4,99 €
**Das Spiel der Masken geht weiter…** Endlich hat Lona das Geheimnis um die wahre Prinzessin von Katerra gelüftet. Doch bevor sie entscheiden kann, was das für die Zukunft des Königreichs bedeutet, muss sie sich der Königin stellen. Diese scheint die Wirtstochter mehr und mehr zu verabscheuen und setzt alles daran, ihr das Leben zur Hölle zu machen. Bald sieht sich Lona gezwungen aus Katerrra zu fliehen. Ihre einzige Hoffnung liegt nun auf Ian, dem Prinzen, den sie heiraten sollte und der ihr Herz zum Rasen bringt. Doch Ian weiß noch immer nicht, wer sie in Wirklichkeit ist, und Lona ist hin- und hergerissen zwischen Wahrheit und Maske. Sie ahnt nicht, dass auch Ian dunkle Geheimnisse hütet, die ihr gefährlich werden könnten… //Dies ist ein Roman aus dem Carlsen-Imprint Dark Diamonds. Jeder Roman ein Juwel.// //Alle Bände der romantisch-düsteren Dilogie von Tanja Penninger: -- Das Double der Prinzessin: Maskerade (Band 1) -- Das Double der Prinzessin: Enthüllung (Band 2)// Diese Reihe ist abgeschlossen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Dark Diamonds
Jeder Roman ein Juwel.
Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.
Wer nach einer hochwertig geschliffenen Geschichte voller dunkler Romantik sucht, ist bei uns genau richtig. Im Mittelpunkt unserer Romane stehen starke weibliche Heldinnen, die ihre Teenagerjahre bereits hinter sich gelassen haben, aber noch nicht ganz in ihrer Zukunft angekommen sind. Mit viel Gefühl, einer Prise Gefahr und einem Hauch von Sinnlichkeit entführen sie uns in die grenzenlosen Weiten fantastischer Welten – genau dorthin, wo man die Realität vollkommen vergisst und sich selbst wiederfindet.
Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.
Tanja Penninger
Das Double der Prinzessin 2: Enthüllung
**Das Spiel der Masken geht weiter …** Endlich hat Lona das Geheimnis um die wahre Prinzessin von Katerra gelüftet. Doch bevor sie entscheiden kann, was das für die Zukunft des Königreichs bedeutet, muss sie sich der Königin stellen. Diese scheint die Wirtstochter mehr und mehr zu verabscheuen und setzt alles daran, ihr das Leben zur Hölle zu machen. Bald sieht sich Lona gezwungen aus Katerrra zu fliehen. Ihre einzige Hoffnung liegt nun auf Ian, dem Prinzen, den sie heiraten sollte und der ihr Herz zum Rasen bringt. Doch Ian weiß noch immer nicht, wer sie in Wirklichkeit ist, und Lona ist hin- und hergerissen zwischen Wahrheit und Maske. Sie ahnt nicht, dass auch Ian dunkle Geheimnisse hütet, die ihr gefährlich werden könnten …
Buch lesen
Vita
Danksagung
Das könnte dir auch gefallen
© privat
Tanja Penninger wurde 1992 in Oberösterreich geboren und tauchte schon als Kind gerne in die Welt der Bücher ein. Derzeit arbeitet sie als Lehrerin an einer Volksschule. In ihrer Freizeit spielt sie Querflöte und ist bei einem Musikverein tätig. Wenn sie also einmal nicht schreibt, dann bastelt oder musiziert sie sich durchs Leben. Zusammen mit ihrem Freund lebt sie nun im Bezirk Braunau (OÖ).
»Es war nie dein Gesicht, das dich zu einer Prinzessin gemacht hat, sondern dein Herz.«
Ein Sturm zog auf. Ein Wind, der mich schließlich zwingen sollte, meine Segel neu zu setzen. Um nichts in der Welt hätte ich ahnen können, welche Auswirkungen die Hinrichtung der jungen Hexe auf unser aller Leben haben würde. Königin Garina änderte ihren Kurs und steckte sich ein neues Ziel: Richard Tesloth, der Herrscher Aladors und Ians Vater, sollte von der Boshaftigkeit der magischen Wesen überzeugt werden. Während in Katerra und Nhao die Zauberei seit vielen Jahren verboten war und jene Wesen, die besondere Begabungen dieser Art vorweisen konnten, längst hinter eine dicke, hohe Mauer im Norden gesperrt worden waren, konnten sich Hexen und Zauberer in Alador nach wie vor frei bewegen. Noch.
Bisher war auch ich der Meinung gewesen, dass die Kunst der Magie gefährlich war und alle Kreaturen hinter der Mauer uns Böses wollten, doch nun, da ich Crimson, die verstoßene Schwester von Königin Garina, kennengelernt hatte, wusste ich es besser. Dazu kam noch, dass ja auch mein Blut nicht »rein« war – wie es unsere Monarchin nennen würde. Hätte die Königin eines Tages erfahren, dass sie bei der Wahl eines Doubles für ihre liebste Tochter ausgerechnet eine Hexe erwischt hatte, wären meine letzten Stunden gezählt gewesen.
Inzwischen war mir längst klar geworden, dass ich die kalte Schönheit nicht unterschätzen durfte. Die Gemahlin Bensar Kerials war genauso klug, wie sie grausam war. Sie hatte sicherlich nicht vor mich eines Tages zur Herrscherin Katerras zu machen, wie es der Wunsch des Königs war. Durch die Flucht der Hexe war auch die Chance, die königliche Tochter Marlena könnte jemals vom Fluch der Feen befreit werden, gegen null gesunken. Garina brauchte also einen neuen Plan und ich befürchtete, dass ich darin nicht vorkommen würde – jedenfalls nicht lebendig. So lange jedoch König Bensar am Hofe Katerras herrschte, würde mir keine Gefahr drohen, dessen war ich mir sicher. Denn der alte Mann sah in mir die Tochter, die er sich sein Leben lang gewünscht hatte. Garina aber würde es niemals zulassen, dass eine einfache Wirtstochter aus Nhao Katerras Thron bestieg, das war mir klar. Auch Lady Bonita, die Schwester des Königs, würde gewiss lieber einen ihrer Söhne, Eric oder Vito, als Nachfolger für ihren Bruder sehen. Jeder im Land wusste allerdings, wie wenig sich die beiden Brüder für das Erbe interessierten. Eric hasste es Verantwortung zu übernehmen und Vito war derzeit nur mit der Suche nach einer geeigneten Gemahlin beschäftigt.
