Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
"Magische Zeichen" ist Band 1 der Serie "Das Erbe von Grüenlant". Band 2 "Dunkle Wege" und Band 3 "Schwrazes Land" liegen ebenso bei mainbook vor. Die Serie "Das Erbe von Grüenlant": Die junge Polizistin Natalie Berger arbeitet beim BKA. Mit ihren außergewöhnlichen Fähigkeiten, Menschen zum Reden zu bringen, und ihrer unglaublichen Treffsicherheit beim Schießen beeindruckt sie ihre Kollegen. Als ihr bei einem Verhör der geheimnisvolle Fremde Keiran Lasalle gegenübersitzt, weiß sie sofort, dass dieser ihr Leben für immer verändern wird. Von ihrem verschollen geglaubten Vater Gerbin beauftragt, nimmt Lasalle sie mit auf eine Reise in die magische Parallelwelt Grüenlant. Diese wird bedroht von der dunkeln Magierin Magna aus Vârungen ... Band 1 "Magische Zeichen": Als der geheimnisvolle Keiran Lasalle während eines Verhörs beim BKA Natalie Berger offenbart, etwas über ihren verschollen geglaubten Vater zu wissen, macht sie sich zusammen mit ihm auf die gefährliche Reise durch ein magisches Tor in das Königreich Grüenlant. Dort trifft sie auf ihren Vater Gerbin, einen mächtigen Magier. Sie lernt das blühende Land kennen und lieben. Vater Gerbin berichtet ihr jedoch von einer Prophezeiung, nach der sie das Land von der Bedrohung durch die Hexe Magna aus dem benachbarten Vârungen befreien solle. Mit Keirans und Gerbins Hilfe trainiert sie daraufhin ihre magischen Fähigkeiten. Band 1 - Magische Zeichen": Natalie Berger arbeitet als Verhörspezialistin beim BKA. Als ihr der geheimnisvolle Keiran Lasalle bei einer Vernehmung offenbart, etwas über ihren verschollen geglaubten Vater zu wissen, macht sie sich zusammen mit ihm auf die gefährliche Reise durch ein magisches Tor in das Königreich Grüenlant. Dort trifft sie auf ihren Vater Gerbin, einen mächtigen Magier. Sie lernt das blühende Land kennen und lieben und trainiert mit Keirans und Gerbins Hilfe ihre magischen Fähigkeiten.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 159
Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Christina Kunz
Band 1:
Magische Zeichen
Fantasy-Serie
Die junge Polizistin Natalie Berger arbeitet beim BKA. Mit ihren außergewöhnlichen Fähigkeiten, Menschen zum Reden zu bringen, und ihrer unglaublichen Treffsicherheit beim Schießen beeindruckt sie ihre Kollegen. Als ihr bei einem Verhör der geheimnisvolle Fremde Keiran Lasalle gegenübersitzt, weiß sie sofort, dass dieser ihr Leben für immer verändern wird.
Von ihrem verschollen geglaubten Vater Gerbin beauftragt, nimmt Lasalle sie mit auf eine Reise in die magische Parallelwelt Grüenlant. Diese wird bedroht von der dunkeln Magierin Magna aus Vârungen …
Als der geheimnisvolle Keiran Lasalle während eines Verhörs beim BKA Natalie Berger offenbart, etwas über ihren verschollen geglaubten Vater zu wissen, macht sie sich zusammen mit ihm auf die gefährliche Reise durch ein magisches Tor in das Königreich Grüenlant.
Dort trifft sie auf ihren Vater Gerbin, einen mächtigen Magier. Sie lernt das blühende Land kennen und lieben. Vater Gerbin berichtet ihr jedoch von einer Prophezeiung, nach der sie das Land von der Bedrohung durch die Hexe Magna aus dem benachbarten Vârungen befreien solle.
Mit Keirans und Gerbins Hilfe trainiert sie daraufhin ihre magischen Fähigkeiten.
Die Autorin
Christina Kunz wurde 1972 in Hanau geboren. Sie hat Germanistik und Mathematik auf Lehramt in Frankfurt studiert und arbeitet in Seligenstadt, wo sie mit ihren Söhnen auch lebt, und ist Mitglied in der Autorenvereinigung „Scriptorium Seligenstadt“. Neben dem Schreiben gilt ihre große Leidenschaft der Musik, unter anderem spielt sie Querflöte im Orchester.
