Das Erbe Teil I - Wolfgang Ziegler - E-Book

Das Erbe Teil I E-Book

Wolfgang Ziegler

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Beschreibung

Die im "Erbe" beschriebenen Untergrundanlagen, die Flugscheiben- und andere Technik haben reale Hintergründe. So gab es im Eulengebirge tatsächlich das Objekt "Riese" mit gewaltigsten Ausdehnungen seiner Stollen und Hallen, wo bis heute nur Teile erforscht sind. "Riese" soll auch eine bis zu 18 Kilometer lange Stollenverbindung zum Schloß Fürstenstein gehabt haben, wo in unterirdischen Anlagen beim "Alten Schloss" u.a. am ultrageheimsten Projekt des Dritten Reiches geforscht wurde, der "Glocke", deren Technik u.a. die Gravitation und sogar die Zeit beeinflussen konnte. Auch eine Weltraumsimulationsanlage sei dort wissenschaftlich betrieben worden. Ein packender Roman in Teilen über das Geheimnis der deutschen Flugscheiben. Wo die Grenzen des rational Vorstellbaren erreicht sind oder gar überschritten werden, kann allein die Fantasie Lücken schließen. Wer sich je mit dem Thema deutsche Flugscheiben auseinandergesetzt hat, weiß dies sehr gut. Und er wird verstehen, dass die Form des Romans die einzige ist, die allen Facetten dieses Themas gerecht werden kann - frei von unhaltbaren Behauptungen, aber auch frei von Einengung. Wer diesem Gedankengang folgen kann, sollte "Das Erbe" lesen.

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Seitenzahl: 196

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Wolfgang Ziegler

Das Erbe

Teil I

Die Basis

Impressum

© 2014 Wolfgang Ziegler

Covergestaltung: Wolfgang Ziegler

Digitalisierung: Wolfgang Ziegler

Wolfgang Ziegler

Selbstverlag

55566 Bad Sobernheim

[email protected]

Vorbehaltserklärung

Diese Publikation ist dazu bestimmt, Informationen bezüglich der in ihr dargestellten Themen zu vermitteln. Der Zweck dieser Publikation liegt ferner darin, zu informieren und zu unterhalten. Weder Autor noch Herausgeber sind schadensersatzpflichtig oder verantwortlich irgendeiner Person, Institution oder Wesenheit gegenüber im Falle eines Verlustes, Schadens oder anderen Nachteiles, der direkt oder indirekt durch die in dem vorliegenden Werk publizierten Inhalte verursacht worden sein könnte.  Dies ist ein Roman. Alle Orte, Handlungen und Personen sind frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten sind rein zufällig.

Der Verfasser

Hintergrund „Das Erbe“

Das romanhafte Geschehen im „Erbe“ bezieht sich auch auf die fast völlig vergessene Isais-Mythe, die einer Art Religion ähnlich ist. Der Mythos beschreibt unter anderem das Erscheinen der weiblichen Wesenheit Isais bei einer Gruppe Tempelritter nahe des sagenumwobenen Untersberges um das Jahr 1226 (Quellen geben verschiedene Daten an). Isais, die auch die Gestalt einer Katze annehmen konnte, übergab den Rittern einen magischen Kristall und andere Dinge zur sicheren Aufbewahrung. Dieser Kristall soll - wenn er auf bestimmte Weise aktiviert wird - den Übergang der Zeiten beschleunigen helfen und einem lichten Zeitalter den Weg ebnen. Die doppelhäuptige Figura Baphomet wurde in der Folge von den Templern als Trägerstatue konstruiert, behauptet die Legende weiter. Die Figura stelle eine Art magische Apparatur dar, die neben dem schwarz-violetten Kristall (wahrscheinlich ein Amethyst) auf ihrem Haupt auch einen Bergkristall, den so genannten Garil, im Sockelbereich enthält. Bei dem Ganzen spielte zudem Frauenhaar eine wichtige Rolle. Gewisse Gruppen - vom Vatikan, über die Nationalsozialisten, bis zu heutigen Geheimdiensten - hätten heimlich nach der Figura schon gesucht, bislang jedoch scheinbar vergebens. Die sogenannten „Herren vom Schwarzen Stein“ soll es als Organisation in Wirklichkeit jedoch nie gegeben haben. Die Thematik der deutschen Flugscheiben ist romanhaft dargestellt. Auch über sie kursieren noch zahlreiche Mythen, zu denen auch ein ominöser Marsflug gehört. Geheime Untergrundanlagen aus der Zeit beider Weltkriege gibt es sogar über Deutschlands Grenzen hinaus noch immer. In ihnen werden etwa fortgeschrittene energetische Systeme, sogenannte Beutekunst, Hangars, Dokumenten-sammlungen und anderes mehr vermutet - siehe auch das schon viel beachtete Sachbuch des Autors „Vom Jonastal nach Akakor“. Der Autor distanziert sich ausdrücklich von jedweder ideologischer Bewertung der romanhaften und frei erfundenen Handlung.

