mein ansonsten so fester Stand hatte sich in eine schlabbrige Puddingsäule verwandelt. Ich fühlte noch, dass mir Lex einen leichten Klapps auf den Hintern gab, doch dann verlor ich jedes Gefühl im Körper. Der Ausdruck in den Augen meines Vaters berührte mich tief in der Seele, auf eine verzweifelte Art und Weise. Verzweifelt deshalb, da ich ihn nicht richtig deuten und einordnen konnte. Er passte in keine der ansonsten so simplen Schubladen, denn für gewöhnlich verstanden wir uns ja ohne ein Wort.

Diesmal jedoch war es anders. Ich begriff nicht, was mir das Runzeln seiner Stirn und das gefährliche Funkeln in seinen dunklen Pupillen sagen sollten. Ein gigantisches Fragezeichen poppte in meinem Kopf auf.

»Lona, Liebes, komm doch her«, brummte mein Vater und alleine schon am tonlosen Klang seiner Stimme erahnte ich nun doch, dass es Unsicherheit war, die seine Mimik vereinnahmte. Grenzenlose Unsicherheit. Diese Erkenntnis erschütterte mich, woraufhin ich verwirrt und nachdenklich blinzelte. Was konnten die feinen Herren nur gesagt haben?

Die Antwort darauf bekam ich prompt auf dem Silbertablett serviert. »Lona«, begann mein Vater abermals, diesmal mit einem wehmütigen Seufzer. »Diese Herrschaften fragen, ob du Interesse an einer Anstellung am Königshof von Katerra hast.«

Überrascht huschte mein Blick hinüber zu den stattlichen Herren aus dem Nachbarreich. Tatsächlich betrachteten sie mich auf einmal voller Ehrfurcht, was ziemlich seltsam war und mir nicht ganz behagte. Weshalb diese Adeligen wohl meine Dienste benötigten? Was konnte ihnen ein einfaches Landmädchen wie ich, mit hagerer Gestalt und schmutzigem Haar, schon bieten? Das Einzige, das wirklich besonders an mir war, war mein herrlicher Gesang. Vermutlich wollten sie mich als Bardin an ihrem Hof sehen. Doch das kam überhaupt nicht infrage! Mein Platz war hier, an der Seite meines Bald-Verlobten.

»Nein danke«, erwiderte ich daher pampig und machte sogar einen übertriebenen Hofknicks. »Aber das Leben am Hof wäre nichts für mich.«

Möglicherweise verspielte ich mit dieser Aussage ihre Gunst und würde mich später darüber ärgern, doch zu diesem Zeitpunkt, in genau diesem Moment, schienen es mir die richtigen Worte zu sein. Während also mein Vater erleichtert ausatmete – was allerdings nur ich, niemand sonst bemerkte – verkrampfte sich die zuerst so lässige Körperhaltung der feinen Herren. Auch die übrigen drei hatten sich erhoben und waren zu uns herübergekommen. Plötzlich standen sie da wie aufgezogene Puppen.

»Wollt Ihr Euch das nicht noch einmal überlegen?«, fragte mich da schon der Erste, der noch sehr jung aussah, und begann wild in der Luft herum zu gestikulieren. »Das Schloss Katerras ist prächtig und voller Leben!«

Vermutlich sollten seine ausladenden Gesten die Pracht seiner Heimat in den herrlichsten Farben beschreiben. Für mich wirkten sie jedoch albern. So, als würde er versuchen eine nervige Fliege zu verscheuchen. Ehe ich jedoch eine unpassende Bemerkung, die mir natürlich schon wieder auf der Zunge brannte, formulieren konnte, entdeckte ich den Anflug von Panik in seinem Blick. War es denn so dringend erforderlich, mich zum Königshof zu befördern? Die zügellose Beleidigung verschwand sang- und klanglos im ewigen Nichts und wurde ruckartig durch eine ehrlich gemeinte Entschuldigung ersetzt.