***
Nachdem ich Crimson zur Freiheit verholfen hatte und die Wachen ihr Verschwinden bemerkt hatten, berief Garina sofort panisch eine Ratssitzung ein. Obwohl mir König Bensar inzwischen erlaubte an derartigen Gesprächen teilzunehmen, schlug mir die Monarchin beinhart die Nase vor der Türe zu und verscheuchte mich barsch mit den Worten: »Verzieh’ dich endlich auf dein Gemach, Dorfmädchen!«
Derbe Worte für eine Königin! Am liebsten hätte ich ihr ins Gesicht gespuckt. Tatsächlich aber funkelte ich sie nur so wütend ich konnte mit meinen blauen Augen an, machte anschließend ruckartig kehrt und stolzierte erhobenen Hauptes von dannen. Elegant raffte ich seitlich mein Kleid und achtete bewusst darauf, dass meine Stöckel bei jedem Schritt laut auf dem Marmorboden klackerten. Nein, ich war keine gebürtige Prinzessin. Aber ja, ich konnte inzwischen täuschend echt eine solche darstellen – und das lag nicht nur mehr einzig und allein an meinem Erscheinungsbild, das dem von Marlena Kerial bis aufs goldblonde Haar glich.
Als ich mein Gemach erreichte und mich auf mein weiches Bett warf, brannten Tränen in meinen Augen. Auch das Klopfen meines Herzens spürte ich bis hinauf zum Hals. Wie würde der Innere Rat nun über mein Schicksal entscheiden? Würden die Ratsmitglieder beschließen mich zu beseitigen? Jetzt, wo der König zu krank war, um die Sitzung zu leiten, würde wohl die Monarchin selbst den Vorsitz übernehmen – und das bedeutete nichts Gutes.
Natürlich wusste ich bereits, dass Garina sofort nach der Flucht der Hexe Crimson Soldaten und Ritter zur Mauer geschickt hatte. Die Königin wollte ihre Schwester um jeden Preis wieder einfangen, da offenbar nur sie in der Lage war den Bann der Feen zu brechen und Marlena wieder ihr altes Aussehen zu schenken.
Was aber würde die eiskalte Monarchin tun, wenn sie keine Rettung mehr für das Gesicht ihrer Tochter sah? Durfte dann noch ein Dorfmädchen aus Nhao damit herumlaufen?
Ich könnte einfach fliehen.
Von diesem Einfall wie gebannt blinzelte ich die Tränen fort, ging hinüber zum Fenster und öffnete es. Inzwischen reichten einige Äste der großen Eiche nahe genug an meine Fenster, um aus meinem Gemach zu klettern und wegzulaufen. Mit Magie hatte ich sie verändert, letzte Nacht, zusammen mit Ian.
Prinz Sebastian Tesloth, der junge Mann, der mich beim Wasserfall vor einem ungehobelten Zwerg auf einem Phönix beschützt hatte, wusste nichts von meiner wahren Vergangenheit. Für ihn war ich Marlena Kerial, die Thronfolgerin Katerras, und nicht Lona Raklot, eine Hexe aus Naho. Und obwohl mir klar war, dass ich kein Recht auf den Thron dieses Landes hatte, wünschte ich doch tief in meinem Herzen, dass es mir irgendwann möglich sein würde diesen zu besteigen. Nicht aber, um möglichst mächtig zu sein, sondern um das Volk vor Garina zu beschützen. Noch gab sie sich gütig und gerecht – doch ich wusste, wie sie wirklich war. Mein schmerzendes Gesicht erinnerte mich ständig daran und schürte damit den Wunsch nach Freiheit in mir. Allerdings lag mir das Schicksal Katerras inzwischen wirklich am Herzen, und auch die Tatsache, dass ich Ian wohl nie mehr wiedersehen würde, wenn ich jetzt fortlief, ließen mich den Fluchtgedanken fallenlassen.
Seufzend schloss ich das Fenster wieder und zog auch die schweren dunkelroten Samtvorhänge vor. Bald würde es Nacht werden, doch der Rat tagte offenbar noch immer. Aus diesem Grund beschloss ich schließlich nicht länger auf meine Zofe Elvira zu warten. In Gedanken versunken begann ich meine Kleider abzulegen und kuschelte mich in meine flauschigen Decken. Ein letztes Mal beobachtete ich die zuckende Flamme, die auf dem Docht der kleinen Kerze zu tanzen schien, dann pustete ich das Licht aus. Unzählige fein bestickte Kissen betteten mich königlich, weshalb es mir gewiss nicht schwerfallen würde, schon bald ins Land der Träume zu versinken. Dachte ich.
Ich irrte mich.
Gerade als ich meine Augen schließen wollte, hörte ich es. Ein Keuchen.
Abrupt riss ich meine Lider wieder auf, starrte ins dunkle Nichts.
Auf einen Schlag hin fühlten sich meine Knochen kalt und hohl an, bewegungsunfähig. Nur mit gewaltiger Anstrengung gelang es mir mich aufzusetzen. Mit zitternden Fingern griff ich nach den Streichhölzern, um meine Kerze erneut zu entflammen, doch das Schächtelchen rutschte mir aus meinen zitternden Händen, fiel scheppernd zu Boden.
»Ist da jemand?«, fragte ich in die Finsternis hinein. Schnell und unregelmäßig pochte mein Herz und ließ heißes Blut durch meine Adern rauschen. Schon zuvor hatte ich des Nachts Stimmen und Wispern in meinem Gemach vernommen, doch bisher war es stets der Ruf der Hexe Crimson gewesen. Nun aber konnte sie es nicht mehr sein!
Wieder hörte ich das Keuchen, diesmal näher, lauter. Vor Schreck schrie ich auf. Schrill und spitz.
Einen Wimpernschlag später wurde die Tür zu meinem Zimmer aufgerissen. Sir Alb stand im Durchgang, hielt einen hellen Kerzenleuchter in der Hand und griff mit der anderen bereits nach seinem Schwert – umsonst. Der Schein der Lichtquelle genügte, um zu offenbaren, dass sich außer mir niemand in meinem Gemach aufhielt.
Panisch und verstört huschte mein Blick herum und hielt Ausschau nach der seltsamen Geräuschquelle. Das Keuchen – ich hatte es mir ganz gewiss nicht bloß eingebildet!
