Das empathische Gen - Joachim Bauer - E-Book

Das empathische Gen E-Book

Joachim Bauer

5,0

Beschreibung

Welchen Weg in die Welt von Morgen wollen wir gehen? Egoistische Strategien, die gerne mit Grundgesetzen der Natur gerechtfertigt werden, stehen gegen gutes, an Tugenden orientiertes Leben und Zusammenleben. Joachim Bauers neuestes Buch ist ein Paukenschlag. Der Mediziner und Neurowissenschaftler zeigt anhand jüngster Forschung: Der Mensch ist nicht nur durch seinen Geist, sondern auch durch seine Biologie ein auf Humanität – auf Menschlichkeit – ausgerichtetes Wesen. Unsere Gene sind keine Egoisten. Sie kommunizieren und kooperieren. Sie reagieren auf Umwelteinflüsse und auf unseren Lebensstil. Mehr noch: Eine aus freiem Entschluss gewählte innere Haltung, die auf ein Sinn-geleitetes, prosoziales Leben ausgerichtet ist, begünstigt Genaktivitäten, die unserer Gesundheit dienen. Wenn Menschen ihre sozialen Potentiale ausschöpfen und sich den Wunsch nach einem guten, sinnerfüllten Leben zu eigen machen, wird ihnen dies auch helfen, ihre Gesundheit zu schützen und ihre inneren Heilkräfte zu stärken. Joachim Bauers Antworten auf die Frage, wofür wir gemacht sind, sind Ausgangspunkt für einen hoffnungsvollen Aufbruch in die Zukunft. Für jeden einzelnen, für die Gesellschaft im Ganzen und für das globale Zusammenleben.

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Joachim Bauer

Das empathische Gen

Humanität, das Gute und die Bestimmung des Menschen

Für die Inhalte auf Webseiten Dritter übernimmt die Verlag Herder GmbH keine Haftung. 

Es wird lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung dieses Buchs verwiesen.

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2021

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Verlag Herder

E-Book-Konvertierung: Daniel Förster, Belgern

ISBN E-Book (EPUB): 978-3-451-82666-5

ISBN E-Book (PDF): 978-3-451-82655-9

ISBN print: 978-3-451-03348-3

Meiner kleinen Enkelin Jolie Sol

Inhalt

Einleitung

1. Was »gutes Leben« ist: Eine Ahnung aus Kinderjahren

2. »Social Genomics«: Gene und »gutes Leben«

Unser Erbgut als Klaviatur: Wer greift in die Tasten?

Wie soziale Erfahrungen den Weg zu den Genen finden

Die Lebenseinstellung beeinflusst die Aktivität der Gene

»Das empathische Gen«: Wer aus freiem Willen hilft, aktiviert »gute Gene«

Kein »gutes Leben« ohne Freiheit und Freiwilligkeit

Gegenteil des Guten und Krankheitsverursacher: Angst und Stress

Gene stiften keine Moral, aber sie ermöglichen und begünstigen das Gute

3. Der Mensch: Auf Zuwendung und Liebe eingestellt

Grundmotivation soziale Verbundenheit

Schmerz durch Diskriminierung

Schmerz begünstigt Aggression

Voraussetzungen »guten Lebens«

4. Subjekt der Empathie: »Das Selbst«

Die Entdeckung der Selbstnetzwerke

Empathie: Ein integraler Teil der Person

Die kognitive Komponente der Empathie: Ein Beitrag der Selbstnetzwerke

Kinder der Empathie: Werte, Tugenden, Moral

5. Die emotionale Komponente der Empathie: Neuronale Resonanz

6. Biotope der Empathie: Erziehung, Bildung, kulturelles Leben

Keine Empathie ohne liebevolle Erziehung

Warum Kinder spielen lassen und ihnen vorlesen?

Kein »gutes Leben« ohne gute Schulen

Kein »gutes Leben« ohne kulturelles Leben

Bildung und Kultur: Alliierte für Frieden

7. Kein »gutes Leben« ohne sie: Der Empathie­anspruch der Natur

8. »Gutes Leben« trotz Diagnose? Erkrankungen als Belastung und Chance

»The Median Isn’t the Message«: Die Chance, der Krankheit etwas entgegenzusetzen

»Dem Leben eine Wendung geben« – Was heißt das konkret?

Gibt es eine Lust auf gesundes Leben?

»Gutes Leben« durch posttraumatisches Wachstum, gesunde Ernährung und Bewegungslust

9. Demenz durch Verlust von Lebenssinn? Wie wir vorbeugen und helfen können

Vaskuläre Demenz und Alzheimerkrankheit

Die Alzheimerdemenz als psycho-biologische Erkrankung

10. Empathie, Humanität und »gutes Leben«: Ein Ausblick

Für das Gute bestimmt, aber nicht »von Natur aus gut«: Tugenden als Wegweiser

Politische Rahmenbedingungen für »gutes Leben«

Das Internet: Mehr oder weniger zwischenmenschliche Verbundenheit?