Copyright © 2018 mainbook Verlag, mainebook Gerd Fischer
Alle Rechte vorbehalten
eISBN 978-3-947612-12-3
Lektorat: Gerd Fischer
Covergestaltung: Olaf Tischer
Bildrechte: © adobe/andreiuc88
Besuchen Sie uns im Internet: www.mainbook.de oder www.mainebook.de
Prolog
Der Fremde
Den Dingen auf den Grund gehen
Der Vater
Beweise
In der Ruhe liegt die Kraft
Der Plan
Der blinde Fleck
Das Tor
Die Hölle
Ein hoffnungsloser Fall
Die Prophezeiung
Ein Team
Mulinberc
Fragen über Fragen
Der Bergfried
Übung macht den Meister
Zur flirrenden Forelle
Die Probleme eines Magiers
Ein Picknick im Wald
Eine richtige Dame
Sitten
Neue Bekanntschaften
Eine Nachricht, die alles verändert
Das Versprechen
Die Stunde der Lerche
Danksagung
Emma schaute aus dem Fenster ihrer kleinen Wohnung in den anhaltenden Regen und seufzte. In breiten Sturzbächen floss das Wasser vom Dach des Nachbarhauses, die Dachrinnen waren nicht mehr in der Lage, die Wassermassen aufzufangen, sodass sich unten am Haus bereits große Pfützen gebildet hatten. Kein Mensch war auf der Straße zu sehen.
Sie würde sich vom Wetter die gute Laune nicht verderben lassen, denn sie freute sich sehr über den Besuch ihrer Tochter.
Summend begab sie sich in die winzige Küche und goss Wasser in die Kaffeemaschine. Der Kuchen stand noch auf der Anrichte, frischer Streuselkuchen, Natalies Lieblingssorte. Die Streusel waren ihr dieses Mal besonders gut gelungen. Sie füllte Kaffeepulver in den Filter und drückte auf den Startknopf. Dann griff sie nach dem Puderzucker und nahm ein kleines Sieb aus der Schublade. Eine dicke Puderzuckerschicht, und der Kuchen war perfekt!
Lange hatte sie Natalie nicht gesehen, sie war bei einem Auslandseinsatz gewesen und viel unterwegs. Dennoch standen die beiden in einem engen und, man könnte fast sagen, freundschaftlichen Verhältnis. Es hatte immer nur sie beide gegeben. Natalies Vater war bereits vor ihrer Geburt verschwunden, dahin zurück, wo er hergekommen war und wohin Emma ihm nicht folgen konnte.
Verträumt sah Emma zum Fenster und betrachtete die immer neuen Muster, die die Regentropfen auf der Scheibe formten. Sie hegte keinen Groll gegen ihren einstigen Geliebten, nein, sie liebte ihn immer noch. Es hatte damals keine andere Möglichkeit gegeben. Ihrer Tochter hatte sie nichts davon erzählt, auch wenn sie zuweilen darunter litt. Aber was hätte sie ihr auch sagen sollen?
Emma hatte den Kuchen fertig bestäubt, legte das Sieb auf die Spüle und trug den Kuchen ins Wohnzimmer auf den bereits gedeckten Tisch. Gleich würden sie sich wiedersehen …
Ihr Blick fiel auf das Regal, auf dem sie einige Fotos ihrer Tochter drapiert hatte. Es war nicht zu übersehen, dass Natalie ihre Tochter war. Die blonden Haare und tiefblauen Augen hatte sie von ihr, auch die Gesichtszüge waren sich sehr ähnlich. Den entschlossenen Zug um den Mund hatte sie allerdings von ihrem Vater geerbt. Emma fragte sich nicht zum ersten Mal, was er ihr sonst noch mitgegeben haben mochte. Ihre Tochter hatte einige erstaunliche Fähigkeiten, die sie beruflich dahin gebracht hatten, wo sie jetzt war – zur GSG9. Das konnte sie unmöglich von ihr haben, sie war weder besonders sportlich noch besonders mutig und mit Waffen hatte sie schon gar nichts am Hut. Sie war Krankenschwester mit Leib und Seele, hatte sich dem Heilen und nicht dem Töten verschrieben. Manchmal verstand sie ihre Tochter nicht, aber Natalie schien glücklich mit dem, was sie tat, und das war Emma wichtiger als alles andere.