»Alles in Ordnung, Prinzessin?«
Sir Alb klang besorgt. Obwohl der Ritter wusste, dass ich nicht die Königstochter war, betrachtete er mich, als wäre meine Sicherheit von unschätzbarem Wert. Bereits Sir Banbaron hatte bei dem Attentat auf mich sein Leben für mich riskiert und nun schien auch der zweite Ritter des Inneren Rates in seine Fußstapfen zu treten. Es rührte mich tief im Inneren, dass die beiden so für mich eintraten.
»Nein«, flüsterte ich, »ich habe ein seltsames Keuchen vernommen!«
Ich hatte diese immerwährenden Schlossgeheimnisse satt. Die Hexe im Verlies, die entstellte Königstochter – all diese Vorkommnisse nagten an mir, würden mich auch niemals wieder loslassen. Gewiss bildete ich mir auch dieses Keuchen nicht einfach nur ein!
Tatsächlich begann Sir Alb daraufhin mein Gemach zu durchsuchen. Er öffnete Schränke und Schubladen, konnte jedoch die Ursache für dieses verstörende Geräusch nicht finden. Ich dankte ihm dennoch und versprach sofort wieder Alarm zu schlagen, wenn ich noch einmal etwas hören sollte.
Den Rest der Nacht jedoch blieb alles still.
***
Ich erwachte erst, als meine Zofe Elvira die schweren Vorhänge mit einem schnellen Ruck beiseite zog und das grelle Sonnenlicht meine Haut kitzelte. Blinzelnd öffnete ich meine Augen, strich meine blonden Locken aus dem Gesicht und setzte mich im Bett auf. Obwohl es warm im Zimmer war breitete sich eine Gänsehaut über meinen Körper aus. Das nächtliche Keuchen drang flüsternd in meinen Verstand ein – versuchte wohl mich wahnsinnig zu machen. Aber ich wollte mich nicht verwirren lassen und so schüttelte ich schnell die Erinnerung an diese Geräusche wieder ab.
Elvira rückte gerade ihr weißes Zofenhäubchen zurecht und steckte eine vorwitzige strohblonde Strähne zurück hinters Ohr. Nebenbei wechselte sie die Blumen an meinem kleinen hölzernen Esstisch neben dem Fenster und summte eine mir unbekannte Melodie. Dabei lächelte sie verträumt und plötzlich wusste ich einfach, dass sie gerade an Sir Severin dachte. Schon oft war mir aufgefallen, dass meine Zofe dem Berater des Königs verliebte Blicke zuwarf.
Obwohl ich gerne mit Elvira über ihre Gefühle gesprochen hätte, gab es etwas, das weitaus tiefer in meiner Seele brannte und geklärt werden musste.
»Elvira«, begann ich daher zaghaft, »wie steht es um die Gesundheit des Königs?«
Sollte der Monarch vorzeitig von uns gehen, wusste ich nicht, wie meine Zukunft aussehen würde. Auch so zog Königin Garina bereits an Fäden, die sie ansonsten nicht anzutasten gewagt hätte. Fäden, die nicht nur mein Dasein am Hofe Katerras gefährdeten, sondern auch meine gesamte Existenz.
Langsam wandte sich Elvira mir zu, kam an mein Bett und ließ sich auf der Kante nieder. Allein die Tatsache, dass sie sich so zierte und nicht sofort mit der Erklärung herausplatzte, verriet mir unwillkürlich, dass sie keine erfreulichen Neuigkeiten für mich hatte.
Und ich sollte recht behalten.
»Er ist krank, hat hohes Fieber. Trotzdem möchte er versuchen am heutigen Lichterfest teilzunehmen!«
Das Lichterfest!
Jedes Jahr wurde zu Ehren der Götter eine Feierlichkeit veranstaltet, bei der unzählige Kerzen in allen Formen, Farben und Größen im Schlossgarten entzündet werden, hatte mir Elvira erzählt. Auch der kleine See auf der anderen Seite des Palastes sollte sich in den Abendstunden in ein funkelndes Lichtermeer verwandeln. Yvette, die Zofe von Marlena, hatte mir verraten, dass dieses Fest für das Knüpfen von Romanzen und für Liebeleien bekannt wäre.
Ian stahl sich in meine Gedanken. Ich stellte mir sein Gesicht vor. Seine intensiven grünen Augen gruben sich bis in meine Seele und hinterließen dort einen Strom aus glühend heißer Lava. Augenblicklich verschwand die unangenehme Gänsehaut, dafür verspürte ich ein prickelndes Gefühl im Nacken.
»Lona«, begann da meine Zofe wieder, woraufhin sie sofort meine volle Aufmerksamkeit hatte, schließlich kam es äußerst selten vor, dass mich hier jemand mit meinem richtigen Vornamen ansprach, »vielleicht solltest du wissen, dass König Richard Tesloth und König Constantin Varlem vorhaben, nach dem Lichterfest, morgen früh, abzureisen …«
Diese Information kam völlig unerwartet. Ich war davon ausgegangen, dass Ian und sein Vater aufgrund der Hochzeitsverhandlungen noch länger bei uns bleiben würden. Das angenehme Gefühl in meinem Bauch verflüchtigte sich, auf einmal trat eisige Kälte und dunkle Leere an die Stelle, wo gerade noch Schmetterlinge getanzt hatten.
Elviras Miene strahlte Mitleid aus, weshalb ich annahm, dass sich meine Qual wohl in meinem Gesichtsausdruck widerspiegeln musste.
Ich schluckte. Nur noch ein Tag, dann würde Ian wieder abreisen. Niemals konnte in dieser kurzen Zeit alles für die Hochzeit besprochen werden.
»Und die Ehe zwischen Prinz Sebastian und dir«, flüsterte Elvira da auch schon zurückhaltend und griff vorsichtig nach meiner leicht zitternden Hand, »wird wohl noch nicht so schnell geschlossen werden. König Richard möchte zuerst für Recht und Ordnung in Alador sorgen.«
»Recht und Ordnung?« Obwohl ich mich fühlte, als hätte ich tausende schwere Steine im Magen, brachte ich die Kraft auf zu sprechen.
Elvira nickte traurig. »Königin Garina hat ihn davon überzeugt, dass die Zauberei nur Unheil anrichtet. Sie soll nun auch in Alador verboten werden.«
»Aber«, warf ich verwirrt ein, »dort leben doch noch unzählige magische Familien, selbst einer von Richards treuesten Beratern ist ein Hexer!«
Es war, als würde plötzlich die ganze Welt aus den Fugen geraten. Die Welt, die ich endlich geglaubt hatte zu durchschauen. Nun zersplitterte ebendiese Gewissheit abermals in tausende Teile und es schien auf den ersten Blick hin unmöglich, all diese Einzelstücke wieder zusammenzusetzen.
