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Zehn Jahre vor dem Erscheinen seiner General Theory hat John Maynard Keynes 1926 eine kleine Schrift mit dem Titel The End of Laissez-faire vorgelegt, die noch im gleichen Jahr unter dem Titel Das Ende des Laissez-Faire. Ideen zur Verbindung von Privat- und Gemeinwirtschaft auch in deutscher Sprache erschienen ist. Das im Zuge der Finanzkrise wieder gestiegene Interesse an den Ideen von Keynes hat den Verlag Duncker & Humblot, der bereits die erste Auflage veröffentlichte, dazu veranlasst, 85 Jahre später eine zweite vorzulegen. Sie erscheint in unveränderter Form, allerdings ergänzt um ein Vorwort von Peter Kalmbach und Jürgen Kromphardt. Die beiden Autoren des Vorworts sind Gründungsmitglieder und Kromphardt zugleich Vorsitzender der deutschen Keynes-Gesellschaft, die es sich zu ihrer Aufgabe gemacht hat, die Ideen von John M. Keynes einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen (siehe http://keynes-gesellschaft.de). In Das Ende des Laissez-Faire setzt sich Keynes philosophisch und wirtschaftspolitisch mit der Laissez-Faire-Ideologie auseinander, die vor dem Ersten Weltkrieg höchst wirkungsmächtig war, dann - wesentlich unter dem Einfluss von Keynes - zurückgedrängt wurde, seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts aber erneut Anhänger fand. Durch die jüngste weltweite Finanzmarktkrise und die Bemühungen fast aller Industriestaaten, sie und ihre Folgen für die reale Wirtschaft zu bekämpfen, hat sich erneut eine Umkehr ergeben, und Keynes’ Überlegungen über die Beziehungen zwischen Privatwirtschaft und Staat, über das Ende staatlichen Nichtstuns, aber auch über die Grenzen staatlichen Handelns und über die Art, es zu organisieren, sind wieder sehr aktuell geworden. Die Neuauflage ist aber auch deshalb geboten, weil es sich bei diesem Beitrag, wie Cairncross feststellte, um die einzige von Keynes vorgelegte systematische Analyse über das erforderliche Ausmaß der staatlichen Aktivität in wirtschaftlichen Angelegenheiten handelt.
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JOHN MAYNARD KEYNES
Das Ende des Laissez-Faire
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
1. Auflage 1926 bei Duncker & Humblot
Alle Rechte vorbehalten © 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany
ISBN 978-3-428-13456-4 (Print) ISBN 978-3-428-53456-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-83456-3 (Print & E-Book)
Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ƀ
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort zur Neuauflage
Von Peter Kalmbach und Jürgen Kromphardt
Der Essay „The End of Laissez-faire“ von John Maynard Keynes, der in der Gesamtausgabe seiner Werke 23 Seiten umfasst, erschien im Juli 1926 als Broschüre in der Hogarth Press und bereits im gleichen Jahr erstmals in deutscher Sprache unter dem erweiterten Titel „Das Ende des Laissez-Faire. Ideen zur Verbindung von Privat- und Gemeinwirtschaft“ im Verlag Duncker & Humblot. Im heutigen Sprachgebrauch würde man als Untertitel eher „Ideen zum Verhältnis von Privatwirtschaft und Staat“ wählen.
In seine 1931 erschienenen „Essays in Persuasion“ hat Keynes nur eine stark gekürzte Version aufgenommen. Die vollständige Fassung ist erst im Band IX der „Collected Writings of John Maynard Keynes“ wieder abgedruckt worden. Der deutsche Text ist wiederabgedruckt in: H. Mattfeld, Keynes. Kommentierte Werkauswahl. Hamburg (VSA) 1985. Der Essay basiert auf Vorlesungen, die Keynes im November 1924 in Oxford und im Juni 1926 an der Berliner Universität gehalten hat.
