Das erste Trauerjahr - das Praxisbuch - Eva Terhorst - E-Book

Das erste Trauerjahr - das Praxisbuch E-Book

Eva Terhorst

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Beschreibung

Wenn wir einen geliebten Menschen verlieren, kommt unsere Welt zum Stillstand. Die Veränderungen, die auf uns einstürmen, machen uns Angst, lähmen uns oder vermitteln uns das Gefühl von Kontrollverlust. Es geht deshalb in dieser Zeit der Trauer für Hinterbliebene auch immer darum, die Gestaltungskraft für das eigene Leben zurückzuerobern. Dieses Buch bietet als Ergänzung zu "Das erste Trauerjahr" praktische Hilfen für den Alltag nach einem Verlust: Impulse, Übungen, Affirmationen, Traumreisen, Selbstreflexionen und Anregungen zum kreativen Tun. Es unterstützt Trauernde darin, das schwierige erste Jahr zu bewältigen und in die heilsame Trauerarbeit zu finden.

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Seitenzahl: 145

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Eva Terhorst

Das erste Trauerjahr – das Praxisbuch

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2019

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Designbüro Gestaltungssaal

Umschlagmotiv: © borchee/iStock/GettyImages

E-Book Konvertierung: le-tex publishing services, Leipzig

ISBN E-Book 978-3-451-81695-6

ISBN Print 978-3-451-60085-2

Inhalt

Einleitung

Kapitel 1:

Impuls

Ein Zeichen der Anerkennung

Einführung: Was verändert sich durch den Verlust unseres geliebten Menschen?

Selbstreflexion: Was hat sich bei mir verändert? Was fehlt mir?

Aufgabe: Überprüfen Sie Ihre Glaubenssätze

Tipps für Ihre nächsten Schritte

Vertiefung: Sie schaffen sich eine gute Grundlage

Affirmation

Traumreise »Der unaufhörliche Wandel der Dinge«

Erinnerung: Ihr Zeichen der Anerkennung

Kapitel 2:

Impuls

Ein Zeichen der Anerkennung

Einführung: Freiräume für die Selbstheilung

Selbstreflexion: Was tat mir früher gut? Was tut mir derzeit gut?

Aufgabe: Führen Sie sich Ihre Selbstfürsorge vor Augen

Tipp: Machen Sie es sich so leicht wie möglich – jetzt

Vertiefung: Die persönliche Haltung zu Freiräumen

Affirmation

Traumreise »Freiräume für deine Selbstheilung«

Erinnerung: Ihr Zeichen der Anerkennung

Kapitel 3:

Impuls

Ein Zeichen der Anerkennung

Einführung: »Ja« zum Schmerz sagen – Wie wir dem Leid begegnen können

Selbstreflexion: Wo stehe ich? Wo möchte ich jetzt hin?

Aufgabe: Überprüfung der »Neins«

Tipp: Mit der Welle gehen

Vertiefung: Resilienz

Affirmation

Traumreise »Die Energie der Lotosblume«

Erinnerung: Ihr Zeichen der Anerkennung

Kapitel 4:

Impuls

Ein Zeichen der Anerkennung

Einführung: Sehnsucht und Einsamkeit

Selbstreflexion: Wer ist wirklich für mich da?

Aufgabe: Bauen Sie eine Brücke

Tipp: Unterscheiden Sie zwischen verletzt und beleidigt

Vertiefung: Sich der Sehnsucht zuwenden

Affirmation

Traumreise »Wenn die Sehnsucht zu groß wird«

Erinnerung: Ihr Zeichen der Anerkennung

Kapitel 5:

Impuls

Ein Zeichen der Anerkennung

Einführung: Ängste und Panik

Selbstreflexion: Was macht mir Angst?

Aufgabe: Finden Sie eine Strategie, die aus der Angst herausführt

Tipp: Immer nur ein Tag nach dem anderen

Vertiefung: Angst und Panik sind gut behandelbar

Affirmation

Traumreise »Dankbarkeit«

Erinnerung: Ihr Zeichen der Anerkennung

Kapitel 6:

Impuls

Ein Zeichen der Anerkennung

Einführung: Vielfältige Angebote – Lassen Sie sich helfen!