Man schreibt den 3. November 19.. Das Kriegsende liegt schon einige Jahre zurück, als in Frankfurt an der Oder Personen zusammen kommen, die ein tiefes Geheimnis aus dieser Zeit eng verbindet.

Die erste Spur 

Die Kanzlei Meurat lag in einer kleinen Nebenstraße, abseits der nun langsam wieder etwas belebten Verkehrsadern des Zentrums von Frankfurt an der Oder. Der breite Treppenaufgang des alten Bürgerhauses atmete noch das Flair des vergangenen Jahrhunderts. Gediegene Marmorstufen und dunkle, glänzende Eichenholzgeländer führten den Besucher in die zur ersten Etage hinauf, wo eine große  Messingglocke an der schweren Tür neben dem diskret angebrachten Kanzleischild zum Läuten aufforderte. Hinter den massiven Ziergittern der dennoch sehr schmalen Türfenster bewegte sich ein Schatten, nachdem Wolf die Glocke betätigt hatte. Geräuschlos, fast wie von Geisterhand, tat sich ein Türflügel auf. Eine ältlich wirkende  Sekretärin erschien im halbdunklen Flur und bat ihn höflich herein.

„Bitte warten Sie hier noch einen Moment, Herr Meurat wird Sie gleich empfangen“. Sie flüsterte die Worte fast und verschwand sofort wieder in ihrem Büro. Wolf nahm also in der angebotenen Sitzecke des breiten Flures Platz. Der knirschende Ledersessel mußte so alt sein, wie die verblichenen Tapeten an den Wänden. Auf dem kleinen Tischchen der Sitzgruppe lagen ältere, zerlesene Ausgaben bekannter deutscher Zeitungen. Es roch ganz leicht nach uraltem Bohnerwachs, obwohl ein dicker Teppich den Parkettboden des Empfangsbereiches bedeckte. Wolf wartete geduldig. Mit einer Zigarette in der Hand, deren Asche er in einem riesigen Messingascher auf dem kleinem Mahagonitischchen abstreifte, widmete er sich dem Inhalt einer der Zeitschriften. Es herrschte Stille, als wären die anliegenden Räume menschenleer. Die drei schweren Eichenholztüren, die zur eigentlichen Kanzlei und dem Sekretariat führten, ließen kein Geräusch nach außen dringen. Aus dem Treppenhaus drang durch die schmalen Milchglasscheiben der Türfenster nur ein diffuser Lichtschimmer. Bis auf das Brummen einer einsamen Fliege war kein Laut vernehmbar. Nach langen Minuten vermeintlicher Einsamkeit erschien plötzlich Meurats Sekretärin wieder. 

„Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten? Der Herr Doktor läßt ausrichten, es dauert doch noch einige Minuten.“  Wolf nahm dankend an und wunderte sich dennoch, weiter warten zu müssen. Es verging noch etwa eine Viertelstunde, da öffnete sich plötzlich eine der Türen und Meurat selbst stand vor ihm.