Ihr Blick ging zur Uhr. In zehn Minuten wollte Natalie hier sein. Emma richtete noch einmal die Blumen auf dem Tisch, Narzissen, deren leuchtendes Gelb einen deutlichen Gegensatz zu dem grauen Wetter draußen bildeten, und ging in die Küche, um nach dem Kaffee zu sehen.
Die Türglocke läutete.
Verwundert hielt Emma in ihrer Bewegung inne. Natalie war noch nie zu früh gewesen! Nun ja, vielleicht war es ja heute das erste Mal, vielleicht war sie wegen des Wetters einfach früher losgefahren. Schnell legte sie ihre Schürze ab und machte sich lächelnd auf den Weg in den Flur.
Schwungvoll öffnete sie die Tür und erschrak.
Es war nicht Natalie.
Ihr letzter Gedanke, bevor die Dunkelheit sie umfing, galt ihrer Tochter.
I see trees of green, red roses tooI see them bloom for me and youand I think to myself what a wonderful world.I see skies of blue and clouds of whitethe bright blessed day, the dark sacred nightand I think to myself what a wonderful world.
Louis Armstrong, What a Wonderful World
Es war spät und ich war unendlich müde. Teamtraining mit Tobi war ausgesprochen anstrengend. Nach einem ausgedehnten Waldlauf hatten wir uns noch in Schießübungen gemessen; wie immer hatte ich mein Ziel nie verfehlt, während Tobi ein paar Fehlschüsse zu verzeichnen hatte. Dafür war er schneller gelaufen. Aber nur ein bisschen …
Ich hatte gerade geduscht und wollte mir zu Hause meinen wohlverdienten Schlaf gönnen, als Fischer kam. Der war eigentlich immer im Einsatz, und sein beiläufiger Blick auf meine gepackte Tasche zeigte mir schon, dass ich den Schlaf erst einmal vergessen konnte. Wie immer kam er gleich zur Sache.
„Wir haben einen aufgegriffen, draußen im Wald. Seltsame Sache. Er muss da schon eine Weile herumrennen, doch dann ist er uns direkt in die Arme gelaufen, wie als hätte er's geplant.“
„Wo kommt der denn jetzt her?“ Seufzend stellte ich meine Tasche wieder ab, mir war sofort klar, was mein Chef von mir wollte.
„Keine Ahnung, wie aus dem Nichts. Terrorismus nicht auszuschließen, so bewaffnet, wie der war. Er rückt aber mit nichts raus. Bis jetzt ist die Überprüfung der Personalien auch erfolglos geblieben – ihn scheint es einfach nicht zu geben! Jetzt hoffe ich auf dich, du kriegst ja alles raus!“
Damit hatte er recht. Früher oder später brachte ich jeden zum Reden, weshalb ich nach mehreren Auslandseinsätzen mit der GSG9 als Präzisionsschützin nun auch als Verhörspezialistin beim BKA gelandet war. Dabei war das gar nicht so schwer und ich wendete auch keine großen Tricks an. Trotzdem – immer, wenn keiner weiterkam, holten sie mich und ich hatte Erfolg. „Mentale Hexenkünste“, nannte Fischer das.
„Der ist ziemlich strange. Er hatte Pfeil und Bogen und ein Schwert dabei, stell dir das mal vor!“
Nun ja, ich hatte schon viel erlebt, aber das? Irgendwie machte mich das neugierig.
„Vielleicht hält er sich ja für Legolas … Mal sehen. Ich versuch's.“
„Ruf mich, wenn du soweit bist. Ich bin nebenan.“
Irgendwie hoffte ich trotzdem noch, die Sache wäre in fünf Minuten erledigt und ich könnte endlich ins Bett gehen. Damit sollte ich aber gründlich falsch liegen.
Wie immer schaute ich durch das Fenster in den Verhörraum, um mir einen ersten Eindruck zu verschaffen. Manchmal entschied ich mich dazu, die Leute noch ein Weilchen sitzen zu lassen. Ich sah, wann sie bereit waren, und dann ging ich rein. Dann reden sie meistens wie ein Wasserfall und ich musste gar nicht mehr viel machen.
Hier aber war das anders.
Als ich ihn sah, war mir sofort klar, dass ich hier nicht so einfach weiterkommen würde. Was war das?
Wo waren mein Gefühl, meine innere Stimme? Warum funktionierte das hier nicht?