»Emotionale Ansteckung« im Internet: Eine »Billigvariante« zwischenmenschlicher Resonanz

Eine weitere »Billigvariante« zwischenmenschlicher Resonanz: »Moralische Ansteckung« im Internet

Weder zahnlos noch konfliktfrei: »Neue Aufklärung« und »gutes Leben«

Carus Lecture 2021

Das »Selbst« in Krisenzeiten

Die Realität der Persönlichkeit: Zur Erforschung und Erkundung der neuronalen Selbstnetzwerke

Das »Selbst« als »innerer Arzt«: Innere Grundhaltungen beeinflussen gesundheitsrelevante Genaktivitätsmuster

Das »Selbst« und die Natur: Die salutogenetischen Potentiale von Naturerfahrungen

Schlussbemerkung

Notizen zum beruflichen Werdegang

Worte des Dankes

Tabellen

Zitierte Literatur

Über den Autor

Einleitung

Wir spüren, dass wir vor Veränderungen stehen. Wie wollen wir in die Welt von Morgen gehen? Egoistische Strategien, die gerne mit Grundgesetzen der Natur gerechtfertigt werden, stehen gegen gutes, an Tugenden orientiertes Leben und Zusammenleben. Mit diesem Buch möchte ich deutlich machen, dass der Mensch nicht nur durch seinen Geist, sondern auch durch seine Biologie ein auf Humanität – auf Menschlichkeit – ausgerichtetes Wesen ist. Eine Sinn-geleitete Grundhaltung gegenüber dem Leben und eine prosoziale Einstellung gegenüber seinesgleichen, also Gemeinsinn, haben beim Menschen ein positives, gesundheitsdienliches Aktivierungsmuster der Gene zur Folge. Unsere Gene sind keine Egoisten. Für »gutes Leben« bestimmt sind wir, wie ich zeigen werde, jedoch nicht nur durch unsere Gene.

Eine innere Haltung, die auf ein Sinn-geleitetes Leben eingestellt ist, entfaltet ihre Wirkungen nicht nur nach innen, sondern auch nach außen: Sie dient nicht nur unserer körperlichen und psychischen Gesundheit, sondern versetzt uns auch in die Lage, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Was sollte Sinn-geleitetes und im philosophischen Sinne »gutes Leben« anderes bedeuten, als dass wir als Menschheit auf diesem Globus – im Kleinen und im Großen – gut zusammenleben? Wenn uns dies gelänge, dann hätten wir allen Grund, hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. Ich möchte zeigen, dass wir als Menschen über die nötigen inneren Voraussetzungen verfügen, und werde darlegen, wie wir die in uns angelegten Potentiale entfalten können. Denn darauf wird es ankommen – für jeden Einzelnen, für die Gesellschaft im Ganzen und für das globale Zusammenleben.

Wir erleben die Verbreitung von Unsicherheit, Angst und Hass, von falschen Gerüchten und Legenden. Ein Blick in die Geschichte lehrt, dass Zeiten der Verunsicherung und Unruhe kein neues Phänomen sind, sondern immer wieder auftraten und dann häufig Leid – vor allem Kriege – nach sich zogen. Dies gilt es zu verhindern. Das schlimmste Beispiel der jüngeren Geschichte, an dem sich der Weg von allgemeiner Verunsicherung und Angst hin zum Krieg nachvollziehen lässt, war in unseren Breiten das Aufkommen des Nationalsozialismus und der durch ihn verursachte Zweite Weltkrieg. Frieden ist keine Selbstverständlichkeit. Die Menetekel, die Warnzeichen unserer Zeit sind der (noch nicht abgewendete) Beinahe-Untergang der amerikanischen Demokratie, der immer rücksichtslosere Aufkauf der Ressourcen dieser Welt durch große Investoren, die Klimakrise und die Desinformationsmaschine Internet. In diese Lage hinein entwickelte sich die Corona-­Pandemie. Sie ist eine der Folgen der Naturzerstörung durch den Menschen. Die Corona-­Pandemie war zwanzig Monate vor ihrem Ausbruch von Wissenschaftlern vorausgesagt worden,1 jedoch ohne dass dies Aufsehen erregt hätte. Manchmal scheint es, als lebten wir in einer Wohlstands-Trance. Die fatalen Überschwemmungen im Sommer 2021 waren ein (weiterer) Weckruf. Daher ist es keine Übertreibung, wenn wir heute von einer krisenhaften Situation sprechen. Was sollen und können wir tun? Wo ist der feste Boden, auf den wir uns – als Einzelne und als Gesellschaft – stellen und von dem aus wir handeln können?

