Kinder in der Trauer - Eva Terhorst - E-Book

Kinder in der Trauer E-Book

Eva Terhorst

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Beschreibung

Abschied, Sterben und Trauer sind Themen, die in der Erziehung oftmals ausgeklammert werden. Dieser Trauerratgeber hilft dabei, mit Kindern ins Gespräch zu kommen, um gemeinsam die Sprachlosigkeit zu überwinden und Trost zu finden.  Jedes Kapitel beginnt mit einer kurzen Geschichte zum Vorlesen, mit deren Hilfe der Einstieg in ein Gespräch leichter fällt. Anschließend folgt jeweils ein Ratgeberteil mit Informationen, Hinweisen und praktischen Hilfen, damit Erwachsene individuell und kindgerecht auf die Trauer des Kindes eingehen und Fragen altersgerecht beantworten können. Dieses Buch ist für Eltern ebenso geeignet wie für Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrerinnen und Lehrer. Verstehen, trösten und ermutigen Eva Terhorst und Tanja Wenz haben langjährige Erfahrungen durch ihre jeweiligen Berufe als Trauerbegleiterin und Krankenschwester. Sie geben grundlegende Informationen zu den einzelnen Aspekten der Kindertrauer und auch der Trauer bei Erwachsenen. Traumreisen, Übungen, Affirmationen und weitere Anregungen unterstützen dabei, Kinder darin zu begleiten, die Erfahrungen von Tod und Trauer zu bewältigen. Sie thematisieren die unterschiedlichen Arten von möglichen Verlusten wie den Tod - eines Haustiers - einer Schulfreundin - nächster Angehöriger - Angehöriger von Freunden - eines Geschwisters oder - von Vater oder Mutter Dieser praktische Ratgeber rüstet Erwachsene mit klarer Orientierung und fundiertem Wissen sowie liebevollen Texten für die konkrete Trauerarbeit aus, damit sich keine bleibenden Schatten auf die Kinderseele legen.

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© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2020

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Satz, E-Book-Erstellung: Newgen Publishing Europe, Leipzig

ISBN (Print) 978-​3-​451-​60086-​9

ISBN (E-Book) 978-​3-​451-​84999-2

Inhalt

Vorwort

1.Wenn ein Haustier stirbt

„Minka, Wuffel oder Pieps ist tot, und nun?“

Louisas geliebte Katze Maxi

Das Sterben ist Teil des Lebens –​ die Erinnerung bleibt

Traumreise: „Wo ist Pfötchen jetzt?“

Affirmation

2.Wenn ein Mensch stirbt

„Nie wieder Opa-​Tag?“

Abschied von Opa

Kindertrauer –​ durch Pfützen hüpfen

Übung: Die eigene Betroffenheit fühlen und zeigen

Traumreise: „Ich treffe dich in der Zwischenwelt“

Affirmation

3.Zwischen Tod und Beerdigung

„Kommt der Opa in den Kühlschrank?“

Opa und der Apfelbaum

Was ist der Tod und was kommt danach?

Affirmation

4.Wenn ein Freund des Kindes stirbt

„Er fehlt mir so!“

Lukas’ Luftballon-​Brief

Persönliche und professionelle Trauerbegleitung

Affirmation

5.Wenn ein Angehöriger eines Freundes stirbt

„Darf ich Tim in den Arm nehmen?“

Ein Freund in großer Not

Eine Heldenreise

Impulse zum Wachsen

Affirmation

6.Wenn ein Geschwister stirbt

„Wir schaffen das als Familie!“

Alle lieben Janik

Gemeinsam trauern –​ ein schwieriges Unterfangen

Übung für die ganze Familie: Was ich alles unbedingt erleben möchte

Affirmation

7.Wenn Mama oder Papa stirbt

„Warum ist der Papa so anders?“

Leas Papa wird nicht wieder gesund

Der Tod kommt nicht immer leise und sanft

Traumreise: „Deine Mama /​ dein Papa“

Affirmation

8.Den Kindern die Trauer zumuten

„Mein Kind soll nicht mehr traurig sein!“

Finn möchte seiner Mama auch Tschüss sagen

Beschützerinstinkt hilft nicht gegen Trauer

Affirmation

9. Was kann noch passieren?

„Papa ist tot. Was passiert, wenn auch Mama stirbt? Muss ich dann ins Kinderheim?“