Er saß auf dem Stuhl, die Arme verschränkt, die Beine ausgestreckt, und starrte vor sich hin. Dennoch wirkte er keinesfalls angespannt oder resigniert, im Gegenteil, er schien ganz gelassen zu sein. Und diese Augen – stahlblau, ein scharfer Raubvogelblick.
Ich riss mich zusammen, versuchte, meinen fachmännischen Blick aufzusetzen, ihn zu durchschauen … Wie lange sollte ich ihn noch warten lassen?
Nichts. Nicht die leiseste Spur einer Ahnung. Was lief hier schief?
„Hi! Auch so müde?“
Tobi. Irgendwie war ich froh, dass er auftauchte.
„Yep. Ich könnte auf der Stelle einschlafen.“
„Wen haben wir denn da?“
„Keine Ahnung. Komischer Typ.“
„Sieht doch ganz normal aus. Naja, die Klamotten sind ein bisschen seltsam, aber sonst?“
Tobi hatte recht. Die Kleidung sah ein bisschen – mittelalterlich aus. Er trug tatsächlich Stiefel und dunkelgrüne Hosen, darüber eine dunkle Lederjacke mit etlichen Taschen. Wie Legolas, tatsächlich. Der Held meiner Jugend. Jetzt fing ich echt an zu spinnen.
Sonst hatte er aber wenig Ähnlichkeit mit dem hellblonden Elb. Er mochte etwa in meinem Alter sein, wirkte durchtrainiert und muskulös. Seine Haare waren dunkelblond und kurz, sein Gesicht kantig und sein schmaler Mund wurde von einem Bartansatz umrahmt. Ich konnte ihn mir im Gegensatz zu Legolas gut in Jeans und Turnschuhen vorstellen.
Ich schüttelte den Kopf ob dieser albernen Gedanken und rief mich zur Vernunft. Ich war wohl einfach übermüdet.
Tobi musste meine Gedanken gelesen haben. „Willst du noch einen Kaffee, bevor du reingehst?“
„Kaffee? Ja, Kaffee wäre prima!“
Er verschwand, um das Gewünschte zu organisieren.
Was war nur los mit mir? Nein, das konnte man nicht nur auf die Müdigkeit schieben. Ich war auch früher schon müde und trotzdem voll leistungsfähig gewesen. Diesmal war das anders. Wo waren meine „Hexenkünste“ geblieben?
Es nutzte ja nichts, früher oder später musste ich da rein und wenn meine Intuition versagte, hatte ich ja auch immer noch eine Ausbildung genossen und konnte auf die Theorie zurückgreifen. Die Methodik des Verhörs konnte ich im Schlaf aufsagen, dann musste ich die jetzt eben bewusst anwenden.
Während ich auf Tobi mit dem Kaffee wartete, überlegte ich fieberhaft, wie ich vorgehen könnte. Mir fiel einfach nichts ein. Noch immer wirkte der Mann gelassen und trotz des scharfen Blicks nicht abweisend. Es schien fast so, als würde er sich auf das Gespräch freuen.
Das war doch absurd!
Ich schüttelte den Kopf und sah auf die Uhr. Zehn Uhr durch … Kein Wunder fing ich an zu träumen … Und doch … Ich riss mich zusammen. Nochmal von vorn …
Da saß er immer noch. Und nichts hatte sich verändert.
„Was ist los?“
Tobi drückte mir einen Becher Kaffee in die Hand.
„Nichts. Nur müde.“
Ich nippte an meinem Kaffee. Wie sollte ich ihm das auch beschreiben?
„Hilft es dir, wenn ich dableibe?“
„Ja. – Danke!“
„Wofür?“
„Ich habe das Gefühl, ich brauche dich heute.“
„Warum das?“
„Weiß nicht … naja. Ich geh mal. Ruf Fischer.“
Ich drückte Tobi den leeren Kaffeebecher in die Hand und machte mich auf den Weg zum Verhörraum.
Als ich durch die Tür trat, sprang er auf und starrte mich an. Ich hielt dem Raubvogelblick stand und sah ihm in die Augen.
Wow! Fast verschlug es mir die Sprache. Ich musste mich zwingen, mich zu konzentrieren. Das lag wohl nicht nur an der Müdigkeit. Noch nie hatte ich solche Augen gesehen! Dieses intensive Blau … sie schauten mich an und durch mich hindurch, nein, falsch, in mich hinein! Und es war mir nicht einmal unangenehm …
„Natalie Berger. Guten Abend.“ Mit einem Kopfnicken bedeutete ich ihm, sich wieder zu setzen. Ich selbst setzte mich ihm gegenüber.