Aus Unsicherheit und lähmender Trance, aus Angst und Depression, aus Desinformation und Hass herausführen kann uns einzig und alleine eine Rückkehr zu den Fakten, zu ruhiger, wissensbasierter Betrachtung und zu einem an Werten orientierten Handeln. Zwei Disziplinen, auf die es dabei besonders ankommt, sind die Philosophie und die Medizin. Allerdings nicht jene ökonomisierte, zur Geldmaschine für Klinikkonzerne verkommene Krankenhausmedizin unserer Tage, sondern eine molekularbiologisch, neurowissenschaftlich und psychosomatisch fundierte Medizin, die den Menschen als Ganzes im Blick hat. Maßgebliche Philosophen unserer Zeit haben nicht nur die Gefahrenlage als solche, sondern auch das moralische Elend erkannt, in welches die globale Krise den Menschen unserer Zeit zu stürzen droht. Stellvertretend für seine Disziplin steht der junge Philosoph Markus Gabriel mit seinem Werk Moralischer Fortschritt in dunklen Zeiten2. Gabriel, der an der Universität Bonn lehrt, gilt in den USA als die maßgebliche philosophische Stimme unseres Landes. Als ich noch in Freiburg lehrte, war er dort – noch bevor er zum philosophischen Star avancierte – in einer von mir ins Leben gerufenen interdisziplinären Vortragsreihe3 wiederholt mein Gast. Nach meinem Wechsel nach Berlin setzten wir unseren Dialog dort fort. Sein Aufruf zu einer »neuen Aufklärung«, die er als interdisziplinär angelegtes Projekt ausrief, meint die Abkehr vom Medienlärm und den Blick auf die Realitäten und das, was wir wirklich wissen.

In einer Zeit großer Veränderungen braucht es Hoffnung, Mut und eine an Werten orientierte Richtschnur. Ich möchte die inneren Ressourcen aufzeigen, die uns dafür zur Verfügung stehen. Wenn Markus Gabriel, wie es sich für einen Philosophen gehört, darstellte, was der Mensch soll (nämlich sich für das Gute einsetzen und sich dem Bösen entgegenstellen), so werde ich die Frage untersuchen, ob der Mensch das auch kann. Wenn Gabriel konstatiert, Ziel und Sinn des Lebens sei das (moralisch) gute Leben, dann möchte ich versuchen zu klären, ob wir als Menschen für ein (so verstandenes) »gutes Leben« bestimmt sind. Oder ob wir ständig gegen unsere wahre Natur anarbeiten müssen, wenn wir unser Leben am Prinzip der Humanität und an dem orientieren wollen, was Gabriel mit »gutem Leben« meinte. Humanität bedeutet die Ausrichtung unseres Lebens an den Idealen der Aufklärung: Befreiung des Menschen aus Unmündigkeit, Gleichwertigkeit aller Menschen und zwischenmenschliche Solidarität. Es wird jedoch nicht ausreichen, zu wissen, was »das Gute« ist. Es wird vor allem darauf ankommen, ob wir als Menschen Potentiale besitzen und entfalten können, das Gute auch zu tun. Zur Klärung dieser Frage soll dieses Buch aus neurowissenschaftlicher und psychosomatischer Sicht einen Beitrag leisten.

1 Afelt und Kollegen (2018).

2 Gabriel (2020).

3 Das bis heute existierende Freiburger »Interdisziplinäre Dienstagskolloquium« wurde 2002 von mir ins Leben gerufen. Es versammelt jeden Dienstag während des Semesters mehrere hundert Zuhörerinnen und Zuhörer im Audimax der Universität. Es wurde, wie es der vormalige Rektor der Universität, Hans-Jochen Schiewer einmal ausdrückte, zu einer »Kultveranstaltung«. Seit meinem Wechsel nach Berlin wird das »Dienstagskolloquium« von Professor Claas Lahmann und Professor Stefan Schmidt weitergeführt.

1. Was »gutes Leben« ist: Eine Ahnung aus Kinderjahren

Kinder ahnen, was »gutes Leben« ist. Was uns damals, in unserer eigenen Kindheit antrieb und was den Kindern heute durch die Adern fließt, war und ist eine tiefe Hoffnung, eine Gewissheit, dass das Leben ein Versprechen bereithält. Kinder fühlen, dass sie körperlich und geistig wachsen und dass sie sich selbst und die Welt entdecken werden. Dass sie Potentiale haben und dass sie diese durch Zugehörigkeit, durch Lernen und Übung entfalten können. Dass sie Kompetenzen erwerben können, die sie stolz und zufrieden auf sich selbst und ihr Leben blicken lassen.1 »Gutes Leben« ist für Kinder nicht, irgendwo herumzusitzen, stundenlang auf Displays zu starren und sich vollzustopfen, bis nichts mehr geht – diese Tendenz zeigen Kinder erst, wenn man ihre Hoffnungen fundamental enttäuscht. »Gutes Leben« war und ist für Kinder Geistesgegenwart und Gemeinschaft, Bewegung und Erkundung, Natur und Abenteuer.2 »Gutes Leben« war die Zeit, die Erwachsene sich zum Spielen nahmen. Es waren die Auftritte, bei denen man zeigen konnte, was man vorher geübt hatte. »Gutes Leben« war aber auch, wenn Erwachsene einem etwas freundlich erklärten, wenn es wie von alleine still wurde und man ins Nachdenken kam. Zum »guten Leben« in Kinderjahren gehörten auch Antworten auf Fragen, die mit dem Entstehen und Vergehen des Lebens zu tun hatten – Fragen, die sich vielleicht bei der Geburt eines Geschwisters, beim Tode eines Haustieres oder beim Erleben des Sterbens eines lieben Verwandten stellten.3