Auf Tante Conny ist Verlass

Die Angst, alleine zurückzubleiben

Affirmation

10.Jeder trauert anders

„Du musst loslassen und nach vorne schauen“

Cäsar weiß es besser als Mama und Papa

Der Wunsch, ähnlich zu trauern

Übung: Mit der Welle gehen

Affirmation

11.Zu Mut und Weichheit ermuntern

„Du darfst weinen, ich bin bei dir“

Lena ist richtig mutig

Trauer zeigen und mitteilen

Impuls: Authentisch sein

Traumreise: „Stark und schwach“

Affirmation

12.Die Trauer bahnt sich ihren eigenen Weg

„Warum weint mein Kind nicht?“

Lisas Lieblingsfoto

Was Halt gibt

Traumreise: „Mit dem Drachen fliegen“

Affirmation

13.Wann darf ich wieder glücklich sein?

„Oje, ich habe laut gelacht!“

Oma und die Kaninchenbabys

Glück und Freude bleiben

Affirmation

14.Schuldgefühle

„Ich bin schuld!“

Milan im Gedankenkarussell

Schuldgefühle unterdrücken die Trauer

Traumreise: „Der Zauberwald“

Affirmation

15.Anregungen für Aktivitäten zur Trauerbewältigung

Nachwort

Anhang

Beratungsstellen

Literaturempfehlungen

Hinweise

Gehen Sie für die Audiodownloads zu den Traumreisen in diesem Buch auf www.herder.de/​extras/​ und tragen Sie dort die ISBN 978-​3-​451-​60086-​9 und Ihre E-​Mail-​Adresse ein. Im Anschluss finden Sie die Downloads, die Sie als Service auch per E-​Mail erhalten.

Vorwort

Wir freuen uns, dass Sie sich für diesen Trauerratgeber entschieden haben. Er soll Ihnen dabei helfen, mit Ihrem Kind oder Ihren Kindern ins Gespräch zu kommen. So können Sie und Ihr Kind aus der Sprachlosigkeit herausfinden, die kleine wie große Menschen bei einem schweren Verlust, wie dem Tod eines geliebten Menschen oder auch dem eines Haustieres, überkommt. Jedes Kapitel beginnt mit einer kurzen Geschichte, die Sie dem Kind vorlesen können und mit deren Hilfe der Einstieg in ein Gespräch leichter fällt. Anschließend gibt es jeweils einen Ratgeberteil mit Informationen, Hinweisen und praktischen Hilfen, damit Sie individuell und kindgerecht auf die Trauer Ihres Kindes eingehen und Fragen altersgerecht beantworten können. Dieses Buch ist für Eltern ebenso geeignet wie für Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrerinnen und Lehrer, bei deren Arbeit das Thema Tod genauso unausweichlich eine Rolle spielt wie in jeder Familie.

Bei dem Verlust eines geliebten Menschen oder eines sehr ans Herz gewachsenen Haustieres haben wir Erwachsene den Reflex, unser Kind beschützen zu wollen, und kommen schnell an unsere Grenzen, wenn es darum geht, den Tod zu beschreiben. Aber ausweichende Formulierungen und Metaphern wie: „Die Oma ist für immer eingeschlafen“ oder „Die Minka ist jetzt im Katzenhimmel“ sind, wenn auch wohlwollend gemeint, nicht hilfreich. Denn Kinder haben Fragen und möchten verstehen. Unklare Antworten können dazu führen, dass sich in ihrer Fantasie die Ereignisse um den Tod viel dramatischer abspielen, als wenn man ihnen altersgerecht und in Ruhe die Umstände des Todes und die dann folgenden Abläufe erklärt hätte.

Bewusste Trauerbegleitung bei unseren Kindern sollte deshalb möglichst beginnen, sobald sie erstmalig mit Tod und Sterben konfrontiert sind; das ist häufig, wenn ein Haustier stirbt, wenn ein Kind beim Familienspaziergang einen toten Vogel am Wegesrand sieht, wenn es im Bekanntenkreis einen Todesfall gibt –​ oder wenn die eigene Oma oder der Opa stirbt.