„Keiran. Keiran Lasalle.“
Ich weiß, wer Sie sind. Und ich bin gekommen, um Sie zu warnen.
„Mich warnen?!?“
Was redete ich da? Er hatte doch gar nicht laut gesprochen! Warum hatte ich dann seine Stimme so deutlich gehört? Unbewusst beugte ich mich nach vorne und stützte die Ellenbogen auf die Knie.
Warum kam ich bei ihm nicht durch, sagte er mir nicht wie alle anderen, was ich hören wollte, ohne dass ich es aussprechen musste? Neugierig musterte ich ihn. Er sah ja schon gut aus … nein. Ich riss mich zusammen.
„Was tun Sie hier?“
Er sah mich nur an.
Sie sind in Gefahr.
Warum?
Sehen Sie, Sie können das auch!
Was geschah hier? Ich redete mit ihm – in Gedanken?!?
„Ich frage Sie noch einmal – was tun Sie hier? Sie rennen kostümiert durch den Wald – Fastnacht ist lange vorbei!“
Meine Güte, das war doch jenseits jeden Lehrbuchs! Verwirrt strich ich mir eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr.
Was ist „Fastnacht“?
Was tun Sie hier mit mir?
„Wo kommen Sie überhaupt her?“
Ich möchte unter vier Augen mit Ihnen reden. Ohne Zuschauer. Können Sie das einrichten?
„Können Sie überhaupt mehr als Ihren Namen sagen?“
In Gedanken antwortete ich ihm auf seine Frage:
Ich weiß nicht, ob ich das will.
Ich sah ihm nochmals tief in die Augen. Dabei wollte ich, dass das aufhörte. Das war unheimlich, irreal. Das konnte nicht sein! Ich wehrte mich innerlich. Und es hörte auf.
Er sah mich verwirrt an.
Ich ergriff die Flucht.
Als sie den Raum betrat, wusste Keiran sofort, dass er sie gefunden hatte. Gerbin hatte sie ihm perfekt beschrieben. Sie war groß und schlank, dabei durchtrainiert, ihre langen blonden Haare hatte sie nachlässig im Nacken zusammengebunden. Neugierig musterte sie ihn mit ihren himmelblauen Augen. Keiran war sofort fasziniert von ihr, was nicht nur an ihrem Aussehen, sondern auch an ihrem selbstsicheren Auftreten lag.
Er spürte ihr Bemühen, ihn zum Reden zu bringen, und hielt seinen Schutzwall aufrecht. Das verwirrte sie und machte sie wütend.
Keiran konnte das nachvollziehen. Sie wusste ja nichts von ihren Fähigkeiten und setzte diese nur unbewusst ein. Bisher war sie wohl immer erfolgreich gewesen, denn niemand hier hätte ihr etwas entgegensetzen können.
Er entschloss sich, direkt mit ihr in Kontakt zu treten.
Es war leichter, als er gedacht hatte.
Aber sie war stark. Es fiel ihm schwer, ihr nicht die Möglichkeit zu geben, mehr von ihm zu erfahren, als er von sich preisgeben wollte. Je näher sie ihm kam, je länger sie ihm in die Augen schaute, desto schwieriger wurde es.
Gleichzeitig spürte er, dass sie auch einen Schutzwall aufbaute. Und dann hatte er sie ganz verloren.
Wie konnte das sein?
Sie hatte keinerlei Ausbildung genossen, und das war eine der schwierigen Übungen. Konnte Gerbins Erbe so stark sein?
Er hoffte, sie würde auf seinen Wunsch, sie unter vier Augen zu treffen, eingehen. Sie musste doch neugierig sein! Wie konnte er sich nur so dumm angestellt haben? Wie hatte sie es bloß geschafft, ihn so durcheinander zu bringen?
Tobias Werner beobachtete das seltsame Verhör durch die Scheibe. Wie immer war er für Natalie da, wenn sie ihn brauchte. Und wie immer hatte sie nicht bemerkt, wie viel sie ihm bedeutete. Und jetzt saß da dieser Blödmann im Verhörraum und verwirrte sie komplett. Und was tat sie? Warf ihm Blicke zu, die er sich seit Jahren von ihr gewünscht hatte …
Dabei gab es diesen Menschen noch nicht einmal. Es war tatsächlich seltsam – weder die Fingerabdrücke noch das Gesichtserkennungssystem hatten bisher einen Treffer ergeben. Der Name tauchte nirgends auf, aber der konnte schließlich falsch sein – so hieß sowieso kein Mensch – der Typ hatte ja keine Ausweispapiere dabei. Noch versuchten sie herauszufinden, wer das sein könnte. Normalerweise hatte Natalie immer Erfolg, aber der schien heute auszubleiben.