Der Gedanke, dass das »wahre Leben« auch im Erwachsenenalter etwas mit einem ständig weitergehenden Suchen, mit persönlichem Wachstum, mit Potentialentfaltung, mit guter zwischenmenschlicher Verbundenheit, mit der Kunst, im Leben praktisch klarzukommen, aber auch mit einem Nachdenken über die großen Fragen des Lebens zu tun hat, beschäftigte bereits die Philosophen des griechischen Altertums. Einige sahen in einer solchen Einstellung die wirkliche Erfüllung und verbanden damit das Versprechen wahren Lebensglücks und echter Lebensfreude. Aristoteles (384–322 vor Christus) nannte diesen Weg zum Glücklich-Werden »Eudaimonia«4. Die passendste Übersetzung erscheint mir persönlich »das gute Leben« zu sein. Die Gegenposition zur Eudaimonia gibt es nicht erst in unseren, vom westlichen Wohlstand geprägten Zeiten. Der Wunsch, es einfach nur irgendwie gut zu haben, vor allem seine kurzfristigen Bedürfnisse erfüllt zu sehen und ohne große Anstrengungen zufrieden zu sein und sein Glück für sich genießen zu können – dies war das Ideal des griechischen Philosophen Aristippos (der von etwa 435 bis etwa 355 vor Christus lebte). Sein Lebensziel und -inhalt war die schlichte Lust oder Freude (griechisch: Hedoné), weshalb sein Lebenskonzept als hedonisch oder als Hedonismus bezeichnet wird. Aristoteles hätte sich gegen die Unterstellung, ihm sei nicht an der Freude gelegen, gewehrt. Er war kein Glücksverächter, im Gegenteil. Das Glücksversprechen des Lebens war für ihn nur nicht da versteckt, wo Aristippos es suchte – das hätte Aristoteles nicht gereicht.

Mit dem Aufkommen psychischer Erkrankungen in den letzten etwa zweihundert Jahren5 sahen es auch Psychologen und Ärzte als sinnvoll an, darüber nachzudenken, was im Leben eigentlich glücklich – und was unglücklich – macht und ob den Kranken womöglich von der Rezeptur zum Glück etwas fehlt (was man ihnen dann verstärkt nahezubringen hätte). Zu betrachten, was Menschen Übles zugestoßen ist, was sie krank machte, und zu untersuchen, welche Behandlungen hilfreich sein könnten, repräsentiert nur eine von zwei therapeutischen Strategien. Der zweite Ansatz ist die Suche nach einem Wirkfaktor, der in der Hand der Kranken liegt und zu ihrer Heilung ebenfalls beitragen kann: der eigene Lebensstil, die innere Einstellung gegenüber dem Leben (im Englischen als »mindset« bezeichnet) und sich daraus ergebende Verhaltensweisen. Über den Beitrag, den Menschen durch ihre geistige Haltung zur Gesundheit leisten können, dachte bereits Immanuel Kant nach.6 Im Gefolge des großen Viktor Frankl7, der ein Sinn-geleitetes Leben als den Dreh- und Angelpunkt psychischer Gesundheit betrachtete, geriet auch die Eudaimonia, das Sinn-geleitete, nach dem »Guten« strebende Leben der »alten Griechen« in den Aufmerksamkeitsfokus einer Reihe von Psychologen. Unter ihnen war auch der prominente Martin Seligman (auf den das Konzept der »erlernten Hilflosigkeit« – Englisch: »learned helplessness« – als Erklärungsmodell der Depression zurückgeht, weshalb weltweit fast alle Psychologen und Psychiater seinen Namen schon seit ihren ersten Semestern kennen).