Durch die weltweite Finanzmarktkrise und die Bemühungen fast aller Industriestaaten, sie und ihre Folgen für die reale Wirtschaft zu bekämpfen, sind Keynes' Überlegungen über die Beziehungen zwischen Privatwirtschaft und Staat, über das Ende staatlichen Nichts[5]tuns, aber auch über die Grenzen staatlichen Handelns und über die Art, es zu organisieren, wieder sehr aktuell geworden. Daher ist es erfreulich, dass dieser Essay nun wieder zur Verfügung steht, zumal es sich dabei, wie Cairncross (1978, S. 38) feststellte, um die einzige von Keynes vorgelegte systematische Analyse über das erforderliche Ausmaß der staatlichen Aktivität in wirtschaftlichen Angelegenheiten handelt. Man sollte allerdings beachten, dass die darin enthaltenen Ideen lange vor dem Erscheinen der „General Theory“ entwickelt worden sind: das, was wir heute unter „Keynesscher Theorie“ verstehen, hat erst nach dem Erscheinen der „Treatise on Money“ im Jahr 1930 Gestalt angenommen (siehe dazu z. B. Pasinetti 2007). Man kann natürlich nur darüber spekulieren, ob der Keynes nach der „General Theory“ andere Akzente gesetzt hätte. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass er weniger als im Fall der „Treatise on Money“ die Notwendigkeit gesehen hätte, sich von seinem früheren Werk zu distanzieren.
Keynes beginnt seinen Essay nicht mit unmittelbar wirtschaftspolitischen Fragen; vielmehr befasst er sich – philosophisch gebildeter als der Großteil heutiger Ökonomen – zunächst mit der Ideengeschichte von Individualismus und Liberalismus. Knapp und lakonisch werden die Entwürfe von Hume und Locke dargestellt – und diesen die durchaus andersartigen von Rousseau und Bentham gegenübergestellt. Die Vereinigung der höchst verschiedenartigen Ansätze wird als das Werk des frühen 19. Jahrhunderts angesehen: „Der Beginn des neunzehnten Jahrhunderts vollbrachte diese wundersame Einigung. Sie brachte den konservativen Individualismus von Locke, Hume, Johnson und Burke in Einklang mit dem Sozialismus und der demokratischen [6] Gleichheitslehre von Rousseau, Paley, Bentham und Godwin“ (diese Ausgabe, S. 20). Angereichert wurde diese Mixtur schließlich noch mit darwinistischen Ideen. All die verschiedenen Ansätze schienen das Gleiche zu predigen: Individualismus und Laissez-faire.
Keynes zufolge lautet die philosophische Doktrin des Individualismus, die Regierung habe kein Recht zu intervenieren, die weltanschauliche, es gebe dafür keine Notwendigkeit. Ökonomen sind insoweit noch nicht im Spiel. Ihnen kommt schließlich die wesentliche Aufgabe zu, den wissenschaftlichen Nachweis zu erbringen, dass staatliche Einmischung ganz unzweckmäßig ist. Entgegen einer häufig geäußerten Ansicht sind es aber nicht Ökonomen, die den Begriff des Laissez-faire erfunden haben. Man findet diesen Begriff z. B. nicht bei Smith, Ricardo oder Malthus. Auch die Physiokraten, denen der Begriff oft zugeschrieben wird, haben ihn nicht erfunden. Als Schöpfer dieser Bezeichnung wird vielmehr der Marquis d'Argenson genannt, der – in einer anonym erschienenen Schrift – diesen Begriff als erster 1751 benutzt zu haben scheint.
Die Herkunft des Begriffs laissez-faire aufzuzeigen sowie die philosophischen und weltanschaulichen Hintergründe darzustellen, ist jedoch nur ein Teil der von Keynes verfolgten Absicht. Hiervon findet sich dann etwa in den „Essays in Persuasion“ von 1931 nichts wieder. Es geht ihm auch um den Nachweis, dass „sich die Schlußfolgerung, daß der größte Reichtum durch die ungehinderte, egoistische Tätigkeit der Individuen erzeugt werde, auf viele unrichtige Voraussetzungen [stützt]“ (diese Ausgabe, S. 36). Angeführt werden in diesem Zusammenhang einige der uns heute wohlbekannten Sachverhalte, die das Erreichen eines Wohl[7]fahrtsoptimums verhindern. Dabei wird interessanterweise auch der Informationsaspekt angeführt. Unter den sechs angesprochenen „Komplikationen“ besteht eine darin, dass „Unkenntnis vorherrscht“ (diese Ausgabe, S. 36).