Selbstreflexion: Welche Unterstützung ist die richtige für mich?

Aufgabe: Finden Sie die passende professionelle Unterstützung

Tipp: Erleichtern Sie sich die Telefonate

Vertiefung: Der besondere Wert der professionellen Hilfe von außen

Affirmation

Traumreise »Ich suche und ich finde«

Erinnerung: Ihr Zeichen der Anerkennung

Kapitel 7:

Impuls

Ein Zeichen der Anerkennung

Einführung: Integration und Verarbeitung

Selbstreflexion: Wogegen leistet mein Herz Widerstand?

Aufgabe: Vom Widerstand zu einem Schritt auf Ihrem Weg

Tipp: Was würde Ihr geliebter Verstorbener dazu sagen?

Vertiefung: Das eigene Leben gestalten

Affirmation

Traumreise »Hebe dein Herz«

Erinnerung: Ihr Zeichen der Anerkennung

Kapitel 8:

Impuls

Ein Zeichen der Anerkennung

Einführung: Erwartungen und Realität

Selbstreflexion: Wie ist meine Situation?

Aufgabe: Wozu dient meine Erwartung?

Tipp: Formulieren Sie einen Wunsch

Vertiefung: Veränderung und Enttäuschung

Affirmation

Traumreise »Enttäuschung und Veränderung«

Erinnerung: Ihr Zeichen der Anerkennung

Kapitel 9:

Impuls

Ein Zeichen der Anerkennung

Einführung: Selbstvorwürfe und Schuldzuweisungen

Selbstreflexion: Was werfe ich mir und anderen vor?

Aufgabe: Überprüfen Sie Ihre Schuldgefühle und Vorwürfe

Tipp: Selbstwirkam sein

Vertiefung: Schuldgefühle, Selbstwirksamkeit und Selbstfürsorge

Affirmation

Traumreise »Der Weg der kleinen Schritte«

Erinnerung: Ihr Zeichen der Anerkennung

Kapitel 10:

Impuls

Ein Zeichen der Anerkennung

Einführung: Weiterleben, weiterlieben

Selbstreflexion: Was mögen Sie an sich?

Übung: Im Licht der Liebe stehen

Tipp: Sammeln Sie schöne Worte

Vertiefung: Eine Bibliothek verschwindet

Affirmation

Traumreise »Liebe fließt weiter, als wir sehen können«

Erinnerung: Ihr Zeichen der Anerkennung

Kapitel 11:

Impuls

Ein Zeichen der Anerkennung

Einführung: Das veränderte Selbst

Selbstreflexion: Mein verändertes Selbst

Aufgabe: Was darf gehen? Was darf kommen?

Tipp: Aus tiefster Seele

Vertiefung: Eine sichere Basis

Affirmation

Traumreise »Eine sinnliche Reise in deine Zukunft«

Erinnerung: Ihr Zeichen der Anerkennung

Noch ein Wort für Ihren Weg

Anmerkungen

Hinweise

Gehen Sie für die Audiodownloads zu den Traumreisen in diesem Buch aufwww.herder.de/extras/und tragen Sie dort die ISBN 978-3-451-60085-2 und Ihre E-Mail-Adresse ein. Im Anschluss finden Sie die Downloads, die Sie als Service auch per Mail erhalten.

Einleitung

Wenn wir einen geliebten Menschen verlieren, kommt unsere Welt zum Stillstand. Die Veränderungen, die auf uns einstürmen, machen uns Angst, lähmen uns oder vermitteln uns das Gefühl von Kontrollverlust. Es geht deshalb in der Zeit der Trauer für Hinterbliebene auch immer darum, die Gestaltungskraft für das eigene Leben zurückzuerobern.

Mit meinem Grundbuch »Das erste Trauerjahr. Was kommt, was hilft, worauf Sie setzen können« möchte ich Betroffene und auch deren Angehörige darin unterstützen, zu verstehen, was ihnen geschehen kann, wenn sie trauern. In diesem Praxisbuch rege ich Trauernde dazu an, sich in kleinen Schritten mit elf wesentlichen Aspekten der Trauer praktisch auseinanderzusetzen. So gelangen sie zurück in die eigene Kraft, das Selbstvertrauen und ihre persönliche Lebensgestaltung.