„Entschuldigen Sie bitte, Herr Ebeland, daß ich Sie warten ließ“, mit diesen Worten führte der Anwalt seinen Besucher auch schon in sein Arbeitszimmer und hieß ihn in einem der Sessel vor dem wuchtigen und mit allerlei Papieren bedeckten Schreibtisch Platz nehmen. Wolf hatte kaum Zeit, den Anwalt seinerseits zu begrüßen, als dieser aus einem Wust von Aktenordnern, die sich auf dem mit dicken Teppichen bedeckten Boden stapelten, ein mit braunem Packpapier eingewickeltes Päckchen hervorzog.

„Wie ich Ihnen schon am Telefon sagte, habe ich in den Erbschaftsangelegenheiten Ihres werten Herrn Vaters, der mir ja immer ein treuer Klient war, noch eine Hinterlassenschaft gefunden, die er an einem Ort deponiert hatte, auf den ich erst bei jüngsten Recherchen stieß. Beigefügt war ein an mich gerichtetes handschriftliches Schreiben.“

Meurat zog einen mehrfach gefalteten Briefbogen hervor, setzte seine Brille auf und las vor: „Sehr geehrter Herr Meurat, wollen Sie bitte diese kurzen Zeilen richtig verstehen. Die Firma befindet sich in einer äußerst schwierigen Lage. Bestimmte Transaktionen haben sich als Fehler erwiesen. Ich brauche dringend Material, auf das sich leider nicht unmittelbar zugreifen läßt. Diese Dinge lagern noch immer an Orten, wo man sie Ende des Krieges deponierte. Meinen Überlegungen nach würde dieses Material, brächte ich es in die richtigen Hände, erhebliche Vorteile verschaffen und ein Ende der derzeitigen Mißlichkeiten bedeuten. Sie, als mein alter Kamerad, wären selbstverständlich ebenfalls in das Ergebnis eingeschlossen. Dann hätten alle ausgesorgt. Sollte mir etwas zustoßen, öffnen Sie das beiliegende Päckchen bitte erst in Gegenwart meines Sohnes. Schließlich muß er sich mit meinen Hinterlassenschaften herumschlagen. Die Adresse und eine zugehörige Telefonnummer entnehmen Sie bitte der Rückseite des Papiers. Sehr wichtig dabei ist, daß mein Sohn die Unterlagen, zu denen ich ihm nun den Weg weisen werde, nach Auffindung oben bezeichneter Adresse schnellstens persönlich zukommen läßt! Unterrichten Sie ihn bitte unbedingt dahingehend. Es war übrigens wohl eine sehr, sehr saure Arbeit, den Verkabelungsplan zu zeichnen! - Den Satz verstehe ich zwar nicht“, warf Meurat ein, „aber was soll‘s. Mit Grüßen usw.“  

Der alte Anwalt hielt inne und starrte Wolf erwartungsvoll an. „Da geht es wohl um etwas, was ihm wohl sehr bedeutsam erschien. Da ich mit ihrem Vater gemeinsam die letzten Kriegsmonate erlebte, kann ich mir in etwa denken, worum es sich handelt. Und darum hat er sich auch nur über mich in dieser Sache artikuliert.“ Der Anwalt rückte das Goldgestell seiner Brille zurecht, mit der er, trotz seines Alters, noch etwas von einem Primaner an sich hatte.

„Ja, dann machen wir es doch einfach mal auf“, konnte Wolf nun endlich erwidern und deutete auf das unscheinbare Paket. Meurat versuchte nun mit einem mächtigen Brieföffner, die dicken versiegelten Schnüre zu zertrennen.

„Was auch Ihren Vater bewog, nochmals sich dieser Dinge zu erinnern ... Besser wäre es jedoch, man ließe den Teufelskram ruhen. Es ist heute eh‘ kein Zugang mehr möglich ...“

„Um was geht es denn hier nun eigentlich?“ entfuhr es Wolf, der aus den rätselhaften Worten Meurats noch immer nicht schlau wurde.