»Es tut mir wirklich leid«, begann ich und zuckte kurz mit den Schultern. Auch das amüsierte Grinsen war aus meinem Gesicht verschwunden und verwandelte sich nahtlos in Mitleid. »Aber ich möchte meine Heimat nicht verlassen. Lex und ich …« – ich wies mit dem Kopf in die Richtung, in der ich meinen Liebsten wusste – »wir wollen bald heiraten!«

Das stimmte zwar nicht ganz, würde aber irgendwann Wirklichkeit werden. Es konnte sich nur noch um wenige Tage handeln, bis ich endlich einen Verlobungsring am Finger hatte.

»Das ist äußerst bedauerlich«, klagte der Mann, der hinter meinem Gegenüber hervortrat und nun enttäuscht und beinahe sehnsüchtig zu mir herabblickte. Sein Blick haftete derart intensiv an mir, dass ich wegsehen musste. Was faszinierte diese Männer nur so? Mein blondes Haar? Meine stechend blauen Augen?

»Und die Entscheidung ist endgültig?«, fragte nun mein erster Gesprächspartner hoffnungsvoll, so, als bestünde tatsächlich noch der leiseste Funken einer Möglichkeit, dass ich mich in letzter Minute umentscheiden könnte.

Ich nickte. »Ja. Die Entscheidung ist endgültig.«

Dass jedoch in Wahrheit gar nicht ich diejenige sein würde, die über mein Schicksal bestimmen sollte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Obwohl ich mich nach meiner Verkündung von den Herrschaften abgewandt hatte und wieder singend durch die Tischreihen hopste, ging mir dieses seltsame Gespräch dennoch nicht aus dem Kopf.

Während ich »Ein Hoch dem König« sang und dabei schräge Akkorde erklingen ließ, tönten in meinen Gedanken ganz andere Melodien. Eine Symphonie aus aufgeregter Neugier. Vielleicht hätte ich mich vor meiner Absage doch noch genauer über die Stellung am Hof erkundigen sollen. Möglicherweise hätte ich gutes Geld verdienen können! Ärger begann in mir hochzusteigen. Der weiße Spitzenkragen oberhalb meiner Brüste begann fürchterlich zu kratzen und die Haut darunter juckte plötzlich schrecklich. Genervt ließ ich den letzten Schlussakkord erklingen und rieb mir anschließend energisch die brennende Stelle am Ausschnitt. Das sah Lex und grinste mich dabei verführerisch an. Sicherlich wirkte mein verzweifeltes Kratzen nicht gerade damenhaft – aber das war mir egal, schließlich musste ich mir diesen Juckreiz, im wahrsten Sinne, vom Hals schaffen.

Die Luft in der Stube war nicht gerade besser geworden – im Gegenteil. Zigarrenqualm waberte überall und setzte sich überall fest. Morgen würde mein Kleid wieder grässlich stinken. Alkoholfahnen vermischten sich mit dem Geruch von Schweiß und ergaben einen strengen Duftcocktail, der einem entweder egal sein musste oder starken Brechreiz verursachte. Bei mir war es diesmal überraschenderweise letzteres. Für gewöhnlich störte mich der Wirtshausgeruch nicht, schließlich lebte ich schon ewig damit. Doch heute war alles anders. Sogar die Saiten meiner Laute fühlten sich ungewöhnlich dick an und schmerzten an meinen Fingerkuppen. Gerade als mich wieder einer von Vaters Stammgästen am Rock packen wollte, machte ich einen Hechtsprung nach rechts und flüchtete.