Im ersten Kapitel befassen wir uns mit der umfassenden Veränderung, die mit dem Verlust eines geliebten Menschen einhergeht. Der natürliche Reflex ist, dass Trauernde oft jegliche Veränderung ablehnen. Mit Selbstreflexionen und Übungen lade ich Sie ein, zumindest einige Veränderungen auch wieder anders wahrzunehmen.

Anschließend geht es darum, dass Sie sich Selbstheilung und Selbstfürsorge angedeihen lassen und wie Sie sich Freiräume dafür schaffen, sodass Sie Ihren individuellen heilsamen Weg gehen können.

In meinen Trauerbegleitungen kommt das Thema Schmerz zu Anfang der Trauerzeit, aber auch später immer wieder auf, denn so verhält es sich mit dem Schmerz: Er ist mal stärker, mal schwächer, mal geht er, aber er kommt wieder und wir müssen lernen, mit ihm zu leben.

Mit der Sehnsucht haben wir uns bereits im Grundbuch intensiv auseinandergesetzt. In diesem Praxisbuch behandeln wir in Kapitel 4 die Sehnsucht gemeinsam mit dem verwandten Thema Einsamkeit und machen kleine Schritte, die uns aus beidem etwas herausführen.

Viele Trauernde leiden unter verschiedenen Ängsten oder sogar Panik. In Kapitel 5 gebe ich einige Anregungen, wie Sie diese nach und nach besser in den Griff bekommen können. Doch hier empfehle ich auch, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, bevor Sie sich lange quälen.

In Kapitel 6 geht es dann ganz praktisch darum, wie wir professionelle Hilfe finden und wie wir uns die Suche erleichtern können.

Wenn Sie vielleicht schon etwas mehr bereit sind, sich dem Neuen zu stellen, können Sie in Kapitel 7 notwendige Schritte für die Integration des Geschehenen machen. Dabei hören wir insbesondere auf unser Herz.

In Kapitel 8 widmen wir uns dem Umgang mit Enttäuschungen in der Trauerzeit, denn ausgerechnet in der Zeit der enormen Belastung erfahren Trauernde häufig, dass ihre Erwartungen nicht erfüllt werden. Das ist schwer zu ertragen und deshalb biete ich Ihnen einige Anregungen, wie Sie damit umgehen können.

Zum Thema Selbstvorwürfe und Schuldzuweisungen, das im Grundbuch nur kurz erörtert wird, gibt es in Kapitel 9 konkrete Aufgaben, durch die Sie sich von dieser Last befreien können.

Weiterleben und weiterlieben, das erscheint Menschen, die einen nahen Angehörigen verloren haben, zunächst unmöglich zu sein. In Kapitel 10 setzen Sie sich mit Liebe und Selbstliebe auseinander und unternehmen wichtige Schritte zur Heilung.

Wenn Sie eines Tages dazu bereit sind, können Sie sich mit den Anregungen und Übungen in Kapitel 11 der Zukunft und Ihrer aktiven Gestaltung Ihres Lebens zuwenden.

Alle Kapitel sind nach einem festen Schema aufgebaut, sodass Sie immer in derselben Weise vorgehen: Zu Beginn steht ein Impuls, ein Zitat, mit dem Sie sich in der Zeit, in der Sie sich mit dem Kapitel befassen, jeden Tag wieder auf das Thema einstimmen. Anschließend werden Sie gebeten, sich selbst ein Zeichen der Anerkennung zu überlegen, mit dem Sie sich später, wenn Sie das Thema bearbeitet haben, belohnen. Der Begriff »Trauerarbeit« kommt nicht von ungefähr: Es bedeutet wirklich anstrengende Arbeit, sich mit diesen schweren Gedanken und Gefühlen zu befassen. Am Ende des Kapitels werden Sie daran erinnert, sich diese Anerkennung auch zukommen zu lassen. Würdigen Sie bitte Ihre Arbeit.