Um eine Sinn-geleitete, eudaimonische Lebenshaltung als Einflussfaktor auf die menschliche Gesundheit untersuchen zu können, mussten ihre Merkmale so formuliert werden, dass sie für die Forschung verwendet werden konnten (siehe die Tabellen 1–3 am Ende des Buches)8. Nachdem zahlreiche Studien Korrelationen zwischen einer eudaimonischen Lebenseinstellung und der Bewahrung psychischer Gesundheit gefunden hatten9 und sich zudem gezeigt hatte, dass das eudaimonische »Mindset« sogar einen neurobiologischen Fingerabdruck im Gehirn hinterlässt,10 begannen sich nun auch Genforscher für das Thema zu interessieren: Wenn eine bestimmte Einstellung gegenüber dem Leben sich auf die Gesundheit und auf das Gehirn auswirkt, würden sich dann nicht auch Auswirkungen auf die Gene finden lassen? Die Antwort auf diese Frage wird das nächste Kapitel geben. »Social Genomics« ist ein neuer Forschungszweig, der unter anderem auch untersucht, welche Auswirkungen unseres Denkens und Handelns im sozialen Feld sich auf der Genebene beobachten lassen. Eine weit verbreitete Meinung über die Gene unterstellt ihnen »Egoismus«. Wäre diese Theorie richtig, würde man wohl vermuten, dass unsere Gene eher der hedonistischen Seite zuneigen. Das Gegenteil ist der Fall. Doch sehen wir selbst!

1 Der Erste, der den hierarchischen Aufbau der kindlichen (und allgemein der menschlichen) Bedürfnisse erkannte, war Abraham Maslow (Maslow, 1943).

2 Zur Sehnsucht von Kindern nach Natur als Glücksort siehe Moula und Kollegen (2021).

3 Siehe dazu unter anderem Institut für Jugendkulturforschung (2021).

4 Aristoteles: Nikomachische Ethik. »Eu« ist das griechische Wort für »gut«. »Daimon« ist ein das Leben beeinflussender Geist. Eine Übersetzung von Eudaimonia könnte daher auch »von einem guten Geist geleitetes Leben« lauten. Dass viele Menschen sich oder anderen heutzutage einen »Schutzengel« wünschen, zeigt, dass uns das Denken der »alten Griechen« durchaus nicht fremd ist.

5 Ob psychische Erkrankungen im Verlauf der Geschichte wirklich zugenommen haben, erscheint fraglich, ist aber mit Blick auf die Stressoren der Industrialisierung auch nicht ausgeschlossen. Was in jedem Fall zugenommen hat, ist die Wahrnehmung psychischer Leiden und ihre Definition als behandlungsbedürftige Erkrankungen.

6 Kant (1797). Zu diesem 1797 verfassten Beitrag hat Christoph Wilhelm Hufeland, der erste Direktor der Charité, ein Vorwort und einen Kommentar verfasst.

7 Frankl (2021).

8 Ryff (2014); Huta und Waterman (2014).

9 Ryff (2013).

10 Lewis und Kollegen (2013).

2. »Social Genomics«: Gene und »gutes Leben«

Für welches Leben sind Menschen bestimmt? Ein seit Darwins Zeiten zwischen Evolutionsbiologie und Wirtschaftswissenschaften wie in einem Ping-Pong-Spiel hin und her gespielter Ball war – und ist – das Dogma, der Mensch sei ein primär auf Egoismus, Wettbewerb und gegenseitige Verdrängung ausgerichtetes Wesen. Wäre dies der Fall, welche Aussicht auf Erfolg hätte dann das Projekt einer »neuen Aufklärung« (siehe Einleitung)? Ein Versuch, den Egoismus in der Biologie insgesamt und speziell auch beim Menschen als das vorherrschende Prinzip darzustellen, war das 1976 von Richard Dawkins veröffentlichte Buch Das egoistische Gen. Das Werk wurde zu einer biologischen Legitimation eines zunehmend entfesselten Kapitalismus. Der Autor hat den Sozialdarwinismus kurzerhand auf die Gene übertragen. Dawkins selbst hat nicht an Genen geforscht, was die unhaltbaren Thesen seines Buches erklären, seine verhängnisvollen Folgen aber nicht aufheben kann. Der Forschung an Genen war ein Teil meines beruflichen Lebens gewidmet. Dawkins’ Behauptung eines »egoistischen« Gens ist absurd. Sie kommt mir vor, als hätte der Inhaber eines Uhrengeschäfts, nachdem er eine Schweizer Uhrenfabrik besucht hat, ein Buch mit dem Titel »Das egoistische Uhrwerkrädchen« geschrieben.

Wenn es um die Frage geht, was ein Lebewesen seiner Natur nach sei, dann gelten die Gene als eine Art höchste und letzte Instanz. Gene sind tatsächlich ungeheuer bedeutsam. Daher werde ich zunächst damit beginnen, die Bedeutung der Gene als Kommunikatoren und Kooperatoren aufzuzeigen. Gestützt auf Experimente, die in den letzten Jahren dazu durchgeführt wurden, werde ich dann darlegen, dass der Mensch »aus Sicht der Gene« nicht für ein egoistisches, sondern für ein Sinn-geleitetes, prosoziales Leben bestimmt ist.