Mein Ziel war die frische Luft, die ich auch sogleich gierig in mich aufsog, kaum dass ich die Eingangstür zum Wirtshaus hinter mir zugeschlagen hatte. Eine klare Sommernacht begrüßte mich und umhüllte mich mit einer sauberen, kühlen Atmosphäre. Der Lärm der Gäste hinter der schweren hölzernen Eingangstür ging völlig im Zirpen der Grillen unter, denn zu dieser Jahreszeit waren die kleinen Viecher ganz besonders aktiv. Sterne funkelten am Himmelszelt und blitzten keck zwischen den einzelnen Wolken hervor. Während ich zuvor meine Glieder nicht mehr gespürt hatte, konnte ich jetzt jede einzelne Faser meines Körpers wieder fühlen. Meine Seele tankte auf, füllte sich mit Energie. Alles war ruhig, friedlich, bis –

»Hilf mir!«

Ein Schrei! Der Ruf einer Frau riss mich aus meiner Trance und schleuderte mich so gewaltig zurück in die Gegenwart, dass ich augenblicklich Herzklopfen bekam. Was war hier los?

Verwirrt sah ich mich nach allen Seiten um. Vor mir erkannte ich den undurchdringlichen, düsteren Wald, hinter mir war das Wirtshaus. Nach rechts verlief der Weg, der irgendwann zur Mauer führte. Links … ich blinzelte und kniff meine Augen fest zusammen, um die Umrisse in der Dunkelheit genauer auszumachen. Tatsächlich! Dort standen zwei Kutschen. Neugierig ging ich auf sie zu. Während die eine pompös und elegant wirkte, machte die zweite eher einen schäbigen Eindruck. Dieses Gefährt war vollkommen verschlossen, man konnte um nichts in der Welt erahnen, was sich darin verbarg. Unsicher trat ich noch näher an die beiden Kutschen heran, bemerkte jedoch, dass sie bewacht waren. Wachmänner – oder Soldaten? – hatten sich rund um die Gefährte postiert und beäugten mich bereits misstrauisch. Allerdings war es so dunkel, dass sie wohl nur die Umrisse meines Körpers wahrnehmen konnten.

Was hatte das zu bedeuten? Auf jeden Fall musste ich wissen, wer da eben um Hilfe gerufen hatte. Daher schluckte ich meine Unsicherheit herunter, legte die letzten Meter Distanz zurück und fragte: »Wer seid Ihr?«

Die Frage war allerdings überflüssig, wie ich gleich darauf an dem gold-schwarzen Wappen erkannte. Bei den Gefährten handelte es sich um die Kutschen der Herrschaften aus Katerra.

»Wer ist da drin?«, wollte ich stattdessen gleich wissen und wies auf das verschlossene dunkle Gefängnis. Noch bevor ich allerdings eine Antwort erhalten konnte, hörte ich Schritte hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um und stand mit einem Mal den vier Edelleuten aus Katerra gegenüber. Instinktiv verschränkte ich die Arme. Eigentlich hätte diese Pose stolz und abweisend aussehen sollen, vermutlich aber strahlte sie eher Angst aus.

Tatsächlich merkte ich, wie mir wieder das Herz in die Hose rutschte. Hier draußen, ohne die schützende Atmosphäre des übervollen Wirtshauses, fühlte ich mich nun doch nicht mehr so sicher. Eine Gänsehaut kroch meine nackten Arme empor und ließ mich frösteln. Mit einem Mal war aus der angenehmen Sommerbrise eisigkalte Nachtluft geworden.

»Miss Raklot!«, begrüßte mich der bärtige feine Herr, mit dem mein Vater schon zuvor in der Stube gesprochen hatte. Inzwischen war sein gequälter Ausdruck verblasst. An seine Stelle war eine Mimik getreten, die mich stark verunsicherte. War es Selbstgefälligkeit? Gier? Zufriedenheit? Die Möglichkeiten waren vielfältig, zumal ich das Glitzern in seinen Augen in der finsteren Nacht nicht genau einzuordnen wusste. »Miss Raklot, nun kommt Ihr also doch mit uns mit!«