Nach der folgenden Einführung ins Thema, überlegen Sie jeweils in der Selbstreflexion, wo Sie bei der betreffenden Frage stehen. Dann folgt eine Aufgabe oder Übung, durch die Sie sich ganz konkret in der Thematik einen oder einige Schritte weiterbewegen. Danach gebe ich Tipps, die die Umsetzung erleichtern. Mit einer Vertiefung öffnen wir uns für weitergehende Gedanken im jeweiligen Themenfeld. Mit einer Affirmation stärken wir unsere Haltung zum Thema. Die abschließende Traumreise können Sie nutzen, um sich emotional weitertragen zu lassen. Diese können Sie sich auch als Audiodatei herunterladen und anhören (sehen Sie den Link dazu am Ende des Inhaltsverzeichnisses).

Es liegt natürlich ganz bei Ihnen, wann und wie tief Sie sich auf die einzelnen Themen einlassen möchten oder können. Immer wieder betone ich, dass ein Trauerweg stets höchst individuell verläuft; nur die oder der Trauernde kann darüber befinden, was ihr oder ihm guttut. Die Kapitel sind in sich abgeschlossen, sie bauen nicht aufeinander auf, auch die Lektüre des Grundbuchs ist nicht vorausgesetzt. Suchen Sie es sich ganz nach Ihren Bedürfnissen aus, womit Sie sich jeweils befassen möchten. Wenn in einem Kapitel etwas nicht auf Sie zutrifft, gehen Sie einfach weiter. Die Informationen, Impulse und Übungen sind darauf ausgelegt, Ihr Bewusstsein und Ihre Möglichkeiten in einer sehr herausfordernden Situation zu stärken. Überfordern Sie sich nicht, sondern gehen Sie in Ihrem eigenen Tempo und nach Ihrem Gefühl vor.

Auf verschiedene Weise bin ich diesen Weg der Trauer schon zwei Mal gegangen, einmal, als ich als junges Mädchen meine Mutter verloren hatte, und einmal, als mein Lebensgefährte gestorben war. Meine eigenen Erfahrungen sind in dieses Buch ebenso eingeflossen wie die Erfahrungen aus mittlerweile vielen Jahren, in denen ich als Trauerbegleiterin Menschen unterstützt habe, denen ein naher Angehöriger gestorben ist. Es ist eine große Kunst, an Krisen und Schwierigkeiten zu wachsen. Ich habe immer wieder größten Respekt davor, wenn ich erlebe, wie Trauernde ihren heilsamen Weg gehen. Es freut mich, wenn Sie dieses Praxis-Buch dabei unterstützen kann.

Kapitel 1: Alles ist anders – Wie wir der Veränderung begegnen können

Impuls

»Wir haben Angst vor dem Tod, wir haben Angst vor der Trennung, wir haben Angst vor dem Nichts. Wenn wir aber tief schauen, erkennen wir den unaufhörlichen Wandel der Dinge und verlieren allmählich unsere Angst.«

Thich Nhat Hanh

Alles ist anders, nichts ist wie zuvor. Der Verlust Ihres geliebten Menschen scheint Ihr gesamtes Leben zu verändern. Dagegen sträubt sich natürlicherweise alles in Ihnen. Wenn Sie sich nun, heute, morgen, in den nächsten Tagen, näher mit dem Thema Veränderung befassen, fällt es zunächst schwer. Erleichtern Sie sich den Zugang: Nehmen Sie sich für diese Zeit vor, jeden Tag nach einer kleinen Veränderung in Ihrem Leben Ausschau zu halten, die Ihnen willkommen ist. Vielleicht scheint nach einem regnerischen Vormittag nachmittags doch noch die Sonne. Oder auf dem Friedhof kommen Sie mit einer anderen Trauernden, die Sie schon einige Male gesehen haben, ins Gespräch.

Ein Zeichen der Anerkennung

Sie wenden sich nun einem Thema zu, das schwer für Sie ist und Ihnen jeden Tag zu schaffen macht: die vielen ungewollten Veränderungen. Es wird Ihnen guttun, sich bewusst damit zu befassen, doch es kann auch Überwindung kosten. Würdigen Sie diese Anstrengung, die Sie leisten. Überlegen Sie schon jetzt, womit Sie sich selbst zum Abschluss der Auseinandersetzung mit dem »Alles ist anders« belohnen möchten. Vielleicht hat es sogar etwas mit dem Thema Veränderung zu tun? Gibt es etwas in Ihrem Umfeld, das Sie schon lange verändern möchten? Andere Küchenvorhänge? Oder möchten Sie, wenn Sie dieses Thema für sich abgeschlossen haben, ein Kleidungsstück Ihres geliebten Verstorbenen für sich umarbeiten lassen?