»Richard will ihn hinrichten, vertraut blind auf Garinas Urteil. Es ist, als würde er keinem anderen mehr zuhören! Sogar seinen Sohn Sebastian hat er angeschrien, als sich dieser für den Berater einsetzen wollte.«
Es war verstörend, dass sich dieser Monarch von Königin Garina so einwickeln ließ. Durch ihre charmante Art bezirzte sie jeden so lange, bis er hilflos in ihrer Falle zappelte. Mir war selbstverständlich klar, weshalb unsere Monarchin so sehr darauf pochte die Zauberei auch in Alador verbieten zu lassen: Sie suchte weitere Verbündete im Kampf gegen die magischen Wesen hinter der Mauer. Gegen die magischen Wesen und gegen ihre eigene Schwester, denn auch Crimson gehörte zu diesem verstoßenen Volk. Gewiss hatte die dunkelhaarige Hexe dort eine hohe Position inne, musste dort so etwas wie die Herrscherin sein, ansonsten hätten ihre Leute sicherlich nicht so oft versucht sie aus Katerras Verlies zu befreien.
Noch einmal drückte Elvira meine Hand, ehe sie sich erhob, um ein passendes Kleid für mich heraus zu suchen. Nachdem sie mir beim Anziehen des taubenblauen Seidentraumes geholfen hatte, begann sie wieder damit meine dunklen Flecken im Gesicht abzudecken. Die Creme brannte nach wie vor auf meiner Haut, fühlte sich jedoch nicht mehr so entsetzlich an wie am Tag zuvor.
Während meine Zofe mit meinem Gesicht beschäftigt war, wanderten meine Gedanken automatisch wieder zu Ian. Heute Abend war also meine letzte Chance mit ihm über eine gemeinsame Zukunft zu sprechen. Die Frage war bloß, ob ich das überhaupt tun sollte. Es war töricht, doch als mir Elvira vorhin berichtet hatte, dass eine Vermählung so schnell nicht anstehen würde, hatte ich nur mit Mühe ein enttäuschtes Stöhnen verhindern können.
Irgendwie hatte ich mich bereits mit dem Gedanken angefreundet die Gemahlin des Prinzen Sebastian Varlem zu werden. Obwohl Ian aus einem mir noch unerklärlichen Grund immer wieder den arroganten Schnösel spielte, wusste ich doch, dass sein Inneres gütig und gerecht war. Den aufregenden Abend im städtischen Wirtshaus würde ich nie mehr vergessen. Diese Erinnerung bewahrte ich wie einen kostbaren Schatz in mir auf, ein funkelnder Diamant, nur für mich allein.
Selbstverständlich war da in mir immer wieder diese Stimme, die mir sagte, dass es nicht rechtens war nach Katerras Krone zu greifen. Allerdings glaubte ich inzwischen, sehr wohl die Fähigkeiten einer Prinzessin im Blut zu haben und auch König Bensar hatte bereits den Wunsch geäußert, dass ich seine Nachfolge antreten sollte. Auch Marlena war schließlich im Grunde gar keine richtige Kerial, war das Ergebnis der Geschwisterliebe zwischen Garina und ihrem Bruder Constantin.
Während ich immer tiefer in meinen Fantasien und Gedanken versank, dort mit Richtig und Falsch jonglierte und mich fragte, ob ich Katerras Hof überhaupt jemals lebend verlassen könnte, wurde plötzlich die Tür zu meinem Gemach aufgerissen.
Sir Severin streckte seinen Kopf herein, erwiderte erst lächelnd Elviras neugierigen Blick, ehe seine Aufmerksamkeit zu mir wanderte. »Der König verlangt in seinen Gemächern nach dir, Lona.«
***
Erst als ich mich bereits eiligst auf den Weg zu den Räumlichkeiten des Monarchen gemacht hatte, realisierte ich, dass mich auch Sir Severin gerade mit meinem Geburtsnamen »Lona« angesprochen hatte. Lona, was »die Glänzende« bedeutete, ein Hexenname, den mir meine Eltern offenbar in dem Wissen, dass ich magische Fähigkeiten haben würde, verliehen hatten. Wie aber konnte das sein? Waren meine Vorfahren ebenfalls Magier gewesen? Verwirrt schüttelte ich den Kopf, was meine Locken um mein geschminktes Gesicht wippen ließ.
Ich war froh, dass es dem König offenbar besser ging und er nach mir verlangt hatte. Erwartungsvoll griff ich in den leichten Stoff meines taubenblauen Rocks, hob ihn an und lief umso schneller durch die edel vertäfelten Gänge.
Vor den Gemächern des Monarchen waren zwei Wachen postiert, die mich jedoch sogleich passieren ließen. Ein letztes Mal holte ich tief Luft, zupfte mein Kleid zurecht und schritt erhobenen Hauptes in die privaten Räumlichkeiten des Königs.
Kaum hatte ich das Zimmer betreten, schlossen die Wachen die Türe wieder hinter mir, was einen dumpfen Ton verursachte und gut zu der Dunkelheit im Raum passte. Die schweren Vorhänge an der gegenüberliegenden Wand waren zugezogen, offenbar blendete den Monarchen das Tageslicht. So dauerte es eine Weile, bis sich meine Augen an die abrupte Finsternis gewöhnt hatten. Nur wenige Kronleuchter erhellten das Schlafgemach, weshalb sich zuerst nur die Umrisse der kostbaren Holzmöbel aus der Dunkelheit schälten.
»Marlena, Liebes!«
Die müde, schwache Stimme des Königs zog meine Aufmerksamkeit in die linke Ecke des Raumes, in welcher ich nun ein gigantisches Bett gewahrte. Darin lag er, bis zum Kinn zugedeckt. Sein graues Haar war zerzaust und klebte schweißnass an seiner Stirn. Sofort eilte ich zu ihm, wollte mich über seine fortschreitende Genesung selbst vergewissern, doch die Silhouette einer zweiten Person, die an der Bettkante saß und deren Hände sanft den Nacken des Monarchen kraulten, ließ mich abrupt innehalten.
Irritiert blinzelte ich in die Dunkelheit hinein und konnte schließlich im spärlichen Kerzenschein Lady Rice erkennen. Die dunkelhäutige Mätresse Bensars starrte mich mit ihren großen Augen eindringlich an, musterte mich misstrauisch.