Aha, er hatte die Situation also falsch gedeutet. Erleichtert atmete ich aus, schüttelte den Kopf und erklärte lachend: »Nein, ich wollte nur frische Luft schnappen. Euch begleiten werde ich jedoch nicht.«

»Versteht mich nicht falsch, Miss Raklot, aber man hat Euch an uns verkauft. Für gutes Geld. Ihr seid jetzt Eigentum des Hofes von Katerra!«

Verwirrt blinzelte ich ihm entgegen. Ja, seine Worte waren durchaus an mein Ohr gedrungen und ich hatte auch verstanden, was er mir damit sagen wollte. Allerdings konnte ich nicht glauben, dass derart feine Herren versuchten mich mit einer solch frechen Lüge zu beleidigen.

»Ihr habt wohl einmal zu oft in den Bierkrug geschaut, mein Herr!«, zischte ich erbost schnaubend, stemmte die Hände in die Hüften und wollte einen demonstrativ wütenden Abgang hinlegen. Allerdings kam ich nicht weit. Zwei der Soldaten traten auf den Wink des Edelmannes hervor und packten mich.

»Loslassen«, keifte ich und versuchte einem der Wachmänner in die Hand zu beißen – mit Erfolg. Vor Schmerz jaulte dieser auf und ließ von mir ab. Kaum aber wollte ich mich gegen den zweiten Soldaten zur Wehr setzen, erblickte ich Lex. Offenbar hatte er die Szene mitangesehen.

»Es tut mir so leid, Lona! Was die Männer sagen, ist alles wahr! Ich hätte nie gedacht, dass dich dein Vater an den Hof des Nachbarreiches verkaufen würde!«

Kraftlos sackte ich zusammen, sodass mich die beiden Männer nun sogar stützen mussten. Die Verzweiflung in den Augen meines Liebsten verpasste mir den Todesschuss. Mein Vater hatte mich verkauft – ich konnte es nicht glauben und doch las ich es im Blick von Lex, sah es, als hätte ich beim Handel danebengestanden.

Warum hatte Vater das getan? Hatten wir Schulden? Das konnte unmöglich sein!

Während sich die Gedanken in meinem Kopf überschlugen, gewahrte ich, dass mich die Soldaten zur eleganten Kutsche bugsierten. »Ich werde dich retten kommen!«, rief Lex. Ich drehte den Kopf und blickte in die weit aufgerissenen Augen meines Fast-Verlobten. Sein entschlossener Ausdruck machte mir Mut und quälte mich dennoch zugleich. Kurz überlegte ich mich doch noch einmal loszureißen, um wegzurennen. Doch was hätte das für einen Sinn gehabt? Womöglich hätten diese Leute aus Katerra dann meinen Vater verhaftet und mitgenommen …

So kam es, dass ich zwischen den feinen Herren in der Kutsche Platz nahm. Hart und fest pochte mein verzweifeltes Herz gegen meine Brust, so, als wolle es herausspringen und meinem Gegenüber an die Gurgel hechten, um zuzudrücken. Das Grauen der Verzweiflung waberte auch in meinem Bauch und kochte dahin wie ein giftiges Süppchen. Bitterkeit stieg in mir hoch und brachte mich vor Panik beinahe zum Würgen. Trauer und Wut kämpften Auge um Auge, Zahn um Zahn. Alle Gefühle explodierten auf einmal in meinem Inneren und doch blieb ich äußerlich ruhig. Ehe sich die Kutsche mit einem Ruck in Bewegung setzte, hob ich noch einmal den Kopf und warf einen Blick auf unser Wirtshaus. Würde ich es je wieder zu Gesicht bekommen?