In diesem Buch werden Sie mit grundlegenden Informationen zu den einzelnen Aspekten der Kindertrauer und auch der Trauer bei uns Erwachsenen versorgt. Es wird die Unterschiedlichkeit herausgearbeitet, damit Sie Ihr Kind in dieser Ausnahmesituation besser verstehen können und damit Gespräche über das Schwere leichter fallen. Traumreisen, Übungen und weitere Anregungen helfen Ihnen, Ihr Kind darin zu begleiten, die Erfahrungen von Tod und Trauer zu bewältigen.

In den ersten sieben Kapiteln werden die unterschiedlichen Arten von möglichen Verlusten und die kindgerechte Begleitung in solchen Fällen behandelt –​ vom Tod eines Haustiers oder Schulfreundes bis zum Tod nächster Angehöriger. Nach der Geschichte zum Vorlesen gehen wir in jedem Kapitel im Ratgeberteil jeweils auf einen Aspekt kindlicher Trauer besonders ein. Deshalb können Sie für jeden Todesfall auch Anregungen in Kapiteln finden, die nicht gerade die Art Verlust behandeln, die Ihr Kind derzeit erfährt. Ist zum Beispiel ein Schulfreund Ihres Kindes gestorben, können Sie außer Kapitel 4 ebenso Geschichten und Anregungen aus den anderen Kapiteln heranziehen.

In den Kapiteln 8 bis 14 erhalten Sie Orientierung und Unterstützung hinsichtlich besonderer Aspekte des kindlichen Trauerweges; diese werden ebenfalls mit einer Vorlesegeschichte eingeführt. In Kapitel 15 sind Aktivitäten beschrieben, die Sie zur Bewältigung der Trauer mit Ihrem Kind oder auch mit Gruppen von Kindern unternehmen können.

So können Sie –​ ausgerüstet mit klarer Orientierung und fundiertem Wissen über die Trauer bei Ihrem Kind sowie liebevollen Texten für die konkrete Trauerarbeit –​ Ihr trauerndes Kind gut unterstützen, damit sich möglichst keine bleibenden Schatten auf die Kinderseele legen.

1.Wenn ein Haustier stirbt

„Minka, Wuffel oder Pieps ist tot, und nun?“

Louisas geliebte Katze Maxi

Louisa kommt gut gelaunt von der Schule nach Hause und freut sich auf einen schönen Nachmittag. Hund Balou steht schon schwanzwedelnd an der Haustür und erwartet sie. Louisa kuschelt den kleinen wuscheligen Hund und schaut sich dann nach ihrer Katze Maxi um. Doch die ist nicht zu sehen. Sonst sitzt sie immer neben Balou und begrüßt Louisa laut schnurrend. Louisa wundert sich und fragt: „Wo ist denn Maxi heute?“ Mama weiß es: „Sie liegt in deinem Zimmer in ihrem Körbchen und schläft.“

Louisa geht schnell nachschauen. Als sie sich zu Maxi herunterbeugt und sie im Nacken krault, fängt die Katze leise an zu schnurren. „Warum bist du denn nicht an die Haustür gekommen?“, fragt Louisa verwundert. Sie schaut Maxi genauer an und stellt erschrocken fest, dass die Katze dünn und zerbrechlich aussieht. Auch ihr schwarzer Pelz schimmert nicht mehr wie Samt. Das ist ihr bisher noch überhaupt nicht aufgefallen.

Louisa geht in die Küche und fragt: „Was ist denn mit Maxi los? Sie ist so dünn und ihr Fell sieht gar nicht mehr schön aus.“ Mama dreht sich zu Louisa um und nimmt sie in den Arm. „Louisa, Maxi ist schon sehr alt. Sicher liegt es daran.“ Louisa schluckt heftig und fragt: „Vielleicht kann der Tierarzt helfen?“ „Nein Louisa, der Tierarzt kann Maxi leider nicht helfen. Früher oder später wird sie sterben. Wir können es ihr nur so kuschelig wie möglich machen.“ Louisa schaut Mama erschrocken an. „Maxi soll aber nicht sterben, sie ist doch meine Katze!“ Mama nimmt sie auf den Schoß und erklärt: „Älter werden und sterben ist normal. Wir alle werden älter und sterben irgendwann. Nur dass Katzen nicht so alt wie Menschen werden. Maxi ist schon vierzehn Jahre alt. Das ist eine lange Zeit für eine Katze.“

Louisa geht traurig wieder in ihr Zimmer. Maxi liegt immer noch in ihrem Körbchen, und als sie Louisa sieht, fängt sie wieder an, leise zu schnurren. Mama kommt auch hinterher. Sie kniet sich vor das Körbchen und fragt leise: „Na, meine Süße? Willst du heute gar nicht aufstehen und etwas fressen?“ Louisa und ihre Mama holen den Fressnapf aus der Küche und stellen ihn neben Maxi. Den Wassernapf stellen sie dazu. Auch die Katzentoilette füllen sie mit frischer Katzenstreu und lassen sie ganz in der Nähe.