„Wir haben damals bestimmte Dinge zu verschließen gehabt, bevor sie dem Feind in die Hände fielen. Dabei, junger Freund, geht es nicht um irgendwelches Beutegold oder ähnliches. Die beteiligten Wissenschaftler und Techniker mußten an geheimsten Projekten arbeiten, für deren Durchführung und Absicherung nur ein sehr kleiner Kreis Personen zuständig war. Gold gab es da allenfalls für technische Zwecke. Das war aber auch da, und allein dieses Material dürfte schon erheblichen Wert haben für den, der es heute noch bergen kann. Aber hier ging es wie gesagt um völlig andere Dinge als irgendwelchen goldnen Klüngel, mit dem die verdammten Bonzen verschwunden sind oder den sie vielleicht heimlich in privaten Depots verscharrten.“

„Und was für Dinge waren das?“ Wolf wurde zunehmend neugierig. „Das hängt doch sicher mit diesen geheimen wissenschaftlichen Projekten zusammen, die Sie eben erwähnten.“ Während Meurat noch immer an der sehr festen Verpackung des geheimnisvollen Päckchens zerrte, antwortete er schnaufend: „Natürlich. Ich sagte es ja schon. Da gab es Sachen, wovon heute Wissenschaftler in aller Welt noch immer nur  träumen dürften. Genaueres haben wir aber auch nicht erfahren. Wir hatten nur in der Gegend, wo sich unterirdische Laboratorien, Fabrikationsanlagen und anderes befanden, mit deren Sicherheit zu tun. Die Dinge selbst haben auch wir nicht gesehen. Auch uns erreichten allenfalls Gerüchte. Ein Wort zum falschen Mann hätte damals sofort den Kopf gekostet.“

„Und wo war diese Gegend“? wollte Wolf nun wissen.

„Ja, da  liegt ja das Problem“, lachte der Anwalt äußerst unfröhlich auf. „Das ist heute tief im Osten, wenn ich überhaupt richtig vermute!“

Endlich zerriß der dicke Faden des Päckchens mit einem leichten Knall. Aus der Verpackung rutschten verschiedene Dinge auf die Schreibunterlage. Obenauf lag eine kleine Wachstuchmappe, die ein paar vergilbte Fotos enthielt. Ihr folgten eine Art Plan oder Karte und ein merkwürdiger metallischer Gegenstand, der am ehesten aussah wie ein Spezialschlüssel für einen Tresor oder ähnliches. Das Metallteil war noch immer blitzblank, schien aus derbem Edelstahl zu bestehen und hatte einiges Gewicht. Im ersten Moment standen die beiden Männer schweigend vor den kargen Hinterlassenschaften Edward Wolfs. Doch die Dinge verkörperten offensichtlich den Schlüssel zu einem schwerwiegenden Geheimnis, bei dem es sich keineswegs um Angaben zu einem alten Schatzhort oder derartige Dinge handelte. Hier war offensichtlich mehr im Spiel. Eine erste Durchsicht der nun vorliegenden Dokumente brachte jedoch kein eindeutiges Ergebnis. Die Handvoll Fotos zeigten Aufnahmen von Baustellengeländen, die sich inmitten von Bergen und Wäldern befanden. Es waren einesteils Außenaufnahmen. Weitere Bilder bildeten das Innere anscheinend mächtiger Stollen, Hallen und Tunnels ab. Merkwürdigerweise erschien auf keinem der Fotos auch nur eine Menschenseele. Der beiliegende alte Plan entpuppte sich auseinandergefaltet als fachmännisch, am Reißbrett angefertigte technische Zeichnung -  anscheinend akkurat eine Energieverteilung in einem vorerst noch unbekanntem System unterirdischer Bauten darstellend. Aber was der beiliegende Metallgegenstand wirklich darstellt, blieb vorerst ebenfalls ein völliges Rätsel. Vor den hohen, schmalen Fenster des Kanzleibüros zog peitschend der Herbstwind das fahle Laub von den Bäumen. Im Raum herrschte das diffuse Dämmerlicht der späten Nachmittagsstunde, und in den alten, braunen Wandpaneelen knackte es mitunter leise.