DAS ENTLEIN UND DER SCHWAN

Dunkelheit kletterte ins Innere der Kutsche wie ein kleines Kätzchen, das sich geschickt von hinten anschleicht. Schon bald gewahrte ich die Umrisse meines Gegenübers nicht mehr und hätte wohl auch die eigene Hand vor Augen nicht mehr gesehen. Niemand sprach, man hörte nur das monotone Rumpeln der Räder und ab und zu die Rufe des Kutschers. Meine Gedanken kreisten um Lex und um meinen Vater. Niemals hätte ich gedacht, dass mich der Mann, der mich all die Jahre großgezogen hatte, so mir nichts dir nichts an fremde Herren aus Katerra verkaufen würde. Welche Summe die schmierigen Kerle für mich wohl hingeblättert hatten? Ich würde es wohl niemals erfahren.

»Ich muss mal!«

Erschrocken fuhr ich hoch. Einer der Männer klopfte gegen die Kutschwand und forderte den Lenker der Pferde damit auf, unverzüglich anzuhalten. Das stete Schaukeln der Kabine und das Rattern der Räder hatten mich beinahe schon in den Schlaf gelullt. Kurz bevor ich jedoch ins Land der Träume abgedriftet war, katapultierte mich die derbe Ansage wieder ins Hier und Jetzt.

Mit schallendem Gelächter stiegen die Männer aus der Kutsche und taten ein paar Schritte in Richtung Finsternis. Obwohl ich sie nicht sah, hörte ich, dass sie urinierten und sich dabei leise unterhielten. Was sie sagten, konnte ich leider nicht verstehen, ihre Stimmen klangen wie ein fernes Wispern. Ganz und gar nicht wie ein Flüstern klang hingegen der Ruf, der gleich darauf meine Ohren erreichte und mich sofort in Alarmbereitschaft versetzte.

»Lasst mich frei, ihr verdammten Idioten!«

Die Stimme einer Frau! Ich hatte mich zuvor also doch nicht geirrt! Die feinen Herrschaften vom Hof hatten eine Gefangene in der zweiten Kutsche!

»Wir handeln auf Befehl der Königin!«, entgegnete nun einer der Männer schlicht und sachlich. An der Art, wie er sprach, wusste ich, dass es sich um den Bärtigen handelte, jenen Herren, der zuvor so grob zu mir gesprochen hatte.

Ein Fauchen zerriss die kühle Nachtluft. Riss sie in Fetzen. »Meine Königin ist Garina bestimmt nicht!«

»Hüte deine Zunge, Hexe, wenn du sie noch behalten möchtest.«

»Ich will meine Freiheit zurück!« Verzweiflung und Kummer mischten sich zum wütenden Grundton ihrer Stimme. Ich seufzte. Wer war sie überhaupt? Lange hatte ich jedoch nicht Gelegenheit über die Gefangene nachzudenken. Schon wenige Herzschläge später vernahm ich Schritte, die immer näher kamen, ehe auch schon die Kutschentür wieder aufgerissen wurde. In der Dunkelheit konnte ich die Konturen des jüngeren, milderen Edelmanns erkennen. Das Licht des Mondes hatte sich hinter finsteren Wolkenvorhängen versteckt.

»Wer ist in der anderen Kutsche?«, flüsterte ich, konnte die Frage einfach nicht mehr zurückhalten.

Ich spürte den Blick des Herrn aus Katerra auf mir. Sah ein misstrauisches Blitzen in der Schwärze der Nacht. »Das hat dich nicht zu kümmern!«

»Tut es aber«, flüsterte ich. »Bin ich auch eine Gefangene? Was ist meine Aufgabe?«

Leider werde ich niemals erfahren, ob mir der jüngste der vier Herren diese Frage je beantwortet hätte. Kaum war mein letzter Ton verklungen, drangen auch schon die Stimmen der anderen drei Männer an mein Ohr. Sie näherten sich und stiegen einer nach dem anderen ein. Schnell verkroch ich mich wieder in den letzten Winkel der Kutsche und versuchte unsichtbar zu sein. Aus irgendeinem Grund vertraute ich diesem einen Herren mehr als den anderen. Möglicherweise lag es daran, dass er noch nicht so alt aussah. Vielleicht aber war die Ursache im Klang seiner Worte zu finden. Sein Bariton hörte sich fein und aufrichtig an. Allerdings konnte ich mich ja auch irren. Bestimmt sogar, schließlich hatte ich mich sogar in meinem eigenen Vater getäuscht.