»Rice, würdest du uns für einen Moment alleine lassen? Meine Tochter und ich haben etwas unter vier Augen zu besprechen.«
Zuerst bewegte sich die Geliebte des Monarchen keinen Deut. Dann, nachdem ich das Gefühl hatte, als hätte ihr Blick meine Seele durchbohrt, wandte Lady Rice ihren Blick von mir ab, küsste Bensar noch einmal innig und erhob sich schließlich in einer einzigen, fließenden Bewegung.
Während sie den König küsste, sah ich beschämt zu Boden, denn die Art, wie Lady Rice zu küssen pflegte, ließ mich erröten. Und obwohl der Monarch noch schwach war, schien er die Liebkosung seiner Mätresse sehr zu genießen.
Der Duft von Lavendel stieg in meine Nase, als Lady Rice an mir vorbeischritt. Der beinahe schon aggressiv intensive Geruch kitzelte mich in der Nase und ließ mich niesen, obwohl ich versuchte es zu vermeiden. Ehe die Geliebte des Monarchen den Raum verließ, blickte ich mich noch einmal nach ihr um und bildete mir ein, dass auch sie sich noch einmal in meine Richtung gewandt hatte. Selbstverständlich konnte es auch sein, dass es der König war, dem sie noch einmal ihre Aufmerksamkeit zeigen wollte, doch ich war mir fast sicher, dass ihr Interesse mir gegolten hatte. Ob ihr Bensar verraten hatte, dass ich gar nicht die richtige Prinzessin war? Wie nah standen sich der Monarch und seine Geliebte in solchen Angelegenheiten? Ich wusste es nicht und konnte somit nur kuriose Spekulationen darüber anstellen. Nachzufragen wagte ich nicht.
Kaum waren der König und ich alleine, trat ich an sein Bett und erkannte nun jede einzelne Schweißperle in seinem faltigen Gesicht, das aussah wie zerknülltes Pergament.
»Ihr habt mich rufen lassen, Vater?«
Es wunderte mich nicht, dass Bensar heiß war, schließlich war die Luft in diesem Zimmer unerträglich stickig. Warum der Hofarzt Bettruhe anstatt frischer Luft angeordnet hatte, konnte ich nicht verstehen.
»Lona«, begann der Monarch nun vertrauter und mir fiel sofort auf, dass der Klang seiner Stimme nun weicher war als zuvor, liebevoller. »Setz dich doch zu mir, mein Kind!«
Ich wollte erwidern, dass ich ja nicht seine Tochter sei, biss mir jedoch noch schnell auf die Zunge. Gewiss musste der König nicht daran erinnert werden, wen er da vor sich hatte. Somit nahm ich wortlos an der Kante seines massiven Bettes Platz, dort, wo gerade noch Lady Rice gesessen hatte.
Augenblicklich griff der König nach meinen Händen, die ich im Schoß gefaltet hatte, gleichzeitig suchten seine glitzernden hellen Pupillen die meinen. Es fühlte sich seltsam vertraut an, die warme, raue Haut des Königs auf meinen kalten Fingern zu fühlen. Der Duft von Lavendel war verflogen, wich dem strengen Geruch verschiedener Säfte und Salben, die wohl die Genesung des Monarchen beschleunigen sollten.
»Der Hofarzt meint, dass ich am Nachmittag schon versuchen kann das Bett zu verlassen«, verriet Bensar nun, was sofort ein Lächeln auf meine Lippen zauberte. Diese Freude spiegelte sich sogleich auch im Blick des Königs wider. »Und am Abend werde ich, wenn möglich, auch am Lichterfest teilnehmen!«
Erleichtert atmete ich aus und drückte kurz und vorsichtig seine Hand. »Wie schön!«
»Und dennoch«, setzte der Monarch nun in tieferem Ton an, wandte sein Augenmerk nun kurz gen Zimmerdecke, ehe er wieder meinen Blick suchte, »dennoch habe ich das Gefühl, als würde mein alter Körper bald seinen Dienst versagen …«
»Sagt so etwas nicht!« Die Worte sprudelten einfach so aus meinem Mund heraus, ich hätte sie um nichts in der Welt mehr aufzuhalten vermocht. Seine Äußerung, dass er schon bald das Zeitliche segnen könnte, versetzte mir einen schmerzhaften Stich.
Gewiss spiegelte sich meine Furcht auch in meinem Gesichtsausdruck wider, denn plötzlich wurde die Miene des alten Königs ganz sanft, beinahe sah es aus, als würde er selbst Mitleid für mich empfinden.
»Sollte irgendwann der Tag kommen, an dem mich die Götter zu sich rufen, dann möchte ich, dass du Katerra weiterregierst – als meine Tochter, Prinzessin Marlena!«
Traurig schüttelte ich den Kopf. »Das steht mir nicht zu. Das wäre nicht rechtens!«
Ohne auf meinen Einwand zu reagieren, fuhr der Monarch schließlich fort: »Schenke niemandem hier am Hofe zu tiefes Vertrauen. Sei auch bei Garina und Bonita vorsichtig, bei ihnen dreht sich das Blatt ihrer Gunst beinahe täglich …«
Es wunderte mich, dass mich der König sogar vor seiner eigenen Schwester warnte. Allerdings fürchtete ich im Moment mehr die kalte Monarchin als die dunkelhaarige Verwandte von Bensar. Dennoch wusste ich, dass Lady Bonita um jeden Preis einen ihrer Söhne auf dem Thron sehen wollte.
Der eindringliche, ja beinahe bittende Ausdruck im runzeligen Gesicht des Königs rührte mich. Tränen der Unsicherheit brannten in meinen Augen, doch ich blinzelte sie immer wieder fort, ehe sie sich wie Sturzbäche ihren Weg über meine Wangen bahnen konnten.
»Du bist viel schöner als Marlena, Lona!«, flüsterte der Monarch da und streckte seine bebende Hand leicht nach meiner Wange aus. Ohne zu überlegen, griff ich nach seinen Fingern und führte sie an mein Gesicht, half ihm meine zarte Haut zu berühren. Doch seine Worte ergaben kaum einen Sinn.
»Die Prinzessin ist durch den Fluch entstellt, ansonsten sähe sie ganz genauso aus wie ich«, erklärte ich leise, bewegte beim Sprechen meine Lippen kaum, da ich fürchtete, sie könnten vor Bestürzung zu zittern beginnen.