„Das ist mir alles seltsam“, sagte Wolf endlich die eingekehrte Stille. „Was gibt es denn hier zu holen? Diese Orte sind doch sicher von den Russen schon lange durchsucht und verschlossen, wenn die nicht gar alles in die Luft gejagt haben!“

„Da irren Sie aber gewaltig. Wenn Ihr werter Herr Vater dort etwas für Sie hinterließ, dann hatte das seinen triftigen Grund. Und wenn jemand etwas wirkungsvoll verschlossen und verborgen hat, junger Freund, dann waren nur wir das damals!“ erregte sich Meurat.

„Schon gut“, beeilte sich Wolf zu entgegnen, der die plötzliche Aufregung seines Gegenübers zu verstehen begann.

„Aber es muß also dort etwas Wertvolles verborgen sein, womit sich mein Vater hätte sanieren können ...“  

„Genau das ist wohl der Punkt“, bestätigte ihm der Anwalt. Seine Brille mit dem glänzenden Gestell heftig putzend wühlte er nochmals in dem kleinen Häufchen Unterlagen herum.

„Natürlich bin ich nicht völlig ahnungslos. Nur, in meinem Alter wären das etwas zuviel Anstrengungen und Abenteuer. Außerdem habe ich hier noch meine Aufgaben zu erfüllen.“ 

Meurat nahm mit diesen Worten die gefaltete Karte zur Hand und ließ sich damit tief in einen der schweren Sessel sinken. Die Sekretärin brachte den beiden Männern in den nächsten Minuten nochmals Kaffee, dann durfte sie Feierabend machen. Der Anwalt und sein Gast waren dann so allein und völlig ungestört. Nach ausgiebigem Studium des Planes, bei dem auch eine übergroße Lupe zum Einsatz kam, hellten sich Meurats Gesichtszüge wieder etwas auf.

„Es ist weit weg. Es ist im Eulengebirge, heute jedoch polnisches Gebiet“, sagte er endlich. „Das vermutete ich vorher schon, denn wir waren gemeinsam dort eingesetzt. Aber es wurden dort seit Mitte der dreißiger Jahre mehrere Untergrundanlagen zu verschiedenen Zwecken gebaut. Das Problem ist also, welche von ihnen das gesuchte Objekt birgt. Abgesehen davon, daß mir nicht völlig klar ist, worum es sich überhaupt handelt. Wäre es zum Beispiel nur eine Art Kiste oder ähnliches, dann nutzt nicht mal die Kenntnis, in welcher Anlage sie steckt“

„Wieso das?“ wollte Wolf wissen.

„Weil die einzelnen Untergrundsysteme derartige Ausdehnungen haben, über die Sie sich keine Vorstellungen machen können, junger Freund. Da geht es nicht um ein paar hundert Meter lange Grubenstrecken oder so. Unter dem Gebirge liegen komplexe, riesige Gangsysteme. Fahrstollen für kleine Elektrobahnen mit Haltepunkten, Montagehallen, Bunker, Fahrstuhlschächte, Nachrichtenzentralen, Befehls- und Überwachungsstände und so weiter. Wie aber soll man darin einen verborgenen Gegenstand finden. Ein zum Beispiel mir bekannter Tunnel war damals schon an die drei Kilometer lang!“

„Dann muß in diesem Material etwas einen ganz konkreten Hinweis geben, ansonsten wäre es ja sinnlos“, entgegnete der Besucher des Rechtsanwalts.

„Da liegen Sie wohl allerdings richtig“, gab sich Meurat nachdenklich.

Erneut begannen beide Männer die vorliegenden Dokumente genau zu untersuchen. Sie richteten das Licht der nun eingeschalteten Schreibtischlampe auf Plan und Fotos und versuchten noch etwas herauszufinden, was sie vielleicht anfangs übersehen haben mochten. Meurat, der etwas Probleme mit den Augen hatte, hielt die Karte eine Weile dichter unter den starken Lichtkegel der Lampe, gab sie dann aber zurück an Wolf.