Bis Louisas Papa von der Arbeit kommt, hat Maxi nur ein ganz kleines bisschen von dem Futter gefressen. Louisa erzählt ihm sofort, dass es Maxi nicht gut geht, und zieht ihn in ihr Zimmer. Papa streichelt der Katze langsam über das Fell. „Meine süße Maxi“, murmelt er. Balou kommt auch dazu und legt sich neben Maxis Körbchen auf den Boden. Immer wieder stupst er die Katze zart mit der Schnauze an.

Am nächsten Tag frisst Maxi überhaupt nichts mehr, obwohl Louisa ihr die volle Futterschüssel immer wieder vor die Nase hält. Am Abend stellen sie das Körbchen mit Maxi neben das Elternbett. Maxi soll nicht mehr alleine sein. Mama streichelt Maxi nachts immer wieder über den Kopf und die Katze schnurrt dann leise.

Am Morgen schnurrt Maxi nicht mehr. Mama und Papa schauen ins Körbchen und stupsen die Katze sanft an. Sie liegt eingerollt auf der Decke und bewegt sich nicht mehr. Louisa schaut durch die geöffnete Tür ängstlich zu ihrer Maxi, die so still und leise dort im Körbchen liegt.

Mama und Papa nehmen Louisa in den Arm und erklären traurig: „Maxi ist gestorben.“ Louisa rollt eine Träne über die Wange und sie fragt leise: „Kann ich sie streicheln?“ „Ja, sicher“, nicken ihre Eltern. Louisa kniet sich vor das Körbchen und schaut ihre Katze lange an. Was hatten sie nicht alles zusammen erlebt. Wenn Louisa mal traurig war und weinen musste, dann hat Maxi ihr immer die Tränen abgeschleckt. Das kann sie nun nicht mehr machen. Louisa schluchzt leise und streichelt ihrer Katze sanft über das schwarze Fell. Papa legt Louisa tröstend einen Arm um die Schulter und Mama nimmt ihre Hand.

Später sitzen alle drei zusammen und Mama fragt: „Wollen wir gemeinsam den Abschied von Maxi vorbereiten?“ Louisa findet das eine gute Idee und sagt: „Wir können jetzt schon eine Kerze neben Maxi stellen.“ Papa fragt: „Eine Kerze? Ist das nicht etwas übertrieben?“ Aber Louisa ist sich sicher: „Kerzen sind auch für Tiere gut.“

Also holt Mama eine Kerze und stellt sie neben Maxi. Das sieht schön aus. Das findet auch Papa.

Am späten Nachmittag gräbt er im Garten ein tiefes Loch und Louisa pflückt Blumen. Mama wickelt Maxi in die Kuscheldecke ein. Dann nimmt Papa die Katze und alle zusammen gehen nach draußen. Papa legt Maxi vorsichtig in das Loch und Mama setzt noch die Spielzeugmaus auf die Decke. Damit hatte Maxi immer am liebsten gespielt. Louisa legt eine große rote Blüte dazu. Dann schaufelt Papa das Grab mit der Erde wieder zu. Darauf legt er einen schweren Stein, damit kein Fuchs die Katze wieder ausgräbt. Louisa legt den Blumenstrauß auf das Grab. Mama sagt: „Das sieht hübsch aus, bestimmt würde es Maxi gefallen.“ Papa nickt. Louisa kann nichts sagen. Tränen kullern über ihr Gesicht. Mama nimmt sie in den Arm und hält sie ganz fest. Lange stehen die drei und auch Balou vor dem Grab der Katze. Dann sagt Papa: „Kommt, wir machen einen Spaziergang in den Wald.“

In der nächsten Zeit reden Mama und Papa öfter mit Louisa über Maxi. Was für eine tolle Katze sie war und was sie alles mit ihr erlebt haben. Das ist schön für Louisa. Bei manchen Geschichten muss sie auch lachen. Als Maxi einmal eine Maus mit in das Bett von Mama und Papa gebracht hat, ist Mama vor Schreck fast aus dem Bett gefallen...