Zu meiner Verwunderung jedoch schüttelte Bensar nun sanft den Kopf. Seine Bewegungen waren kaum zu erkennen, und doch konnte ich seine Gedanken beinahe auch in seinem Blick lesen.
»Nicht der Fluch hat Marlena hässlich werden lassen«, wisperte der alte Mann nun und schaute mir dabei intensiv in die Augen. »Ihre eigene Bosheit war es – ist es!«
Irritiert runzelte ich die Stirn. Die Bemerkung des Königs ergab Sinn – und irgendwie auch wieder nicht. Selbstverständlich waren die grausamen Handlungen der Prinzessin schuld, weshalb sie die Feen ja auch mit diesem Fluch gestraft hatten. Und doch kam es mir vor, als spräche der Monarch von etwas anderem.
Der König seufzte. »Ich habe mir immer eine Tochter gewünscht, Lona!«
»Die habt Ihr doch!«, stieß ich aus und fügte sogleich hinzu: »Marlena!«
»Marlena wollte nie etwas mit mir zu tun haben, war immer nur daran interessiert besondere Gewänder und kostbares Geschmeide zu besitzen …«
Gerne hätte ich ihm versichert, dass dies alles gewiss ein großes Missverständnis war – aber ich konnte es nicht. Zum einen, weil ich von Elvira und Yvette tatsächlich schon Ähnliches gehört hatte, und zum anderen, weil plötzlich die Tür des Gemachs aufgerissen wurde.
Erschrocken zuckte ich zusammen, ließ die faltige Hand des Königs zurück auf seine weichen Decken gleiten und starrte in die weit aufgerissenen Augen der Monarchin. Klar und kalt wie funkelnde Diamanten glitzerten die Pupillen Garinas und jagten mir einen Schauder über den Rücken. Eine Gänsehaut breitete sich über meinen nackten Armen aus, ließ mich frösteln. Tatsächlich bildete ich mir sogar ein, dass die Luft im Raum auf einmal deutlich kühler war als zuvor.
Ich war mir sicher, dass im Inneren der Königin ein gewaltiger Sturm der Wut tobte, obwohl ihre äußere Erscheinung ruhig und scheinbar gleichgültig blieb.
Der Ausdruck entsetzter Überraschung, der für die Dauer eines Herzschlags über ihr makellos schönes Gesicht gehuscht war, hatte sich genauso schnell wieder verflüchtigt, wie er gekommen war. Wäre ich mir nicht ganz sicher gewesen ihn gesehen zu haben, gäbe es nun keinerlei Anzeichen mehr dafür.
»Mein lieber Gemahl«, zwitscherte Königin Garina allerliebst und eilte scheinbar überglücklich auf ihren Gatten zu. Ein eisiger Windhauch streifte meine Haut, der Geruch nach kaltem Kristall umgab die Monarchin wie eine Aura.
Wortlos erhob ich mich und machte Anstalten den Raum zu verlassen.
Bensar Kerial bemerkte dies und versuchte sich unter gewaltiger Anstrengung im Bett aufzusetzen. »Danke für deinen Besuch!«
Ein letztes Mal drehte ich mich um, lächelte dem König unsicher zu und beobachtete, wie ihn Garina wieder zurück in die Kissen drückte. Anschließend wandte auch sie sich noch einmal zu mir um, durchbohrte mich beinahe mit ihren eisblauen Augen und stimmte mit honigsüßer Stimme zu: »Ja, danke für den Besuch, kleines Dorfmädchen!«
Kaum schlossen die Wachen die schwere Holztüre hinter meinem Rücken, atmete ich laut und keuchend aus. Schwer atmend lehnte ich mich an eine weiße Säule und schloss für einen gestohlenen Moment die Augen. Die Kälte, die meinen Körper beim Anblick der Monarchin gepackt und sich durch meine Knochen gewunden hatte wie eine giftige Schlange, zog sich nun wieder zurück. Langsam, aber sicher füllten sich auch meine Lungen wieder mit sauberer Luft, die weder nach Lady Rices Lavendel, eigenartigen medizinischen Säften für den König oder glitzernden Eiskristallen roch.
»Ist alles in Ordnung, Prinzessin?«
Einer der Wachen trat vorsichtig an mich heran, was ich aufgrund der schweren Schritte wahrnehmen konnte.
Nur widerwillig öffnete ich wieder die Augen, schaute einem unsicheren jungen Mann ins Gesicht, dankte diesem für seine Sorge und versicherte ihm schnell, dass mir nichts fehlte.
Offenbar musste ich fürchterlich mitgenommen aussehen, anders konnte ich mir die folgenden Worte des Wachmanns nicht erklären. »Habt keine Angst, Prinzessin, der Hofarzt meint, dass Euer Vater bald wieder auf den Beinen sein wird!«
Ich lächelte erleichtert und gerührt, verabschiedete mich von den beiden Männern und machte mich auf den Weg zurück in meine eigenen Gemächer. Kaum war ich um die nächste Ecke gebogen, blieb ich jedoch noch einmal stehen. Vorsichtig spähte ich zurück zu den Wachposten und konnte gerade noch hören, wie der junge Mann zu seinem Kollegen sagte: »Ich habe Prinzessin Marlena noch nie so traurig gesehen. Seit einiger Zeit ist sie ein viel besserer Mensch!«
Den Rest des Tages verbrachte ich in meinem Gemach. Oft spielte ich mit dem Gedanken, einfach den Teil des Schlosses aufzusuchen, in dem unsere adeligen Gäste untergebracht waren. Die Idee, Ian einen Besuch abzustatten, leuchtete hell und verlockend in meinem Verstand wie die zuckende Flamme einer Kerze. Doch dieses Licht wurde stets im Keim erstickt durch die brennende Angst, was mich erwarten würde.
Bei der Hinrichtung der jungen Magierin hatte Prinz Sebastian ausgesehen, als würde ihn dieses Schicksal überhaupt nicht berühren. Tief in meinem Inneren wusste ich natürlich, dass Ian in solchen Augenblicken eine dunkle, fürchterliche Maske trug, trotzdem hatte ich Angst, einen dieser Momente bei ihm zu erwischen und zurückgewiesen zu werden. Warum auch immer, doch die Vorstellung, er könnte mich verächtlich belächeln oder gar einfach wegschicken, jagte mir gewaltige Furcht ein. Ian wusste, wie ich unter meinen vielen Schichten aus Cremes aussah, hatte die Wunden und dunklen Flecken bereits entdeckt, welche mir die kalte Königin zugefügt hatte. Dieses Wissen durfte der Thronfolger Aladors auf keinen Fall ausplaudern – denn dann wäre ich gewiss verloren: Die Königin würde alles abstreiten und aufdecken, dass ich gar nicht die richtige Prinzessin war. Im schlimmsten Fall würde sie mich eine Betrügerin nennen, mein Gesicht zerschneiden und in irgendeine Zelle sperren.