„Ich kann nichts erkennen“, schimpfte er dabei mißmutig. „Das sind die Pläne der Elektroversorgungen in den Hauptsystemen, sonst nichts.“

Wolf nahm die auseinandergefaltete Karte erneut in die Hand. Plötzlich stutzte er. Was war das plötzlich für eine merkwürdige Verfärbung? Eben war diese noch nicht da. Bei genauerer Untersuchung mit dem großen Lupenglas  entpuppte sie sich nun als eine braune, gestrichelte Linie, die sich als ein dünner Strich durch das Gewirr der hier aufgezeichneten Gangsysteme schlängelte.

„Das ist ja toll. Ich habe den Plan vorhin mal dicht an die Lampe gehalten“, erklärte Meurat aufgeregt. „Da hat er sich wohl kurz erwärmt und die Markierung ist aufgetaucht. Eine ganz simple Methode. Einfacher Zitronensaft reicht da schon. Als Kinder haben wir so früher Geheimschrift fabriziert.“ Er schlug sich überraschend mit der flachen Hand an die hohe Stirn. „Natürlich, jetzt begreife ich. Der seltsame Hinweis auf die sehr saure Arbeit, den Plan zu zeichnen ... Damit wollte Ihr Vater sicher verschlüsselt auf die versteckte Botschaft in der Zeichnung hinweisen.“

„Und darin ist sicher noch mehr vermerkt“, ergänzte Wolf. Mit diesen Worten hielt er den ausgebreiteten Plan wieder vorsichtig nahe an die heiße Glühbirne der Schreibtischlampe. Und tatsächlich wurden langsam eine ganze Reihe von zuvor verborgenen Linien sichtbar.  Nachdem die ganze Karte so den warmen Lampenstrahlen ausgesetzt war und nichts mehr verborgen geblieben sein konnte, sichteten sie nochmals ihre Entdeckung.

Von Hand war eine gestrichelte Linie gezeichnet, die offensichtlich einen Weg wies, der, ausgehend von einem der Eingänge, die in die Tiefen eines gewaltigen Tunnellabyrinths führte. Am Ende der Linie, die dort mit einem kleinen Richtungspfeil endete, stellte die Zeichnung an dieser Stelle einen länglich erweiterten Tunnelabschnitt dar.

„Der Weg vom Eingang bis an diese Stelle ist eigentlich nicht sehr weit. Das gibt mir zu denken“, murmelte Meurat. „Das kann noch lange nicht der Punkt sein, der wirklich zu erreichen ist. Machen Sie sich an diesem Ort, zweifellos ist es einer der kleinen Haltepunkte, auf ein wenig Bahnfahrt gefaßt. Dort, wo Sie schließlich ankommen, muß dann des Rätsels Lösung liegen. Und zwar unübersehbar, sonst wäre hier sicher noch etwas vermerkt.“

„Meinen Sie ernsthaft, daß dort drinnen heute noch die Bahn fahrbereit ist? Und die soll zudem genau an diesem Ort bereitstehen“, fragte Wolf erstaunt. „Selbst wenn es sich nur um eine kleine, elektrisch betriebene Schmalspurbahn handelt. Auch die bräuchte immerhin Strom.“

„Dazu kann ich wenig sagen. Die Elektroversorgung und andere Einrichtungen können, müssen aber nicht mehr intakt sein. Es hat zwar nicht die angekündigten tausend Jahre gewährt, aber dementsprechend technisch-solide wurde damals gebaut und installiert.“ Meurat stand auf und trat an eines der drei Erkerfenster. Sachte rieb er sich die kalten Hände und schaute durch die regennassen Scheiben. Doch seine Augen sahen anscheinend ganz andere Dinge. Wolf beobachtete ihn von seinem Platz vorm Schreibtisch aufmerksam. ‚Meurat weiß mehr, als er im Moment zugibt‘, ging es ihm instinktiv durch den Kopf.