Menschliche Gene bestehen aus einer Art gedrehtem Doppelfaden. Die Fachleute nennen diesen Doppelfaden »DNA-Doppelhelix«1. Wir haben es bei der DNA mit einer Struktur zu tun, deren Maße um mehr als vier Dimensionen unter der Größenordnung der Strukturen in einem Microchip liegen.2 Sichtbar machen lässt sich die Doppelhelix, also »der Stoff, aus dem die Gene sind«, nur mit dem Elektronenmikroskop. Ein »Gen« ist diejenige Strecke des Doppelfadens, welche die Bauanleitung für ein Eiweiß-Molekül, das heißt für ein Protein enthält. Der Doppelfaden in seiner gesamten Länge einschließlich aller Gene ist das »Genom«, also das, was auch als »Erbgut« bezeichnet wird. Das Genom und seine Gene sitzen in den Zellkernen unserer Körperzellen. Da außerhalb der Zellkerne, also »draußen« im Körper, Eiweiße beziehungsweise Proteine den gesamten Stoffwechsel steuern,3 sind die in den Genen verborgenen Protein-Baupläne von großer Bedeutung. Der Mensch hat etwa 23 000 Gene. Die Zahl der Proteine liegt beim Menschen bei etwas über 30 000. Sie ist höher als die Zahl der Gene, weil eine ganze Reihe von Genen Mehrfach-Baupläne enthalten.4

Unser Erbgut als Klaviatur: Wer greift in die Tasten?

Das menschliche Genom gleicht einem Klavier, das bespielt wird.5 Die Pianistinnen und Pianisten, die an diesem Klavier spielen, sind unsere Lebensstile und die Erfahrungen, die wir im Leben machen. Zum Lebensstil gehört die Art, wie wir uns ernähren, ob und in welchem Umfang wir uns bewegen, welche Gifte oder Strahlungen auf uns einwirken, wie sauber – oder belastet – unsere Umwelt ist, wie viel Stress wir ausgesetzt sind und wie sich unsere zwischenmenschlichen Beziehungen gestalten. Psychische Stressoren und soziale Erfahrungen haben sich in den letzten Jahren als die einflussreichsten auf unsere Biologie einwirkenden Faktoren herausgestellt. Sie bestimmen sogar, wie lange wir leben. Die große Mehrheit aller Erkrankungen ist nicht erblich, sondern wird dadurch verursacht, dass die Klaviatur unserer Gene in einer Art und Weise bespielt wurde, die – um im Bild zu bleiben – zu Missklängen oder zu einer Beschädigung des Klaviers geführt hat. Was die Gesundheit des Menschen schützt, ist eine Lebensweise, die dem Klavier – unserem Körper – eine »Musik« entlockt, mit der sich unser Körper auf Dauer wohlfühlt. Diese Grundregeln der Gesundheit gelten in allen Ethnien. Jedes Gen entspricht einer Klaviertaste: Eine Taste kann unberührt, also still bleiben (in diesem Falle ist das Gen nicht aktiv). Sie kann aber auch leise oder laut angeschlagen werden (das Gen wäre dann schwach oder stark aktiviert). Gene können einzeln oder in unterschiedlichen Gruppen, schwach oder stark aktiviert werden. Die Klaviatur der Gene zu spielen, bedeutet konkret: Gene in einer gesundheitsdienlichen Weise zu aktivieren (»Aufregulation« der Genaktivität) oder zu inaktivieren (»Herabregulation« oder »Stummschaltung« der Genaktivität).6

Fazit: Entscheidend für Gesundheit und Krankheit des Menschen ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht die Frage, ob jemand »gute« oder »schlechte« Gene geerbt hat, sondern wie Gene im Leben eines einzelnen Menschen in ihrer Aktivität reguliert werden. Darauf kann jeder Mensch selbst Einfluss nehmen.7 Unser Erbgut ist ein überaus lebendiges, ständig in Bewegung befindliches System. Es nimmt »von außen« eintreffende Signale wahr und kann diese mit eigenen Reaktionen beantworten.8 Gene sind Kommunikatoren: Das Erbgut richtet die Aktivität seiner Gene fortlaufend danach aus, welche Signale – aus der Sicht der Gene – »von außen« (von außerhalb der Zelle) eintreffen. Gene sind jedoch nicht nur Kommunikatoren. Sie sind auch Kooperatoren: Damit der Bauplan eines Gens abgelesen werden und zur Entstehung eines Proteins führen kann, müssen Dutzende von Molekülen zusammenarbeiten und beim Ablesen des Gens Hilfe leisten. Diese Helfermoleküle müssen ihrerseits von Genen hergestellt werden. Nur etwa zwei bis drei Prozent des gesamten Erbgutes bestehen aus den »eigentlichen« Genen, also aus Genen, die Baupläne für die Herstellung von Proteinen enthalten. Etwa 80 Prozent des Erbgutes besteht aus Genen, die – salopp ausgedrückt – für die Logistik zuständig sind.9 Für die »Lieferkette«, also für die Anlieferung von Rohstoffen (Molekül-Bausteinen), für die Steuerung des Produktionsprozesses, für den geregelten Abtransport sowie für die korrekte Zustellung von Proteinen an die richtige »Lieferadresse«.10 Viele Zellen unseres Körpers erneuern sich durch Zellteilung, auch dafür bedarf es einer komplexen Steuerung, Kommunikation und Kooperation durch Gene.