Ich seufzte.
Um mich abzulenken, schaute ich aus dem Fenster. Im Schlossgarten herrschte reges Treiben. An den Bäumen und Sträuchern wurden glitzernde Girlanden befestigt. Rund um den Schlosssee, von dem ich jedoch von meinem Fenster aus nur einen kleinen Teil sehen konnte, brachten die Dienstboten Fackeln an und stellten Kerzen auf. Das Lichterfest sollte dieses Jahr ganz besonders prächtig gefeiert werden.
Längst neigte sich die untergehende Sonne dem Horizont zu und läutete den späten Nachmittag ein. Bald schon würde das Fest beginnen und ich hoffte mit jeder Faser meines Körpers, dass sich König Bensar dort gesund und kräftig präsentieren würde.
So, als hätten sie meine Gedanken bereits herbeigesehnt, betrat nun auch schon Elvira mein Gemach, um mich für das Lichterfest hübsch zu machen. Hinter ihr entdeckte ich Yvette, die rothaarige Zofe der Prinzessin. Yvette hatte mich noch niemals mit »Marlena« angesprochen, konnte wohl den Namen ihrer eigentlichen Herrin nicht für mich benutzen. Das konnte ich verstehen und doch hoffte ich auch in ihr eine Vertraute zu haben. In Elvira, Sir Severin und Sir Banbaron, dem Ritter, der mich am Tag des Attentats beschützt hatte, glaubte ich sogar Freunde zu sehen. Dennoch konnte ich mir wohl niemals ganz sicher sein, ob sie sich im Ernstfall auch gegen die Königin wenden würden. Was, wenn der Tag kam, an dem sie eine Seite wählen mussten? Die Götter drehten unaufhaltsam am Rad des Schicksals und niemand vermochte zu sagen, zu wessen Gunsten sie sich entscheiden würden.
Soweit ich konnte, wollte ich jedoch selbst über mein Leben bestimmen und nicht auf die unsichere Gnade der höheren Mächte der Welt warten müssen. Um also selbst meines Glückes Schmied zu sein, begrüßte ich Yvette ebenso freundlich wie Elvira und freute mich über die Anwesenheit von beiden Zofen in meinem Gemach.
»Wir haben eine Überraschung für dich!«, zwitscherte Elvira mit schriller, aufgeregter Stimme.
Bei dem Wort »Überraschung« musste ich kurz an die eiskalten, blauen Augen der Monarchin denken. Auch in ihrem Blick hatte ich Verblüffung und Entsetzen gelesen, gleich nachdem sie die Gemächer ihres Gatten betreten hatte. Schnell blinzelte ich die Erinnerung fort, führte mir wieder die Gegenwart vor Augen.
Yvette trat neben Elvira und holte hinter ihrem Rücken ein goldenes Kleid hervor. Tatsächlich riss ich überwältigt die Augen auf, versuchte alle Eindrücke sofort aufzunehmen. Schimmernd wie pures Gold strahlte mir der Stoff entgegen und ich wusste einfach, dass er sich eng an meinen Körper schmiegen würde. An den Armen entdeckte ich feine, beinahe durchsichtige Stickereien, die mich an funkelnde Sterne erinnerten.
Zum Glück forderten mich die Zofen im selben Moment auch schon auf, mit ihnen hinter die Ankleidewände zu treten, um das Gewand zu probieren. Nebenbei erwähnte Yvette kurz, dass sie den Stoff vor zwei Tagen etwas enger genäht hatte, da es ursprünglich ja für Marlena geschneidert worden war. Kurz hielt ich in meiner Bewegung inne, überlegte, wie sich die Prinzessin jetzt wohl fühlen musste. Eigentlich hätte sie heute Abend am Lichterfest alle Blicke mit ihrer Schönheit auf sich ziehen sollen, doch nun saß sie hinter Schloss und Riegel in einem finsteren Zimmer und weigerte sich ihr Gesicht zu zeigen. Wäre all dies nicht schon schlimm genug, war nun auch noch ein Double – meine Wenigkeit – im Schloss erschienen und erdreistete sich in den Gewändern der Thronfolgerin herumzustolzieren.
Marlena musste mich einfach hassen – und ich konnte es ihr nicht einmal verübeln. Dennoch überlegte ich, abermals ihre Räumlichkeiten aufzusuchen, um mit ihr zu sprechen. Würde ich mich mit ihr vertragen, würde mich die Monarchin vielleicht hier am Hofe als Kronerbin dulden.
Das Kichern meiner Zofen weckte mich aus meinen Tagträumen. Elvira stand vor mir und hielt mir das edle Kleid hin. »Denkst du an Prinz Sebastian?«
Unter anderen Umständen hätte ich nun vielleicht von Aladors Thronfolger fantasiert, doch da ich nun im wahrsten Sinne des Wortes im Begriff war, in die zweite Haut der Prinzessin zu schlüpfen, galten meine Gedanken gerade der entstellten Marlena, die das Fest wohl nicht einmal aus der Ferne miterleben würde. Yvettes glockenhelles Lachen zog mich gänzlich zurück ins Hier und Jetzt. Vorsichtig stieg ich in das elegante Kleid und fühlte, wie sich der seidige Stoff an meinen Körper schmiegte. Tatsächlich kam es mir vor, als hätten die Näherinnen das Gewand auf meinen Leib geschneidert, nicht auf den der Prinzessin. Alles passte wie angegossen. Der etwas zu großzügige Ausschnitt, der mich an den meines roten Wirtshauskleides denken ließ, wurde mit goldenen Ketten geschmückt. Passend zu meinem Ohrschmuck flochten mir Yvette und Elvira auch in mein Haar goldene Perlen ein.
Ich war mir nicht ganz sicher, doch ich vermutete, dass auch Yvette wusste, was sich unter den vielen Schichten aus Cremes auf meinem Gesicht verbarg. Vielleicht empfand sie dadurch Mitleid und hatte deshalb das goldene Festkleid ihrer Herrin für mich umgenäht. Ganz sicher hatte es ihr die Monarchin nicht befohlen – Garina hoffte sicher, mich heute in schlichteren Gewändern zu sehen.