„Ich glaube fest, ihr Vater hat dort eine Botschaft hinterlassen. Genau an diesem Platz, wo auf dem Plan seine Linie endet“, ließ sich der Mann am Fenster plötzlich leise aber deutlich vernehmen. „Irgendwie werden Sie geführt werden. Machen Sie sich keine Gedanken. Doch ich glaube nicht ...“. Unvermittelt brach Meurat ab, als ob er sich bei unbedachten, gedankenverloren geäußerten Worten überrascht hätte.

„Alles kann ich Ihnen noch nicht sagen“, mit diesem Satz wandte er sich plötzlich schroff wieder vom Fenster ab. „Ich muß erst noch einige Erkundigungen einziehen. Ich wußte ja bis dato auch nicht, was in dem Päckchen war.“ Wolf wollte etwas einwerfen, doch Meurat machte eine entschiedene Geste. „Sie bekommen von mir die entsprechenden Papiere, die Ihnen ungehinderte Grenzpassagen ermöglichen. Und in Polen werden Sie dann noch einige Informationen von mir erreichen. Ich muß mich erst noch mit einigen Leuten in Verbindung setzen. Schließlich geht es bei diesem Unternehmen auch um ihre Sicherheit. Wenn Sie überhaupt den nicht ganz ungefährlichen Spuren Ihres Vaters folgen wollen, was ich jedoch sehr stark annehme.“ Meurat nahm die Nickelbrille ab und schaute Wolf bei diesen Worten aufmerksam an. Der nickte nur. „Machen wir doch nun eine Auflistung aller relevanten Dinge, Herr Meurat. Schließlich erfordert dies alles einige Planung. Und gleich morgen werde ich wohl noch nicht abreisen.“

Noch über eine Stunde saßen die beiden Männer in der Anwaltskanzlei zusammen. Als der Abend immer mehr über der Stadt hereindämmerte, machte sich Wolf wieder auf den Weg. Im Gepäck trug er die Dinge, die ihm Meurat übergeben hatte. Für ihn stand fest, daß er den Spuren nachgehen mußte. Irgend etwas Bedeutsames verbarg sich in dem fernen Gebirge, sonst hätte sein Vater nicht die Angelegenheit mit derart deutlichen Anweisungen hinterlassen. Eilig überquerte er die laubnasse, stille Straße, in der die alte Villa mit Meurats Kanzlei lag und ging zum Parkplatz bei den gegenüber liegenden herbstlichen Parkanlagen. Die Lichter einiger Laternen flammten gerade auf, als er die Wagentür öffnete. Weit weg, am Horizont hinter den dunklen Kronen der alten Parkbäume, zuckte ein diffuses Wetterleuchten im schwarzgrauen Himmel, als er sich in den spärlichen Abendverkehr einordnete und in Richtung Stadtring davonfuhr.