In den Kinderjahren der Erbgutforschung, als man von der Regulation der Genaktivität noch nichts wusste, war man überzeugt, Gesundheit und Krankheiten würden in einer binären Weise gesteuert (»An« oder »Aus«, »gutes« Gen oder »schlechtes« Gen). Man betrachtete Krankheiten wie die Farben der Erbsenpflanzen, an denen der tschechisch-österreichische Augustinermönch Gregor Mendel vor knapp zweihundert Jahren die Grundlagen der Vererbung erforscht hatte. Die vereinfachte Lehre von den angeblich »guten« und »schlechten« Genen hatte, da man alle Mängel auf Vererbung zurückführte, die Eugenik, den Rassismus und die verbrecherische »Vernichtung lebensunwerten Lebens«11 zur Folge. Dafür ist der verdienstvolle Gregor Mendel natürlich nicht haftbar zu machen, er hätte diese unmenschliche Entwicklung als Christ entschieden abgelehnt. Psychosozial und psycho-somatisch bedingte Störungen wie Suchtkrankheiten, Verhaltensstörungen bei Kindern sowie sämtliche psychischen Erkrankungen wurden bis vor gar nicht so langer Zeit zu Erbkrankheiten erklärt, ebenso wie viele körperliche Erkrankungen (Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes, Herzkrankheiten, Anfälligkeit für Infektionen unter anderen). Von allen diesen Erkrankungen wissen wir heute, dass sie ihre Ursachen überwiegend in den Lebensumständen haben, die einem Menschen zugefügt (oder von ihm gewählt) wurden. Zu den verheerenden Irrtümern des Rassismus gehört auch, dass den Ethnien dieser Welt (Afrikanern, indigenen Amerikanern, Asiaten, Kaukasiern12) Genome unterschiedlicher Wertigkeit unterstellt wurden. Leider stand auch der große Charles Darwin für diese Irrtümer, die allerdings weit vor seine Zeit zurückreichen, Pate. Die wissenschaftlich unhaltbaren Ansichten des Rassismus wurden wie eine Wissenschaft gehandelt. Sie wurden über mehr als hundert Jahre – bis in die jüngste Zeit hinein – in die Köpfe eingetrichtert und sind bis heute der Nährboden für Ausgrenzung, Hass und Kriege. Was hier alleine helfen kann, ist Aufklärung (im Rahmen der eingangs geforderten »neuen Aufklärung«) und bessere Bildung für alle Kinder.

Wie soziale Erfahrungen den Weg zu den Genen finden

Bevor wir Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen einer Sinn-geleiteten, prosozialen Lebenseinstellung und Veränderungen im Genaktivitätsmuster näher unter die Lupe nehmen, sollten wir uns an einem gut erforschten Beispiel anschauen, wie es sein kann, dass nichtstoffliche soziale Erfahrungen wie beispielsweise seelischer Stress den Weg in den Körper, in die Körperzellen und bis hinein zu den Genen finden. Der Köper besitzt die Fähigkeit, auf soziale Erfahrungen mit biologischen Veränderungen zu reagieren oder, anders ausgedrückt, Psychologie in Biologie zu verwandeln. Aber wie? Wie kann es sein, dass Einsamkeit, soziale Isolation, zwischenmenschliche Konflikte oder sonstiger psychischer Stress die Aktivierung von Stressgenen zur Folge hat? Beispielsweise wird eine potentiell bedrohliche soziale Isolation durch unsere Sinne (vor allem Sehen und Hören) wahrgenommen und im Stirnhirn bewertet. Über Nervenbahnen, die vom Stirnhirn zu den Angstzentren, den sogenannten Amygdalae ziehen, kommt es zu einer Aktivierung dort sitzender Nervenzellen, die daraufhin einen Angstbotenstoff mit dem Namen Glutamat ausschütten. Manchmal werden die Angstzentren von den Sinnesorganen (wiederum vor allem Sehen und Hören) unter Auslassung des Stirnhirns direkt aktiviert (dies ist vor allem in der Kindheit und im späteren Leben bei plötzlich eintreffenden heftigen Signalen der Fall). Das von den Nervenzellen der Angstzentren freigesetzte Glutamat aktiviert Nervenzellen in einer benachbarten Hirnregion namens Hypothalamus, was zur Folge hat, dass es in den dort sitzenden Nervenzellen zur Aktivierung eines Stressgens namens CRH13 und zur Bildung des Proteins CRH kommt. Menschen, bei denen in Stressreaktionen am Hals rote Flecken auftreten, verdanken dies dem Stressbotenstoff CRH. Eine Folge von CRH ist der Anstieg des Stresshormons Cortisol, dessen Ansteigen kurz nach einem erlebten Stressereignis in allen Körperflüssigkeiten gemessen werden kann. Der ganze Vorgang, von der Wahrnehmung einer Gefahr bis zur biologischen Stressreaktion, dauert meistens nur wenige Sekunden.