Zum ersten Mal fragte ich mich, ob Elvira und Yvette wohl gerade gegen einen königlichen Befehl verstießen. Unsere Herrscherin würde es gewiss nicht gerne sehen, wenn heute Abend alle Gäste nur Augen für das Double der Prinzessin haben würden – für ein Dorfmädchen, um es mit ihren eigenen Worten von heute Morgen auszudrücken. Allerdings konnte es auch sein, dass der König es wünschte mich am Lichterfest fein zurechtgemacht zu sehen. Ich wusste es nicht und wagte auch nicht meine Zofen danach zu fragen. Sollten sie wahrhaftig gegen einen Befehl von Garina verstoßen, würde ich sie gewiss nicht dazu nötigen dies auch noch auszusprechen.
»So schön wie du bist, wird Prinz Sebastian die Augen nicht von dir lassen können«, wisperte Elvira ergriffen und betrachtete mich, als wäre ich eine gelungene Skulptur und sie der Bildhauer.
»… und die Hände auch nicht«, stimmte Yvette kokett zu, kicherte und ließ ihren anerkennenden Blick über meinen Körper wandern. Die Flechtfrisur saß, das Kleid schimmerte und mein Gesicht sah aus wie das der Prinzessin Marlena. Das Lichterfest konnte beginnen und damit das Spiel der Masken von Ian und mir.
***
Das üppige Festbankett fand ebenfalls unter freiem Himmel statt, weshalb die königliche Familie zusammen mit dem Bauernadel und den hochgeborenen Gästen an einer reichlich gedeckten Tafel am Schlosssee Platz nahm. Das Licht der untergehenden Sonne spiegelte sich dunkelrot im schimmernden Wasser und ließ eine gemütliche, ja beinahe romantische Atmosphäre aufkommen. Tatsächlich fühlte ich mich so lange wohl, bis Königin Garina erschien. Es war nicht ihre glanzvolle Erscheinung in einem Traum aus silberner Seide, die mir den Atem raubte. Selbst das kristallklare Funkeln ihrer eisblauen Pupillen ließ mein Herz wie gewohnt weiterschlagen. Was es jedoch für einen schmerzlichen Moment aussetzen ließ, war die Erkenntnis, dass unsere Monarchin am Arm von König Richard Tesloth zum See geführt wurde.
Ians Vater hielt den Arm von Königin Garina, als wäre er stolz, diese wunderschöne Frau an seiner Seite zur Schau stellen zu dürfen. In Wahrheit war mir natürlich klar, dass nicht unsere Monarchin das Accessoire von Aladors König war, sondern Richard das ihre!
Obwohl der Abend warm war und mich die letzten Sonnenstrahlen noch im Rücken kitzelten, kroch mir die Kälte unter die Haut und begann an meinen Knochen zu nagen. Es war, als würde flüssiges Eis durch meine Adern fließen. Der selbstgefällige Blick der Monarchin ließ mich frösteln und plötzlich fühlte ich mich inmitten dieser Menschenmenge einsam und verloren. Ians Auftritt wenige Herzschläge später gab mir auch kein Gefühl von Geborgenheit. Ohne mich länger als nötig zu betrachten, nahm er auf der anderen Seite der Festtafel Platz und begann sofort eine Unterhaltung mit einem von König Constantins Beratern.
Genau wie beim Geburtstagsball trug Ian auch heute sein blondes Haar glatt zur Seite gekämmt. Nichts erinnerte an die fröhlichen Locken oder die lustigen Sommersprossen, die heute fein säuberlich mit Puder abgedeckt worden waren. Ich schluckte. Trug er nun wieder seine Maske? Weshalb aber verstellte er sich bei öffentlichen Anlässen so sehr und zeigte nicht sein echtes, gütiges Wesen, das – wie ich wusste – ja in ihm schlummerte?!
Erst als Bensar Kerial zusammen mit Sir Severin erschien, atmete ich erleichtert aus. Ein Stein in der Größe einer ganzen Gebirgskette fiel mir vom Herzen. Der König lächelte mir zu und nahm an meiner Seite Platz. Vor Freude, unseren Monarchen frisch und munter am Fest zu sehen, war mir beinahe entgangen, dass er zwar in den traditionellen Farben Katerras, Gold und Schwarz, gekleidet war, Garina jedoch eigenartigerweise auch noch rote Stickereien auf ihrem mondscheinfarbenen Kleid präsentierte. Rot und Silber – das waren die Landesfarben Aladors! Was führte die Monarchin im Schilde?
Kaum aber erblickte Garina ihren Gemahl, eilte sie auffällig glücklich auf ihn zu und ließ sogar einen Trinkspruch auf sein Wohl ausbringen. Da uns die Diener bereits Wein eingeschenkt hatten, prosteten sich nun alle zu und ich beobachtete, wie Bensar Kerial sein Glas an die trockenen Lippen führte. Auch Garina hatte denselben Tropfen in ihrem Kristallkelch, was mich eigentlich davon überzeugen hätte sollen, dass mit dem blutroten Getränk alles in Ordnung war. Dennoch verspürte ich ein seltsames Ziehen im Bauch, so, als würde mit dem Wein in Bensars Glas etwas nicht stimmen. Neulich Abend, als das Monarchenpaar im Pavillon gemeinsam eine Flasche geleert hatte, fiel mir wieder ein, und auch die Tatsache, dass wenige Zeit später dem König nicht wohl gewesen war und er bis jetzt krank im Bett gelegen hatte.
Ob die Monarchin ihrem Gemahl, dem König, heimlich Gift einflößte?
Schon einmal hatte ich einen solchen Gedanken gehegt, ihn jedoch zu meiner eigenen Sicherheit in eine finstere Ecke meines Verstandes gedrängt. Nun jedoch kroch er wieder hervor, intensiver als je zuvor.
Das plötzliche Aufspielen der Musiker riss mich aus meiner fürchterlichen Fantasiewelt. Gleichzeitig wurde mir bewusst, dass ich die Einzige am Tisch war, die noch nicht von dem Wein gekostet hatte. Selbst Ian hatte bereits sein Glas geleert und unterhielt sich nun scheinbar angeregt mit seinem Vater. Geschwind tat ich einen Schluck, schmeckte die kribbelnde Süße des lieblichen Getränks auf meiner Zunge und genoss die Wärme, die sich gleich darauf in meinem Magen ausbreitete.