Mama sagt, die vielen Erinnerungen kann Louisa keiner nehmen, auch nicht der Tod. Louisa weiß jetzt, dass Maxi immer einen Platz in ihrem Herzen behalten wird. Wenn sie doch mal zu traurig ist, geht sie mit Balou in den Wiesen und Feldern spazieren und erlebt dort so manches Abenteuer mit ihm.

Das Sterben ist Teil des Lebens –​ die Erinnerung bleibt

Wenn die geliebte Katze, das Kaninchen, Meerschweinchen oder der Hund stirbt, ist das für die ganze Familie ­schmerzhaft. Natürlich insbesondere für Kinder, die erstmals ­Sterben, Tod und Trauer begegnen. Vieles ist dem Geschehen und den Gefühlen, die aufkommen, wenn ein Mensch stirbt, durchaus ähnlich. Sie können Ihre Kinder behutsam darin begleiten, zu begreifen, dass der Tod zum Leben gehört.

Ein Platz in der Familie ist nun leer

Haustiere sind für Kinder nahe Wegbegleiter und Freunde. Die Familienkatze Maxi ist sehr alt und gehörte schon zur Familie, bevor Louisa überhaupt geboren wurde. Sie ist ein wichtiges Familienmitglied und hat einen festen Platz, den nur sie füllen kann. Erwachsene unterscheiden meistens in der Schwere des Verlusts, ob ein Mensch oder ein Tier gestorben ist. Eine Unterscheidung, die generell ihre Berechtigung haben mag, aber im Einzelfall tatsächlich nicht wichtig ist. Dann ist es gut, wenn wir uns nur auf den Platz konzentrieren, den dieses Wesen in unserem Leben eingenommen hat und nun leer hinterlässt. Maxi hatte als zuverlässige Trösterin für Louisa große Bedeutung und sie brachte durch ihre Verspieltheit Spaß in die Familie. Louisa lernte durch sie, Verantwortung zu übernehmen, da es ihr nicht nur um das Vergnügen ging, sondern sie war gerne mit zuständig dafür, dass Maxi gut mit Futter versorgt und das Katzenklo immer akzeptabel sauber war. So trug und trägt Maxi in vielfältiger Weise zu Louisas Entwicklung bei. Auch die traurige Erfahrung, dass die geliebte Katze sterben musste, gehört dazu.

Erinnerungen gemeinsam pflegen

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Begleitung des Sterbens der Katze, die Betroffenheit jedes einzelnen Familienmitgliedes und die Bemühungen um die Katze. Nachdem Louisa und ihre Eltern Maxi beerdigt haben, sprechen alle über Maxi und ihre Abenteuer. Gut, wenn wir das auch beim Tod eines Menschen können. Denn auch wenn durch die Erinnerung traurige Gefühle aufkommen, hilft es, sich zu erinnern –​ ganz besonders wenn man es gemeinsam tun kann. Die Gespräche unterstützen Trauernde dabei, den Verlust zu begreifen und in ihr Leben zu integrieren. Das gelingt nicht immer, aber durch den Tod eines Haustieres und den Umgang damit kann diese Erfahrung des Erinnerns dazu beitragen, dass wir –​ unabhängig davon, wie jung oder alt wir sind –​ zukünftig offener mit dem Verlust eines geliebten Tieres oder auch Menschen umgehen.

Die Verbindung bleibt bestehen

Wir sehen unsere Kinder oft als kommunikative, offene und unbeschwerte Wesen, die erst im Laufe der Zeit durch gute und schlechte Erfahrungen geprägt werden und bestimmte Verhaltensweisen entwickeln. Ebenso gibt es auch von Natur aus verschlossene Kinder, die erst durch Begleitung und Unterstützung im Laufe der Jahre lernen, sich zu öffnen und sich dennoch zu schützen. Oft sind ihre Haustiere außer den eigenen Eltern die einzigen oder die ersten, bei denen Kinder Geborgenheit und Trost finden. Wenn ein Haustier stirbt, ist es durchaus natürlich, wenn ein Kind sich nicht so leicht ablenken und trösten lässt, indem es mit seinen Freunden wieder sein gewohntes Spiel aufnimmt. Das Tier war in der Regel selbstverständlicher Teil des Alltags; so ist die Lücke, die der Tod des geliebten Gefährten hinterlässt, ständig gegenwärtig und manchmal schmerzhafter, als wir vermuten.