Irgendwann musste ich wohl tatsächlich eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen wieder öffnete, war es Tag. Helles Sonnenlicht blitzte ins Innere der Kutsche und blendete mich für einen Moment so fürchterlich, dass ich rote Punkte sah.

Ein leises Husten erinnerte mich daran, dass ich nicht alleine war. Mein Blick fiel auf den jüngsten der drei Männer, der, genau wie ich, schon wach war und mich neugierig musterte. Die anderen schliefen so fest, dass sie sogar schnarchten. Normalerweise hätte mich das sonore Gegrunze amüsiert, doch in Anbetracht dessen, dass ich meiner Heimat beraubt und von meinem eigenen Vater verkauft worden war, verkümmerte jede Freude in mir, die eventuell hätte aufkeimen können.

Neugierig lugte ich aus dem Fenster und erblickte weite Wiesen und Felder im sanften Licht der Morgensonne. Wo wir uns genau befanden, konnte ich nicht ausmachen, schließlich hatte ich bisher mein Reich, Nhao, niemals verlassen. Dass wir inzwischen längst in Katerra sein mussten, war mir klar. Tatsächlich bildete ich mir sogar ein, dass hier die Luft etwas anders roch. Fremd.

»Es ist schon noch ein weiter Weg bis zum Schloss«, eröffnete mir da der junge Herr gegenüber, der mich wohl die ganze Zeit über beobachtet hatte. Seine Augen ruhten so neugierig und nachdenklich auf mir, als wäre ich ein seltenes Objekt. »Ich bin übrigens Sir Severin Tjon, der erste Berater des Königs.«

»Des Königs von Katerra«, murmelte ich. Es sollte eine Feststellung sein und doch klangen meine unsicheren Worte wie eine Frage.

Sir Severin nickte. »Natürlich.« Und gleich darauf fügte er noch sanft hinzu: »Keine Sorge, König Bensar Kerial ist ein guter Mann!«

Offenbar hatte er die Sorgen in meinem Blick gelesen. Warum sonst hätte er den letzten Satz hinzufügen sollen …

Natürlich hatte ich schon von der Herrscherfamilie Kerial gehört. Auch davon, dass der König und seine Gattin gerechte Monarchen waren. Allerdings wollte ich mir darüber erst einmal selbst eine Meinung bilden – falls mir das überhaupt möglich sein würde. Vielleicht würde ich die Blaublüter ja niemals zu Gesicht bekommen. Doch das war unwahrscheinlich. Sicherlich sollte ich am königlichen Hof singen und dann wäre ein Zusammentreffen unvermeidlich.

Mein Blick wanderte von Sir Severin hinüber zu den anderen Männern. Und gerade so, als würde der Berater des Königs meine Gedanken lesen, verkündete er leise: »Das sind Sir Norb, Vertrauter der Monarchin, und zwei Ritter des Hofes.«

Wahrhaftig. Erst jetzt bemerkte ich, dass nur Sir Severin und Sir Norb – der grobe, bärtige – elegante königliche Gewänder trugen. Die beiden anderen Männer waren viel einfacher gekleidet, sodass sie jeden Moment bereit wären ihr Schwert zu ziehen.

»Und in der Kutsche hinter uns?«

»Palastwachen und eine Gefangene.«

Ich nickte. Das war schon viel mehr Information, als ich erwartet hätte. Seufzend ließ ich meinen Blick wieder aus dem Fenster gleiten. Inzwischen hatte sich das Landschaftsbild etwas verändert. Anstatt der Felder sah ich nun einfache Bauernhäuser. Offenbar näherten wir uns schon der Zivilisation. Dem fremden Hof. Meiner Zukunft. Bald würde sich mein Leben von den Grundfesten an verändern – ob zum Guten oder zum Schlechten wusste ich nicht.