... draußen vor der Stadt

Sabine lebte weiter draußen vor der Stadt. Ihr Haus stand an dunklen Waldrändern eines flachen Hügelzuges. In der Nähe lagen noch einige weitere Grundstücke verstreut, ansonsten war die Gegend noch recht ländlich-einsam. Felder, Wiesen und hin und wieder einige Waldstreifen prägten hier die Landschaft im schon fernen Weichbild Frankfurts. Wolf steuerte den Wagen vorsichtig über die hier zunehmend unebenen Wege. Kieslöcher und Wasserpfützen breiteten sich aus. Endlich hatte er sein Ziel erreicht und stellte das betagte Fahrzeug an Sabines Gartenzaun ab. Er brauchte nicht zu läuten, die Tür tat sich schnell auf und die Bewohnerin des Anwesens lies ihn eintreten. Im kleinen, dunklen Flur hing sie sich schon an ihn. „Endlich, endlich bist du wieder da,“ hauchte sie ihm ins Ohr. „Du sollst doch nicht so lange in der Stadt bleiben, wenn ich hier auf Dich warte.“ Im geräumigen, gemütlich eingerichteten Wohnraum, in dem es sogar einen kleinen Kamin aus Feldsteinen gab, saßen sie sich dann gegenüber. Der Tee stand schon auf dem Tisch, und das Abendbrot war in der Küche des Landhauses vorbereitet. Wolf fühlte sich bei Sabine wohl, die ihn jetzt intensiv mit ihren grünlichen Augen ansah und augenscheinlich versuchte, seine Gedanken zu lesen. Sabine war keine von den unerträglichen dünnen Modepüppchen, deren Fotos jetzt wieder die Zeitschriften füllten, die ihren Leserinnen einen so völlig fremden wie unwirklichen  Lebensstil vorgaukelten und dies alles zum allgegenwärtigen Trend erhoben. Wie sie vor ihm auf dem Sofa  saß, die Beine keck übereinandergeschlagen, zeigte sie ihm in dem anliegenden grauen Pulli und der hellen Hose deutlich wieder ihre für ihn so begehrenswerte Figur. Sie lächelte, als sie seine leuchtenden Augen bemerkte. „Du mußt erst essen, und ich auch, du Wilder...“  Sie stand auf, ging in die Wohnküche nebenan und holte eine große, kalte Platte. „Greif zu, ich brauche doch keinen ausgehungerten, sondern einen kräftigen Mann“, sagte sie leise mit einem listigen Lächeln auf den Lippen. Setzte jedoch gleich sachlich hinzu: „Aber mal Spaß beiseite, hast Du Dich nun entschlossen? Willst du die Firma Deines Vaters weiterführen oder geht da wirklich nichts mehr? Und was ist denn nun eigentlich bei dem komischen Anwaltstermin rausgekommen?“

„Das sind viele Fragen auf einmal, meine Liebe“, seufzte Wolf. „Mit der pharmazeutischen Firma meines Vaters ist im Moment nicht viel Staat zu machen. Die Leute sind lange schon entlassen, und der Betrieb ruht. Wir müssen erst mal ein paar Geschäftsverbindungen aktivieren. Unser Prokurist Keller ist gerade dabei. Morgen werde ich von ihm den Stand der Dinge erfahren. Wir können eh‘ nicht gleich ein riesiges Unternehmen aufziehen. Ich schätze, wir werden uns zum Anfang an ein paar Naturheilprodukte halten. Ein paar Sälbchen, Tropfen und noch dies und jenes. Aber auch das braucht Abnehmer und Werbung. Es kostet eben alles zuerst mal Geld. Den Start des Betriebes brächten wir auch noch auf die Beine, hat zumindest Keller gesagt. Aber was so ein alter Prokurist ist, der hätte eben gerne noch einen gewissen Rückenhalt bei der Sache.“

„Ich seh‘ schon, ich werde Dich eines Tages doch noch in meiner kleinen Landwirtschaft aufnehmen müssen. Da weißt du in diesen Zeiten wenigstens, daß du nicht verhungern mußt“, lachte sie ihn an. „Aber erzähl‘ weiter.“

„Nun, bei Meurat war es interessant. Stell Dir vor, hat doch mein alter Herr eine Art Hinterlassenschaft für mich bei ihm deponiert.“

„Eine Hinterlassenschaft, was war das denn?“ staunte Sabine. „Ein Päckchen“, beeilte sich Wolf zu erklären. „Darin sind verschiedene merkwürdige Sachen. Karten, Gegenstände, alte Fotos und so. Alles stammt noch aus den letzten Kriegsjahren. Er muß da in einer Art geheimer Untergrundfabrik auf heute polnischem Gebiet eingesetzt gewesen sein, wo er zudem noch irgendetwas Wertvolles versteckt hat. Und genau das soll und will ich jetzt holen. Die Beschreibungen und Anweisungen in dem Päckchen sind deutlich. Und Meurat wußte auch irgendwie darüber vorher schon Bescheid. Wenn ich Vaters Hinterlassenschaft fände und bergen könnte, dann wären wir saniert, so zumindest die Botschaft. Es hängt jedenfalls auch eng mit dem Orden zusammen. Ich denke, es sind vor allem auch einige wichtige Sachen aus den Archiven, die damals verborgen wurden. Wenn ich das Material berge, es dann auf die Burg schaffe, stehen uns möglicherweise alle Wege offen.“