Einführung: Was verändert sich durch den Verlust unseres geliebten Menschen?

Alles ist anders. Wir vermissen unseren geliebten Menschen. Unentwegt. Er ist nicht mehr da. Die Folge davon ist, dass wir in ein großes schwarzes Loch fallen. Das ist vollkommen natürlich. Betrachten wir die Funktion unseres Gehirns, so wird es bereits deutlich: Millionen von Synapsen von unseren Gehirnzellen sind eng mit Handlungen verknüpft, die im Zusammenhang mit dem Verstorbenen stehen. Wir stehen im Supermarkt und greifen automatisch nach seinem Lieblingsessen, um es ihm mitzubringen, oder zu Portionen, die auch für seinen Appetit ausreichen. Doch schon wenn wir das Essen in den Warenkorb legen, wird uns bewusst, dass diese Menge oder das ausgesuchte Produkt sinnlos sind. Diese Erkenntnis trifft uns mitten in unser Zentrum und es kann sein, dass wir plötzlich weinend vor dem Kühlregal stehen. Ebenso ergeht es uns, wenn wir nach Hause kommen und die unwiederbringliche Leere spüren oder wenn wir abends alleine zu Bett gehen oder morgens aufwachen müssen. So reihen sich Tag für Tag unzählige Situationen aneinander, die für uns fest mit dem Verstorbenen verbunden sind. Es wird dauern, bis sich diese automatischen Verknüpfungen gelöst haben und die Verbindung zum Verstorbenen auf andere Weise gefestigt ist. Dies belastet uns in vielen kleinen Momenten und zusätzlich grundlegend: Denn wir haben diese neue Realität nicht selbst gewählt, das Schicksal hat sie uns auferlegt und dadurch schwankt unsere vermeintliche Sicherheit, wir hätten das Leben im Griff. Wir sind zutiefst verunsichert. Zudem erschüttert uns der Schmerz über den Verlust immer wieder so stark, wie wir es aus keinem bisher da gewesenen Zusammenhang kennen. In unseren Reaktionen auf all diese Veränderungen meinen wir oft, uns selbst nicht wiederzuerkennen. Wir fragen uns, ob wir eventuell selbst auch ein anderer Mensch geworden sind oder werden.

Selbstreflexion: Was hat sich bei mir verändert? Was fehlt mir?

Wo stehen Sie bei dem Thema Veränderung? Nehmen Sie sich Zeit und schreiben Sie einmal auf, was sich alles verändert hat, und was Ihnen nun fehlt. Sie können die Liste in den nächsten Tagen ergänzen, sobald Ihnen ein weiterer Punkt auffällt.

Es geht nicht darum, ob die Veränderung groß oder klein, wichtig oder nichtig zu sein scheint. Schreiben Sie alles auf, was Ihnen wichtig erscheint, beispielsweise:

Veränderungen in meinem Leben:

Du bist nicht da, wenn ich nach Hause komme.

Dein Telefonkontakt mit Foto steht immer noch ganz oben auf meinem Handy, aber ich kann dich nicht mehr anrufen.

Niemand isst mehr viel zu weich gekochte Eier.

Was mir fehlt:

deine Liebe

auf dich zählen zu können

dein Geruch, deine Wärme

die finanzielle Sicherheit

deine Sorge um mich

unsere Treffen mit unseren Freunden,

sogar deine blöden Witze

und auch dir hinterherzuräumen

Mit dieser Selbstreflexion verschaffen Sie sich einen Ausgangspunkt, die Veränderungen besser ertragen und aushalten zu können. Indem Sie die Veränderungen und die vielfältigen Manifestierungen Ihres großen Verlusts bewusst wahrnehmen und benennen, nehmen Sie ihnen die immer wiederkehrende Wucht der bösen Überraschung. Sie erkennen genau, was geschieht, und können Ihre Gefühlszustände und Reaktionen besser verstehen. Sie werden sich – später, mit der Zeit – sogar ein wenig auf die veränderten Situationen und Begebenheiten ebenso wie auf die Gefühle, die bei Ihnen dadurch ausgelöst werden, einstellen können.