Fazit: Der menschliche Körper verwandelt Psychologie in Biologie. Mit Forschungsergebnissen, die einen Zusammenhang zwischen einerseits der sozialen oder psychischen Realität des Menschen und andrerseits seinem Körper beziehungsweise seinen Genen nachweisen, verhält es sich ähnlich wie mit der Klimaforschung: Obwohl gesicherte wissenschaftliche Daten vorhanden sind, die ein klares Zeugnis über die Realität ablegen, gibt es Menschen, die es vorziehen, solche Daten trotzdem zu ignorieren oder zu leugnen. Im Falle der Klimaerwärmung finden sich die Ignoranten und Leugner vor allem bei denen, die weiter ungestört ihre klimaschädlichen Geschäfte machen oder weiter maßlos konsumieren wollen.14 Bei der Leugnung von Erkenntnissen der sozialen Neurowissenschaften und der Psychosomatischen Medizin verhält es sich nicht anders. Psychosomatische Zusammenhänge werden vor allem in jenen Bereichen der Medizin nicht beachtet, wo die Befassung mit psychosozialen Ursachen von Gesundheitsstörungen die guten Geschäfte des Medizinbetriebs und der Pharmaindustrie stören würde. Stress, Einsamkeit, soziale Isolation, Angst und Depression gehören zu den bedeutsamsten Verursachern körperlicher Erkrankungen. Sie verkürzen, wie mehrere epidemiologische Studien nachweisen konnten, das Leben des Menschen im gleichen Ausmaß wie das Rauchen und andere gesundheitsschädliche Verhaltensweisen.15 Umso wichtiger ist, dass Erkenntnisse darüber, was wir als Einzelne selbst tun können, um unsere Gesundheit zu schützen, den Weg in die Breite finden.

Die Lebenseinstellung beeinflusst die Aktivität der Gene

Die Entdeckung, dass die innere Grundeinstellung, die ein Mensch gegenüber seinem Leben und seinen Mitmenschen einnimmt, die Aktivität von Genen beeinflusst und sich auf das Erkrankungsrisiko auswirkt, war ein Durchbruch und eine echte Sensation. Wie kam es zu diesen Erkenntnissen? Die große Mehrheit der Erkrankungen, mit denen Menschen heute eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen, sind die Folge einer Entzündung. Entzündungen sind Abwehrreaktionen, die der Körper selbst in Gang setzt, um sich mit einer Schädigung auseinanderzusetzen. Mögliche Schädigungen, die mit einer Entzündung beantwortet werden, sind Verletzungen, Infektionen16, Strahlung17, Gifte, Allergene und psychischer Stress18. Entzündungen werden in Gang gesetzt, indem der Körper Gene für die Herstellung von Entzündungsbotenstoffen aktiviert. Einer dieser Entzündungsbotenstoffe ist Interleukin-6 (IL-6), an dessen Entdeckung und weiterer Erforschung ich als junger Forscher an der Universität Freiburg und am Mount Sinai Medical Center in New York City beteiligt war. Es ist also nicht die Schädigung selbst, sondern der eigene Körper, der – sobald er etwas als schädigend wahrnimmt – Entzündungsbotenstoffe herstellt und das Entzündungsgeschehen startet.

Entzündungen sind eine Medaille mit zwei Seiten. Bei einer akuten Schädigung wie im Falle einer Infektion oder nach einer Verletzung ist die Entzündungsreaktion, auch wenn sie den Menschen vorübergehend schwächt und sich krank fühlen lässt, ein notwendiger, unverzichtbarer Teil der Heilung. Die andere, dunkle Seite der Medaille wurde erst in den letzten Jahren entdeckt: Es gibt nicht nur die akute, heilende, sondern auch eine unheilvolle, schleichende und für die betroffenen Menschen kaum wahrnehmbare Entzündungsreaktion. Chronische (also langanhaltende) und subakute (kaum oder gar nicht wahrnehmbare) Entzündungsreaktionen fliegen sozusagen »unter dem Radar« – so lange, bis plötzlich und unerwartet doch etwas auf dem Schirm auftaucht: zum Beispiel die Symptome einer schweren Arterienverkalkung, ein Krebsleiden oder eine Demenzerkrankung. Herzinfarkte19, Schlaganfälle20, zahlreiche Krebserkrankungen21 und Demenzen22