Die Häuser und Bauten wurden immer prächtiger. Kaum war Sir Norb erwacht, zog er schon die Vorhänge der Kutsche zu und versperrte mir damit den Blick nach draußen. Irritiert starrte ich den Berater der Königin an, doch seine eiserne Miene wollte mich nicht wissen lassen, weshalb er das getan hatte und auch Sir Severin schwieg. Ich schluckte und spürte, wie abermals extreme Wehmut in mir hochkroch. Was Lex jetzt wohl machte? Scharte er vielleicht schon seine Kumpels um sich, um einen Rettungstrupp für mich zu organisieren? Bestimmt schmiedete er bereits Pläne, die mich wieder nach Hause führen würden. Und was meinen Vater anging … Ein schmerzhaftes Stechen in meiner Brust ließ mich zusammenzucken.

»Hast du Schmerzen?«

Sir Severin. Offenbar machte er sich Sorgen um meinen Gesundheitszustand, was ja auch nur logisch war. Was hätten der König und die Königin von einer kranken Bardin? Nichts.

»Hunger«, entgegnete ich schnell und bemerkte im gleichen Augenblick, dass es die reine Wahrheit war. Gestern Abend hatte ich ja im Gegensatz zu den feinen Katerranern nichts mehr zu mir genommen. Die Erinnerung an den letzten Abend kratzte noch weitere Rinnen in mein blutendes Herz. Wie frei ich mich doch vor wenigen Stunden noch gefühlt hatte! Und jetzt … Jetzt war alles ungewiss.

Ein verächtliches Schnauben ertönte. Blitzschnell wanderte meine Aufmerksamkeit zum Verursacher dieses Geräusches. Sir Norb schaute mich an. Musternd. Misstrauisch. In seinen Augen las ich nicht das Wohlwollen, das ich bei Sir Severin erkannt hatte. Offenbar war der Berater der Königin Garina nicht begeistert von mir.

»Wenn du der Königin und dem König gefällst«, begann er brummend und kratzte sich am Bart, »dann wirst du genug zu essen erhalten.«

Irritiert wanderte mein Blick zu Sir Severin, der wohl in diesem Moment den gleichen Gedanken hatte wie ich: Wie, um Himmels Willen, sollte ich in diesem Aufzug vor die Monarchen treten? Mein goldblondes Haar musste aussehen, als hätte ein Spatz versucht sein Nest damit zu errichten und meine Kleidung müffelte nach wie vor nach Alkohol und Schweiß.

»Keine Sorge, Elvira wird dir helfen dich frisch zu machen«, meinte Sir Severin gleich beschwichtigend und warf dem Vertrauten der Königin einen finsteren Blick zu, der diesen wiederum mit kühler Ignoranz quittierte.

Neugierig öffnete ich den Mund, um mich genauer über diese Elvira zu erkundigen, doch ehe ich einen Ton hervorbringen konnte, verschlug es mir vor Staunen die Sprache. Sir Severin hatte kurz die Vorhänge beiseite gezogen, wies aus dem Kutschenfenster und offenbarte mir damit einen solch atemberaubenden Anblick, dass sofort alle Gedanken und Fragen aus meinem Kopf verschwanden. Was ich nun mit eigenen Augen sah, war so gewaltig und prächtig, dass kein Loblied der Welt diesem Bauwerk gerecht hätte werden können. Keine Worte, egal mit wie viel Inbrunst und Eifer gesungen, hätten je das auszudrücken vermocht, was ich nun in meinem Herzen fühlte.