Vielleicht war sie einfach zu müde … Schließlich hatten sie heute den ganzen Tag trainiert. Gerne wäre Tobias heute Abend noch mit ihr etwas trinken gegangen, aber Fischer hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht – wegen dieses blöden Typen.
Tobias fragte sich selbst, warum er so aggressiv auf ihn reagierte. Aber wie die beiden sich ansahen …
Der würde noch Ärger machen – und das spürte Tobias in mehr als einer Hinsicht.
Als Natalie aus dem Verhörraum kam, war sie völlig durcheinander. Ihren Chef hatte sie mit einem knappen „Lass uns morgen darüber reden!“ einfach stehenlassen. Tobias versuchte auf sie einzuwirken, aber sie wies ihn nur ab.
„Tobi, es tut mir leid, lass mich einfach in Ruhe.“
„Aber …“ Er war extra dageblieben, vorhin war sie ihm noch dankbar dafür gewesen, und jetzt sollte er sie in Ruhe lassen?
„Sorry, ich bin einfach … es ist nur … ach nichts.“
„Ich habe auf dich gewartet.“
„Was?!? Ach ja … Tut mir leid. Geh ruhig. Du musst nicht mehr warten.“
„Kommst du mit? Soll ich dich heimbringen?“ Warum fragte er überhaupt, sie hörte ihm doch nicht zu. Wahrscheinlich war sie in Gedanken bei diesem Typen …
„Wie? Nein, lass mal. Ich brauch noch einen Moment.“
„Wie du meinst.“
Unverrichteter Dinge und ziemlich verärgert trat Tobias den Heimweg an.
Oliver Fischer strich sich verwirrt durch sein schwarzes Haar. Das hatte er in seinen zwanzig Jahren als Vorgesetzter noch nie erlebt! Er betrachtete sich im Spiegel der Herrentoilette. Er war es gewohnt, dass seine Untergebenen ihm gehorchten, sein kantiges Gesicht und der entschlossene Ausdruck um die Mundwinkel taten ein Übriges dazu, dass niemand ihm widersprach.
Ausgerechnet Natalie … Er gab es ungern zu, aber er hatte sie besonders ins Herz geschlossen. Sie hätte seine Tochter sein können. Hätte. Dafür hatte er sich nie die Zeit genommen. Keine Frau hielt es lange bei ihm aus, sein Beruf ging ihm über alles. Nacht- und Sonderschichten und häufig Probleme, die er mit nach Hause brachte, waren Beziehungskiller. Jetzt bereute er das manchmal, aber er fühlte sich zu alt für einen Neuanfang. Wie sollte es hier auch ohne ihn laufen?
So wie ihm die Tochter, so fehlte Natalie der Vater. Ihre Mutter hatte sie liebevoll erzogen, doch ein bisschen väterliche Autorität und Fürsorge schadeten sicher nicht und er hatte das Gefühl, das war genau das, was sie an ihm schätzte. So war ihr Verhältnis geprägt von gegenseitigem Respekt und Anerkennung, aber auch von etwas mehr, was Fischer nicht genau definieren konnte. Ihr Umgang war immer offen gewesen, sie widersprach ihm auch gelegentlich, und ab und zu hatte sie auch recht damit.
Umso mehr verletzte es ihn, dass sie ihn einfach stehen gelassen hatte.
In seiner Arrestzelle überlegte sich Keiran, wie er Natalie die Wahrheit am besten beibringen könnte. Sie würde ihm kein Wort glauben!
Wenn sie überhaupt käme …
Warum hatte Gerbin ausgerechnet ihn, Keiran Lasalle, auf diese schwierige Mission geschickt? Und warum war er gegangen?
Keiran war Krieger, Soldat mit Leib und Seele. Sein Spezialgebiet war das Bogenschießen, Präzision war seine Stärke. Diese erstreckte sich aber nicht nur auf den Gebrauch der Waffen, sondern auch auf seinen Verstand. Der war genauso scharf wie sein Raubvogelblick. Im Reden jedoch war er gar nicht gut.