Da kann es hilfreich sein, wenn wir uns auf eine Traumreise begeben, in der wir uns davon überzeugen können, dass es dem Tier dort, wo es nun ist, gut geht, die Verbindung zwar verändert ist, aber auf ganz besondere Weise bestehen bleibt.

Traumreise: „Wo ist Pfötchen jetzt?“

Liebe Erwachsene, setzen Sie sich mit Ihrem Kind an einen gemütlichen, ruhigen Ort. Es kann sich, wenn es mag, hinlegen und die Augen schließen, so dass es sich vielleicht leichter auf die Reise und in die Vorstellung begeben kann.

Diese Traumreise können Sie sich auch anhören, und sie steht Ihnen als Download zur Verfügung unter:www.herder.de/​extras/​

Du befindest dich am Rande eines großen Sees. Das Wasser ist ganz ruhig, flach und umgeben von einem schönen Sandstrand, an dem sich auch Bäume befinden, die dir Schatten spenden. Du bist barfuß, ganz vorsichtig tunkst du deinen großen Zeh ins Wasser, um die Temperatur zu prüfen. Es ist angenehm. Während du überlegst, tiefer ins Wasser zu gehen, fällt dein Blick auf einen Bootssteg aus Holz. Tatsächlich liegt dort auch ein Ruderboot. Es kommt dir so vor, als ob es auf dich wartet. Etwas erstaunt schaust du dich um, ob wirklich du, und kein anderer gemeint sein könnte. Aber da ist niemand außer dir. Dann soll es wohl so sein, denkst du, und schwupps kletterst du ins Boot, stößt dich mit ganzer Kraft vom Steg ab und beginnst zu rudern. Ganz wie von selbst weißt du, was du tun musst, um voran zu kommen. Bis eben warst du eigentlich traurig und hast an dein Haustier gedacht, das gestorben ist. Es fehlt dir, und außerdem möchtest du dich gerne vergewissern, ob es ihm dort, wo es nun ist, auch wirklich gut geht.

Während du die Ruder schwingst und tatsächlich gut vorwärtskommst, merkst du, dass das Boot ganz von alleine in eine ganz bestimmte Richtung treibt. Tatsächlich kannst du immer genauer eine dicht bewachsene Insel mitten auf dem See erkennen. Merkwürdig –​ eben war die doch noch gar nicht da, oder? Während du noch darüber nachdenkst, kommst du immer mehr an die Insel heran. Auch das Gefühl, deinem geliebten Tier näher zu kommen, wächst, und alles fühlt sich gut und vertraut an. Du hörst Maunzen, Bellen, Fiepen und Tirilieren und du siehst vor dir unzählige Haustiere, die irgendwann jemand sehr liebgehabt hat und an die immer noch sehr liebevoll gedacht wird. So muss zumindest die Erklärung dafür sein, dass diese große Tierschar hier so ausgelassen und fröhlich ist.

Ui, denkst du, die haben es hier ja so richtig gut! Sie sehen allesamt satt, zufrieden und glücklich aus. Sie scheinen sich auch gut untereinander zu verstehen. In einem Baum entdeckst du einen alten zerzausten, aber sehr niedlichen Kater, der neben einem gelben Kanarienvogel auf einem Ast sitzt und sich genüsslich die Tatzen leckt, während er dem Kanari aufmerksam zuhört. Dem kleinen Tweety kannst du ansehen, dass er überhaupt keine Angst hat; er springt vor Freude beim Singen hin und her, so dass der Ast ganz leicht wackelt und der lauschende Kater vor Vergnügen auf und ab wippt. Auch sonst scheinen alle Tiere hier ihren Aufenthalt sehr zu genießen. Du fragst dich, ob dein Tier ebenfalls hier ist und ob du es wohl sehen und sprechen darfst.

Kaum hast du diesen Gedanken zu Ende gebracht, taucht auch schon weiter hinten aus dem Gebüsch dein geliebtes Tier auf und kommt freudig auf dich zu. Beide könnt ihr euer Glück kaum fassen, euch zu sehen, denn ihr habt euch so lieb und total vermisst. Ihr seid erleichtert zu sehen, dass es dem anderen gut geht. Nichts von eurer Verbindung ist verloren gegangen. Du spürst sogar fast deutlicher als früher, wie sehr dich dein Tier liebt und immer geliebt hat. Dein Wegbegleiter ist auch jetzt noch für dich da und es geht ihm gut. Wie schön!