Aufgabe: Überprüfen Sie Ihre Glaubenssätze

Jeder hat zahlreiche Glaubenssätze für verschiedene Situationen in seinem Repertoire. Viele sind bereits in der Kindheit entstanden, andere bilden sich unbemerkt infolge einer Begebenheit oder allmählich heraus und verfestigen sich in uns. Der Verlust Ihres geliebten Menschen bringt Sie in viele neue Situationen. Unbewusst sind Sie wahrscheinlich dabei, auch dafür verschiedene Glaubenssätze zu entwickeln, die sich mit der Zeit verfestigen werden. Solche Sätze können negative Folgen für Sie haben.

Ein Beispiel: Sie könnten aus den ersten Erfahrungen mit der Heimkehr in ein leeres Zuhause nach und nach den Satz »Immer, wenn ich nach Hause komme, trifft mich die Erkenntnis, dass du nicht mehr kommen wirst, bis ins Mark« in sich festschreiben. Das würde dazu führen, dass Sie Angst davor entwickeln, nach Hause zu kommen. Das würde zu weiterer Destabilisierung beitragen. Denn unser Zuhause ist unser Schutzraum, den wir immer dringend benötigen. Nach dem Verlust eines nahen Angehörigen sind wir ganz besonders auf diesen sicheren Ort angewiesen.

Spüren Sie deshalb die Glaubenssätze, die infolge der Veränderungen gerade entstehen, auf. Wenn Sie einen erkannt haben, prüfen Sie ihn. Könnte eine andere Formulierung auch stimmen beziehungsweise stimmig für Sie sein? Probieren Sie es aus. Formulieren Sie den Satz um, bis der Satz – bewusst betrachtet – für Sie die Situation zutreffend beschreibt. Zum Beispiel könnte der Satz treffender lauten: »Wenn ich nach Hause komme, trifft mich die Erkenntnis, dass du nicht mehr kommen wirst, oft/manchmal bis ins Mark.« Oder sogar: »Ich erlebe es ganz unterschiedlich, wenn ich nach Hause komme und du nicht da bist.«

Der nächste Schritt – in diesen Tagen oder später einmal – ist, mutig zu sein und sich vorzustellen, dass Sie schon ein paar Monate weiter in der Zukunft sind. Wie könnte der Satz dann heißen? Vielleicht: »Wenn ich nach Hause komme, fehlst du mir immer noch, obwohl es sich nicht mehr ganz so schmerzhaft und ungewohnt anfühlt.«

Der bewusste Umgang mit Glaubenssätzen schützt Sie davor, unwillkürlich in eine Abwärtsspirale zu geraten. Dieses Bewusstsein eröffnet Ihnen Wege, den Umgang mit der großen Veränderung so zu gestalten, wie es gut zu Ihnen passt. 

Tipps für Ihre nächsten Schritte

Mit welcher Veränderung, mit welchem Gefühl oder Glaubenssatz sollten Sie sich zuerst befassen, was tut Ihnen gut, was hilft und ist geeignet? Ganz einfach: Beginnen Sie bei den Begebenheiten und Gedanken, bei denen Sie etwas Wärme, Nähe, Liebe oder auch reges Interesse spüren.Lassen Sie sich Zeit – genau so viel, wie Sie benötigen. Das gilt übrigens nicht nur für das Thema Veränderung, sondern für Ihren gesamten Trauerweg.

Vertiefung: Sie schaffen sich eine gute Grundlage

Das Leben mit der großen Veränderung, dieses »Alles ist anders« ist sehr verwirrend und anstrengend. Denn wenn tatsächlich alles nicht mehr so wie zuvor zu sein scheint und noch keine neuen Handlungsmuster da sind, befinden wir uns in einer Art Zwischenwelt beziehungsweise Übergangszeit. Das Alte ist nicht mehr und das Neue ist noch nicht da. Dieser Zustand ist sehr schwer auszuhalten. Wir können einerseits verwirrende Gefühle bis hin zu Lethargie und Depression erleiden oder im anderen Extrem auch zu Aktionismus übergehen, damit dieser unangenehme Zustand so schnell wie möglich wieder aufhört.