Das Schloss von Katerra war so glanzvoll und einladend, als hätten es die Götter selbst errichtet. Sattgrüner Efeu schlängelte sich lebendig an elfenbeinfarbenen Türmen empor und in der Mitte des Hofes sprudelte ein Brunnen, der mit eleganten Skulpturen verziert war. Es herrschte reges Treiben vor dem Herrscherhaus. Hier in Katerra wurde der Markt offenbar direkt vor dem Schloss abgehalten. Anders als in Nhao lag die Stadt auch gar nicht so weit weg, sondern schloss direkt an die Schlossmauern an.

Ich wollte noch viel mehr sehen, die Marktstände und Menschen beobachten und den Anblick des riesigen Schlosses auf mich wirken lassen, doch wieder war es Sir Norb, der mir den Spaß raubte. Mit einem Ruck zog er den Vorhang vor und zischte: »Wenn jemand sie sieht, können wir sie gleich wieder nach Hause schicken!« Diese Worte richtete er an Sir Severin, der nickte und offenbar sofort begriff, was der Bärtige damit meinte. Ich hingegen verstand nichts und runzelte verwirrt die Stirn. Aufklären wollte mich jedoch keiner, selbst als ich den jungen Berater des Königs direkt darauf ansprach, schüttelte er nur den Kopf und meinte, dass ich alles noch früh genug erfahren würde.

Unsere Ankunft bald darauf ging äußerst eigenartig vonstatten. Obwohl Sir Severin und Sir Norb offenkundig bedeutende Edelleute waren und auch die beiden Ritter sicherlich einen hohen Rang genossen, befahlen sie dem Kutscher, nicht direkt vor dem Haupthaus zu halten, sondern gleich nach hinten zu den Stallungen zu fahren. Niemand sollte unser Eintreffen bemerken.

Dass diese Geheimnistuerei wohl mit mir zu tun hatte, war in dem Augenblick zweifellos klar, als mir Sir Severin befahl, nicht sofort mit auszusteigen, sondern noch einen Moment in der Kutsche zu verweilen. Selbstverständlich tat ich wie geheißen, verharrte artig alleine im Inneren und wartete auf weitere Anweisungen. Meine Gedanken wanderten wieder zu der zweiten Kutsche und ich fragte mich, was wohl mit der Gefangenen darin nun geschah. Gerade, als ich wahrhaftig mit der verbotenen Idee spielte, doch einfach einen kurzen Blick aus dem Fenster zu riskieren, wurde die Kutschentür auch schon aufgerissen. Vor Schreck hätte ich beinahe aufgeschrien, schlug mir jedoch noch schnell genug selbst auf den Mund. Die Folge davon war schreckliches Herzklopfen, das sich zum Glück gleich wieder einpendelte, als ich Sir Severin vor mir erkannte.

Er hielt mir etwas entgegen, das ich wortlos entgegennahm. Ein Kapuzenmantel war es, schlicht und braun. Die Erklärung, dass ich diesen nun bitte anziehen solle, hätte er sich sparen können. Längst hatte ich begriffen, dass ich wohl ungesehen ins Schloss geschleust werden sollte. Den Sinn dahinter würde ich ja laut Sir Norb noch früh genug erfahren. Verborgen unter kratzigem Leinen kletterte ich aus der Kutsche und registrierte sofort, dass das zweite Gefährt der Katerraner nicht mehr hier war. Wer auch immer diese Gefangene war, sie hatten sie längst an einen anderen Ort verfrachtet und ich würde sie wohl niemals zu Gesicht bekommen.

Es wunderte mich, dass ich auch im Inneren des Schlosses mein Gesicht gesenkt halten sollte, und als uns ein Dienstmädchen entgegenkam, drängelte mich Sir Severin sogar sanft hinter sich, damit es nur ja keine Notiz von mir nahm. Noch immer begleiteten uns die beiden Ritter aus der Kutsche, so, als wären diese für das Wohl der Hofberater verantwortlich. Was den Schutz meiner Person anging, war ich mir noch unklar. Auf jeden Fall sollte ich wohl vor neugierigen Blicken beschützt werden.