Du fühlst dich ganz benommen von dem vielen Glück und merkst, wie sich all die anderen Tiere mit euch über eure tiefe Freundschaft freuen. Es ist fast so, als würden die Vögel etwas lauter singen, das Bellen ist nicht mehr zu überhören und das Maunzen ist sogar ganz besonders intensiv. So sehr freuen sich alle über eure Begegnung. Nicht oft kommt ein Mensch sein Haustier hier besuchen. Dass du hier bist, ist für alle ein ganz besonderes Ereignis. Das wird dir so langsam auch klar und du verstehst, dass du die Möglichkeit hast, jederzeit wieder hierher zurückzukehren, um Zeit mit deinem und all den anderen Haustieren zu verbringen.

Du setzt dich unter einen schattigen Baum und dein Tier kuschelt sich sofort auf deinen Schoß. Du streichelst es, wie du es immer getan hast, und kannst spüren, wie sehr es deine Nähe genießt. Jetzt kannst du alles erzählen, was du seither erlebt hast, was du gut findest und was dich traurig macht. Hier kannst du nun so lange bleiben, wie du magst, bevor du dich leichten Herzens wieder auf den Heimweg machst. Dir wird warm ums Herz, denn du weißt, dass es deinem Tier gut geht und eure Verbindung, die ihr zueinander habt, niemals abreißen wird.

Affirmation

Die gute Verbindung bleibt bestehen.

2.Wenn ein Mensch stirbt

„Nie wieder Opa-​Tag?“

Abschied von Opa

Nico und sein Opa sind ein tolles Team. Einmal in der Woche haben sie ihren Nico-​Opa-​Tag. Dann machen sie immer verrückte Sachen zusammen. Denn Opa sagt, davon kann man nie genug bekommen. Im Sommer schlafen sie manchmal unter freiem Himmel und schauen sich nachts die Sterne an. Seite an Seite liegen sie dann da und erzählen sich Geschichten, die sie sich ausdenken. Manchmal machen sie auch eine Fahrradtour mit Picknick. Opa packt dann immer die blaue Decke und viele leckere Sachen zum Essen ein. Immer dabei auch eine große Dose mit Apfelstückchen. Diese lieben Nico und sein Opa sehr.

Eines Tages geht es Opa nicht so gut, er hat Schmerzen im Arm und in der Brust. „Heute können wir unseren Nico-​Opa-​Tag nicht machen. Ich habe einen Termin beim Arzt“, sagt er bedauernd.

Am Nachmittag bekommen Nicos Eltern einen Anruf von Opas Arzt. Er hatte einen Herzinfarkt und liegt im Krankenhaus. Nicos Eltern fahren mit Nico noch am selben Nachmittag in die Klinik. Nico nimmt auch eine Dose mit kleingeschnittenen Apfelstückchen mit. Vor Sorgen zappelt er die ganze Zeit im Auto mit den Beinen herum. Wie es Opa wohl geht?

Als die Tür zum Krankenzimmer aufgeht, bekommt Nico einen großen Schreck. Opa liegt im Bett und ist ganz blass. Er sieht so anders aus in dem weißen Krankenhausbett, irgendwie kleiner und ganz zerbrechlich. In seinem Arm steckt eine Nadel, aus der ein Schlauch zu einer Glasflasche führt, die oben an einem Ständer neben dem Bett hängt. Opa zwinkert Nico zu. „Alles halb so schlimm“, muntert er seinen Enkel auf. Doch Nico spürt, dass es Opa nicht gut geht. Sonst sitzt immer ein Lächeln in seinem Gesicht, doch heute nicht. Plötzlich zwickt und zwackt es in Nicos Bauch. Was ist, wenn Opa nicht mehr gesund wird?

„Komm“, sagt Nicos Mama. „Setz dich hier auf diesen Stuhl, neben Opas Bett.“ Sie reden eine ganze Zeit über dies und das, aber nicht über den Herzinfarkt. „Wozu ist der Schlauch in deinem Arm?“, fragt Nico nach einer Weile. Da muss Opa nicht lange überlegen: „Darin sind viele Medikamente für mein Herz. Sie sollen mich wieder gesund machen.“

Als Nicos Eltern kurz in die Cafeteria gehen, um ein Stück Kuchen zu essen, bleibt Nico bei Opa. So haben sie zumindest eine kleine Nico-​Opa-​Zeit. Nico holt die blaue Dose mit den Apfelstückchen aus seinem Rucksack, öffnet sie und hält Opa ein Apfelstück hin. Nun huscht doch ein leichtes Lächeln über Opas Gesicht. Langsam kaut er und nuschelt: „Nico, die Vorliebe für Cox Orange-​Äpfel wird uns immer verbinden.“ Nico grinst und antwortet: „Ja, aber auch die Vorliebe für Abenteuer.“ Dann schweigen sie eine Zeit lang und kauen an ihren Apfelstückchen.

Plötzlich sagt Nico: „Opa, du musst schnell wieder gesund werden, wir wollen doch bei Vollmond im See schwimmen.“ In einer Woche ist nämlich schon der nächste Vollmond im Anmarsch. Das hat sich Nico extra in seinem Kalender notiert. Opa wiegt seinen Kopf hin und her und antwortet leise: „Nico, ich weiß nicht, ob ich bis dahin wieder fit genug bin. Wahrscheinlich gehe ich in eine Rehaklinik, wenn ich aus dem Krankenhaus entlassen werde.“ „Was ist das denn für eine Klinik?“, fragt Nico enttäuscht. „Dort kann ich mich noch besser erholen. Ich werde jeden Tag ein kleines Trainingsprogramm absolvieren. Es gibt viele Ärzte, die auf mich aufpassen und mir dabei helfen, wieder richtig gesund zu werden.“ Nico ist traurig, dass sie mit dem Schwimmen noch warten müssen, aber dann hellt sich sein Gesicht auf und er sagt: „Opa, weißt du was? Ich besuche dich in dieser Rehaklinik, dann machen wir einfach da unseren Nico-​Opa-​Tag.“ „So wollen wir das machen, Junge“, freut sich Opa.

Bald kommen Nicos Eltern wieder zur Tür herein und kurz darauf verabschieden sie sich von Opa. Nico gibt ihm einen Kuss und flüstert ihm zum Abschied ins Ohr: „Ich hab dich lieb.“ Opa antwortet: „Ich habe dich auch lieb, Nico. Sehr sogar. Und ich bin froh, dass wir so viele schöne Sachen zusammen erlebt haben.“

Als Nico wieder im Auto sitzt und mit seinen Eltern nach Hause fährt, denkt er darüber nach, was Opa zu ihm gesagt hat. Irgendwie klang das wie ein Abschied, dabei möchte Nico ihn doch schon ganz bald wieder besuchen.

Er ist so in seinen Gedanken versunken, dass er erst gar nicht merkt, dass irgendwas anders im Auto ist. Doch dann fällt ihm auf, dass Papa gar keine Witze macht wie sonst, und dass auch Mama überhaupt nichts sagt. Das macht Nico Sorgen.

Am nächsten Morgen klingelt das Telefon. Nicos Vater geht dran und wird nach kurzer Zeit ganz blass. Nachdem er aufgelegt hat, flüstert er: „Opa ist gestorben.“ Er nimmt Nico in den Arm, und auch Nicos Mama kommt dazu. Nico ist wie erstarrt und kann erstmal gar nichts fühlen. Er sagt: „Opa kann nicht tot sein, wir wollen doch bald bei Vollmond im See schwimmen!“ Auf einmal sind ganz viele Gedanken in seinem Kopf und rasen durcheinander. Wieso ist Opa gestorben? Sie wollten doch noch so viele Abenteuer erleben. Jetzt können sie das nicht mehr und sie können auch keine Apfelstückchen mehr zusammen essen. Das ist gemein. Sein Herz fühlt sich schwer wie ein großer Feldstein an.

Nicos Eltern setzen sich zusammen mit ihm auf das Sofa. Nicos Papa erklärt: „Opa wäre sicher gerne noch hier bei uns geblieben, aber es gibt Dinge im Leben, die wir nicht selbst entscheiden und auch nicht ändern können.“ Seine Mama nickt dazu. Seine Eltern sehen sehr traurig aus, und Nico würde sie am liebsten trösten, doch er kann nicht. Er ist selbst so traurig.